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Morgen- Ausgabe

Nr. 39 A 20 50. Jahrg.

Rebortion and Berlag: Berlin SW 68. Lindenstr. 3

Ferniprecher 7 Amr Denhoff 292 bis 207 Telegrammabreffe: Sozialbemotrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

DIENSTAG

24. Januar 1933.

Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts....... 15 Pf.

Bezu sbekingungen und Anze'garpreffe fiebe am Schluß bes rebuttionellen Teile

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Sonntag, 142 Uhr, Luftgarten: Berlin bleibt rot!

Militärische Lage

Ein Nachwort zum 22. Januar

In der berühmten Abschiedsnummer der ,, Neuen Rheinischen Zeitung " vom 19. März 1849 liest man folgenden Aufruf der Redaktion:

An bie Arbeiter Köins.

Bir marnen Ench schließlich vor jedem Butsch in Köln . Nach der militärischen Eage Kölns märel 3hr rettungslos verloren. Ihr habt in Elberfeld gesehen, wie die Bourgeoisie die Arbeiter ins Feuer schickt und sie hinterher aufs Riederträch tigfte verräth. Der Belagerungszustand in Köln mürde die ganze Rheinproving demoralisieren und der Belagerungszustand wäre die notwendige Folge jeder Erhebung von Eurer Seite in diesem Augenblid Die Breußen werden an Eurer Ruhe berzmeifeln

Die Rebatteure ber Reuen Rheinischen Zeitung danken Euch beim Abschied für die thnen be­miefene Theilnahme. Ihr legtes Bort mird über oll und immer sein: Emancipation der arbeitenden Klaffe.

Staatsstreich- Pläne

Der Sozialdemokratische Preffedienst schreibt: Am Montag fand zwischen dem Zentrums. abgeordneten Dr. Bell und dem Borsigenden der nationalfozialistischen Reichstagsfraktion Dr. Frid eine Besprechung über die politische Cage statt Die Unterredung, in der insbesondere die Frage der Bildung einer parlamentarischen Regierung erörtert wurde, ist ergebnislos verlaufen. Auch die Besprechungen, die in den letzten Tagen zwischen Nationalsozialisten und den feinen Ceuten" um Hugenberg stattfanden, haben bisher hinsichtlich der Wiederbelebung der Harzburger Front ein greifbares Ergebnis nicht gehabt.

Innerhalb der Reichsregierung ist man unter­deffen eifrig dabei, die Möglichkeiten der Prokla­mation eines Rolstandsrechts des Staates zu prüfen und vor allem zu unter­fuche, wie eine derartige Proflamation mit ver­faffungsrechtlichen Argumenten untermauert wer­den fann. Die Unterredung, die am Montag zwischen dem Reichspräsidenten und dem Reichs­

Die Redaktion der Neuen Rheinischen Zeitung . Die Redaktion der Neuen Rheinischen Zeitung " mar damals Rarl Marg. Karl Marg. Marg hat sich nicht gescheut, die Niederfanzler über die politische Cage" stattfand, läßt lage einzugestehen, die Ueberlegenheit der physischen Kraft auf der anderen Seite an­zuerkennen.

"

Dies scheint uns richtiger und würdiger als der Versuch der Roten Fahne", den 22. Januar als einen Siegestag des Rom­munismus hinzustellen.

Der Borwärts" hat es trotz aller Gegner­schaft als richtig anerkannt, daß sich die KPD . nicht stellte, daß sie die Heraus­forderung nicht annahm, daß sie sich auf eine aussichtslose Kraftprobe nicht ein­ließ. Er hält es aber für grundfalsch. den Arbeitern die die Wahrheit zu Der schmeigen, die Wahrheit, daß die Polizei gestern den Naziaufmarsch auf dem Bülow­play durchgesezt hat, daß die Berliner Arbeiterschaft mit zähnefnirschender But diese Provokation über sich ergehen lassen mußte, und daß infolge dieser gelungenen Kraftprobe der Uebermut der Reaktion ins Grenzenlose gewachsen ist.

