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Morgen- Ausgabe

Nr. 53 A 27 50. Jahrg.

Rebattton und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Sermiprecher 7 mt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammabreffe: Sozialbemotrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

58

MITTWOCH

1. Februar 1933

Jn Groß Berlin 10 Bf. Auswärts....... 15 Pf.

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe am Schluß des redaktionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Kapitalistensturm auf die Reichsbank

Sie fordern Luthers Kopf- Bestellte Arbeit für den Dr. Schacht

Herr Dr. Frid hat namens der Regierung nicht nur am Montag vor den Vertretern der aus­ländischen Breffe, sondern auch am Dienstag noch­mals versichert, daß die Regierung Experimente währungspolitischer Art nicht beabsichtige. Zum gleichen 3med wird auch versichert, daß ein Wechsel in der Leitung der Reichsbank Augenblid" nicht aktuell sei.

im

Aber diese offiziöse Darstellung kann nicht dar­über hinwegtäuschen, daß hinter den Kulissen ein scharfer Kampf entbrannt ist, der die tiefen Gegen­säge in der neuen Regierung auf einem der wich­tigsten Gebiete erkennen läßt.

Sie

Luthers Gegner sind zahlreich. jizen im Kreise der großkapitalistischen Schuldner, die sich auf billige Weise durch eine neue Inflation von leicht­

sinnig eingegangenen Verpflichtungen drücken wollen. Bezeichnend für die Schärfe der Attacke gegen Luther ist ein Artikel der Berliner ,, Deutschen Zei fung.

In ihm wird Luther als der Mann des hoffentlich überwundenen Novem ber Deutschland " bezeichnet, dem vor allem zur Last gelegt wird, daß er das Gespenst der Inflation an die Wand gemalt" habe. Bei der Einleitung der ,, nationalen Wirtschaftspolitik" sei Luther nicht zu gebrauchen, denn:

,, Luther ist ein Mann der Goldwährung und der internationalen Währungsverbunden­heit. Er ist der Mann, der vornehmlich in der Ausfuhr die Rettung der deutschen Wirt­schaft sucht. Er ist der Mann ewiger Verhand

Raubmörder aus der SA.

Die Stettiner Bombenattentäter und Räuber vor Gericht

Eigener Bericht des Vorwärts"

Stettin , 31. Januar. Am Dienstag begann vor dem Steffiner Schwurgericht der Prozeß gegen die vier der S2. angehörenden Raub­mörder, die am letzten Tage des ver­gangenen Jahres den deutschnationalen Ritter­gutspächter Steinide auf dem Gute Streithof im Kreise Randow bei Stettin erschossen und ausgeplündert haben. Die Berbrecher haben SA.­einige Monate zuvor, angestiftet von Führern, die Pytrinbombe auf das Ber­lagsgebäude des sozialdemokratischen Bolts­boten" in Stettin geschleudert.

Vegetalgt sind der 36jährige Hermann Röhler, der 33jährige Dreher Gustav Duchateau, der 29 Jahre alte Schlosser Friedrich Brauns und der 27jährige 30. hannes Schulze, sämtlich aus Stettin . Mit­angeflagt ist die Frau des Hauptangeflagten Köhler. Die Anflage lautet auf Raub mord und wird vom Oberstaatsanwalt Trost- Stettin ver­treten.

Zunächst wurde der Angeklagte Gustav Du chateau verhört. Bors.: Waren Sie politisch or= ganisiert? Angefl: Ja, in der NSDAP . Bors: Wo lernten Sie den Hauptangeflagten Röhler kennen? Angefl: In der SA. Vorf.: Mit Köhler zusammen waren Sie dann auch an dem Bomenbattentat auf den sozialdemokratischen ,, Bolfsboten" beteiligt? Angefl: Ja! Bors: Das Attentat war im Auguft. Was taten Sie hinterher?

Angefl: 3ch wurde von der Nationalsozialisti­ schen Partei zunächst in ein Bad und dann nach Dessau gefchidt. Später fam ich nach Stettin zurüd.

