BEILAGE
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Vorwärtsgor
FREITAG, 20. JANUAR 1933
Werkstudenten erzählen: Welllauf ums tägliche Brot
Reinhold Frischmann:
Ich mache alles
Auf einem furzen Raum wiederzugeben, was man als Werkstudent während 4 Semestern oder 2 mal 365 Tagen durchlebt hat, ist unmöglich. Es tann nur so sein, daß man einzelne Erlebnisse, die für den Werktag eines Werkstudenten bezeich nend sind, herausgreift. Denn der Werkstudent von heute muß mit dem Chamäleon an Bandlungsfähigkeit wetteifern, muß dos Rhinozeros an Dickhäutigkeit übertreffen und dem Wiesel an Geschmeidigkeit nicht nachstehen Sonst versinkt er. Nur wenn er imstande ist, sich Aufgaben anzupassen, die vom Teppichtlopfen und Großreinemachen über das Möbelparken bis zu der Er= flärung homerischer und platoni scher Tegte, oder, auf einer anderen Ebene, vom Trauzeugen bis zum Reisenden für Sargfabriken, vom Schlagerkomponisten bis zum lyrifchen Dichter reichen, fann er hoffen, aber durchaus nicht sicher damit rechnen, daß er oben bleiben wird. Ein paar Beispiele.
10 Studenten werden als Ordner für die Generalversammlung einer Feuer bestattungs- Gesellschaft gesucht: großer Saal, der fich allmählich mit Verbrennungs anwärtern aller Altersstufen und beider Geschlechter füllt. Auf dem Bodium ein paar würdige Herren mit wohlwollender Glaze und einer Schleife im Knopfloch: der Vorstand. Wer beschreibt mein Erstaunen, als sich bald nach Eröffnung der Versammlung herausstellt, daß sich hinter diesen treudeutschen Biedermännern lauter abgefeimte Be= trüger( nach der Behauptung einer Reihe von Rednern) verbergen, die sich an den( häufig nicht eingezahlten) Beiträgen bereichern und ihre Lenden mit schwellendem Fett polstern wollen.
Ein Englisch Lehrer mit mehrjährigem Englandaufenthalt zum Unterricht für 2 junge Kaufleute gesucht: ich setze mich um 17 Uhr in die Straßenbahn, um die zukünftigen Schüler in Reinickendorf - Ost aufzusuchen. Nach zweimaligem Wechsel der Bahn und vielem Erkundigen lange ich an der Peripherie der Stadt an, um feſt= zustellen, daß es die angegebene Straße gar nicht zustellen, daß es die angegebene Straße gar nicht gibt. Schließlich, nach langem Suchen und Herum
fragen erfahre ich, daß der hochwohlweise Magi
strat mehrere neu angelegte Straßen umbenannt hat und daß die X- Straße vielleicht die ehemalige Sonntagstraße sei. Neues Suchen, die Straße führt über ein noch unbebautes Feld. In der Dunkelheit lange ich um 19 Uhr schweißtriefend und mit einem Segensworte auf den Lippen an. Die beiden jungen Leute hatten die studentische Erwerbsvermittlung angerufen und sich erkundigt, was der Entschädigungssag pro Stunde bei zwei Schülern betrage. Man hatte ihnen 3 Mark ge= nannt. Nun hatte aber der eine inzwischen wieder die Lust verloren( oder die Sache war von vornherein abgefartet gewesen) und der andere liebenswürdige junge Mann rechnete mir vor, daß, wenn er allein Unterricht nehme, er( nach Adam Riese ) für die Stunde 1,50 Mark zu bezahlen habe. Ich bedauerte, mich dieser Art von Arithmetik nicht anschließen zu können. Resultat: 3 Stunden Zeit verloren, 85 Pfennig Fahrgeld ausgegeben.
