Gestern tagte der Bundesausschuß des A11gemeinen Deutschen Gewerkschafts bundes. In seinem Bericht vor dem Bundes= ausschuß gab Leipart einen Ueberblick über die Entwicklung der politischen Lage. Die Spitzenorganisationen der Gewerkschaften haben sich am Sonnabend und Montag wiederholt bemüht, beim Reichspräsidenten vorstellig zu werden, um im Sinne ihrer in diesen Tagen veröffentlichten ErPlärungen auf ihn einzuwirken. Leider vergeb= lich.
Leipart erinnerte an den Briefwechsel des Reichspräsidenten mit Hitler vor wenigen Monaten. Im November lehnte Hindenburg es ab, Hitler ein Präsidialkabinett anzuvertrauen. Er stellte ihm vielmehr damals strengere Bedingungen als jemals einem früheren Kanzlerkandidaten. Er verlangte von ihm, daß er seine parlamentarische Mehrheit nachweise, wenn er auf die Kanzlerschaft Anspruch erhebe. Jetzt war hiervon keine Rede mehr.
Was von dieser Regierung fozialpolitisch zu erwarten ist,
zeigt das Verhalten des Reichsarbeitsministers, zeigen die sa chlichen Um= gruppierungen im Reichsarbeitsministerium und im neugebildeten Krisenministerium. Auch die Haltung gegenüber einer Persönlichkeit wie dem Staatssekretär Grieser, läßt die innere Einstellung des neuen Arbeitsministers flar erkennen.
Die Einordnung der Tarifabteilung in das Krisenministerium Hugenbergs läßt feinen Zweifel, wohin der Kurs geht. Keine staatliche Lohnpolitit, vielleicht auch teine Schlichtung mehr, selbst nicht in dem jetzt schon entarteten Sinne! Auf anderen Gebieten des Tarifrechts wird die gewerkschaftsfeindliche Haltung des neuen Mannes bald genug hervortreten.
Die Arbeiterschaft wird mehr als je auf ihre eigene Kraft angewiesen sein.
Es bedarf keiner Hervorhebung, daß die Gewerkschaften zu dieser Regierung in Opposition stehen. Das kann und wird sie nicht hindern, die Interessen der Arbeiterschaft auch gegenüber dieser Regierung zu vertreten. Die Gewerkschaften werden die Ansprüche der Arbeiter auf Gleich= berechtigung in Staat und Wirtschaft mit rau der gleichen Entschiedenheit weiterverfechten wie seither. Organisation nicht Demonstration: das ist die Parole der Stunde. Die Gewerkschaften haben Jahrzehnte hindurch in diesem Geiste ge= handelt. Sie werden dieser Losung durch ver stärkte Werbetätigkeit auch in der kommenden Zeit treu bleiben.
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Graßmann ergänzte den Bericht Leiparts durch Ausführungen über die verschiedenen Möglich keiten der politischen Entwicklung.
Alles kommt auf die Geschlossenheit der Organisationen, auf die Erhaltung und den Ausbau einer einheitlichen Front der Arbeiterschaft in ihren Gewerkschaften an. Dieser Gedanke ist auch bestimmend für die Haltung der Gewerkschaften gegenüber jeder Partei, die sich etwa das Recht zur Führung gewerkschaftlicher Aktionen anmaßen sollte.
Die Aussprache ergab in eindrucksvollster Weise die ein mütige Uebereinstimmung aller Verbandsvertreter mit der Haltung, die der Bundesvorstand in diesen entscheidungsschweren Tagen eingenommen hat. Es verstehe sich von selbst, daß die Zusammensetzung dieser Regierung zu stärksten Bedenken Anlaß gibt. Die Gewerkschaften werden im einzelnen Falle ihre Haltung zu dieser Regierung von ihren Taten abhängig machen. Sie stehen bereit, wenn nötig jeden Tag, neue Entscheidungen zu treffen.
