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Morgen- Ausgabe

Nr. 99 A 42 50. Jahrg.

Rebattion and Berlag, Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Ferniprecher 7 Amt Donhoff 292 bis 297 Telegrammabreffe: Sozialbemotrat Berlis

Wählt Liste

Sozialdemokraten

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

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DIENSTAG

28. Februar 1933

Jn Groß Berlin 10 Bf. Auswärts...... 15 Pf.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Riesenbrand

im Reichstag

Gestern in der zehnten Abendstunde brach im Reichstagsgebäude an mehreren Stellen zugleich ein Riesenbrand aus. Das Feuer ergriff den Sitzungssaal und schlug bald zur Kuppel heraus. Die Feuerwehr aus ganz Berlin wurde zusammengezogen. Der Sitzungs­saal brannte vollständig aus. Es liegt Brandstiftung vor.

Der Reichstag brennt!

Ungläubig wird die Nachricht aufgenom­men. Möglich, daß im Reichstag etwas brennt. Aber der Reichstag , dieses un­geheure steinerne Gebäude?

Man sucht einen Aussichtspunkt, das Dach eines hohen Gebäudes da sieht man, daß dort, wo bei Tageslicht sonst die berühmte vergoldete Kuppel zu sehen ist, eine steile Flamme emporsteigt.

Der Reichstag brennt!

Wilde Gerüchte durchschwirren die Stadt. Man sagt, es set Brandstiftung . An vier oder sechs Stellen des Gebäudes sind Brand­stellen. Niemand darf hinein, niemand darf heraus. Man sucht die Täter.

Bird man sie finden?

Wenn die Gerüchte recht haben, wenn es wirklich Brandstiftung ist, so müssen die Täter in Kreisen zu judjen sein, die durch ihre Tat ihren Haß gegen das parla­mentarische System Ausdruck ver­leihen wollten.

Soll es ein Signal" sein? Wahrhaftig, man möchte es wünschen! Man möchte wün­schen, daß dieser Brand dem ganzen deutschen Bolk ein Licht aufstecken

würde.

Durch Deutschland wütet der Wahnsinn der Selbstzerstörung! Wer gebietet ihm Einhalt?

Der Reichstag wird wieder aufgebaut wer­den. Die Demokratie wird wieder aufgebaut werden. Und wer Brand stiftet, der wird feine Strafe haben.

Das arbeitende Bolt wird es schon schaffen!

Der Reichstag brennt!

Sitzungssaal in Flammen

stiftung

Brand­

Ein Riesenfeuer rötete in den gestrigen Abend­stunden den graubedeckten Himmel in der City blutrot. Die Riesenkuppel des Reichstags, eines der Wahrzeichen der Reichshauptstadt, stand in hellen Flammen. Im Innern des großen Ge= bäudes brannte der Sizungssaal lichterloh, an fänglich war das Schlimmste für das Riesenhaus zu befürchten. Der aufopfernden Arbeit der Ber liner Feuerwehr gelang es, in zweistündiger, auf­reibender Tätigkeit den Brand einzukreisen. Die Feuerwehr und Polizei haben Brand= An mehreren Stellen stiftung festgestellt

wurden Brandherde entdeckt.

Der erste Alarm

Kurz nach 21 Uhr ertönte im Reichstag das Feuersignal. Im Restaurant war Feuer aus­gebrochen und auf den Alarm eilten zunächst 3 Löschzüge an die Brandstelle. Die Flammen fonnten bald erstickt werden und während die Feuerwehrleute noch in den Restaurationsräumen die Aufräumungsarbeiten vornahmen, loderten an verschiedenen anderen Stellen die Flammen empor. In einer unglaublich turzen Zeit brannte der große Sigungssaal des Reichstages in seinem ganzen Umfange lichterloh. Das Feuer, das an den Abgeordnetenfißen. Bulten und den hölzernen Wandverkleidungen überaus reiche Nahrung fand, griff wie rasend um sich. Die Feuerwehren, die inzwischen mit 15 Lösch­

zügen auf 15. Alarmstufe am Reichstagsgebäude unter Leitung des Oberbranddirektors Gempp er= schienen waren, nahmen die Bekämpfung des Riefenfeuers von allen Seiten auf. Schlauch­leitung auf Schlauchleitung wurde an die Motor­sprizen angeschlossen. Ueber zahlreiche mechanische Leitern und über die Treppen aller Portale drangen die Löschtrupps nach oben vor. Zunächst war es wegen der ungeheuren Hize, die dem Feuermeer entströmte, überhaupt nicht möglich, andenbrennenden Sigungs­jaal heranzukommen.

