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ERSTE BEILAGE

Vorwärts

Polizeibeamte- und nicht Refruten!

Bekenntnis des Polizeiverbandstages zur Republik  

Schon die Begrüßungsansprachen auf der Tagung des Verbandes preußischer Poli zeibeamten hatten die tiefe Erregung wiedergespiegelt, von der die Polizei­beamtenschaft durch die Experimente nen­preußischer Staatsführung ergriffen wor­den ist. Der Abwehrwille gegen alle Kräfte, die den Polizeibeamten zum Rekruten herabwürdigen möchten, kam besonders wirkungsvoll durch den minuten­langen Beifallssturm zum Ausdruck, der den Worten

des sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten Simon fulgte. Genosse Simon hatte sich leidenschaftlich für die staatsbürgerlichen Rechte der Polizeibeamteu eingefest und gefordert, daß die preußische Polizei weiter ein

ein neues Bekenntnis zur Verfassung von Weimar  ab, die den Arbeiter in den Staat eingeordnet und die Einheit des Reichs gerettet habe. In der Regierungszeit der Weimarer Koalition wurde in Preußen das gewaltige Werf der Neugestaltung der Polizei und der Polizeigefeggebung gefchaffen, was an gesichts des Druckes der früheren., Feindmächte" nicht ganz einfach war.

Das Werk wurde geschaffen in inniger Zu­sammenarbeit zwischen Berufsverband, Par­lament und Regierung.

Der Redner wandte sich scharf gegen die Absichten das Wahl- und Koalitionsrecht der Polizei­beamten einzuschränken.

Die Polizei sei der Waffenträger bes preußischen Bolkes Das verpflichte die Polizeibeamten auch gegenüber der Bevölkerung. Die Polizeibeamten müssen der Zivilbevölkerung, vor allem aber der Jugend, ein Vorbild sein.

Selbstmord einer Studentin Die Nachmittagsfizung wurde ausgefüllt mit der

In einem Hause in der Uhlandstraße spielte sich gestern nachmittag eine erschütternde Selbstmordtragödie ab. Aus dem Flurfenster des fünften Stockwertes sprang eine 17jährige Studentin auf den Hof hinab, wo sie mit zerschmetterten Gliedern liegen blieb. Das junge Mädchen hatte seine Mutter zu dem im Hause wohnenden Arzt begleitet. Während der Kon­jultation entfernte sich die Tochter heimlich aus

Debatte über den Geschäftsbericht. Die Debatte bewies, daß die Polizeibeamten auch etwas von Politik und Wirtschaft ver= stehen. Mehrere Redner geißelten mit scharfen, aber fachlichen Worten das hilflose kapitalistische

Wirtschaftssystem und forderten die schnellste In­angriffnahme des 11 mbaues unserer Wirtschaft.

Die Polizeibeamten verlangen bei höchster Pflichterfüllung aber auch, daß man ihr Leben nicht unnötig aufs Spiel jetzt.( Zwischen­rufe: Bülowplatz  , Stettin  !)

Vor allem erwarten die Polizeibeamten, daß im Jahre 1933 die ,, autoritäre" Regierung wieder abgelöst wird durch die parlamentarische Staatsführung. Mit aller Entschiedenheit wandten sich sämtliche Diskussionsredner gegen die Absichten gewisser Kreise, das Koalitions und Wahlrecht der Polizeibeamten einzuschränken. Klage wurde auch darüber geführt, daß einzelne Offiziere der Schutzpolizei seit dem Beginn des ,, neuen Kurses" die Polizeimannschaften wieder wie in der Vorkriegszeit als Refruten be­trachten, die man nach Belieben drillen und schifanieren könne. Die Wortführer aller Gaue bekannten sich immer wieder unter dem Beifall des Verbandstages freudig zur Republik  .

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Der Sigungssaal des Reichswirtschaftsrates war für die Tagung durch große schwarzrot= goldene Banner und durch Fahnen in den Farben Preußens und der Reichshauptstadt ge= schmüdt.

dem Wartezimmer, begab sich zum fünften Stod- Die große Rotter- Pleite Banfichulben, die zum großen Teil von miß­

werk hinauf und sprang in die Tiefe. Das Motiv zur Berzweiflungstat der Jugendlichen ist noch ungeklärt.

Auf dem Städtischen Biehhof in der Ihaerstraße erhängte sich ein dort seit Jahren angestellter Kontrolleur. Als die Tat entdeckt murde, mar feine Hilfe mehr möglich.

Bollwerk der Republit bleibt. Die weiteren Reden zeigten, daß die großce Mehrheit der Polizeibeamten nach wie vor tren zum republikanischen Volksstaat steht. Die Vertreter der neuen ,, autori tären" Regierung werden mancherlei aus der wertvollen Debatte haben lernen können!

