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Morgen- Ausgabe

Nr. 47 A 24 50. Jahrg.

Rebortion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Sermiprecher A7 Amt Donhoff 292- bis 297 Telegrammabreffe: Sozialdemokrat Berlin

SONNABEND

Vorwärts=

BERLINER

VOLKSBLATT

28. Januar 1933

In Groß Berlin 10 Pf. Auswärts....... 15 Pf.

Bezucsbedingungen und Anzeigenpreife

fiehe am Schluß bes reduktionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Wollt ihr den Staatsstreich

Wollt ihr Hitler?

Wollt ihr Raub der Volksrechte?

Nein!

Dann morgen in den Lustgarten

Massen heraus!

Dienstag Reichstag

Heute Sturz Schleichers?

Der Reichstag tritt am Dienstag zu­jammen, um die feit langem fällige Regierungs­erklärung entgegenzunehmen. So hat der Aelteften­rat am Freitag beschlossen.

Bor Eintritt in die Tagesordnung brachte Prä­fident Göring dem Aeltestenrat ein Telegramm der mitteldeutschen Industrie zur Kenntnis, in dem die Mahnung ausgesprochen wurde, im Intereffe der Wirtschaft alles zu tun, um weitere politische Be­unruhigung zu verhindern. Dann richtete er die mit stiller Heiterfeit aufgenommene Frage an die Fraffionsvertreter, ob jemand eine nochmalige Beränderung des Termins vorschlage, und als feiner dieses Odium auf sich nehmen wollte, verkündete er, daß es bei dem 31. 3a­nuar bleibe. So weit wären wir also.

Es sollen am Dienstag zunächst ohne Debatte eine Anzahl von sozialpolitischen Abmachungen mit dem Ausland erledigt werden. Dann soll der Reichskanzler das Wort zu einer Erklärung nehmen. Der Beginn der Aussprache, für die jeder Fraktion drei Stunden zur Verfügung ftehen follen und in der für die Sozialdemokratie als erffer£ öbe spricht, ist auf Mittwoch, den 1. Februar, 2 Uhr, festgesetzt. Die kommunisten blieben mit ihrem Anfrag, nur die Abstimmung über die Mißtrauensanfräge vorzunehmen, allein. Selbstverständlich werden die von Sozialdemokraten und kommunisten eingebrachten Mißtrauensvofen ebenso wie eine Reihe von anderen Anträgen mit der Aussprache verbunden.

Voraussetzung dafür ist, daß eine Re­gierung vorhanden ist, die eine Er­flärung abgeben kann! Man rechnet damit, daß Herr von Schleicher heute zurücktreten werde, man rechnet auch damit, daß am Dienstag auf dem Stuhl des Reichskanzlers nicht Schleicher , sondern Herr von Papen siten werde!

Tagesordnung für die Dienstag- Sigung des Reichstags festzusehen. Eine Mehrheit der Frak­tionen sprach sich jedoch unbedingt dafür aus, daß der Reichstag am Dienstag auf jeden Fall, wenn auch mit anderer Tagesordnung, zusammen­trete.

Der gegenwärtige Reichskanzler von Schleicher wird den Reichspräsidenten am Sonn­abend mittag ersuchen, ihm für den so gut wie feststehenden Fall. daß die Regierung keine Mehrheit findet, die Auflösungsorder zur Verfügung zu stellen. Wird Herr von Hindenburg diesem Ersuchen entsprechen? Personen und Stellen, die gut unterrichtet sein könnten, sa gen nein. Dann würde der Reichskanzler seinen Rüdtritt erflären und an seiner Stelle würde berufen werden ja mer? Hitler , Papen, Schacht oder wer sonst?

Gestern wurde mit aller Bestimmtheit versucht, daß der Reichspräsident Herrn von Papen abermals als Chef eines Minderheitskabinetts be­rufen werde. Dabei ist noch unflar, ob ein solches

Kabinett die Tolerierung der Nationalsozialisten erhalten würde, oder ob es fofort zur Erklärung des Staatsnotstands" greifen würde. So stehen wir vor einer ganzen Reihe von Mög­lichkeiten, zu denen auch noch die einer Auf­lösung des Reichstags vor feinem Zusammentritt fommt. Sie alle find im Grunde genommen in gleicher Weise alarmierend. Sie alle erfordern insbesondere von der Arbeiterschaft angespannteste Aufmerksamkeit und eine fampfentschloffene Borberei. fung für tommende Dinge.