Ein Student zum Teppich flopfen: 1,50 Mark die Stunde. Eine unendlich liebenswürdige alte Dame empfängt mich, bietet mir gleich Frühstück und hinterher ein Glas Malaga an. Antialkoholiker aus Gewohnheit nehme ich doch an und die ungewohnte Erregung mußten die armen Teppiche verspüren. Zum Abschied noch ein Glas Wein, ein paar Eier und belegte Brote mit auf den Weg. Noch Wochen nachher rufe ich mir das herzliche Mitverstehen der alten Dame ins Gedächtnis und tröste mich über manch ungesalzenen Flegel.
Ein Historiker älteren Semesters mit Nachweis mehrerer psychologischer Seminare und Kenntnis der militärischen Nachkriegsliteratur gesucht. Bearbeitung von französi scher und englischer militärischer Literatur der Nachkriegszeit. Heimarbeit. Entschädigung: 50 M. Pauschale. Ich ziehe von der Heeresbücherei mit einer kleinen Bibliothek von Büchern nach Hause. Lektüre, Auszüge, Zusammenstellung des Wichtigſten aus etwa 700 Buchseiten auf 65 Schreibmaschinenseiten. Arbeitszeit 120 Stunden.
Watt's Patentanmeldung feiner Dampfmaschine in gutes Deutsch zu übertragen. Ich erhalte die Arbeit und muß sie über die Osterfeiertage liefern. Tagelanges Mälzen aller zugäng lichen Wörterbücher in Universitäts - und Staatsbibliothek, um die technischen Ausdrücke und die juristische Berklausuliertheit rationalistischen Denfens des Vernunftjahrhunderts in unserem ge= liebten Deutsch von heute verständlich zu machen. Und an den Feiertagen meinte es die Sonne so gut mir mir und meiner Schreibmaschine! EinTheologe zur Uebersehung einer italienischen Streitschrift gegen die Unfehlbar= feits Enzyflifa Pius IX. gesucht. Da ich von der Schwefterfatultät bin und 2 Dante- Seminare nachweisen tann, gewinnt der AuftragBeim geber Bertrauen und ich die Arbeit Möbeltransport verdient man natürlich noch einmal so viel, aber das ist ja auch wichtiger. Die wissenschaftliche Heimarbeit hat mit ber Heimarbeit in der Konfektion im allgemeinen
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wenigstens den Stundenjaz gemeinsam und so half mir die Unfehlbarkeit des Papstes über die Unerbittlichkeit des Hauswirts über 3 Monate hinweg.
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Ein Stenograph mit Debatten schrift, mindestens 250 Silben pro Minute, zur Kontrolle gesucht. Ich komme hin und stelle fest, daß die Stenographistin, die ich kontrollieren soll, nicht vorhanden ist. Der Arbeitgeber erklärt mir, worum es sich handelt Ich hätte im Nebenzimmer, deren Tür ein Vorhang vertritt, die in ein paar Minuten beginnende Verhandlung, welche er als Vertreter des Inhabers eines Vergnügungs= Etablissements mit dessem Akquisiteur( das ist wohl Anreißer") zweds Herabsetzung der Beteiligungsprozente zu führen habe, aufzunehmen. Der Bursche sei sehr gerissen und habe auch sonst alle Eigenschaften, die man haben müsse, wenn man bei einer Tätigkeit von 5 Stunden täglich 31 000( einunddreißigtausend) Reichsmart im Jahre verdienen will. Ich müsse mich aber ganz ruhig verhalten, dürfe mich beileibe nicht durch Husten