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In seiner Eröffnungsansprache betonte der stell vertretende Vorsitzende Bre bed als besonders erfreulich, daß zu der Tagung auch Vertreter der Polizei im abgetrennten Saarland   und aus Danzig   gekommen wären, um hier ihre Ver­bundenheit mit dem deutschen   Vaterland neu zu bekräftigen. Auch die Holländer Polizei­beamten, die seit langem mit ihren deutschen  Kollegen ein enges Kameradschaftsverhältnis unterhalten, hatten einen Vertreter entsandt.

Ministerialrat Graeser, der für den nicht erfchienenen Reichstommiffar Bracht sprach, er flärte, daß dem Denunziantentum( das bekanntlich unter dem neuen Kurs in widerlicher Weise groß gezüchtet worden ist, Reb. d. B.) entgegengetreten werden solle. Herr Bracht wolle feine Wetter­fahnen, sondern treue Männer. Gesinnungs­schnüffelei und Spizeltum molle auch er in der Bolizei bekämpft sehen. Auf die großen, die Beamtenschaft in so startem Maße erregenden Fragen ging der Vertreter der Regierung wohl­meislich mit keinem Wort ein. Auch er mußte zugeben,

daß die preußische Polizei sich in ihrem Auf­bau durchaus bewährt hat,

und er meinte deshalb, Reformen tönnten nur auf der Grundlage des Geschaffenen vorgenommen werden. Es war verständlich, daß auf Grund dieses Ausspruches mehrere Redner später aus= führten, man frage sich, aus welchen Gründen denn dauernd mit der Polizei und besonders mit der Schutzpolizei   Experimente gemacht wür den. wenn man auf der anderen Seite zugestehen müsse, daß der Polizetapparat in Ordnung sei und glänzend funktioniere.

Für den Deutschen Beamtenbund sprach der Bundesvorsitzende Flügel dem aus Krankheits­ursachen zurückgetretenen Verbandsvorsitzenden Schrader für seine hohen Verdienste um das Berufsbeamtentum und die Organisation der Polizeibeamten unter dem Beifall der Delegierten Worte des Dantes aus.

Es ist die Aufgabe dieser Tagung, dem Verband einen neuen Vorfizenden zu wählen. Als aussichtsreichster Kandidat gilt der frühere Kom mandeur der Schutzpolizei  , Heimannsberg  , der erst aus seinem Amt getrieben wurde, um später auch von Herrn Bracht bescheinigt zu er= halten, daß er außerordentliche Verdienste um die Berliner   Polizei hat Die Beratungen des Verbandstages werden sich über mehrere Tage er streden

Der Verbandsvorsitzende Brebed gab den Rechenschaftsbericht. Er legte für den Berband

Haftbefehl und Steckbrief

Auf Antrag der Berliner   Staats anwaltschaft ist gegen die perantwortlichen Inhaber des größten Berliner   Theaterkonzerns, die Brüder Alfred und Friz Rotter, Saftbefehl erlassen worden und Steckbrief megen Kontursverbrechen, Anstiftung zu Konkurs­vergehen und Untreue ergangen.

In dem Steckbrief mird den Brüdern Rotter ut. a. ein zu hoher persönlicher Aufwand vorge= morfen Tatsächlich sollen die Rotter Villen häufig der Schauplag großer Feste gewesen sein. Die zahlreichen Autoren und vielen Schauspieler, die mit den Rotters zu tun hatten, waren, wenn lange Verhandlungen in der Rotter- Billa   stattfanden, stets Gäste der Familie. Auch in den großen Hotels pflegten die Brüder Rotter besonders nach Bremieren große Feste zu geben, zu denen sie Hunderte von Personen einluden.

Dieser Aufwand wurde vertan, trozdem der Rotter- Konzern wie fich jetzt herausgestellt schon seit Jahren innerlich faul war. Schon seit Jahren hatten die Rotters hohe

hat

glüdten Börsenspekulationen herstammen. Sie sollen im Laufe der letzten Jahre mehr als eine Million Mark betragen haben. Als Unterlage für Bankkredite, die den Rotters trog aller finanziellen Schwierigkeiten immer wieder zur Verfügung standen, soll ein starker Effektenbesiz gedient haben.

Der gegenwärtige Aufenthalt der Rotters ist bisher nicht bekannt. Es heißt, daß sich beide zur Zeit in der Schmeiz aufhalten.

Die Nepperkolonne

Falsche Pfandscheine

In den letzten Tagen haben wieder Betrüge­reien mit gefälschten Pfandscheinen in recht erheblichem Umfang zugenommen, bei denen eine Kolonne darauf ausgeht, insbesondere leicht­gläubige Frauen um oft erhebliche Gelder zu prellen.

