An die Mitglieder der Gewerkschaften! Die politische Lage hat sich in entscheidender Weise geändert. Das Schwergewicht der neuen Reichsregierung liegt bei Parteien und Gruppen, die bisher offen für die soziale Entrechtung der Arbeiter und Angestellten, für die Zerschlagung der Demokratie und für die Ausschaltung des Parlaments eingetreten sind. Die Gefahr liegt nahe, daß sie jetzt ihre Pläne zu verwirklichen trachten. Gewerkschaftsmitglieder! Die Lebensinteressen der gesamten Arbeitnehmsrschaft stehen auf dem Spiel. Um Angriffe gegen Verfassung und Volksrechte im Ernstfälle wirksam abzuwehren, ist kühles Blut und Besonnenheit erstes Gebot. Laßt euch nicht zu voreiligen und darum schädlichen Einzelaktionen verleiten! Berlin , den 30. Januar 1933. Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund Allgemeiner freier Angestelltenbund Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften Gewerkschaftsring deutscher Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenverbände L keine Sonderparolen und Sonderaktionen! Keine falschen Einheitsfrontmanöver, fon» dern echte Einheit der Arbeiter- klaffe! Sie ist nur zu erreichen durch ehrliches Zusammenstehen in Not und Kampf! Klassenkampf, nicht Bruder- kämpf! Herzur Eisern en Front! Proletarier Deutschlands ver- einigt euch! Reichstag am?. Februar Programmerklärung der neuen Regierung Frick vor der vreffe Höchst loyale Versicherungen Major«. D. M arcks hat, als langjähriger vertrauter Mitarbeiter Schleichers, fein Amt als Leiter der Reichspressestelle sofort nach dem Re- gierungswechsel niedergelegt. Sein Nach- iolger ist der Nazireichstagsabgeordnete, bisherige Mitarbeiter in der Wirtschastsobteilung des Mün- chener„Braunen chaujes'" und gewesene Redakteur der„Berliner Börsen-Zeitung" Funk. Er stellte ;ich am gestrigen Montagabend mit den üblichen Versicherungen des guten Willens den Vertretern isr In- und Auslandspresse vor. Dann trug er '-bigende Mitteilung über die erste kobinettssihung vor: „Reichskanzler Adolf chitler hob zunächst die Bedeutung dieses Tages hervor, die die E i n i- g u n g der nationalen Kräfte durch Einsetzung eines Kabinetts der nationalen Konzentration erreicht habe. Das Vertrauen(!), das im. deutschen Volke heute spontan zum Ausdruck ge- kommen sei dürfe durch die Politik des Kabinetts nicht enttäuscht werden. Er gab dann einen Ileberblick seiner Politik. In der folgenden eingehenden Aussprache der Minister ist volle Uebereinstimmung der Ansichten e r r i e l t worden." Nu» folgte der neue Reichsinnenminister Dr. F r i ck. ebenfalls mit Worten der Zusammen- arheil und Arbeitsförderung für die Presse. Frick äußerte, er sei es gewesen, der beim Reichskanzler Schleicher verlangt und erreicht habe, daß die die Presse knebelnden Notverordnungen auf- gehoben worden sind. Er fuhr fort: „Ich möchte hassen und wünschen, daß die Presse keinen Anlaß bietet, diese Verordnungen wieder auflebe» zu lassen. Wir legen Wext auf die freie Meinungsäußerung und möchten nicht mit den Methoden des Artikels 48 die Presse knebeln. Wenn allerdings dadurch eine Gefährdung der Sicherheit, etwa vurch T a t a r e n a ch r i ch t e n, die zu Unrecht Beunruhigung ins Volk tragen, ein- treten sollte, oder bei sonstigen Ausschrei- t u n g e n, die man nicht untätig ansehen kann, so müßten wir auf Mittel und Wege sinnen, um diesen Mißständen ab- zuhelfen." Aber er hofft, diese Drohung nicht ausfüh'.en zu müssen. Auch Herr Frick behauptet«, das Volk habe die Ernennung dieser Regierung mit einem Ausatmen begrüßt, was allerdings Wider- f p r u ch hervorrief. Den Grund für dieses an- gebliche Aufatmen sieht Herr Frick darin, daß Hiller eine Bewegung aus die Beine gestellt habe, die>n.zwölf Jahren zwölf Millionen Volks- genossen hinter sich gebracht habe. Darin äußere sich die Kraft des deutschen Volkes, und Frick hofft, alle würden dahin wirken, daß diese Kraft sich zum Wohle des deutschen Volkes an der richtigen Stelle auswirke. Auf verschiedene Fragen erklärte Dr. Frick. daß die Frage der Eingliederung der SA. in den staatlichen Apparat mit keinem Wort«ine Rolle gespielt habe und ebensowenig habe man er- wogen, die Polizeirichtlinien so zu ändern, daß Görin g die Möglichkeit hätte, die SA. als .