Hitler- Frick- Göring Ein Reichskanzler und zwei Reichsminister
Srei faschistische Führer bilden den Kern des neuen Reichskabinetts, ch i t i e r w'rd als Reichs- tanzler jetzt die Richtlinien der deutschen Politik zu bestimmen haben, das Versassungsministerwm ist dem neuen Reichsinnenminister Frick anoer- traut und der bisherige Reichstagspräsident Göring wird der Chef eines vorläufig noch mysteriösen Luftfahrtressorts se-n. daneben aber— Kommissar für das'preußische Innenministerium. Das deutsche Volk, dessen Schicksal der Reichs- Präsident v. chindenburg einer Regierung Hitler anvertraut hat, muß wstsem wer diese Männer sind, die heule das Geschick von 6S Millionen deutscher Menschen in der Hand haben. Es darf bei dem Ernst der Situation auch nicht die geringste Unklarheit über die Denk- und Hand- lungsweise jener Männer beliehen, die seit gestern das Steuer des Reiches führen. Ritler imd das Volk Herr Hitler hat uns am wenigsten im unklaren über sich selbst gelassen. In seinem Buch„Mein K a m v i" hat er aus 782 Seiten seine ppl-tische Weltanschauung zu Papier gebracht. Mit seinen eigenen Worten soll der neue Kanzler des Deutschen Reiches uns sagen, wes Geistes Kind er ist. „Geich dem Weibe, dessen seelisches Empfinden weniger durch Gründe abstrakter Vermyist be» stimmt wird, als durch solche einer undefinier- baren gefühlsmäßigen Sehnsucht nach ergän- zender Kraft, und das sich deshalb lieber dem Starken beugt als den Schwächling be- herrscht, liebt auch t>ie Masse mehr den Herr- scher als den Bittenden" Und an anderer Stelle heißt es: „Die breite Masse de: Vpikes besteht nicht einmal aus lauter vernünftig Urteils- s ä h i g e n, sondern aus ebenso schwankenden wie ,u Zweifel und Unsicherheit geneigten Men- schenkindern", ..denn", so fährt der Verfasser an anderer Stelle fort: „Das Volk ist in seiner überwiegenden Mehr- heit so feminin lweib-sch) veranlagt, daß weniger nüchterne Ueberlegnng vielmehr ge- sühlsmäßiqe Empfindung fem Denken und Handeln bestimmt." Knechtssinn, weibische Eigenarten und Urteils- losiqkeit bilden demnach nach des neuen Kanzlers Meinung die wesentlichsten Eigenarten des beut- scheu Volkes. Ganz besonders hatten es ihm von jeher die freien Gewerkschaften angetan: „Gleich einer drohenden Gewitterwolke hing schon damals die„freie Gewerkichast" über dem politischen Horizont und über den. Dasein des Einzelnen. Sie war eines der fürchterlichsten Terrorin st rum�nre gegen die Sicherheit und Unabhängigkeit der nationalen Wirtschaft. die Feüigkeit des Staates und die Freiheit der Person." Di« Frau hat nach Hitler keinen anderen Lebenszweck, als Kinder in die Welt zu fetzen: ..Analoq der Erziehung des Knabe» kann der völkische Staat auch d-e Erziehung de: Mädchens von den gleichen Gesichtspunkten aus leiten. Auch dort ist das Hauptgewicht vor allem auf die körperliche Ausbildung zu legen, erst dann am die Förderung der seelisäiea und zuletzt der geistigen Werte. Dos Ziel der weib- lichsn Erziehung bat unverrückbar die kommende Mutter zu fein." Es kommt für die Frauen noch schöner: „Das deutsche Mädchen ist Staatsanaehörige und wird mit ihrer Verheiratung erst Bürgerin. Doch kann auch den im Erwerbsleben stehen- den weiblichen deutschen Staatsangehörigen das Bürgerrecht verliehen w-rden." Die Frau wird also wieder zur Gebärmaschine. Erst nach ihrer Verheiratung erwirbt sie das Bürgerrecht, das allerdings auch gnädiast erwerbs- tätigen Frauen vor der Ehe gewährt werden kann. Ganz schlimm ergeht es in Hitlers Bekenntnis natürlich den Juden: „Der schwar.zhaariae Iudensunge lauert stun- denlang, satanische Freude in seinem Gesicht. auf das ahnungslose Mädben. das er mit seinem Blut schändet und damit seinem, des Mädchens Volke raubt Mit allen Mitteln ver- sucht er d'e rassischen Grundlagsn des zu unter- jochenden Volkes zu verderben. So wie er selber planmäßig Frauen und Mädchen verdirbt, so schreckt er auch nicht davor zurück, selbst im größten Umfanae die Blutichranken für andere einzureißen. Besonders sir Teil des höheren Adels verkomm: vollständig. Der Jude weiß das ganz genau und betreibt dcsbalb diese Art der „Entwaffnung" der geistigen Führerschicht seiner rassischen Gegner planmäßig" Im Putschjahre 1323 hatte Hitlers Schicksal eine