*

Die Harzburger verhandeln eifrig unter­einander. Gestern hat abermals eine Besprechung zwischen Hitler und Hugen­ berg stattgefunden.

Wie verlautet, werden heute Hugen­ berg und Papen gemeinsam dem Reichspräsidenten Hitler als Reichs­

kanzler vorschlagen!

Warnung vor dem Staatsstreich!

Volk schütze dein Recht!

Um den greisen Reichspräsidenten wird ein nichtswürdiges Spiel gespielt. Un redliche Menschen wollen diesen redlichen Mann zu Handlungen verleiten, die nicht nur gegen Verfassung und Strafgesez verstoßen, sondern auch, politisch betrachtet, ein Frevel am deutschen Volke find. Der Reichspräsident soll einem politischen Abenteurer das Reichskanzleramt übertragen und diesem Bollmachten verleihen, die mit der Ver­faffung unvereinbar sind. Man fordert damit vom Reichspräsidenten etwas, was er nicht geben fann. Denn rechtlich find solche Boll­machten null und nichtig.

Ein vom Reichspräsidenten zum Reichs­Der Heltestenrat ist für diesen Fall übereinge. fanzler ernannter Abenteurer fann z. B. ein tommen, in einer neuen Sigung eine andere Berbot einer bestimmten Partei

aussprechen und es durchsetzen, soweit er die Macht dazu hat. Die verbotene Partei wird weiterbestehen und zwar le galer, nicht illegaler Weise, denn illegal wird nicht sie, sondern das gegen fie ausgesprochene Verbot sein.

Ein Abenteurer an der Spize der Reichs­regierung fönnte den Reichstag auf­lösen, ohne eine Neuwahl aus­zuschreiben und fortab die Gesetzgebung unter Berufung auf den Art. 48 erledigen. Aber die Berufung auf den Art. 48 wäre von diesem Augenblick an rechtlich unzulässig. Man fann nicht einen Artikel der Verfassung gleichzeitig anwenden und brechen. Nach dem Art. 48 untersteht das Verord­nungsrecht des Reichspräsidenten der Kon­

trolle durch den Reichstag: jede Berordnung ist aufzuheben, wenn der Reichstag es ver­langt. In dem Augenblick, in dem man den Reichstag ausschaltet, ist nicht nur die Ver­faffung im ganzen gebrochen, sondern im be­sonderen auch der Art. 48. Der Erlaß von Berordnungen auf Grund dieses Artikels wird rechtlich unmöglich; was fortab verordnet wird, ist nicht mehr Recht, sondern nad te Gewalt.

Wer vom Reichspräsidenten verlangt, daß er einer Politif gewaltsamer Abenteuer die Bahn freigibt, der verlangt von ihm, daß er feinen Eid bricht. Und wer dem greifen Reichspräsidenten einzureden versucht, er fönne solche Handlungen begehen, ohne da­mit seinen Eid zu brechen, der belügt und betrügt ihn.

Lüge und Betrug ist auch das ganze Ge­schwätz um den Staatsnotstand", mit dem man den Eid- und Verfassungsbruch be mänteln möchte. Dieser sogenannte ,, Staats­notstand" ist, soweit er existiert, doch von denen geschaffen, die ihn jetzt politisch aus­nügen wollen: sie legen das verfassungs­mäßige parlamentarische System lahm, in­dem sie sich weigern, in seinem Sinne zu handeln. Die sogenannte nationale Rechte" ist es, die unter skrupelloser In­anspruchnahme kommunistischer Hilfe die Verfassung sabotiert!

Wer sagt dem Reichspräsidenten , daß er die Pflicht hat, Front gegen alle Feinde der Verfassung zu nehmen, ob sie links oder rechts stehen? Der wirkliche Staatsnotstand besteht darin, daß an der Spize des Reiches der Wille fehlt, gegen die Berfaffungsfeinde Stellung zu nehmen. Er tann nur beseitigt werden durch eine Füh­rung, die das Bolf nicht die schiefe Bahn des politischen Abenteuers hinabstößt, sondern es zu einer vernünftigen Wahrnehmung feiner Freiheitsrechte zurückführt.

Der Staatsnotstand" ist geschaffen worden durch drei topflos herbeigeführte Reichstags­wahlen ohne politische Zielsetzung. Jetzt aber