�ilfspolizei einzustellen, das Kabinett habe nicht ein Verbot der KPD. beabsichtigt wie gegen eine Kassierung der Reichstagsmandate der Kommuni- sten Stellung genommen Mit dem Zentrum und der Bayerischen Volkspartei werde Dienstag vormittag verhandelt. Die Frage, wie die Regierung sich zu einem Mißtrauensvotum de» Reichstag» verhalte» Der Aeltestenrat des Reichstags, der am Mon- tagnachmittag unter dem Vorsitz von Präsident Göring tagte, beschloß entsprechend einem national- sozialistischen Antrag, mit allen gegen die Stim- men der Sozialdemokraten und der Kommunisten. die nächste Vollsitzung des Reichs- tages spätestens am Dienstag, dem 7. Februar, stattfinden zu lassen. Ein frühe- rer Termin soll nur dann gewählt werden, wenn die Regierung den Wunsch hat, bereits vor Diens- tag nächster Woche ihre Erklärung im Reichstag abzugeben. Anträge der Kommunisten uno So- zialdemokraten auf sofortige Einberufung des Reichstags wurden gegen die Stimmen der beiden Parteien abgelehnt. Der Verfassungseid Hitler hat ihn geleistet Amtlich wird mitgeteilt: Der Herr Reichs- Präsident hat heute die durch das Reichsininister- gesetz vorgeschriebene Lekeidigung des Reichskanzlers Adolf Hitler 'und der Mitglieder der neugebildste» Reichsregierung vor« genommen. Die ersteKabinettsfitzung Eine amtliche Mitteilung Amtlich wird mitgeteilt: Das neue Reichs- kabinett trat heute nachmittag zu seiner ersten Sitzung zusammen, in der Reichskanzler Adolf Hiller auf die Bedeutung oes heutigen Tages hin- wies, an welchem eine Einigung der nationalen Kräfte durch die Bildung eines Kabinetts der nationalen Konzentration erreicht worden ist. Die Politik des Kabinetts dürfe den Ausbruch des Glaubens und Vertrauens, der heute im deutschen Volke spontan zum Ausdruck gekommen ist, nicht enttäuschen. Der Reichskanzler gab dann einen ileberblick über die Grundsätze, nach denen er seine Politik zu führen gSdente, und über das Verhalten, das gegenüber dem Reichstag angewandt werden soll. Eine all- würde, sei geklärt, aber io welchem Siane. da» zu sagen, bestehe jetzt noch kein Anlaß! Di« Verfassung werde i n n e g e h a l t e n werden, sogar ohne Staatsnotstand! In einem Interview des„Völkischen Beob- achter" sprach sich Frick viel schärfer aus. Wenn die KPD. einen Generalstreik inszenieren wolle, so werde man mit den s ch ä r f st e n Maßnahmen vorgehen. Vom Reichstag werde die Regierung ein Ermächtigungsgesetz verlangen. Das Zentrum Wahrscheinlich parlamentarische lolerierung wie verlautet. Hat Reichskanzler Hitler den Führer der Zentrumspartei . Prälat Saas , für Dienstag vormittag zu einer Besprechung gebeten. wie aus Zentrumskreifen«veiter verlautet. steht«nan in Zentrumskreisen dem neue« Sabine« genreine Aussprache ergab eine völlige Ueber- einstimmung der Ansichten. Ferner wurde beschlossen, dem Herrn Reichs- Präsidenten an Stelle des zurücktretenden Staats- f e k r e t ä r s Planck den Ministerialrat im Reichsministerium des Innern Dr. L a m m e r s zum Staatssekretär in der Reichs- k a n z l e i, und an Stelle des zurücktretenden Ministerialdirektors M a r ck s das Mitglied des Reichstags Walther Funk zum Ministerial- direktor und Leiter der Presseabteilung der Reichs- regierung vorzuschlagen. Hitlers Ltaatssekretär Lammers ist der Typ des oertrockneten„kor- rekten Beamten". Er trägt einen geistigen Steh- kragen von mindestens 20 Zentimeter Höhe Bis vor gar nicht langer Zeit war Herr Lammers noch eifriges Mitglied der D e u t f ch n a t i o- n a l e n Volkspartei, und jeden Mittag konnte man ihn in den Nationalen Klub wandeln sehen, um sich dort bei seinen deutschnationalen Freunden warmzuhalten. Das hat ihitr aber nicht» geholfen. Sein Beamtenehrgeiz nach Beförderung ist von den Deutschnationalen nicht gestillt worden. Denn als Herr von G a y l Reichsinnenminister wurde. hat er�»ich: Lammers zum Ministerialdirektor ge- mach:, obwohl Lammers lange„dran" war, son- dern ihm den deutschnationalen Abgeordneten G o t t h e i n e r vorgezogen. Das war für Lam- mers zuviel. Er bekam Minderwertigteits- komplexe und ging zu den Nazis Kurz nach der Bildung des Kabinetts Papen konnte man Lam- mers zum ersten Male bei einer Beamtentagung der Nazis als eingeschriebenes