usw. bemerkbar machen. Und damit schiebt er mich in das Nebenzimmer hinein, wo ich Papier und Bleistifte auf einem Tisch und das Bild des Erlösers darüber vorfinde Und da klingelt es auch schon, mein Auftraggeber begrüßt den Berhandlungspartner, wie es einem Ehrenmann zukommt. Die Verhandlung beginnt Id: habe niemals so etwas merkwürdiges erlebt. 3weimal breche ich eine Bleistiftspige vor Erstaunen ab Jeder Sah fast beginnt mit einer Beteuerung, wie sehr man den Verhandlungsgegner hochschätze. Und fairness sei nun einmal das Prinzip, von dem man nicht lasse. Aber die andern, man werde zu sehr vertannt, nur mit Mißtrauen verfolgt Schopen= hauer wird beschworen. Aber man opfere sich um der Firma willen, dafür erhalte man ein fleines Douceur, noch weniger zu erhalten bedeute den Ruin. 2500 Marfim Monat, weniger fönne man schon nicht verdienen, man habe sich an einen Lebensstandard gewöhnt, das Auto koste ein sündhaftes Geld. Auch an die Zukunft müsse man denken. Wenn Hindenburg nicht gewählt
würde, befürchte er, der nur einfacher Mann ohne wissenschaftliche Prätentionen sei, das Schlimmste für Deutschland . Kassandra mit belegter Stimme. Auch andere hohe Namen schwirren an mein Ohr und finden ihren Weg auf das Papier. Filmstars, Sängerinnen, Sportnamen von Rang, furz die Creme der heutigen gebildeten Gesellschaft. Dazwischen Weinsorten von ehrfurchtgebietendem Mindestpreis. Und alles so vornehm. Mit Schecks zahlten die Leute..
Anderthalb Stunden dauerte die Unterhaltung. Und dann saß ich 8 Stunder an der Maschine. Die beiden hatten immer übereinander geredet. Wie ein Schindeldach war das 20 Mart friegte ich. Was ist doch so ein Akquisiteur für ein überlegenes Wesen. 31 000 Mart im Jahr. Aber dafür hat er auch einen französischen Namen; das allein bringt ihm 10 000 Mark im Jahr, schätze ich. Wenn er sich ganz gewöhnlich Ermerberich nennen würde, friegte er nicht die Hälfte Noch tagelang schlief ich mit dem Namen auf den Lippen ein. So sind wir nun einmal.
Beim Krautbauern zum Buddeln
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Am schwarzen Brett wurden Stellen angeboten. Studenten tönnen Arbeit finden zur Kartoffelernte. Pro Tag 1,50 M. und freie Sta= tion. Die Zeiten sind schlecht, Geld nötig, also los. Am nächsten Tag saß ich schon in der Bahn. Am Bestimmungsort angelangt, wurde ich von meinem Herrn und Gebieter angesprochen, er hatte seine Leute am Gesicht erkannt. Meine Unterkunft wurde mir gezeigt, die ich mit noch einem Kommilitonen während unserer Saison" teilen follte. 3mei saubere, bunt bezogene Betten, ein freundliches Zimmer mit Waschtisch. Allerhand fürs Land! Ueber unserem Bett der unvermeidliche Wandspruch: Mach dir die Arbeit zur Freude, so wird dir die Ruhe zur Bonne." Na, so war man in seinen neuen vier Wänden, in denen man die Wonne der Ruhe genießen follte. Aber erst mal follte man sich stärken von den Anstrengungen der Reise, wozu auch das, was uns Frische, gute Butter, seit Jahren nicht genossen, aufgetafelt wurde, bestimmt gut geeignet war. Wurst in allen Formen und Farben.
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Dann wurde im Stall gefüttert, es war 6 Uhr,
und als angehender Biehdoktor ließ ich mir's nicht nehmen, mit dabei zu sein Schon von früher her der paar Handgriffe kundig, griff ich gleich mit zu und half der Magd, was ich eigentlich als ,, Kartoffelausmacher" nicht nötig hatte. Das war unser erster Fehler, denn von nun an wurde es uns zur Pflicht gemacht. Das Misten kam dann im Laufe der Zeit von selber mit dazu, meil das eben mit dazu gehört.
