Einheitsfront für Recht und Freiheit
Heute und morgen finden in der Bewag und den Städtischen Gaswerken die Betriebs= ratswahlen statt. Sie werden für Berlin eine gewisse Vorschau auf die Wahl am kommenden Sonntag bilden. Eine Borschau insofern, als man aus dem Ergebnis dieser Betriebsratswahlen wird feststellen können, ob und wie weit sich die klassenbewußte Arbeiterschaft darüber klar geworden ist, daß heute
die Grundbedingung für die Aufrechterhaltung ihrer Freiheiten und ihrer Rechte die Einheitsfront in den Gewerkschaften und in der Sozialdemokratischen Partei
ist. Diese Betriebsratswahlen werden weiter aufzeigen, ob und wie weit alles, was wir in diesen Tagen und Wochen in Deutschland erlebt haben, dazu angetan ist, um innerhalb der Arbeiterschaft Eroberungen für den Nationalsozialismus zu machen.
Wir haben nicht nötig, unseren Lesern klar zu machen, was heute auf dem Spiele steht. Sie missen es. Sie müssen es aber auch ihren Kollegen in der Werkstatt und im Büro klar machen.
Am Sonntag mar eine Kundgebung der Stahlhelm- Selbsthilfe, d. h. einer Organisation innerhalb des Stahlhelms, die seit Jahren bemüht ist, mit Hilfe der Unternehmer die Gewerkschaften zu verdrängen. Auf dieser Kundgebung, der auch der Bundesführer des Stahlhelm, Reichsarbeitsminister Seldte , beiwohnte, wurde unter ungeheurem Beifall mitgeteilt, daß
der Stahlhelm bei seinem Bundesführer als Reichsarbeitsminister den Antrag gestellt hat, die Gewerkschaften unter Staatsaufsicht zu ftellen,
und zwar unter einer Staatsaufsicht.„, die ihnen nahelegt, ein Beitrags- und Leistungswesen einzuführen, wie es ihnen die Stahlhelm- Selbsthilfe seit vier Jahren vorererziert".
Der Reichsleiter der nationalsozialistischen Be triebszellenorganisation hat fürzlich in einer Wahlrede angekündigt, daß man nach den Wahlen den Kampf gegen die Gewerkschaften aufnehmen würde. Er teilte weiter mit mir haben diese Rede auf Grund eines Berichts der ,, Kölnischen Zeitung " veröffentlicht, daß dem Reichskanzler Hitler vorschwebe,
an die Stelle der Gewerkschaften die nationalsozialistische Betriebszellenorganisatio zu sehen, und daß über allen Betrieben die Hakenkreuzfahne aufgepflanzt werden müsse.
Wie„ Der Deutsche" mitteilt, hat der Bundesführer des Stahlhelms, Reichsarbeitsminister Seldte , der Mitteilung, die wir oben wiedergeben, sehr lebhaft und mit vielsagendem Lächeln 3ugestimmt. ,, Der Deutsche" schreibt dazu unter anderem:
,, Die Gewerkschaften sind und bleiben ein Machtfaktor, mit dem auch die heutige Reichsregierung rechnen muß. Und die Macht der Gewerkschaften ist nicht durch einen Staatstom
Die Arbeiterschaft muß entscheiden
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missar zu brechen. Möge der Ruf nach der Staatsaufsicht eine Forderung des Stahlhelms bleiben, wir nehmen sie nicht tragisch, sie könnte es erst dann werden, wenn sie bei der Reichsregierung Gehör finden würde. Menschen und Gebilde, die sich wiederholt als stärkste Stützen des Staates, mir meinen nicht als Stüßen der Regierungen-, bewährt haben, stellt man nicht unter Staatsaufsicht, wenn man den Staat selbst nicht ernstlich in Gefahr bringen will. Mögen Frontsoldaten starfe Worte gebrauchen, für den Staatsführer dürfen sie nicht maßgebend sein. Das Reich ist tein Schüßengraben."