So mußte man sich zuerst darauf beschränken, ein Weitergreifen des Brandes zu verhindern. Das ist glücklicherweise im vollen Maße gelungen. Allerdings konnte nicht verhin­dert werden, daß ein Teil der Wandel­gänge und die Garderobe von dem Feuer schmer in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Während oben in furchtbarer size die Lösch­trupps ihr schwieriges Wert vollführten, trafen in unmittelbarer Folge die Spezialfahrzeuge der Feuerwehr und des Städtischen Rettungsamtes am Reichstag ein. Ablösungsmannschaften mit Rauchschutzgeräten und Gasmasken ausgerüstet, versuchten gegen 22.15 Uhr weiter gegen den brennenden Sigungssaal vorzustoßen. Das erwies fich aber bald als ganz unmöglich, denn es konnte jeden Augenblick ein Einsturz

der Reichstagsfuppel, die fast zwei Stunden einer enormen Hitze ausgesetzt war, er­folgen.

Die brennende Kuppel nahm sich wie ein Fanal aus, das bis weithin hinein in die Außenbezirke zu erfennen war. Meterhoch schlugen die Flammen empor, der heftige Wind trieb einen gewaltigen Funtenregen auf den Platz der Re­ publik nieder. Die weitere Umgebung des Reichs­tages war in furzer Zeit mit Tausenden von Schauluftigen gefüllt. Mehrere Hundertschaften Schupo nahmen Absperrungen vor, es wurde eine scharfe Kontrolle durchgeführt, da die Polize: glaubte, daß sich noch Komplicen des bereits fest­genommenen Brandstifters innerhalb der Ab­Sperrungszone befinden könnten.

mar

Bom Nordportal aus es möglich, einen kurzen Blick auf den Hof des Reichstages zu merfen. Ein einziges Flammenmeer. das nadh allen Seiten weiterzingelte. Der heftige. Wind entfachte den Brand immer aufs neue. Rauchgeschwärzt und total erschöpft tamen die Feuerwehrleute, die oben in furchtbarer Hize ihr Rettungswerk vollführt hatten, auf der Straße an. Neue Löschtrupps begaben sich nach oben, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln sollte das Gebäude gerettet werden. Und man kann sagen, die Berliner Feuerwehr hat sich gestern wacker geschlagen und trotz der vielen Schwierigkeiten,

die sich besonders wegen der Höhe der Brand­stelle ergaben, eine glänzende Probe ihrer Schlag­fraft und ihrer umsichtigen Führung abgegeben.

Um 22.45 1hr konnte Oberbrandirektor Gempp der Presse melden, daß die Hauptgefahr beseitigt sei. Die Ablöschungs- und Aufräumungsarbeiten dürften mehrere Tage in Anspruch nehmen. Zu nächst muß untersucht werden, wiemeit der Kuppel­bau unter der Hize gelitten hat. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die ganze Ruppel ab. gerissen und erneuert werden muß. Der Schaden dürfte sich nach einiger vorsichtigen Schäzung auf einige hunderttausend Mark be­laufen. Er dürfte aber noch bedeutend höher sein, wenn der gesamte Kuppelbau von Grund auf erneuert werden müßte.

Kuppel gefährdet

Die Eisenkonstruktion der großen Mittelkuppel hat sich verbogen und ist teilweise eingestürzt.

Der holländische Kommunist WIB. meldet in später Stunde in seinen Berliner Lokalnachrichten, ein niederländi­scher Kommunist sei der Täter; er habe schon gestanden.

Im Gegensatz dazu erklärf die zuständige Polizeisielle, daß diese Gerüchte nicht bestätigt werden können.

Karl- Mary- Kundgebung aufgelöft

Man darf nicht sagen: Ein Antimarxist braucht nichts zu wissen!

Eine Gedenkfeier der Berliner Sozialdemo­fraten zum 50. Todestage von Karl Marg! Wer die Maffen im Sportpalaft überblickte, der hatte den Eindruck: hier sind gewiß jeder ein­zelne von den vielen tausenden Arbeitern, Ange­stellten und Beamten- polifisch geschulte, denkende, reife Eigenpersönlich

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teiten, aber sie sind wie ein Blod, ein einziger unerschütterlicher, nicht zu zerschlagender Blod!