Wenn man um 45 Uhr aufstehen muß, dann geht man früh zu Bett, und so versanten wir um 9 Uhr in unseren weichen Federbetten. Am anderen Morgen, als geweckt wurde, merkten wir erst, wie wohl wir uns darin gefühlt hatten. Also raus, wenn's auch noch dunkel ist, brüderlich in die eine Waschschüssel geteilt, das Wasser mit elegantem Schwung zum Fenster hinaus, der Nächste! Hinein in die Schalen und in den Stall. Misten, Füttern, Streuen. Dann Kaffee in ziemlichem Tempo eingenommen, bis 10 Uhr gibts Hunger. Wir hauten nochmals fräftig ein, während der Bauer schon unruhig wurde und aufstand. Los, raus, die zwei braunen Oldenburger vor den Wagen, die
Im Getriebe der Großstadt
Die Universitäten sind Wartehallen für Arbeitslose geworden. Gegenwärtig gibt es bereits 50 000 stellungslose ausgebildete Akademiker. Geht die Entwicklung in der gleichen Art weiter, werden es im Jahre 1935 80 000 und 1940 gegen 110 000 fein. Angesichts dieser Zahlen muß man die Vorstellung vom Studenten gründlich revidieren. Die Zahl derer, die gestützt auf Vaters großen Monatswechsel, in aller Ruhe studieren, wird immer fleiner. Studiengebühren und Lebensunterhalt müssen selbst erarbeitet werden.
Da zieht denn der cand. phil. nach Kollegbesuch, Seminar- und Bibliotheksarbeit um 7 Uhr abends als Salzstangenhändler durch die Stadt. Die Lokale des Berliner Westens, die einst Studenten als zahlende Gäste sahen, werden heute von jungen Akademikern mit dem Ruf„ Salzstangen gefällig!" betreten. Glücklich der, der vor ein paar Semestern als erster Student diesen Nebenerwerb ergriff. Er hat heute seine feste Tour, ist eingeführt bei seiner Stammkundschaft und tommt immerhin auf einen Wochenverdienst von 20 bis 25 M., wenn er täglich bis um 3 Uhr nachts durch die Lokale zieht, und auch mal an einer verkehrsreichen Straßenecke handelt, ohne sich dabei vom Schupo erwischen zu lassen. Die vielen anderen, die nach ihm mit dem großen Korb durch die Weltstadt zu ziehen begannen, haben es schon längst nicht mehr so gut. Ihr Wochenlohn liegt meistens zwischen 10 bis 12 M. Immerhin sind die mit Salzstangen handelnden Studenten noch relativ gut dran. Sie haben eine zwar schwankende aber doch regelmäßige Einnahme. Viel schlimmer geht es all denen, die täglich mittags in die akademische Erwerbs permittlung des Studentenwerks in der Johannisstraße ziehen und darauf warten, eines. der wenigen Stellenangebote durch das Los zu= geteilt zu erhalten. Nachhilfeunterricht war früher der häufigste Nebenerwerb des Werkstudenten und noch heute berichtet manchet in Amt und Würden stehende Akademiker voller Stolz, daß er als junger Student sein Studium durch Nachhilfeunterricht finanziert habe. Diese schönen Zeiten sind vorbei. Die Zahl derer, die ihren Kindern noch Nachhilfestunden erteilen lassen fönnen, wird immer geringer. Und wer nimmt denn noch einen Studenten? Obersekundaner und Primaner find billiger. Wurden noch vor einigen Semestern 1,50 bis 2 M. für die Stunde geboten, so sind heute Angebote von 75 Pf. feine Seltenheit. Danfenswerterweise achtet das Studentenwert darauf, daß für die Stellen, die es vermittelt, feine Hungerlöhne gezahlt werden. Die meisten Angebote sind Gelegenheitsarbeiten, man einmal von den ständigen Ber= tretergesuchen absieht; Vertretungen werden von Studenten, die schon etwas Erfahrung haben,
