Morgen- Ausgabe
Nr. 51 A 26 50. Jahrg.
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Vorwärts
BERLINER
VOLKSBLATT
DIENSTAG
51
31. Januar 1933
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Sonntag
wieder Lustgarten!
Das rote Berlin antwortet Adolf Hitler ! Arbeitendes Volk! Republikaner!
Im Kabinett Hitler- Papen- Hugenberg ist die Harzburger Front wieder auferstanden
Die Feinde der Arbeiterklasse, die einander bis vor wenigen Tagen auf das heftigste befehdeten, haben sich zusammengeschlossen zum gemeinsamen Kampf gegen die Arbeiterklasse, zu einer reaktionären großkapitalistischen und großagrarischen Konzentration.
Die Stunde fordert die Einigkeit des ganzen arbeitenden Volkes zum Kampf gegen die vereinigten Gegner. Sie fordert Bereitschaft zum Einsatz der letzten und äußersten Kräfte.
Wir führen unseren Kampf auf dem Boden der Verfassung. Die politischen und sozialen Rechte des Volkes, die in Verfassung und Gesetz verankert sind, werden wir gegen jeden Angriff mit allen Mitteln verteidigen. Jeder Versuch der Regierung, ihre Macht gegen die Verfassung anzuwenden oder zu behaupten, wird auf den äußersten Widerstand der Arbeiterklasse und aller freiheitlich gesinnten Volkskreise stoßen. Zu diesem entscheidenden Kampf sind alle Kräfte bereitzuhalten.
Undiszipliniertes Vorgehen einzelner Organisationen oder Gruppen auf eigene Faust würde der gesamten Arbeiterklasse zum schwersten Schaden gereichen.
Darum her zur Eisernen Front! Nur ihrer Parole ist Folge zu leisten! Kaltblütigkeit, Entschlossenheit, Disziplin, Einigkeit und nochmals Einigkeit ist das Gebot der Stunde!
Nun erst recht!
Gegen die Einigkeit der Arbeiterfeinde: Einigkeit der Arbeiter!
Mit Hitlers Ernennung zum Reichskanzler ist der Entscheidungskampf zwischen Demotratie und Faschismus, zwischen Kapital und Arbeiterfiaffe in ein neues Stadium getreten. Entschieden ist er noch lange - nicht!
Die Arbeiterklasse, die Demokratie und der Sozialismus sind nicht geschlagen. Stimmungen der Resignation oder der Verzweiflung sind den politisch geschulten Massen der Sozialdemokratie unbekannt. Sie werden faltblütig beobachten und sich zu entscheidenbem Handeln bereithalten, sowie die Stunde es erfordert.
Wenn es gestern Leute gegeben hat, die zähneflappernd zu Bett gegan gen find, so waren es bestimmt feine So zialdemokraten!
Aber wahrscheinlich waren es Nationalsozialisten, die sich fragten, wie ihre Partei es ertragen wird, daß ihr Führer mit Bapen und Hugenberg an der Spize
einer großfapitalistischen Regierung steht.
Benn gestern Leute zähneklappernd zu Bett gegangen sind, so mögen es die Deutschnationalen gewesen sein, die nicht wissen, wann und wie sie ihre lieben Bundesgenossen wieder loswerden können.
Es mögen Großfapitalisten gewesen sein, die daran dachten, was aus ihrem Geschäft werden soll, wenn es drüber und drunter geht.
Den meisten Grund, zähneklappernd zu, Bett zu gehen, hatte aber der neue Reichstanzler selbst, der nun alle Verfprechungen erfüllen soll, die er gemacht hat. Wer möchte da in seiner Haut stecken?
Adolf Hitler , ein Mann aus dem Arbeiterstande, Führer einer Partei, die sich heute noch eine Arbeiterpartei und sozialistisch nennt, steht an der Spige einer Regierung der großagrarisch- großtapitalistischen Reaktion. Wie ihm diese Regierung, wie dieser Regierung dieser Chef bekommen wird, wird die nächste Zeit lehren.
Die neue Regierung hat sich beeilt zu erflären, daß sie sich auf den Boden der Berfaffung und des Gesetzes stellt und daß fie nichts gegen Verfassung und Gesez unternehmen will. Sie fann daher, ohne ihr
Wort zu brechen, auch nicht die Kommu nistische Partei verbieten.
Der Vorwärts" hat gestern vor topflojen Parolen gewarnt. Wie recht, er hatte, zeigen die Erklärungen des neuen Reichsinnenministers Frid. Die Herren erklären, sie stehen auf dem Boden der Legalität. Wir nehmen diese Erklärung ohne Bertrauen zur Kenntnis und denken darum nicht daran, uns vom Boden der Legalität abdrängen zu laffen. Wenn er verlaffen werden soll: meine Herren, na ch Ihnen! Wir wollen aber versuchen, Sie schon vorher davon zu überzeugen, daß Ihnen dieses Experiment verdammt schlecht bekommen würde.
Das Mittel der Arbeitseinstellung ist ein legales Mittel. Seine Anwendung zur Abwehr eines Angriffs auf die Freiheitsrechte des Volkes, auf die sozialen und politischen Rechte der Arbeiterklasse ist hundertmal gerechtfertigt. Aber taktische Bernunft rät, mit ihm hauszuhalten, damit ein entscheidender Augenblick nicht eine abgefämpfte Arbeiterschaft finde. Sehr bald fann alles anders sein in Zeiten wie den jezigen ändern sich die Verhältnisse und die Tattit sehr schnell! Heute Generalftreif
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machen, hieße die Munition der Arbeiterflasse zwedlos in die leere Luft verschießen! Auf die Einigung aller Feinde der Arbeiterklasse gibt es nur eine Antwort: Einigung der Arbeiterklasse! Das Gewesene ist gewesen, ein neuer Kampfabschnitt hat begonnen. Alles ist zu gewinnen, wenn die Arbeiter einig sind, alles ist zu verlieren, wenn sie es nicht sind! Darum keine Zäntereien, feine Stänkereien,
Mißtrauen!
Ein selbstverständlicher Antrag
Die fozialdemokratische Reichstagsfraktion frat am Montagnachmittag zusammen. Nach einem Referat des Abg. Dr. Breitscheid über den Verlauf der Regierungskrise wurde die Einbringung folgenden Mißtrauensantrages im Reichstag befchloffen: Die Reichsregierung Hitler befiht nicht das Bertrauen des Reichstags.
Der fozialdemokratische Parteiausschuß ist tele graphisch für Dienstagvormittag nach Berlin gerufen worden.