verzweifelte Aehnlichkeit mit dem gleichfalls„ver- hinderten Heldentod" Wilhelms II Am 8. No- vember 1S23 erklärte Hitler , indem er mehrere Revolverschüsse an die Decke des historischen Mün- chener Biertellers abfeuert«: „Der morgige Tag findet entweder in Deutsch land eine nalionale Regierung oder uns toi. Ts gibt nur eins van beiden" Hitler ist an dem sehlgeschlagenen Putsch nicht gestorben Doch lag ein großer Teil der „Stoßtrupps Hitler" am 3. November vor der Feldherrnhalle von den Schüssen der Reichswehr zu Boden ge st reckt. Im letzten Jahr hatte die deutsche Oeffentl'chleit im Zeichen der wachsenden Tcrrorwell? der SA Gelegenheit. Kundgedungen des„Führers", die nicht einmal vor offener Solidarttätserklärung mit den Mördern von Potempa zurückschreckten, zu er-
leben. An die fünf zum Tode verurteilten Mörder telegraphierte der jetzige Reichskanzler am 23. Au- gust 1SZ2: „Angesichts dieses ungeheuerlichen Bluturteils fühle ich mich mit Euch in unbegrenzter Treue verbunden. Sure Freiheit ist von diesem Augenblick an eine Frage unserer Ehre. Der Kamps gegen eine Regierung, unter der dies möglich war. unsere Pilicht." Inzwischen hat man sich vertragen und der da- malige Reichskanzler Papen hat jetzt als Vize- kanzler im Kabinett Hitler Platz genommen. Auch mit dem Reichspräsidenten v Hindenburg, dem Herr Hitler in taktloser Form seine 8S Jahre vor- gehalten hat. wird man sich setzt wohl besser ver- stehen. Auch Herr Frick, der al? neuer Reichsinnen- minister zum Hüter der Verfassung der Republik ernannt ist, gibt mit seiner politischen Bergangen- heit reichlich Stoff zur Betrachtung. Herr Frick
Deutsche Runstserneinschakt I�rauskopk, daeckel, R. Wolff Die Kunstgemeinschaft regt sich mit neuer Kraft. Es sind nur wenige Künstler ausgestellt, jeder mit einer gewichtigen Kollektion, gewichtig an Umfang und innerer Bedeutung. Schon lange sah man keine so umfassende und erfreulich« Schau von Bruno K r a u s k o p f. Er hat einen glück- lichen Sommer gehabt: Gemälde wie das ge- waltige Ostseebild in leuchtendem Grün mit der alles überstrahlenden Sonne, wie der grün- wuchernde Wald und ein Garten aus Ascona sind Offenbarungen eines elementar«« Mcllwillens. Vielleicht noch reiner kommt Krauskopfs großes Talent zur Geltung in den Aquarellen, die seine Empfindung von Landschaft und Mensch in vitale Farbigkeit, in schön gespannt« und ausgewogene Flächen übersetzen. Man mächte ihm für immer dieses Gleichgewicht von malerischer Berwegenheit und bändigender Einsicht wünschen. Willy Iaeckels Gefahr liegt in einer Nei- gung zu akademischer Trockenheit, von der z. B. der große Akt nicht frei ist. Doch findet er jetzt in seinen häufigeren Landschaften, wie in jugend- lichen Porträts, einen Ton mitschwingenden Ge- sichls. der sympathisch berührt. Erfreulich wirkt die ernste und noble Zeichen- kunst von Heinrich Wolfs, der an der Königsberger Akademie seit 30 Jahren Graphik lehrt. Bildnisköpfe von Ministerpräsident Braun. von Thomas Mann , Däubler, Ina Seidel , Ricarda Huch , Fechter und zahllosen anderen zeigen ihn als einen langdewährten Deuter der menschlichen Seele, als einen Liebhaber und noblen Gleich- gesinnten geistiger Größen. Seine Mittel porträt- mäßiger Erfassung sind in den langen Jahr- zehnten seiner Entwicklung immer klarer und ein- sacher geworden. Elisabeth Wolff-Zim- mermann, seine Frau, folgt ihm in der glei- chen Porträttunst mit einigem Abstand, weniger
gehörte während des Krieges zu jener Überetats- mäßig starken Truppe, der auch seine Partei- sreunde Goebbels, Kube und Reventlow ange- hörten, dem Regiment der Rekla- m i e r t e n. „Ich war während des Krieges dort, wo mich mein bayerischer König hingestellt hatte", erklärte der ehemalige Bezirksamtsassesior von Pirmasens eines Tages als Minister im Thüringer Landtag . Um so stärker ausgeprägt waren Herrn Fricks Kampfinstinkte gegen den inneren Feind. Am 31. Ottober 1331 hielt der jetzige Berfassungs- minister vor der SA. in Frankfurt a. d. Oder eine Ansprache, in der er erklärte: „Die Rationalsozialisten werden nach italienischem Borbild 24 Stunden nach der Machtergreifung den Marxismus mit Stumpf und Stiel ausrotten, wobei natürlich einige Zehntausend von marxistischen Funktionären zu Schaden kommen werden."