Mitglied der Nationalsozialistischen Partei in der Oessentlichkeit austreten sehen. Ein halbes Jahr vorher Halle er noch als Vertreter der Deutsch - nationalen an der Tagung in Harzburg teil- genommen. Neuer ReichSpreffechef Vertrauensmann der Lchwerindustrie Der Nachfolger des Reichspressechefs Major Marcks wurde Walter Funk , der Leiter des Reichs- wirtschaftsrats der NSDAP , aus dem Braunen Haus in München . Bis vor drei Jahren war Walter Funk Redakteur in der„Berliner Börsen-Zeitung" Er ging dann zu den Nationalsozialisten über und kam als B e r- trauensmann der Schwerindustrie, zu der er die engsten Beziehungen unterhält, zu Hitler nach München , wo er Gottsried Feder aus seiner führenden Stellung verdrängte. Der neueReichswehrminifter General von Blomberg Der neuernannte Reichswehrminister General - leutnant Freiherr Werner von Blom- b e r g steht im SS. Lebensjahr. Ein gebürtiger Pommer, wurde er im Kadettenkorps erzogen und 1897 Leutnalll im Infanterieregiment 73 in Han- nover. Schon im Jahre 1911 trat� er in den Generolstab ein, wo sich seine weitere Laufbahn vallzog. Mährend Krieges UM er zunächst Generalstabsoffizier der 19. Reservediviston, kam dann im Jahre 1916 zum 18. Reseroekorps und im März 1917 zum Generalstab der 7. Armee. Nach Beendigung des Krieges wurde er in das neue Reichswehrministerium berufen. Im Mai 1920 wurde er Chef des General st abs der Brigade Döberitz und ein Jahr später Chef des Stabes der S. Division in Stuttgart . Anfang 192S kam er als Chef der Heeresbildungsabteilung ins Reichswehrministerium zurück. Am 1. Aprll 1927 wurde er unter gleichzeitiger Beförderung zum General - major zum Chef des Truppenamtes ernannt. Am 1. Oktober 1929 wurde von Blomberg Kam- mandeur der 1. Division und Be- fehlshaber im Wehrkreis l zu Kö - n i g s b e r g. Außerdem wurde er zu diesem Zell - punkt Generalleutnant. Im Oktober 1930 ging General von Blomberg in amtlichem Austrag auf die Dauer von zwei Monaten zur Armee der Vereinigten Staaten , um die nach dem Wellkriege angebahitten Beziehungen zwischen der amerikani - schen Armee und unserer Reichswehr zu vertiefen. In letzter Zeit war von Blomberg als Sachoer- ständiger der deutschen Abordnung auf der Genfer Abrüstungskonferenz tätig. kühl und mit starkem Mißkrauen gegenüber. Ein Eintritt des Zentrums in die Regierung dürste kaum in Frage kommen. Das Zentrum werde zunächst in Ruhe abwarten. was für Maßnahmen das Kabinett ergreisen werde. Man darf daraus schließen, daß das Zentrum zunächst zu einer gewissen parlamentarischen Tolerierung des Kabinetts bereit ist. „Seinen Anhängern werben die Augen übergehen!' i" Die„Deutsche Allgemeine Zettung", die seit einem halben Jahr geradezu stürmisch Hillers Kanzlerschaft gefordert hat, ist es. der wir-das obige Zitat entnehmen. Jetzt, nachdem ihr Wunsch erfüllt ist, läuft es ihr eiskalt den Rücken hinunter und einmal über das andere Mal zweifelt sie: Wird das gut gehen? Die Besorgnis beginnt wie folgt: „Eins gewagte und kühne Entscheidung ist es aus alle Fälle und kein verantwortungs- bewußter Politiker wird zum Jubeln geneigt sein." „Einmal aber mußte dieser Sprung ins Dunkle gewagt werden", fährt das Blatt fort, aber schoK nagt wieder der Zweifel: „Herr Geheimrat Hugenberg aber ist Kapita- list, und Herr Hitler ist(National-)Sozialist. Wird das nicht noch schwer zusammengehen" Schon kommt die Frage � wie werden wir ihn wieder los? Die„Deutsche Allgemeine Zeitung" fährt fort: „Herr Hiller kann sich gewiß nicht der Gefahr aussetzen, als ein zweiter Kanzler der S7Tage in die Geschichte einzugehen. Ihn zu ernennen. ist verhältnismäßig leicht, nicht aber, ihn zustürzen." Daran denken die Herrschaften heute schon? Am Tage der Ernennung? Der Kater des Kapitalisten- blattes klagt sich zu Ende: „Vielleicht werden sich seine Gegner über seine Reglerungshandlungen wundern und dar- unter leiden. Seinen Anhängern aber werden die Augen übergehen, und diese Enttäuschung ist vom gesarittnationalen Standpunkt aus wahrscheinlich noch mehr zu fürchten." Seinen Anhänger» aber werde» die Augen übergehen, mit Seufzen werden sie ihres Fackel- zuges gedenken— das ist auch unsere Meinung.
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