Das Proletariat, zu stärkster Kraft gesammelt in der Eifernen Front, ist in der Tat der Blod, an dem die Reaktion scheitern wird. Es war feine gewöhnliche Bersammlungsstimmung geffern, es war viel, sehr viel mehr. Stärkster, innerer Drang zwang die Menschen in den Sportpalast. Sie wollten in einer Zeit schwerer Bedrückung ein Bekenntnis ablegen, das über alle Not und Gefahr heraus Wert und Bestand hat. Sie tamen, aus dem Westen und Often, aus dem Norden und Süden der Riefenstadt, einer neben dem andern, Männer und Frauen, die drei Pfeile herausge­steckt als Zeichen der Freiheit, noch in Arbeit die einen, die von Gehalts- und Cohnabbau umdroht find, arbeitslos die andern, die Alten in Erinne­rung an die Kämpfe non einst, die Jungen im Geist des Gelöbniffes für die Kämpfe der Zukunft.

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Drinnen im Sportpalast der schon lange vor 19% Uhr bis auf den letzten Sigplatz gefüllt ist grüßt das rote Banner der Berliner Sozialdemo tratie. mahnt es in riesigem Transparent:

Proletarier Deutschlands , vereinigt euch!"

Da stehen die Träger der roten Banner, und auf der weißen Leinwand erscheinen die Mahnungen: ,, 2 m 5. März nur Liste 2!"( Stürmischer Beifall.) Bleibt dem ,, Borwärts" treu trotz aller Verbote."( Neuer stürmischer Beifall.)

Die Kundgebung beginnt. Franz Künstler grüßt die Massen mit Freiheit. Die vielen Tau­sende erheben sich, und es ist eine weihevolle Mi­nute tiefsten traurigen Schweigens, als er sagt: ,, Wir wären schlechte Freiheitskämpfer, wenn wir nicht der Opfer gedächten, die in so großer Zahl gefallen find für die Freiheit, hingemordet und hingestreckt. Wir wären schlechte Freiheitskämpfer, wenn wir nicht auch bereit wären, das Leben für die Freiheit zu opfern Die Fahnen hoch!"

Mufit aus Beethovens ,, Egmont" ertönt. Dann spricht begeisternd und begeistert Martha John Wladimir Kirrilows hymnische Dichtung ,, Karl Marg", in der Uebertragung von Mag Barthel: ..Es kommt die Zeit, da brechen alle Schranken, Dann hören alle Völker deinen Schrei:

Ihr Unterdrückten aller Länder, macht euch frei!" Du feuriger Titan geflügelter Gedanken."

Arbeiterfänger des Berliner Lendvai - Chors, bes Neuköllner Sängerchors, des Sängerchors Berlin 1900 und das Orchester des Berliner Konzertver eins intonierten Uthmanns Heiliges Feuer".

Dann sprach, hämmernd in Herzen und Hirne, Alexander Stein die Grabrede, die Friedrich Engels am 17. März 1883 auf dem Friedhof zu Highgate Karl Marg gewidmet hat. Das Kampflied der Arbeit Wir sind die Kraft" flingt auf. Dann fprach

Friedrich Stampfer :

das

Ein Gespenst geht um in Deutschland Gespenst des Marrismus. Alle Mächte der Ver gangenheit haben sich zu einem heiligen Krieg gegen dieses Gespenst verbündet. Täglich wird zu seiner Ausrottung, zu seiner Bernichtung auf gefordert. An allem hat der Marrismus schuld. Daß der Krieg verloren wurde, das war nicht die Schuld derer, die bis zum Tage der Niederlage Deutschlands Politik und Deutschlands Heere geführt hatten, es war die Schuld des Margismus!

Daß die deutsche Währung vor 10 Jahren ins Bodenlose sant, das war nicht die Schuld derer, die den Krieg und den nachfolgenden Ruhr­frieg mit Schuldenmachen geführt hatten, um den Befizz zu schonen, es mar die Schuld des Margismus!

Und daß in Deutschland , wie in der übrigen Welt, die Maschinen stillstehen. daß Millionen Arbeitsloser hungern und hungern müssen, wäh rend die Technik jede Möglichkeit bietet, alle Menschen mit allem Nötigen reichlich zu Der forgen auch das ist nicht die Schuld der kapita­ listischen Wirtschaft, sondern es ist die Schuld des Margismus!

Die ganze Politik ist damit auf die denkbar ein­jachste Formel gebracht.

Das deutsche Volk ist arm und unglücklich. Es braucht nur den Marrismus auszurotten und zu vernichten, um reich und glücklich zu sein!( Große Heiterkeit!)

Vielleicht ist es aber auch in diesen Tagen er