Uti «*

2Xv. 32.

8, 1891.

1.

.* Arbeik��.. f>X Mschrist für die MeWii der Frlinen und Miidlheii des mdeiteiideii Mikes. Organ aller auf dem Boden der modernen Arbeiterbewegung stehenden Vereinigungen der Arbeiterinnen.

Gintracht macht stark Bildung macht frei! Redaktion: Emma Ihrer , Velten (Mark). Expedition, Druck und Verlag: Fr. Meyer, Hamburg , Rosenftr. 35.

Ost

.if-nd'

Kettet ltie imcked Vertreter der deutschen Sozialdemokratie haben Hon oft hervorgehoben, daß für die Kinder des Volkes allgemeine Schulpflicht keineswegs genügt, um eine Menschenwürdige Erziehung und eine einigermaßen ver- Zünftige Zukunft zu sichern, daß vielmehr die Ernäh- shng des Körpers bei ihnen in erster Linie Berück- Mtigung finden müsse; weil die große Masse der Proletarier selbst bei bestem Willen ihre Kinder nicht Mügend zu ernähren vermag. Deshalb, so wurde �zialdemokratischerseits ost genug ausgesprochen, sollte °er Staat, beziehungsweise die Gemeinde, zugleich mit �er Unterrichtspflicht die Ernährungspflicht gegenüber °en Kindern des Volkes übernehmen. Ganz dasselbe fordert in einer ausführlichen und interessanten Abhandlung Monsieur Arg y riadös, Advokat am Appellhofe zu Paris und Herausgeber des »Almanachs der sozialen Frage und des freien Ge- fllnkens." Derselbe macht Vorschläge, welche für das auf abschüssigen Bahn der Entvölkerung befindliche Frankreich in allerhervorragendstem Maße wichtig sind, gleichzeitig aber auch für alle Kulturvölker, welche an furchtbaren Uebel des Proletarierelends dahinsiechen, höchste Bedeutung haben. Monsieur Argynadös schreibt: Eine der sozialen Reformen, welche neben vielen Ederen die Anhänger aller Parteien interessiren sollten, H diejenige, welche dahin strebt, unter den Schutz der °Urch den Staat und die Gemeinde vertretenen Gesell- Hast alle Kinder zu stellen, und diesen so alles das j,'1 sichern, was sie vom physischen und moralischen �Nchtspunkte aus bedürfen. . Der unentgeltliche und obligatorische Unterricht �llt nur den Versuch einer ganz unzureichenden Ab- JJ�ung dar, so lange es Kinder giebt, welche weder Hrung noch Kleidung haben. Die Erziehuitg und der Unterhalt der Zugend v�ch den Staat ist die wichtigste, gerechteste und aus- Urbarste aller Reformen. Ja, sie ist sogar unbedingt Mwendig, denn sie wird Frankreich vor dem ver- JHgnißvollen Abgrund der Entvölkerung retten und ihm in Zukunft eine starke, thatkräftige Jugend Hern. Es ist unbestreitbar, daß die Folgen der modernen Deduktion, welche das Proletariat, die misera plebs, arme, unglückliche Volk) in ein Anhängsel der '»schine umgewandelt hat und es täglich durch auto- Mische Arbeit von 12 Stunden abstumpft und ent �vt, die Entvölkerung Frankreichs und die Abnahme Größe der Soldaten, d. h. nichts anderes, als das efid und der Ruin sind. *. Eine unzählbare Menge von rinaushörlich kranken Zedern sterben langsam dahin und erreichen das ! �glingsalter nicht. Andere, welche dieses Alter zwar Wichen, sind jeder Kraft- und Fortpflanzungsfähigkeit ; außerdem gehen sie allmählig nach den feil Beginn des Jahrhunderts bis gegenwärtig ge- j'jHten Ersahrungen in ihrer Entwickelung in einer aufiallenden und beunruhigenden Weise zurück. 1 Rationalökonom Blangui, Bruder des Revolu- Jfrs, hat festgestellt, daß es viele Kinder giebt, "He nur geboren werden, um nach langem Todes- '"W zu sterben. L Außerdem sind es unbedingt vor allein die Söhne j," Kolkes, welche die Gefängnisse bevölkern. Ist das ,-Schuld? Nein. Es ist die Schuld der Gesellschaft, �ß>e nach einer unwürdigen Ausbeulung und Demo- ,�Uuig der Jugend diese enterbten Wesen sich selbst Hn ohne Leitung, ohne Arbeit, ohne Obdach und !l� Schutz vor der Witterung. Diese Gesellschaft - ihnen nichts Anderes erwarten, als das, was