Eines Tages im Dezember fagte Köhler zu mir, er wisse eine Stelle, wo Geld zu holen sei. Da gehe einer mit einer Kasse über den Hof, und wir brauchten weiter nichts zu tun, als ihn mit dem Gummifnüppel über den Kopf oder Arm zu schlagen und ihm das Geld abzunehmen. Vor f.: Und was fagten Sie darauf? Angefl: Ich fagte, wenn's weiter nichts ist, dann mache ich

mit. Auch Brauns sollte mitmachen, wie Köhler mir sagte. Bors.: Woher tennen Sie Brauns? Angefl: Den lernte ich beim Atten= tat auf den Wolfsboten" tennen. Am 17. Dezember wollten wir erstmalig den Versuch zu einem Ueberfall auf Streithof machen. Am 16. Dezember sprachen wir den Plan genau durch. Dabei sagte Köhler zu mir: Nimm einen Revolver mit, damit mir eventuell einen Schreckschuß ab­geben können.

Die Angeklagten sind dann am 17. Dezember auf Fahrrädern nach Streithof gefahren. Sie tamen aber nicht zur Ausführung der Tat, weil der Gutspächter Steinide bereits die Arbeiter entlohnt hatte. Sie haben dann verabredet, am letzten Tage im Jahr nochmals nach Streithof zu fahren. Sie haben sich zu diesem Zweck eine Autodroschke gemietet, mit der sie bis furz vor das Dorf fuhren. Dort blieb das Auto zurüd. Köhler, Brauns und Duchateau sind dann ins

lungen, der sich vor Taten scheut. Er ist der Exponent der international ausgerich teten Wirtschaftspolitik."

Deshalb verlangt die Deutsche Zeitung": Fort mit Luther ! Fort mit Luther das ist die ver­schämte Ausdrucksweise für die Forderungen: Her mit der Inflation! Her mit der Liebesgabenpolitik für Großagrarier! Her mit der Absperrung vom Ausland, der Preissteigerung, und der Ausbeutung der Verbraucher!

Kein Zweifel, daß die Deutsche Zeitung die wahre Absicht der für die Regierungs­politik maßgebenden großkapitalistischen Kräfte ausspricht. Der Sturm auf die Reichsbank hat begonnen. Auch sie soll lediglich willenloses Werkzeug großkapitalistischer Interessen sein.

Dorf gegangen. Beim Betreten des Gutshauses, in dem Steinicke die Löhne auszahlte, entsicherten sie die mitgenommenen Revolver. Dann gingen Duchateau und Brauns in den Raum. Beide riefen: Hände hoch!" Duchateau feuerte jofort einen Schreichuß in den Fußboden ab. Brauns schoß auf Steinide, der sich erheben wollte und fofort getroffen zu Boden sant. Brauns stürzte darauf zu dem Tisch und riß die Geldkassette an fich. Beide ergriffen dann gemeinsam mit Köhler, der während der Tat vor der Tür gestanden hatte, die Flucht. Unterwegs schütteten sie das Geld in eine Aktentasche. Dann rannten sie zurüd zu ihrem Auto und fuhren nach Stettin . Hier wurde die Beute insgesamt 65 Mark geteilt.

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Der Gutspächter Steinide ist alsbald nach der Die Un­Tat im Krankenhaus geftorben. getlagten gingen nach der Aufteilung der Beute jeelenruhig ihrem Bergnügen nach. feierten in einer S.- Kneipe bis fpät in die Nacht Silvefter.

Sie

Köhler, Brauns und Duchateau sind erheb lich vorbestraft, Köhler wegen Einbruchs­diebstahls mit einer einjährigen 3ucht hausstrafe.

SA.- Sturm auf Parteizeitung

Nazibanden wüten in Moers

Eigener Bericht des Vorwärts " Moers , 31. Januar. Gestern abend veranstalteten die hiesigen Nazis einen Fadelzug, angeblich um Hindenburg zu ehren. Als Höhepunkt dieser Ehrung hatten fie fich einen Sturm auf die Geschäftsstelle der sozialdemokratischen Bolts­ff imme" ausgefnobelt. Als die braune Be­jahzungsarmee an dem Zeifungsgebäude vorüber­30g, sprangen einige der Burschen aus der Reihe und stürmten in den Caden. Sie ver­langten in der ihnen eigenen pöbelhaften Weise die Entfernung der im Schaufenster hängenden Zei­fungen. Mit brennender Fadel schlugen sie auf einen anwesenden Redaktionsvertreter ein.