wenn
taum noch angenommen. Denn treppauf, treppab zu ziehen, um einer Hausfrau einen Staubsauger oder einem Zahnarzt ein Abonnement für den Lesezirkel aufzureden, kostet zwar Zeit und Stiefelsohlen, bringt aber nichts ein. Die gelegentlichen Arbeiten sind mannigfaltigster Art. So waren die hübsch uniformierten jungen Leute, die vor einiger Zeit auf dem Kurfürstendamm und in der Tauenzienstraße standen, den Vorübergehenden einen Zettel in die Hand drückten und dabei die höfliche Anfrage richteten, ob man schon den Champ" gesehen hätte, Studenten, die sich auf diese Weise ein paar Mark und ein Kinobillett verdienten. Nach ein paar Tagen interessierte die Berliner die Frage nach dem Champ nicht mehr, und die Werkstudenten sahen sich alle mittags auf dem Erwerbsvermittlungsamt wieder. Viel be= neidet aus der Schar der Anwärter waren die zwei, die von einem Gutsbesiger für eine Hochzeit engagiert wurden. Für freie Bahnfahrt, freies Essen und ein paar Mark fonnten sie dann mit des Pastors Töchterlein tanzen und hatten auch sonst zur Aufheiterung des gutsbefizerlichen Hochzeitspublikums zu sorgen.
Die guten Kleinbürger der Landstädte rings um Berlin ahnen sicher nicht, daß der junge Mann, der ihnen im Schützenhaus ihres Städtcheris nach vorheriger großer Zeitungsreklame die lebensverlängernde Wirkung eines Ma 1 3= eftrafts oder einer Knoblauchfur mit vielen wissenschaftlichen Ausdrücken beweist, ein cand. med. aus Berlin ist, der sein Staatsexamen aus Mangel an Geld hat hinausschieben müssen. Er ist am Umsatz beteiligt und mit seinen Einnahmen recht zufrieden. Ob die Bürger mit dem Malzertraft auch, enthebt sich seiner Kenntnis.
Das sind ein paar Bilder aus dem Leben des Werkstudenten von heute, hinter denen das Elend einer Generation steht, denen die heutige Gesellschaftsordnung teine Zukunft zu bieten hat. Denn dieses oft recht fümmerliche Leben von Nebenverdiensten ist ja tein Uebergangs= stadium. Nach bestandenem Examen winft feine gute Stellung, die für die ausgestandene Not der Studienzeit entschädigt. Im Gegenteil. Hat der mit Salzstangen handelnde Philologiestudent sein Examen bestanden, dann folgt eine zweijährige, jetzt unbezahlte Tätigkeit als Refe. rendar, und der cand. med. von heute fann als Assistenzarzt zwar auch nicht auf ein Einkommen hoffen, dafür aber hat er die Gewißheit, daß die ärztliche Standesorganisation peinlichst darüber wacht, daß er nicht Knoblauchsaft oder ähnliche Lebenseleriere in Kyritz oder Pasewalt verkauft. Ist es angesichts dieser Verhältnisse verwunderlich, daß die akademische Jugend gegen ihr Schicksal revoltiert?