sie verdient hat. Sie hat Unrecht und begeht ein Verbrechen, daß sie diesen Aermsten gegenüber überall da unversöhnlich ist, wo dieselben, gedrängt durch das Elend, dem man sie selbst überliefert hat, sich zu Akten der Verzweiflung und der Gewalt hinreißen lassen. Man erschrickt, wenn man bei Prüfung der offi­ziellen statistischen Zusammenstellungen sieht, mit welch' schwindelnder Schnelligkeit die Zahl der jugendlichen Angeklagten zunimmt. Wir geben an dieser Stelle die eigenen Worte des Berichts wieder, den der Justizminister Martin Feuillet erstattet hat. Derselbe sagte: Eine der peinlichsten Feststellungen der Statistik ist ohne Widerrede die von Jahr zu Jahr stattfindende Vermehrung der Angekeklagten unter 21 Jahren, welche wegen gemeiner Verbrechen venolgt werden; ste ist von 27 081 der Durchschnittszahl vom Jahre 1871 bis 1875 und von 29 806 vom Jahre 1876 bis 1880 plötzlich im Jahre 1881 bis auf 34 588, d. h. 16pZt. mehr als in der letzteren und 28 pZt. mehr als in der ersten Periode gewachsen. Auf diese Weise, sagt der Bericht, ist die Aufmerk- sanikeit der Machthaber durch die Statistik ernst warnend angeregt worden, und man hat Schutzmaßregeln für die Jugend in phystscher und moralischer Beziehung vorgeschlagen; einzelne derselben sind bereits in Kraft getreten so sprach der französische Junizminister, die Welt weiß aber von ernstlichen Maßregeln nichts! und diejenigen, nnt denen sich die Kammern befassen, werden hoffentlich in kurzer Zeit folgen. Von Feuillet abgesehen, will die Bourgeoisie natürlich nicht die Roth- wenditzkeit, sich mit der Jugend zu beschäftigen, ein- sehen. Und doch ist es immer noch eine Täuschung, wenn man so thut, als ob es sonst noch einen Schutz gegen diese Zustände giebt. ES ist nur das einzige Mittel zu finden, welches unter allen Garantien für eine Kontrolle der Jugend eine sorgfältige Erziehung und alles das sichert, was der Jugend nöthig ist und so die Zahl der Verbrecher vermindert. Dasselbe wird außerdem das Elend der Eltern mindern, indem es die Konkurrenz bewältigt, welche diesen ihre Kinder vom sechsten Lebensjahre an machen. Heute haben unsere Kinder unentgeltlichen und obligatorischen Unterricht, aber die meisten haben kein Brot, keine Kleidung und selbst keine Wohnung. Für die körperliche Ernährung des Kindes muß zunächst gesorgt werden, ehe die geistige Nahrung in Betracht kommt, denn ohne die erstere können die Kinder nicht die zweite verdauen, das steht fest. Heute kann der größere Theil der Proletarier, die bei immer wenigerem Lohne eine zahlreiche Familie haben, die Kinder nicht in geeigneter Weise erziehen. Eine große Zahl unter ihnen, welche infolge mangelnder Arbeit darben müssen, sieht mit Schmerz, wie die Ge- sundheit der Ihrigen infolge der ganz ungenügenden Nahrung und all des anderen Elends früh dahin- schwindet. Wie viel Tausende dieser kleinen Wesen sterben an Entkräftung infolge Nahrungsmangels und Kälte. Die folgende Statistik giebt darüber Aufschluß: Die Zahl der schulpflichtigen Kinder von Wien , welche Hunger leiden, beträgt 1500. Es giebt für sie Tage, an denen sie nichts essen und an denen sie während des Unterrichts vor Schlaffheit zusammensinken. Der Veranstalter einer zum Zwecke der Auf- klärung über diesen Gegenstand unternommenenen En- queke hat die Zahl der Schulkinder beiderlei Geschlechts, welche kein Miitagsmabl erhalten auf 119, derer, welche es nur selten bekommen, auf 324 und ferner der- jenigen, welche des Morgens nur ein Stück Brot er« halten, aur 266 festgestellt. Er hat endlich ermittelt, daß 184 Kinder davon zu Mittag nichts Warmes ge-