Die Haltung der gewerkschaftlichen Führung fann und darf sich aber nicht von gefühlsmäßigen Gesichtspunkten bestimmen laffen. Daß die deutsche Arbeiterschaft, soweit sie den Geist der deutschen Arbeiterbewegung in sich aufgenommen hat und gewerkschaftlich geschult ist, sich gegen diese sozialreaktionäre Regierung am
liebsten in unmittelbarer Aktion zur Wehr sehen würde, ist begreiflich, aber sachlich falsch. Es kann teinem Zweifel unterliegen, daß die Gewerkschaf= ten die Interessen der deutschen Arbeiterschaft schädigen würden, wenn sie diesen Impulsen nachgeben würden. Die Zuversicht, die für die Verhandlungen des Bundesausschusses fennzeich nend war, kommt nicht von ungefähr. Sie stammt aus der genauen Kenntnis der reichen Wider: standskräfte der deutschen Arbeiterschaft, die in ihrer jahrzehntelangen Geschichte
schon manchen Gegner fommen und gehen sah, von dem die Sage ging, daß er die Arbeiterbewegung endgültig vernichten werde. Dieses Bewußtsein der Kraft, das feiner großen Gesten bedarf und der Disziplin der Arbeiterschaft sicher ist, ist die feste Grundlage der ruhigen Haltung der gewerkschaftlichen Führung in den letzten Tagen.
Leipart faßte die Aussprache zusammen. Die gegenwärtige Regierung mag- in rücksichtsloser Ausnutzung von Machtverhältnissen, die gegenwärtig für sie günstig zu liegen scheinen,
ADB. zur Lage
eine
Am Dienstag tagte auch der Bundesausschuß des Allgemeinen Deutschen Beamtenbundes, der in Anbetracht der Gesamtlage auf dem schnellsten Wege einberufen worden war. Faltenberg und Reichstagsabgeordneter Dr. Völter erstatteten ausführlich Bericht über die Ereignisse der letzten Tage und über die verschiedenen Verhandlungen und Besprechungen, an denen der ADB. beteiligt war.
Der Bundesausschuß billigte die Haltung seiner Vertreter. Es bestand volle Einmütigkeit darüber, daß die schweren Aufgaben, vor die der Ernst der gegenwärtigen Lage den ADB. stellt, engste Gemeinschaft mit den dem ADB. Entbefreundeten Organisationen erfordern. sprechend seiner stets eingenommenen Haltung sei für den ADB. die Sicherung und Erhaltung der verfassungsmäßigen Grundlagen unseres Staatslebens und damit auch des Beamtenverhältnisses nach wie vor oberstes Ziel Mittelpunkt der Arbeit des ADB. werde auch in Zukunft die Wahrung der mirtschaftlichen Interessen der Beamten als Arbeitnehmer und Verbraucher sein.
Der Bundesausschuß richtete einen eindringlichen Appell an alle ADB.- Mitglieder, noch fester und entschlossener zu ihrer Organisation zu stehen, sich nicht zu Unbesonnenheiten hinreißen zu lassen, sondern in allen gewerkschaftlichen Fragen nur den Weisungen des ADB. und seiner Verbände zu folgen. In der festen lleberzeugung, daß die Kollegen in richtiger Erkenntnis der Sachlage diesem ersten Gebot der Stunde auch in Zukunft treu bleiben werden, sah der Bundesausschuß von einer Beschlußfassung über Einzelheiten ab. Er wird nach Bedarf wieder zusammentreten.
Nazi- Hochburg besiegt
Betriebsratswahl bei Pertrix
Nach einem verlorenen Streit der RGO. im Januar 1931 gegen die Brüning- Notverordnung wurde aus Pertrig durch Neueinstellungen eine Nazihochburg. Etwa 200 RGO.- Nachläufer blieben bei diesem aussichtslosen Streit auf der Strecke. Den Freigewerkschaftern gelang es da mals bei der darauffolgenden Betriebsratswahl, trog Naziterror und Streikniederlage im Arbeiterrat 4 und im Betriebsrat 3 Mandate zu erobern, während die Nazis im Betriebsrat 5 und im Arbeiterrat ebenfalls 4 Mandate hatten.
