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Abend- Ausgabe Nr. 52 B 26 50. Jahrg.

Rebattion unb Berlags Berlin SW 68, Lindenstr. 3

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Vormiris

BERLINER

VOLKSBLATT

55

DIENSTAG

31. Januar 1933

In Groß Berlin 10 Pf. Auswärts. 10 3f.

Bezugsbedingungen and Angeigenpretfo

febe orgenausgabe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Ginnloser Taumel

Hugenberg Diktator über Arbeiter­

löhne!

Als gestern abend der Rundfunk die all­gemeine Hurra- Stimmung der Harzburger aus der Wilhelmstraße übertrug, gab er Goebbels das Schlußwort. Der sprach ein ein richtiges Wort, das wir jedoch nicht in den Agenturberichten wiederfinden. Er sprach von einem ,, sinnlosen Ta u me I".

Auf sinnlosen Taumel folgt der Katzen­jammer, und er wird bald fommen! Es wird fapitalistisch regiert! Die( national)- fozialistische Maste Hitlers ist gefallen, nicht er, sondern Hugenberg tommandiert! Papens Wirtschaftsfurs, verschärft durch Hugenberg , wird fortgesetzt!

In den sinnlosen Taumel" der national­sozialistischen Illusionisten, die nur ihren Hitler im Scheinwerferlicht am Fenster der Reichskanzlei sehen, aber noch nicht begreifen, daß er der Gefangene der sozialen Reaktion ist, fallen die nüchternen Worte der ,, Ber­liner Börsenzeitung": Eine Wunder­lösung aus der durch die Welt­wirtschaftstrife verschärften deutschen Krise gibt es nicht."

Herr Göring hat den finnlos Taumeln­ben beffere Betten versprochen aber aus der Hugenberg - Gegend flingt es: Hun­gerriemen fester!

Es wird kapitalistisch regiert! Ao sagt die ,, Börsenzeitung":

,, Der Umstand, daß heute neben Hitler als Kanzler Herr von Papen als Vize tanzler( und Reichskommissar für das Land Preußen) steht, diese Mitwirfung Bapens an einem Kabinett Hitler scheint doch anzudeuten, daß zwischen diesen beiden Persönlichkeiten bzw. ihren Zielen eine starte Annäherung stattgefunden hat, denn keine andere Regierung hatte bisher so start die private Initiative des Unternehmers als Trä­ger einer besseren wirtschaftlichen Zukunft an­erfannt als seinerzeit die des Herrn von Papen."

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Es ist aus mit dem, Sozialismus" Hitlers ! Schon verschwindet auch der Name. Sie sprechen nicht mehr von Sozialisierung", sondern von Nationalisierung". Der Kapi­talismus wird umgetauft er heißt jetzt ,, na­tionale Wirtschaft".

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Nationale Wirtschaft das sind die Autartiepläne Hugenbergs, das ist die Beu­gung der Nation unter das kapitalistische Profitinteresse.

Hungerriemen fester! Arbeitsminister ist Herr Seldte , und als sein Staatssekretär wird genannt Herr Brauweiler , Syn­dikus der Arbeitgeberverbände, als Scharf­macher bekannt. Er hat eben erst auf der Tagung des Vereins für Sozialpolitik seine Arbeiterfeindschaft enthüllt.

Das gesamte Tarifwefen aber soll vom Arbeitsministerium abgetrennt und Hugenberg unterstellt werden. Hugenberg Diktator über die Löhne der deut­ schen Arbeiter das ist der Anbruch der ,, besseren Zeiten" und der nationalsozialisti­schen ,, Freiheit"!

Man muß es dem kleinen Goebbels lassen, er findet immer goldene Worte. So damals, als er die jeßigen Ministerkollegen feines Führers leicht angedofte Erzellenzen" nannte! So jetzt, wenn er von einem ,, sinn­lofen Taumel" spricht. Jawohl, Taumel", daß man sich nicht mehr auf den Beinen halten kann, und sinnlos", das alles noch dazu!

Bombenfunde wurden gemacht im Hauptquartier des britischen Oberkommandierenden zu Kairo und 150 an der Zahl- in Alcantara bei Lissa­ bon nach einer Schießerei auf Polizisten, die brei Rommunisten abgeführt hatten.

Die Eiferne Front steht fest!

Erklärungen im sozialdemokratischen Parteiausschuß

Der Parteiausschuß der Sozialdemokratischen Pariei Deutschlands hat in Gemeinschaft mit dem Parteivorstand am Dienstagvormittag eine Sigung abgehalten, um zu der durch die Ernennung des Kabinetts Hitler- Papen- Hugenberg geschaffenen politischen Lage Stellung zu nehmen. An der Sigung nahmen auch die Vertreter der Eifernen Front sowie die Mitglieder der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion teil.