nießen, während 906 nur Brot, Kaffee oder Gemüse essen. ' Nach den Versicherungen des Lehrer nimmt dieses Elend im Winter noch bedeutend zu; sie berichteten. daß die Zahl der hungernden Kinder zuweilen in einer Schule 400 überschreitet. Dieselbe Erscheinung zeigt sich natürlich in allen übrigen Hauptstädten und in den Zentren der Industrie Europas . Die Gerechtigkeit der Eingangs dieses Artikels erwähnten Reform tritt sofort zu Tage, wenn man an die durch die Proletarier erworbenen Millionen denkt, welche die Nationen für Gymnasien, Lyceen, Universi« täten und sonstige Fachschulen ausgeben, in denen allein die Kinder der Reichen erzogen werden. Anderseits ist es dem Arbeiter unmöglich, für die Bedürfnisse einer zahlreichen Familie zu sorgen, da er durch das Kapital ausgebeutet wird und beisteuern muß zu alledem, was den Neichen zu Gute kommt, oder nur für sie geschaffen wird. Herr Argyriadös hat vollkommen recht. Es wäre endlich Zeit, daß die bestehende Gesellschaft in dieser Beziehung ihre Schuldigkeit thäte. Die echt sozial« demokratische Forderung, daß der Staat, beziehentlich die Gemeinde für den Unterhalt derjenigen Kinder zu sorgen hat, deren Eltern ausreichende Nahrung und Kleidung nicht zu beschaffen vermögen, ist 100 Jahre alt, und wurde zuni ersten Mal von Lepelletier de Saint-Fargeau und von Robespierre auf der Tribüne des Konvents ausgesprochen. Der Gedanke ist also eine Erbschaft der großen französischen Revolution, dessen Verwirklichung das furchtbare Elend der Proletarierkinder heute dringender fordert als je zuvor. Rettet, rettet also endlich die Kinder! Die Frauen des Proletariats, der besitzlosen Klasse, sie werden diesen Mahnruf an die herrschende Gesell- schaft nicht nur verstehen, sie werden die Nothwendigkeit der Verwirklichung ganz begreisen. Aber nicht begreifen werden ihn jene, an die er gerichtet ist, die leitenden Personen des heutigen Staatswesens. Ihre Kinder haben Brod und warme Kleidung, weil die Millionen Steuerzahler ihnen eine auskömmliche Existenz sichern. Sie begreisen in ihrem Egoismus und ihrer Kurzsichtig- keit die Nothwendigkeit der öffentlichen Fürsorge für die Kinder des Volkes genau so wenig, wie die Klagen über theure Brod- und Kartoffelpreise. Das arbeitende Volk sorgt durch seine Steuern dafür, daß diese Roth ihnen nicht fühlbar wird. Und der Lohn für diese auskömmliche Versorgung: der größte Theil der Staats« lenker fühlt sich nicht als Verwalter des Allgemeinbesitzes des Staates, sondern als Herrn desselben. Deshalb, Ihr Frauen des Proletariats, muß es den Betreffenden durch die Sozialdemokratie ins Gedüchtniß gerufen werden, daß sie in ihre Stellungen eingesetzt sind durch den Willen des gesammten Volkes, um für dessen Wohlfahrt zu sorgen, und das Volk, es besteht heute zu neun Zehnteln aus Besitzlosen! Deshalb, Ihr Frauen des Proletariats, gehört Ihr in die Reihen der Sozialdemokratie, weil sie allein es ist, welche die der besitzenden Welt verloren gegangene Gerechtigkeit zurück erobern will; weil Ihr es seid, die am schwersten zu leiden haben unler der Herrschast des Egoismus der 10 Proz. Besitzenden, welche für sich und ihre KindeV alle Bequemlichkeit in Anspruch nehmen und ruhig zusehen, wie Eure Kinder hungern und frieren, wie sie mit dem geringen Wissen sürlieb nehmen, daß man für gut hält, ihnen zu geben, weil sie zufällig in der Hütte anstatt im Palast geboren wurden!