tief und leichter zugänglich in farbigen Zeich- nungen, und Christoph Wolfs hat die oon ihm einst kultivierten Scherenschnitte zu einer mit Schartenwirkung gesstrich operierenden Vollendung gebracht. p. k. sdi.
Für und wider Okkultismus Lessing-Rochschule Die Lesstnghochschule veranstaltet in diesem Monat sehr interessante und zeitgemäße Debatten über das Thema Okkultismus. Interessant: weil hervorragende Vertreter der Wissenschaft und nam- haste Anhänger der Parapsychologie, wie sich die okkulte Lehre wissenschaftlich bezeichnet, daran teil- nehmen. Zeitgemäß: weil ja seit dem Kriege alle diese Erscheinungen, die aus dem Triebhaften. Unbewußten und Unterbewußten kommen, oder an die dunklen Instinkte appellieren, zu märchen- haster Blüte emvorgeschossen sind. Es war daher ein nützlicher Gedanke, kontroversmäßig die Par- »cien einander gegenüberzustellen. Es haben bereits über Telepathie. Hell- sehen und Gedankenlesen Prof. Arthur K r o n f e l d und Landgerichtsdirettor Dr. Alben H e l lw> g ihren Standpunkt ausgetauscht. Hellwig. der wie jeder vernünftige Mensch neue wissenlchaftliche Tatsachen anerkennt, hat mit dem Spürsinn des Juristen und vielfach auch in richterlicher Tätigkeit die berühmtesten Hellseherprozesse der lekten Jahre auis Knrn genommen. Er mußte feststellen, daß in keinem der Fälle Hellfeben vor- lag. Prof. Kronfeld ist nicht ganz so skeptisch wie Hellwig. Er glaubt, daß in einiaen Fällen Ge- dankenübertragung erwiesen ist. Aber mit dieser Konstatierunq w-rd er den Anbänoern de>- Okkultismus keinen besonderen Gefallen tun. denn für der«» Zwecke— Geisterbeschwörung. Verkehr mit Gestorbenen Boraussicht in die Zukunft usw.— ist damit natürlich nichts erwiesen. In
Diese Rede wiederholte Herr Frick einige Tag« später in Sonneberg . Zwischendurch sorgte Frick als thüringischer Innenminister yuch für Humor, indem er feinen„Führer" zum Gendarmeriekommifsar oon H i l d- burghausen zwecks Einbürgerung ernannte. Für den jetzigen Versassungsminister am charak- teristischsten aber ist Fricks Rolle bei dem Mün - chener Hitler-Putsch 1323. Frick war die rechte Hand des Putschisten Poehner, damals Polizeipräsident von München Er wußte von den Putschabsichten, ohne als hoher Polizeibeamter dagegen einzuschreiten und sollte zur Belohnung von den Putschisten zum Polizeipräsidenten Mün- chens ernannt werden. Er kam statt dessen Jahr auf Festung. Der dritte Nationalsozialist im Kabinett, Goe- ring, ist politisch erst jüngeren Datums. Er avancierte über den gestolperten S t e n n e s. Seit dem Sammer 1332 ziert er den Präsidenten- fitz des Reichstages im Braunhemd. Den iialieni- fchen Botschafter pflegt er demonstratio m i t d e m Faschist engruh zu begrüßen. Bei der Reichstagsauslösung im September 1332 erklärte er erst die Auflösung für ungültlg und ver- sassungswidrig, später kroch er zu Kreuze. Deutsches Bolk, sieh dir dieses Kabinett genau an, vergiß nicht, was für dich auf dem Spiele steht. Es geht um deine Freiheit!