Kartoffelmaschine angehängt und schon fuhren wir in den nebeligen, grauen Morgen hinein. Eine Viertelstunde Wagenfahrt, wir waren am Ziel. Unsere Arbeit bestand darin, die Furchen mit dem Karst durchzuziehen, damit sich die Maschine nicht verwickelte mit dem Kartoffelkraut. Jeder nahm eine halbe Länge vor und jeder haute mit mehr oder weniger viel Technik darauf los. Nach der zweiten Reihe hatte das morgendlich- frostige Gefühl sich schon in das Gegenteil verwandelt und wir entledigten uns der Röcke. Reihe um Reihe flogen die Kartoffeln aus dem feuchten Erdreich, bis es nach Meinung des Bauern genug war, dann ging es ans Lesen selbst. Das Kreuz war schon ganz beträchtlich beansprucht und wir ,, suchten Vorteile" und rutschten auf den Knien meiter; die Viertelstunde Frühstück wurde durchaus von allen Seiten begrüßt. Die Hände etwas abgerieben und dann ging's an Essen . Jegt sahen wir auch, daß wir schon eine hübsche Reihe Säcke gefüllt hatten. Pro Sad drei Körbe, und jetzt stand schon eine ganze Front in gerader Linie da. Es kann bald geladen werden. Die Viertelstunde ist herum, noch einige Säcke, und der erste Wagen wird ge= füllt. Zwei Mann reichen sich die Hände, ho, hop!, der Sack ist auf dem Wagen. So geht es den ganzen Tag, Mittagessen gibt es abends erst, die Zeit ist zu kostbar. Wir bleiben auf dem Acker, während der Bauer und der Knecht hin und her fahren, um die Kartoffeln abzuladen. Sieben Uhr abends machen wir Schluß auf dem Acker, zwei Wagen mit Kartoffelsäcken werden noch von dem Knecht und den Tagelöhnern abgeladen, wir zwei helfen unter dem Kommando der Magd im Kuhstall. Bis alles fertig ist, ist es halb neun, turz gewaschen, gegessen und rechtschaffen müde ins Bett. Die Ruhe ist uns zur Wonne geworden! Am anderen Morgen beim Aufstehen macht sich das Kreuz bemerkbar, auch am dritten Tag hätten wir's am liebsten an den Nagel gehängt, dann hat es sich daran gewöhnt.
Allmählich werden wir mehr dran genommen, bei leiſem Regen wird nicht mehr ausgesetzt und andere Arbeit verrichtet, nur wenn die Kartoffeln direkt im Kleister liegen, wird notgedrungen aufgehört, die Zeit wird uns abgezogen, wir merken, daß wir die Stunde zehn deutsche Reichspfennige verdienen. Auch beim Abladen sind wir jetzt schon aktiv beteiligt und schwizen Sad um Sack vom Wagen herunter; das ist uns bald vertraut und selbstverständlich. Der Keller füllt sich von Tag zu Tag, mir müssen immer höher auf den über die Kartoffeln gelegten Brettern hinauf. Gebückt tragen wir die Lasten herauf, allmählich kann nur noch einer abtragen, der andere sitzt auf den Kartoffeln und zieht den Sack so weit herauf, wie es möglich ist. Ein entseglicher Gestant steigt einem in die Nase, der von dem ẞulder herrührt, das Schicht um Schicht über die Industrie" gestreut wird. Das Hemd ist naß und klebt am Leibe. In gebückter, gefauerter Stellung wird Sad auf Sack heraufgezogen, mit dem Kopf stößt man öfter als es lieb ist an die Decke. Endlich ist der Keller voll.
Aber unsere schöne Zeit ist vorbei, besser unsere Schonzeit. Wir werden nicht mehr mit Sie, sondern mit Ihr angeredet, beim Essen wird uns bedeutet, daß es weniger Butter auch täte, daß beim Essen zuviel geredet würde, kurz, daß man zum Objekt geworden ist, aus dem man bei möglichst wenig Einsatz möglichst viel herausholt. So geht es vierzehn Tage lang. Zwischendurch war die Dreschmaschine einen Tag im Hof, pro Arbeiter gab es 4 Mart, mir bekamen aber eine Mark und fünfzig wie sonst. Bei Anfrage wird uns gesagt, daß wir auch gehen könnten, das Arbeitsamt biete jeden Tag Leute an. Am lezten Morgen wird ein Heidenlärm inszeniert als wir beim Raffee einige Worte mit dem Hunde sprachen. Da ist es uns doch zuviel, wir nehmen unsere sieben Sachen und fahren der Heimat zu. Wenn wir noch das Zehrgeld abrechneten, da blieb uns faum das Geld für die abgenugten Kleider. Wir waren um eine Erfahrung
reicher.