Die Frauen wurden an verschiedenen Tagen in der Nähe der Pfandtammer von einem

Wieder strenger Frost!

Abends bereits 11 Grad Kälte

Abermals ist ein großer Teil des Reiches von einer neuen Kältemelle überflutet worden. Polare Luftzufuhren und sehr falte Luftströme aus dem nördlichen Rußland   haben überall die Temperaturen starf zum Sinfen gebracht. Be sonders in Berlin   hat die Kälte in wenigen Stunden um 6 Grad zugenommen. Während am Bormittag noch verhälntismäßig leichter Frost herrschte und vereinzelt etwas Schnee niederging, fiel das Thermometer in den Abendstunden ganz rapid. Um 19 Uhr wurden in der Innenstadt 10 bis 11 Grad und in den Außenbezirfen fogar 12 bis 14 Grab Kälte gemessen. Nachts ging die Quedsilbersäule noch weiter her­unter. Der heftige Kälteeinbruch hat einen Teil der Gewässer innerhalb Berlins   und an der Peripherie, die infolge der Strömung eisfrei ge­worden waren, erneut mit einer Eisdecke über­30gen. Enten und Schwäne waren wieder in mehreren Fällen die Sorgenfinder" der Berliner Feuerwehr. Die Tiere waren eingefroren und mußten von den Feuerwehrleuten gerettet werden.

Aus allen Eden und Enden des Reichs tommen gleichfalls Nachrichten, die die Aus­wirkungen des neuen Kälteeinbruchs fennzeichnen.

Schneeorkan

Im Riefengebirge herrschte in ben ver­gangenen Tagen, besonders in den höheren Lagen, größte alte und heftiger Sturm, der zettmeise mit Windstärke 10 bis 11 beinahe den Auf Charafter eines Ortans annahm. dem östlichen Teile des Kamms waren 16 Grad Kälte. Außerdem hat der Sturm große Schneeverwehungen verursacht und zu meterhohen Schneewehen geführt. Der herrschende Schneesturm hat ein Opfer gefordert Zwei Sti läufer wurden von einem Prager Arzt entfräftet und bewußtlos auf der Strede aufgefunden. Eine

fofort ausgesandte Hilfserpedition brachte den einen noch lebend in das Krankenhaus Don Hohenelbe, während der zmeite erst in ben Morgenstunden als Leiche geborgen werden fonnte.

Zu Fuß über die Elbe  

Die Schiffahrt auf dem Nedar ist, wie aus Heidelberg   gemeldet wird, wegen des Frostes, der in der vergangenen Nacht im Neckar­tal stellenweise 10 Grad unter Null erreichte, ein­gestellt worden. Während der obere ungeftaute Teil des Flusses startes Treibeis führt, tragen auf den beiden eigentlichen Kanalstreden zwischen Heidelberg   und Mannheim  , wie auch in der Nähe der Staumehre schon größere Strecken geschlossene Eisdecken.

Die Eisbildung im hamburger Hafen. bereitet der fleinen Schiffahrt bereits beträcht liche Schwierigkeiten. Sechs ftaatliche Eis= brecher find während des ganzen Tages damit beschäftigt, das neugebildete Eis aufzubrechen und die zusammengetriebenen Eismassen in Bewegung zu halten. Auf der Unterelbe überwiegt das Treibeis. Die Oberelbe ist bei Geesthacht   zuge­froren, so daß man' zu Fuß von einem Ufer zum anderen gelangen kann.

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Der Elbe Irane anal ist für alle Fahrzeuge gesperrt worden. Das Eis war so star? geworden, daß die Fahrtrinne nicht mehr von den Eisbrechern offengehalten werden konnte.

Infolge der Eisschwierigkeiten im Husumer  Wattenmeer mußte der Dampfschiffsverkehr nach den Inseln Nordstrand   und Pell­morm eingestellt werden. Während der Ver: kehr von Husum   nach Nordstrand   über den Nord­strander Damm möglich ist, wurde zur Aufrecht­erhaltung der Verbindung zwischen dem Festland und Bellworm ein Flugzeug angefordert.

DIENSTAG, 24. JANUAR 1933

Mann angesprochen, der ihnen einen Pfandschein zum Kauf anbot. Meist waren es Handelsfrauen, die auf der Pfandkammer irgend etwas erstehen mollten. Der Betrüger bot jezt einen Schein an, der über einen prachtvollen dreifarätigen Ring oder etwa über ein Perlenfollier im Werte von etwa 3000 M. ausgestellt war, für das der Pfandieiher immerhin 300 M. gegeben hatte. Gewöhnlich zögern die Frauen, weil sie manchmal nicht soviel Geld bei sich haben. Die Burschen arbeiten mit dem Track, daß plötzlich ein Mann hinzukommt, der sich als Händler ausgibt und bedauert, den merinollen Schein nicht kaufen zu dürfen. Man redet nun auf die Frau ein. In zahlreichen Fällen haben die Frauen noch Geid von Hause geholt, um den Schein zu kaufen. Mit dem Händler zusammen, der das Objekt später eventuell erwerben wollte, machte man sich ge= meinsam auf den Weg zur Pfandleihe, um das Schmuckstück einzulösen, nachdem der Anbieter schon den jeweiligen Betrag für den Schein be kommen hatte. Für die Burschen war es natür­lich eine Kleinigkeit, die Frauen unterwegs zu versetzen. Wenn diese dann zu der Pfandleihe hinkamen und den Schein vorlegten, stellte es sich heraus, daß er gefälscht war.