Ein Jahr Betriebsratstätigkeit dieser Nazis genügte, um ihre Unfähigkeit zu beweisen. Sie gingen in ihrer Hilflosigkeit so meit, daß sie sich des öfteren bei den Gemertschaftern Auskunft holen mußten, ja sogar bei der
tariflose Zeit, vielleicht gar einen weiteren Abbau der Löhne durchsetzen; sie mag
aus der Rumpelfammer veralteter Vorstellungen reaktionäre Pläne herausholen und Einrichtungen schaffen, die den bestehenden Rechten und dem Freiheitswillen der deutschen Arbeiterschaft widersprechen; die deutsche Arbeiterschaft weiß nicht nur aus der Erfahrung der letzten Jahre, sondern aus ihrer ganzen Geschichte, daß auf eine lange Periode sozialen Aufstieges auch einmal ein Rückschlag, ja vorübergehende Erfolge bewußten Rüdschritts folgen fönnen. Diese Erfahrung wird den Glauben an die Macht und die Zukunft der gewerkschaftlichen Organisation in ihren Anhängern nicht ertöten. Dieser Glaube wird auch diejenigen wieder ergreifen und zu ihren Fahnen führen, die heute die wirtschaftliche Not unseren Organisationen entfremdet hat. Keine deutsche Regierung wird die deutsche Arbeiterschaft und ihre Organisationen überwältigen fönnen, weil sie ihren Geist nicht unterdrücken kann. Es wird auch dieser Regierung nicht gelingen!
Gewerkschaft selbst Auskunft einholten. So haben sie sich denn bei der jezigen Wahl mit allen Mitteln der Verleumdung der freien Gewerkschaften bemüht, sich zu rechtfertigen. Selbst der Fraktionsführer der Berliner Stadtverordnetenfraftion der Nazis, Herr Engel, wurde herangezogen, um in einer Versammlung über ,, Die freien Gewerkschaften ohne Maske" zu sprechen.
Zwanzig Minuten Redezeit wurde bei einem anderthalbstündigen Referat dem Vertreter des DMB., Genossen Wingoth, zugebilligt. In diesen 20 Minuten bekamen die Nazis bittere Wahrheiten zu hören. So mancher Nazianhänger ging von dieser Versammlung mit einer neugewonnenen Ansicht nach Hause. Die Niederlage der Maulhelden war nicht mehr aufzuhalten.
Bei der Wahl am 30. Januar erhielten die Freigewerkschafter 303 Stimmen und 6 Mandate, die Nazis 136 Stimmen und 2 Man= date, der Stahlhelm 51 Stimmen und ein Mandat im Arbeiterrat. Im Betriebsrat find 5 Freigewertschafter und mit den Angestellten 4 Nazis. Wenn nicht in diesem Betrieb verschiedene Werkstatt vorgefeßte mären, die bei der sehr starken weiblichen Belegschaft durch ihren Einfluß die Nazibewegung förderten, so wäre die Niederlage noch größer. Obgleich die Nazis im Stil und Ausmaß wie in Lippe- Detmold agitierten, scheiterten sie an der Geschlossenheit der freien Gewerkschaften. So muß es überall werden.
Borwärts!
Die Kölner Gewerkschaften haben in ihrer Werbeaktion nach den bis jetzt vorliegenden Berichten in verhältnismäßig turzer Zeit etwa 1800 neue Mitglieder ge= wonnen. Der Gesamtverband meldet allein rund 500 Aufnahmen im legten Quartal und 67 im Monat Januar. Selbst die Bauarbeiter, die so schwer unter der Krise leiden, fönnen 120 Neuaufnahmen melden.
Laienspiel- Wettstreit
Im großen Saal des Gewerkschaftshauses saßen am Sonntagabend, dicht gedrängt und äußerst gespannt, die Mitglieder der freien Gewerk schafts Jugend, um einem LaienspielWettstreit beizuwohnen, doch nicht nur als Zuhörer, nein, als Mitwirkende im kameradschaftlichen Kampf der Geister, des rebellischen Wizes, der agitatorischen Gestaltungskraft und des zugreifenden Wollens. Es war unwiderstehlich, im eigensten Sinne jugendlich, wie Saal und Bühne
zusammenwuchsen, wie die Sprecher und Singer formten, was den Marschgenossen auf der Zunge saß und in der Seele brannte. Kein Zweifel, daß folche schonungslose. von der Jugend schöpferisch geführte Schlacht der Respektlosigkeit und des Klaffenglaubens gegen sämtliche Popanze des Herrentums, der Junker, der Schlotbarone, der Säbelrasseler und ihrer Gefolgschaft wirksamer ist, als ungezählte Leitartikel und Referate Es wäre sehr zu wünschen, daß alle, die nach neuen wirt. jamen Mitteln der politischen, der sozialen und der fulturellen Aufklärung suchen, solch einem Sängerfrieg der proletarischen Stoßtrupps beiwohnen.