Der Borfizende der sozialdemokratischen Reichs­tagsfrattion, Genosse Breitscheid , wies darauf hin, daß seit dem gestrigen Montag eine voll­fommen neue politische Lage in Deutschland ge= schaffen worden ist. Die Führer der sogenannten auoritären Regierungen haben die Autorität dahin verstanden, daß sie im Sinne einer reaktionären Bo­litit nugbar gemacht werden müsse. Sie wandten sich gegen die Träger der Demokratie und stützten sich auf die Parteien der Reaktion. Aber weder Papen noch Schleicher ist es gelungen, die National­sozialisten völlig für sich zu gewinnen. Trogdem haben sie sich nicht gegen fie gewandt, weil sie in ihnen ein startes Gegengewicht gegen die Kräfte der Demokratie und gegen den Barlamentarismus fahen, den sie im besten Falle nur als Deforation beibehalten wollten. Die Folge diejes Berbauens war, daß zulegt fich alle reaktionären Schichten gegen das Kabinett Schleicher wandten, weil dessen Kurs gegen die Arbeiterschaft noch nicht scharf genug war. Die Absicht, Herrn von Papen wieder an die Spitze der Regierung zu stellen, war un­möglich geworden, da er auf allgemeinen Wider­stand gestoßen wäre. Als letzter Trumpf blieb nur Hitler im Spiel.

Plaz für Reaktion! Das Ministerium gegen Sozialpolitik

Staatssekretär Grieser teilt telepho nisch mit, es sei ihm durch den seitherigen Arbeits­minifter Syrup mitgeteilt, daß der neue Minister, Herr Selbte, seinen Austritt wünsche. Darauf habe er, Grieser, fein Entlassungsgesuch geschrieben wie folgt:

Herr Miniffer! Sie haben mir durch Herrn Syrup jagen laffen, daß Sie meinen Rüdiritt wünschen. Da hiernach meine Dienste in der Sozialpolitik von der neuen Regie­rung nicht mehr gewünscht werden, bitte ich hiermit um meine Entlaffung."

Herr Grieser fügte noch hinzu, daß Herr Seldte dieses Entlassungsgesuch sofort verlangt habe, solange er noch im Hause fei.

Das Kuratorium für Jugendertüchtigung wird dem Reichsarbeitsministerium angegliedert.

Man droht dem, Vorwärts'

Ausschneiden und aufbewahren! Der vom Reichskanzler Adolf Hitler herausgegebene ,, Bölkische Beobachter" druckt aus dem Vorwärts" Don geftern abend folgende Säße ab:

,, Würde ein Versuch gemacht werden, diese Minderheitsregierung, deren Feindschaft gegen die Verfassung offen­kundig ist, auch ohne Zustimmung des Reichstags im Amte zu halten, so wäre eine Situation gegeben, die vom ar­beitenden Wolfe die Einfequngles. ter und äußerster Kräfte er­fordert. Die Organisationen der Eisernen Front stehen in engster Ber bindung miteinander und verfolgen die Entwicklung mit äußerster Spannung.

Jezt jubeln noch die Anhänger Hitlers darüber, weil ihr Führer scheinbar sein Ziel erreicht hat. Es kann sein, daß dieser Jubel bald in kazenjammer umschlagen wird, wenn die nationalsozialistische Gefolgschaft erst deutlich erfieht, in welche enge Verbindung und Ab­hängigkeit Hitler zu den Vertretern des Großfapitals und der Junker, zu allen Kräften des alten reaktionären Systems geraten ist.

Aber die Arbeiterschaft vertraut nicht darauf, daß, wie eine reaktionäre Zeitung geschrieben hat, den Anhängern Hitlers bald die Augen übergehen werden. Sondern sie steht bereit, um den Ab= wehrtampf gegen alle reaktionären Bestrebungen mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu führen. Unsere Opposition gegen das neue Rabinett ist eine Selbstverständ­lichkeit, die Fraktion hat auch bereits einen Miß­trauensantrag eingebracht. Die Frage wird aber an uns gestellt: Was tut ihr darüber hinaus, welche Aktionen wollt ihr einleiten, zu welchem Ziele sollen sie führen? Die Sozialdemokratie hat die Antwort auf diese Fragen mit der Erklärung gegeben, die durch die Presse als Aufruf verbreitet worden ist.

Wir wiederholen, daß wir uns die Taktik nicht von unserem Gegner vorschreiben lassen, sondern felber darüber bestimmen werden, wann und wie wir unsere Kräfte einzusehen haben. Wir alle haben den Wunsch, in diesem Kampfe in einem guten Berhältnis zu den fommunistischen Arbeitern zu stehen. Der Kampf der Arbeiter­flaffe gegen den Faschismus ist in einen neuen

Aeußerste Bereitschaft und vollkom menste Einigkeit ist das Gebot der Stunde!"

Dazu bemerkt das Organ Adolf Hitlers :

Dem ,, Vorwärts" wird diese Sprache wahrscheinlich nicht mehr lange gut bekommen.

Wir sind dem Organ Adolf Hitlers für

Abschnitt getreten. Unser aller Wunsch wäre, daß damit auch

ein neuer Abschnitt in unserem Verhältnis zur Kommunisti­schen Partei

beginnen tönnte. Ob das möglich ist, hängt je­doch vom Verhalten der kommuniffen ab.