ersreulichstsr Uebereinstimmung befanden sich beide Dortragende in der Vrandmarkung der falschen Propheten, die ihren Humbug heute öffentlich betreiben. Einen lehr schweren Stand hatte in der zweiten Veranstaltung über Telekinese und Materialisations-Phänomen« Dr. W. Krön er. Als Prozeßgutachrer und Schriftsteller hat er nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Totsächlichkeil okkulter Vorgänge verteidigt. Zlls er einen allzu großen Spiritistenschwindel aufdeckt«. ist er freilich auch schon teilweise in Ungnade ge- fallen. Die Ausbeute, die er bot. war äußerst dürftig. Er glaubt einige Fälle miterlebt zu haben, in denen Medien die bekannten Kunststücke vollbrachten, die man durch Fernwirkung er- klären will. Vernichtend waren die Aussagen Dr. Walter von G n l a t- W c l! e n b u r g s. Er hat zusammen mit dem berühmtesten Experimen- tator auf diesem Gebiete. Dr. von Schrenck- Natzing, in München Versuche angestellt und jedesmal offenkundigen Schminbel der Medien nachweisen können. Das bisherige Ergebnis der Kontrooerien ist für die Sache dss Okkultismus sehr Verhängnis- voll. Die Debatten werden am nächsten Freitag fortgesetzt. zz.'
Der k?undkunk zvsr gerüstet Der 30, Januar bot dem Rundtunk wieder einmal Gelegenheit, seine„Dienstbereitschaft" zu zeigen. Für diesen Tag war man im Funkhaus gerüstet, für diesen Tag der„Auftraggeber", denen man seine schönen fetten Posten verdankt. Der .�3 e i t s u n t", der sonst für seine„aktuellen" Sendungen einige Wochen Vorbereitung braucht, funktionierte hier>il>erbereit. Di« Reportage von dem Nazi- Stahlhelm- Fackelzug ging iooar als offizielle»der offiziöse Auflagesenduna über alle Sender— mit Ausnahme des selbständigen bayerischen. Di« Nazireklome, die hierbei betrieben wurde, erinnerte an die herrlichste Scholz-Zeit. Das rote Berlin wurde mit routinierter Befähigung in eine Jdiotenanftalt umgelogen, die„Heil Hitler" brüllt. Di« abkommandierten SA - und Stahlhelm-Züge wurden den Hörern im Reich als begeistertes„Volk" vor- gestellt, das„ganz spontan" der Nazi-Junker Herrschaft rauhe, aber herzliche Ovationen brachte. � Der Deutschlandsender hielt, um«ine Sendelücke auszufüllen, seine schneidigsten Militär- Märsche bereit. Danach kam ei» Kabarettchen „Des Deutschlandhörers Wunder- Horn". Zlber kein Deutschlandhörer wundert sich mehr, wen» selbst so begabte Kabarettisten wie Werner Fink , Inge Bartsch und Kate Kühl in der Mikrophonperspektive bläßliche Farben und verwischte Umrisse zeigen. Die chemische Reim- gung von allein Zeitgeist hinterläßt ihre Spuren. Und wenn man so den Zusammenhang mit Zeit und Geist verliert, passieren Taktlosigkeiten. Aus- gerechnet gestern hätte Kate Kühl ihren Witz von den Tapezierern und den Malern in der oon ihr gewählten Form nicht erzählen dürfen.„Das Miftblatt, der„Vorwärts", komm mir bloß nicht damit", sagt der Tapezierer. Das war ein Witz und nur als Witz gemeint? Gestern war es ein schlechter Witz, ein Witz, der zu gut in das ganze Riindfunkmilie» paßte.~-]z.
Iheaterlkandal in Elbing . In Elbing er- eignete sich am Montagabend ein Theaterskandal. wie ihn die Stadt noch nicht erlebt hat Es sollte die Reichswehrkomödie„Krach um Leutnant B l u m e n t h a l" von dem Clbinger Autor Alfted Herzog aufgeführt werden Ein Teil des Theaterpublikums randalierte und behinderte die Aufführung. Als der Verfasser zu Beginn des Stückes vor dem Vorhang erschien, wurde er mit ohrenbetäubendem Pfeifen empfangen. Ein nationalsoziolistifcher Gnuorganisationsletter er- klärte, es fei ein Schandstück, das die Reichswehr herabwürdigte und beleidigte die Polizei. Auch vor dem Theater erhob sich ein wilder Tumult. Die Menge terftreuie sich erst, al» die Theater- lei'ung das Versprechen gab. daß da» Stück nicht aufgeführt würde.— Das ist die neue Freiheit. der wir herrlich«ntgegengefübrt werden.