,, Der Deutsche", das sehr gemäßigte Organ der christlichen Gewerkschaften, hat oft und heftig, ja selbst unsachlich gegen die freien Gewerkschaften und gegen die Sozialdemokratie Stellung genommen. Es ist deshalb um so erfreulicher ,,
daß auch die chriftlichen Gewerkschaften und die mit ihnen sympathisierenden Arbeiter begriffen haben, um was es heute geht. Sind die Berliner Arbeiter etma weniger ,, helle"? Heute und morgen und am nächsten Sonntag entscheidet sich nicht, auf welchem Wege am besten
Endlich Einheitsfront!
Die Berliner Ortsverwaltung des Verban des der Maler hielt am Sonntag im Dres dener Garten ihre Jahresbelegierten versammlung ab. Auch diese reine Gemertschaftsversammlung bot wie alle gewerkschaftlichen Kundgebungen der letzten Wochen ein Bild vor= züglicher Disziplin und Kampfentschlossenheit.
Der 1. Vorsitzende der Ortsverwaltung Genosse Bosse gab zunächst den Rechenschaftsbericht für 1932. Wie trost los die Beschäftigungslage im Malergewerbe im vorigen Jahre war und auch jetzt noch ist, ging am deutlichsten aus seinen Angaben über die Arbeitslosigkeit hervor. Das Jahr 1932 begann in Berlin mit 10 168 eingetragenen arbeitslosen Berufsangehörigen und schloß mit 9232. Diese scheinbare Abnahme der Arbeitslosigkeit im Malergewerbe ist auf die Notverordnungen des vorigen Jahres zurückzuführen, durch die eine Unmenge von Erwerbslosen ,, unsichtbar" gemacht wurden.
Der Organisationsleitung war es auch im vorigen Jahr möglich, die Lohn- und Ar= beitsbedingungen tariflich zu regeln, wenn es auch nicht gelang, eine Verschlechterung zu vermeiden. Genosse Bosse betonte zum Schluß die Notwendigkeit des einheitlichen Zusammenstehens aller Verbands- und Berufsangehörigen im Kampfe um die Freiheit der Arbeiterschaft und den Bestand der Arbeiterorganisationen. Jeder Mei nungsstreit müsse jeẞt unterbleiben, zumal die Maler, deren Reichslohntarif zum 31. März gekündigt ist, auch beruflich mit ernſten
kann.
die Sozialisierung durchgeführt werden Heute, morgen und am nächsten Sonntag fallen die ersten Entscheidungen im Ramp f um die Freiheit der Arbeiter Auch die Arbeiter und Angestellten, die aus Ungeduld oder aus einer begreiflichen Erbitterung heraus
in geheimer Abstimmung beichloß die zenolutionäre" Belegschaft mit allen gegen nur 3 Stimmen, der rote Betriebs= rat jei zu entlassen! Die Belegschaftsmitglieder erhielten jeder eine Geldstrafe von 2 Mart wegen unerlaubten Berlassens der Arbeit auferlegt; dann erst durften sie wieder arbeiten. Es ist uns peinlich, diese beschämende Wahrheit festzustellen. Es ist aber notwendig, die • Arbeiterschaft vor falschen Parolen zu
warnen.
müssen begreifen,
daß alles davon abhängt, ob die Arbeiterschaft sich in einer Einheitsfront zusammenfindet, um ihre Rechte, ihre Freiheiten, um die Demokratie und die Republik zu verteidigen und zu sichern.
Wer auch noch vor wenigen Wochen und Monaten mit Geringschäzung von der Republik und der demokratischen Freiheit gesprochen haben mag, er wird jetzt ihren Wert und ihre Bedeutung für die Arbeiterklasse ermessen. Sie sind der traditionelle Kampfboden der Arbeiterklasse Um fie haben wir Jahrzehnte gerungen und gekämpft. Die Rechte und die Freiheit der Arbeiterklasse sind untrennbar mit der Republik und der Demokratie verbunden. Mit ihnen mollen mir fiegen!