Fünf Gruppen traten an. Außerdem die Musikgruppe Junge Hoffnung", eine fanfarende Schalmeienkapelle. berufen Tote zu erwecken, und Demonstrationen im Lustgarten etwa, mit Rhythmus und Feuer zu beflügeln. Jede Gruppe bot ein Spiel, das sie selbst ersonnen, teils aus übernommenen Legten zusammengestellt, teils eigens geschrieben hatte. Zwischen Revue und Kabarett, Solofzene und Sprechchor, Rutschbahnen, Schallplatten Rundfunk, Projetten und grotesken Zeichnungen, ritt jede der fünf Spielgemeinschaften eine wirbelnde. Hohn und Stoß nicht sparende Attacke gegen Hakenkreuz und Gelbsucht, Ausbeutung und Verdummung. Ganze Säcke von Ohr= feigen wurden ausgeschüttet. ausgeschüttet. Ausgewachsene Pflaumen und faule Aepfel fielen hageldicht, Herr von Papen z. B. kam mit eigenen Aussprüchen zu Wort; es war ein Potpourri zum Kugeln. Eine helle Freude, die Raketen zischen, die Bomben plazen und die Parolen hämmern zu hören.
Zum Schluß folgte die Kritif. Ein Kollegium gewählter, recht scharfer Beurteiler spendete Lob und Tadel. Die Gruppe des Nordost= kreises, die mit einem famosen Kabarett aufgetrumpft hatte, bekam den Preiswimpel. Diese draufgängerische Selbsterziehung, ohne Sentimentalität und ohne Pathos, nüchtern, sachlich und doch begeistert, war vielleicht das Schönste und Ueberzeugendste des Abends, der jedenfalls eins flar gemacht hat: diese Jugend spottet aller autoritären Vergewaltigung, sie wurde den feudalen und goldenen Götzen zur Peitsche und dem Volk zum Rammblock.
Der Eisenbahnerstreit
Am Montag um Mitternacht traten sämtliche 5000 Eisenbahnangestellten in Nordirland in den Lohnstreit als Protest gegen die angekündigte Lohnkürzung von 10 Proz. Die Eisenbahngesellschaften hoffen, den Verkehr auf den wichtigsten Linien mit Hilfe von Stu= denten und Hilfsarbeitern aufrecht zu erhalten.
Konflikt im Baugewerbe? Keine Annäherung der Parteien
Die
des Tarifvertragsparteien Baugewerbes haben dieser Tage zwecks Abschluß eines neuen Reichstarifvertrages für Hoch-, Beton- und Tiefbauarbeiten verhandelt. Lediglich in einigen mehr untergeordneten Be ftimmungen ist eine gewisse Annäherung festzu stellen. In den entscheidenden Fragen stehen die Auffassungen der Parteien einander schroff gegenüber. Die Verhandlungen sollen am 7. Februar fortgesetzt werden. Der jetzt geltende Vertrag läuft am 2. März ab.
Für die Kölner Textilindustrie wurde ein Schiedsspruch gefällt. Er bestimmt, daß das zum 31. Januar gekündigte Lohnabkommen mit dem 1. Februar unverändert wieder in Kraft gesetzt wird. Das neue Abkommen läuft mit einer Kündigungsfrist von 1 Monat bis Ende Juni.
Frankreich und Jugoslawien haben eine Erleichterung der Ausbildung von An: gestelltenlehrlingen vereinbart. Danach fönnen jüngere Angestellte der beiden Länder die Zahl der Zuzulassenden ist vorläufig auf 150 pro Jahr festgesetzt für eine bestimmte Zeit in einem Handels- oder Industrieunternehmen des anderen Landes eine Stellung annehmen.
Hierzu 2 Beilagen
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