Der Nobelpreisträger von 1932
Der englische Romanschriststeller John Galsworthy , 1332 Träger des literarischen Nobelpreises, ist heute vormittag an einer�. Lungenentzündung gestorben. Er wäre am" 14. August 66 Jahre alt geworden. Galsworthy galt in England als der kühne Gesellschaftsschilderer, sogar als der icharfe Sozial- kritiker. Weil er nicht ätzend und bösartig war. wie Chesterfield und Shaw, weil er nicht in Psy- chologie und auch nicht in sexuell grabende Psycho- analyse oerfiel wie der von seinen Landsleuten verabscheute Lawrence, weil er im Grunde seines Herzens und Talents zu den bürgsrlich-geläuter- ten, niemals durch privaten oder öffentlichen Skandal kompromittierten Epigonen Oscar Wildes gehörte, blieb er nicht nur der Autor einer intellek- tuellen Oberschicht. Er drang tief in das Bewußt- fein aller britischen Klassen ein. In der„F o r s y t e- S a g a", dem kunstvoll verflochtenen Wunderwerk des Familienromans, lebt noch ein Ueberreft der idyllischen Dickens -Welt. Slbßr je weiter die Bände fortgesetzt wurden, desto näher rückte der Realist Galsworthy über das km che Sücle weg zur britischen Imperiums- fachlichkeit vor. Die Damen und Herren, mit denen er sich beschäftigt, freuen sich schon darauf, den geschlossenen Klüngel der«nglilchen Bourgeoisie etwas lächerlich zu finden. Sie zappein verängstet und beängstigend in dem Netze ihrer Anftands' tradition. Sie möchten au? dem Kreis der oberen Zehntausend heraus und sich auch einmal die Mil- lionen ansehen, die unter ihnen wohnen. Doch die Emanzipation vollzieht sich nur sehr langsam. Man bedenke: eine Dame wird in ihrer Gesell- schaft ein Snob gescholten. Das bedeutet für sie so viel wie pöbelgierig, bohemelüstern, vielleicht sogar dem Proletariat seelenverwandt. Untröstlich ist sie und rebelliert, sie streift den Selbstmord. sie strauchelt nun wirklich in das Zlgeunertum.
mag es auch«in immerhin noch mit Bankkrediten gesegnetes sein. Und der Bater, der df: junge Dame innerlich zurechtrücken will, setzt ihrer Wut den Weisheitsspruch entgegen: ein Brite, der auch nur das Wort Pessimismus in den Mund nimml. ist ein schlechter Patriot! Das ist d'« mit freund- licher Ironie gemischte Toleranz Galsworthys vor dem optimistischen Grohenglönderspleen. das ist die Gutmütigkeit, die sich auch durch den Erfolg seiner Lücher bezahlt machte. Der Erfolg wäre ihm aber nicht zuteil geworden ohne sein prächtiges. elastisches Talent. Er schrieb entzückend und als ein Meister der behaglichen Schilderung. Er muß zu den wahrhaft großen Erzählern angelsächsischer Zunge gezählt werden. Seine Dramen„Justiz",„Das Silber- etui",„Gesellschaft" waren derber, voll»- tümlicher und auch oon energischerer Tendenz. 211s Theaterschriftstcller geißelte er politische und soziale Schäden, die er in seinen Erzählungen nur geisl- reich berührt hatte. Der arme, proletarische Bursche, das zeigt er, wird von Konftablern und Richtern von vornherein, wie ein Missetäler am gefaßt. England ist stolz, England wünscht kein« Proleten auf der Straße zu sehen. England setzt sie deshalb schleunigst hinter schwedische Gardinen. mag das angewandt« Gesetz dabei auch«in wenig vergewaltigt werden. Oder: die gehoben« Gesell- schaft Londons beteuert mit erhobcnen Händen. -jede Rassen- und Religionsgehälsigkeit wäre ihrem noblen Liberalismus ein Greuel. Dabei jagen die Gentlemen den Juden, den sie wegen seines Der- mögens bei sich dulden, ganz skrupellos in die bürgerliche Feme . Man führte d'efe knalligen und wirksamen Schauspiele auch in Douschland am Sie bewiesen stets, daß Ga>sworthy viel begriffen hatte von der Rückständigkeit seiner Klasse und von dem Elend, dem die Armut ausgeliefert ist. M. H.