Herzschlag im Flugzeug

Aus 9000 Meter abgestürzt

Paris  , 23. Januar. Bei einem Bersuchsflug der Flugzeugwerke von Penhoel bei St. Nazaire   stürzte das Flug­zeug aus 9000 Meter Höhe ab. Der Flieger wurde tot geborgen. Der Kontrollausschuß, der dem Unfall beiwohnte, nimmt an, daß der Flieger einen Herzschlag erlitten hat, da man ohne jeden ersichtlichen Grund das Flugzeug spiralen­förmig abstürzen sah, ohne daß der Flieger den Versuch gemacht hätte, die Maschine wieder auf­zufangen.

Menschenfeindlicher Wirt Blinder aus seiner Wohnung heraus

Auch vor dem tragischsten aller menschlichen Gebrechen, der Blindheit, machte die Rücksichts­losigkeit eines Hauswirtes nicht Halt.

In einer fleinen, finsteren, nicht heizbaren Hofwohnung des Hauses Heidelberger Straße 75/76 fristeten die Eheleute N. seit Jahren ihr freudloses Leben. Der Mann vol1­ständig erblindet, die Frau schwer und unheilbar frank und auf der rechten Seite völlig gelähmt. Aber damit noch nicht genug. Der Sohn ist seit Jahren arbeitslos und be­wohnt mit Frau und zwei kleinen Kindern das eine ist ein Jahr alt, das andere fünf Wochen

eine Laube. Im Sommer ging es, aber in der kalten Jahreszeit hielt es die Frau nicht aus; sie wurde frant. Kein Hauswirt aber nahm den Arbeitslosen auf. Da frochen die kranken, alten Eltern in das Vorzimmer und überließen den Jungen ihre einzige Stube. Schon lange mar der arme Blinde, dieser hilflose stille Mensch, der niemandem etwas tat, dem Herrn Hauswirt ein Dorn im Auge. All die arbeitslosen Herr­schaften" wollte er los sein und suchte fortwährend nach Gründen. Bei dem Blinden war es schwer, denn der bezahlte pünktlich seine Miete. Aber er hatte noch einen ganz kleinen, artigen Hund, und der störte" den Hauspascha. So strengte er wegen des harmlosen Tierchens eine Räu­mungsflage an. Als er vor Gericht fein Recht erhielt, schmoll ihm erst recht die Zornesader. Nun gings gegen die Mitwohnerschaft des Sohnes. Die Leute waren auf einmal schrecklich laut. Mit der Zeit gelang es dem Birt tatsächlich, die Er­mittierung durchzusehen. Als sich die Leute nach einer Tauschwohnung umfahen, lehnte der Wirt alle Tauschpartner ab und gab den Hauswirten noch obendrein die schlechteste Auskunft. Hätte fich nicht eine Bekannte in letzter Stunde der Leute angenommen, dann säßen jetzt ein alter Blinder und eine schwerkranke Frau mit ihren Angehörigen auf der Straße.

Der erste Schmetterling

Nachdem wir fürzlich von den ersten lebenden Maitäfern berichten fonnten, brachte uns jetzt ein Borwärts"-Lefer als vorzeitigen Frühlings­boten einen Schmetterling, der vollkommen ausgewachsen ein besonders schönes Eremplar der Fuchsschwanz"-Gattung darstellt.

Neue Anfänger- Sprachfurfe in Englisch  , Fran­zösisch und Span ich beginnen demnächst die Freunde der internationalen Kleinarbeit"( Fre­dika). Besondere Erwerbslosenkurse werden ein­gerichtet. Auskunft erteilt die Geschäftsstelle: Sur­straße 32. Telep' on: Merkur   2196

Nachtwanderung durch die vergessenen Winkel All- Berlins Die nächste Wanderung veranstaltet das Bezirksamt Echöneberg am Mittwoch, dem 25. Januar 1933, unter Leitung des Schriftstellers Georg Bamberger. Treffpunkt: 20 Uhr im Ephraimhaus, Poststr. 16, Ecke Mühlendamm. Teilnehmergebühr 1 M.