Als ihnen ihre Forderungen nicht erfüllt wurden,

eilten sie wieder auf die Straße und brachten einen weiteren Schwarm gleichgesinnter Rowdys mit, die wie die Berserker in das Cotal eindrangen und alles demolierten, was ihnen unter die Hände kam. Nur einem Zufall ist es zu ver­danken, daß die Papiervorräte nicht Feuer fingen. Die Eindringlinge ff ahlen Broschüren und Zeitschriften. Was ihnen sonst noch in die Hände fiel, konnte bis zur Stunde noch nicht fest­gestellt werden. Als sie ihr Mütchen gekühlt hatten, schossen die Burschen mehrmals in die Schaufensterscheiben, die natürlich in Scherben

gingen.

Die Polizei war anscheinend macht­los. In den demolierten Räumen sah es aus, als hätte eine Horde Wilder gehauff!

Der erste Streich

Zertrümmerung des Reichsarbeits­ministeriums

Das gleiche Thema wurde auch im Bundes­ausschuß des ADGB . behandelt, über dessen Sigung wir an anderer Stelle berichten. Red. d. ,, Vorwärts".

Die erste Tat der Hitler - Regierung ist die 3erschlagung des Reichsarbeits­ministeriums!

Die Schaffung eines Reichsarbeitsministe­riums war eine alte Forderung der Sozial­demokratie und der gesamten gewerkschaft­lichen Arbeiterbewegung. Das sogenannte Novemberverbrechen" brachte dieser Forde­rung die Erfüllung. Daß das Reichsarbeits­ministerium für die Erneuerung Deutschlands im Zeichen des Hakenkreuzes als erstes Opfer fällt, ist ein symbolischer Aft.

Man hat das Reichsarbeitsministerium in zwei Stücke zerrissen und beide Stücke an ausgesprochene Vertreter der Kapitalisten­klasse verteilt. Herrn Seldte und Herrn Hugenberg. Und was war Herrn Seldtes, des Stahlhelmführers, erste Tat? Er hat sofort angeordnet, daß der Staats­sekretär Dr. Grieser um seinen Abschied einzukommen habe.

Herr Dr. Grieser war vor dem Abgang Dr. Geibs Ministerialdirektor. Er ist dann unter Papen zum Staatssekretär befördert worden, galt also damals bestimmt nicht als Revolutionär.

Aber wenn Herr Dr. Grieser, ein alter Beamter, der unmittelbar vor der Erreichung der Altersgrenze stand, dem urreaktionären Kabinett Papen unverdächtig war, für die Regierung des Führers einer Partei, die sich sozialistisch" und Arbeiterpar tei" nennt, war er offenbar doch eine uner­trägliche Belastung.

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Grieser ist nämlich ein entschiedener Verteidiger der Sozialversiche rung. Auf der jüngsten Tagung der Gesell­schaft für Sozialreform hatte er nod; gesagt, daß für die Richtung der amtlichen Sozial­politik der Wille maßgebend bleibe, den der Reichspräsident am 30. August 1932 mit fol genden Worten fundgetan habe:

..Die Lebenshaltung der deutschen Arbeiter soll gesichert und der soziale Gedanke gewahrt bleiben."

Wir wissen nicht, ob Herr Dr. Grieser wegen dieser unzeitgemäßen Erinnerung davongejagt worden ist oder ob die beson ders kränkende Form der Entlassung ge­wählt worden ist, weil er auf der Tagung in Hannover seine Ausführungen mit der Er­flärung schloß, daß der durch die Krise be­dingte Abbau der Leistungen der Sozialver­ficherung ausgeglichen werden könne durch den Aufbau von Rechten in der So­zialverwaltung. Ihrem Wesen nach", sagte Dr. Grieser ,,, ist Sozialpolitik Neugestaltung des gesellschaftlichen Lebens, sie ist die Grundlage von Staat, Wirtschaft und Ge­sellschaft, die Quelle für die Erneuerung gesellschaftlicher Kräfte."

Ein derartiges Bekenntnis muß unter einem Kabinett Hitler offenbar seinem Urheber den Kragen kosten. Zum Nachfolger ist kein anderer als der führende Kopf der

Sonntag wieder Luftgarten!

Das arbeitende Volk antwortet Adolf Hitler