Auseinandersetzungen zu rechnen haben werden. Der Appell zur Einigkeit fand daher in der Delegiertenversammlung einmütige 3ustim= mung. Bei den Neuwahlen der Verbandskörperschaften wurde der 1. Vorsitzende Genosse Bosse einstimmig und die übrigen gleichfalls ,, reformistischen" Mitglieder der Ortsverwaltung mit erdrückender Mehrheit wiedergewählt. Auf die menigen tommunistischen Vorschläge zur Ortsverwaltung entfielen nur 1 bis 4 Stimmen.
Gin ,, Generalstreit“
Bombastisch ist in der kommunistischen Presse über einen Streit in den Schrauben und Muttern werfen in Peine berichtet morden. Der Betrieb ist seit längerer Zeit eine Hochburg der Kommunisten. Die Berufung Hitlers zum Reichskanzler bot nach Ansicht des„ roten" Betriebsrats die beste Gelegenheit zur Ausrufung des Generalstreifs. Die Arbeiterschaft wollte aber nicht recht glauben, daß Hitler ausgerechnet durch) einen Streif bei den Schrauben- und Mutternwerken in Peine aus dem Sattel gehoben merde; deshalb wurden noch einige andere Forderungen aufgestellt. Für diese Forderungen murde ein Tag Generalstreif" gemacht.
Am anderen Morgen meldete die kommunistische Presse, daß unter der alleinigen Führung der RGO. fast sämtliche Forderungen bei der Be= triebsleitung durchgedrückt worden seien.
Und die Wirklichkeit? Der Betriebsleiter forderte vor Arbeitsaufnahme die Entlassung des Vorsitzenden des„ roten" Betriebsrats und
Projekte und Erwägungen
Wie bereits mitgeteilt, find für die Organifierung der Arbeitsdienstpflicht drei Reichs= fommissare vorgesehen.
Trotz dieser Bielheit der Kommissare und obwohl der Reichskanzler in seiner bekannten Erklärung im Rundfunk als einzige vorgesehene wirtschaftliche Maßnahme neben der Siedlung die Arbeitsdienstpflicht angesehen hat ist man bis jetzt über Erwägungen nicht hinausgekommen. Der Plan des Reichskommissars und Obersten a. D. Hierl, den er seinerzeit in der Technischen Hochschule in Charlottenburg entwidelt hat, ging dahin,
zunächst alle Männer, später aber auch alle Frauen vom 17. bis 30. Lebensjahr zwei Jahre Arbeitsdienstpflicht machen zu lassen, an die sich, für die Männer, die frühere Militärdienstpflicht schließen soll.
an=
Es gilt nur 3 mei Rippen zu umschiffen: 1. die Finanzierung, 2. die Arbeitsbeschaffung. Auch wenn der gegenwärtige Reichsfinanzminister Graf von Schwerin- Krosigk etwa Herrn Feder Platz machen müßte, so würde die Finanzierung des Projekts nur furze Zeit überbrückt werden können, d. h. über einer Brücke, unter der der Abgrund sich befände, in den unsere Währung stürzen würde. Man erwägt deshalb, wie die Einführung der Arbeitsdienstpflicht ermöglicht werden könnte, ohne daß dem Staat die Geschichte allzu teuer werden mürde.
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Das könnte nur über die Frage der Arbeits beschaffung gefunden werden. Zunächst hat man daran gedacht, die Arbeitsdienstpflichtigen in der Landwirtschaft unterzubringen, d. h. an Stelle der freien Landarbeiter 3wangs arbeiter zu setzen. So verlockend dieses Projekt wenigstens für die Großgrundbesizer- ist, so scheitert es an der Tatsache, daß die landwirtschaftliche Arbeit im hervorragenden Maße Saisonarbeit ist. Gewisse Kreise erwägen gegen wärtig deshalb, gewisse Arbeiten in öffentlichen Diensten durch Arbeitsdienstpflichtige ausführen zu lassen, weil sich die Privatunternehmer energisch gegen die Ausführung von anderen Arbeiten zur Wehr setzen.
Hierzu 2 Beilagen
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