Mit welcher Brutalität die augenblicklichen Machthaber diese ,, militärische Lage" aus­nugten, ergibt sich aus dem Ber.cht der ,, Roten Fahne" selbst, wo er auf die Be­fegung Des Karl- Liebknecht - Hauses fprechen tommt. Da heißt es:

311

Inzwischen befeßte ein Bollzeifommando das Karl- Liebknecht Haus. Bom Keller bis zum Boden murde jebe Ede abgesucht. Die Hausmache und ein Rebatteur der ,, Roten Fahne" mußten das Gebäude verlassen. Nur zwei Abgeordnete der KPD . und vier Angestellte durften nach energischem

den Schluß zu, daß die deutschnationalen Barone ich gruntfählich bereits entschlossen haben, das Staatsnofftandsrecht zu proflamieren und den Reichstag ohne Ausschreibung von Neu­wahlen aufzulösen.

Die Frage ist nur, ob dieser Entschluß nur für den Fall eines Konfliktes mit dem Reichstag oder arch dann durchgeführt werden soll, wenn die Nationalsozialisten versuchen sollten, einer Klärung der innenpolifischen Lage durch weltere Ber­fegungen des Reichstags aus dem Wege zu gehen. Die Deutschnationalen erstreben die Proklamation des Staatsnotstandsrechts unter allen Um­ständen. Sie erstreben die Ausschaltung jeder parlamentarischen Kontrolle, um an ihre Stelle die deutschnationale. Kontrolle einer deutschnationalen Regierung zu fehen. So wäre dem deutschnationalen Cliquenwesen, wie wir es jetzt bereits seit Monaten in Preußen unter dem Protektorat Hindenburgs erleben, aud im Reich Tür und Tor geöffnet. Zahlreiche An­

Brotest bleiben. Der Redakteur ber Roten Fahne wird mit in den Rüden gehaltener Ra rabinermündung rausgeführt.

Wie die Hunde wurden die Kommunisten aus ihrem eigenen Hause hinausgejagt! Mit welchem Recht? Mit dem Recht der ,, militäri­schen Lage".

Es hat keinen 3med, den Kopf in den Sand zu stecken Es hat auch feinen 3med, den Lesern der tommunistischen Bresse den Besuch Torglers und Raspers bei

Reichstagsauflösung ohne Neuwahlen

zelchen ſprechen dafür, daß Schleicher allen Crastes Reaktionärer Uebermut

im Begriff steht, den deutichnationalen Gelüften zu folgen und zu entsprechen.

Die Proklamation eines Staatsnotstandsrechts" hat in der Verfaffung teine Grundlage. Sie ift verfaffungswidrig. Wer dennoch seine Hand dazu gibt, treibt Verfassungsbruch. Wie ein derartiges Spiel beginnt, mögen feine Urheber vielleicht miffen, aber nicht wie es enden fann.

Der llebermut der Reaktion ist nach dem 22. Januar ins Grenzenlose gestiegen. Weil Die Polizei die nationalsozialistische Provo lation geschützt hat, sieht sie sich schon am Ziel aller Wünsche!

Der ,, Angriff" schreibt:

Der gestrige Tag hat es bewiesen: Berlin gehört uns! Er hat aber auch gezeigt, daß

,, Berlin gehört uns"

Der ,, Angriff vom Montag

,, Der SA.- Mann beherrschte die Straße...

Schleicher zu verschweigen, nachdem man in einer Konferenz mit bürgerlichen Bressevertretern lang und breit von diesem Besuch erzählt hat. Es hat überhaupt feinen 3med, die Wahrheit zu, verschweigen. Und es ist auch alles andere als ,, marristisch", die Wahrheit zu verschweigen.

Die Wahrheit ist, daß scheinrevolutionäre Kraftphrasen gegenüber realen Machtrer hältnissen nichts sind, und daß diese realen Machtverhältnisse nur durch die Einigkeit

der Arbeiterflasse und durch eine vernünftige Arbeiterpolitif per ändert werden können.

Der Einigkeit der Arbeiterklasse soll die große Rundgebung dienen, die die Sozialdemokratische Partei am nächsten Sonntag im Luftgarten veranstaltet. Diese Woche aber soll der Vorbereitung, der Pro­paganda dienen! Trog 22 Januar, Melcher Polizei und Hitler- Garden:

Berlin bleibt rot!