Bei alledem muß die Arbeiterschaft sich dessen bewußt sein, daß wir nunmehr in eine Phase des Klassenkampfes in seiner reinsten Form eingetreten sind. Wenn die jetzige Karte in dem Spiel der Reaktion nicht sticht, dann kann nichts anderes tommen als eine Situation, in der die Arbei­terschaft das entscheidende Wort spricht. Für diese Entscheidungsstunde gilt es, die Kräfte des arbeitenden Volkes zu sammeln, damit sie in geschlossener Front in allen uns bevor­stehenden Kämpfen eingesetzt werden können.

Die Vertreter der Gewerkschaf= ten, der Arbeiter und Ange= stellten, Grahmann und Stehr, erklärten sich ausdrücklich solidarisch mit allen Maßnahmen, die in der nächsten Zeit zu ergreifen wären. Wenn ihr ruft, sind wir da!" Die Vertreter der Sportorganisationen, Wildung, und des Reichsbanners, Holtermann, be­fundeten gleichfalls erneut ihren Willen, entschlossen zur Eisernen Front zu stehen. Mit begeisternden Schlußworten der Partei­ vorsitzenden Vogel und Crispien, die von der Kampfentschlossenheit der ganzen deutschen Arbeiterklasse Zeugnis ablegten. schloß die von Zu­versicht und Kampfesfreude getragene Sigung.

diesen Hinweis außerordentlich dankbar. Es könnte in der Tat so kommen, daß der ,, Bor­märts" im entscheidenden Augenblick phy­sisch behindert wäre, den Arbeitern zu jagen, was notwendig ist. Wir bitten also alle unsere Leser und Freunde, das von so hoher Stelle beanstandete Zitat auszu­schneiden, gut aufzubewahren und öfters zu überlesen. Auf diese Weise wird eine Wieder­holung an dieser Stelle überflüffig.

Blutnacht in Berlin

Schießereien Zwei Tote und Schwerverletzte

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Die letzte Nacht ist in Berlin außerordentlich unruhig verlaufen. An 9 Stellen gingen die Pistolen los und zwei Tote, darunter ein Polizeibeamter, und mehrere Schwerver­wundete sind die Bilanz der Blutnacht. Etwa 60 Personen, Kommunisten und Nationalsozialisten,

find festgenommen worden. Ein Teil der Festge­

nommenen ist aus dem Polizeipräsidium bereits wieder entlassen worden.

Zu einer regelrechten Straßenschlacht fain es gegen% 1 Uhr nachts in der Wallstraße in Charlottenburg . Ein Trupp National­[ ozialisten marschierte in später Stunde in Begleitung zweier Polizeibeamten durch die Wall­straße in Richtung Charlottenburg . In der ruhigen Straße war plötzlich der Teufel los! Zahlreiche Schüffe krachten- ein regelrechter Straßenkampf war im Gange. Bie Bewohner erzählten, find in einem Zeitraum von etwa 5 Minuten nicht weniger als 60 bis 70 Schüsse gefallen. Rein Mensch weiß bisher, mer geschoffen hat und von wo die Schülffe gefallen sind. Die Nationalsozia listen sollen gleichfalls bewaffnet gewesen sein und drauf losgeschossen haben. Den Beweis dafür liefern amei Schußperlegte, die später von der Polizei gefunden und als angeblich an der Schießerei Beteiligte als Polizeigefangene in das Krankenhaus Westend gebracht wurden.

Leider mußte bei dieser sinnlosen Knallerei ein junger Polizeibeamter, der verheiratet ist und zwei Kinder hinterläßt, sein Leben lassen. Es handelt sich um den 30 Jahre alten Oberwachtmeister Joseph 3 aurig oom Re­vier 131, der in der Cauerstr. 3 wohnt. 3aurig hatte mit einem Kameraden den Nazitrupp zu überwachen. Als die Schießerei begann, erhielt 3. einen Schuß, an dessen Folgen er bereits auf dem Wege zum Hildegardfrankenhaus star b. Später wurde bekannt, daß auch noch ein SA.- Mann Maitowski einen tödlichen Schuß erhalten hatte. M. war offenbar von Gesinnungsgenossen fortgeschafft worden. Die Schießerei hatte ein großes Polizeiaufgebot in Charlottenburg zur Folge. Wohnungen und Häuser wurden durchsucht, nir­gends wurde jedoch ein Schüße entdeckt. Selbst die Durchsuchung der KPD. - Lokale verlief völlig ergebnislos. Allerdings wurden zwei Personen, und zwar der Gastwirt des KPD. - Verkehrsiotals in der Wallstraße Heinrich Beermann und ein Arbeiter Mar Schutan aus der Galvaniſtraße, mit Beinschüssen schwerverletzt aufgefunden. Um der Polizeiattion einen gewissen Abschluß zu geben, wurden noch in den Morgenstunden fünf­zehn tatverdächtige" Personen festgenommen und ins Präsidium gebracht. Die Ermittlungen der Politischen Polizei menden weitergeführt. Bis