Nr. 40.
1. Jahrg.
Die Arbeiterin
Zeitschrift
für die Interessen der Frauen und Mädchen des arbeitenden Polkes.
Organ aller auf dem Boden der modernen Arbeiterbewegung stehenden Vereinigungen der Arbeiterinnen.
-Eintracht macht Bark
Erscheint wöchentlich einmal und zwar am
Sonnabend.
-
-
Bildung macht frei!-
Annonzen pro Zeile 20 Pfennig. Vereine erhalten Rabatt.
Abonnement pro Vierteljahr 1 Marf, Einzelnummer 10 Pf. Direkt per Kreuzband Mk. 1.40.
Freunde und Freundinnen! Sorgt für die Verbreitung der„ Arbeiterin"!
Aufruft)
an alle Arbeiterinnen- und Franen- Vereine Deutschlands !
Für die Weltausstellung in Chicago ( Amerika ) follen zur Förderung des geistigen Fortschrittes neben den industriellen Produkten auch die geistigen Erzeugnisse aller Länder einen hervorragenden Plaz finden. Ganz besonderer Werth wird dabei auf die Kenntniß bes gegenwärtigen Standes der Frauenbewegung in Deutschland gelegt. Die amerikanische Regierung hat dem Ausstellungskomite für die Frauenabtheilung die Summe von 40 000 Pfd. St.( 800 000 Mt.) zur Verfügung gestellt, um eine möglichst ausführliche Ueberficht nicht nur über den materiellen Fortschritt der ausgestellten Waaren zu haben, sondern es wird auch 8. weismaterial ber moralischen, intellektuellen und lünstlerischen Fortschritte des weiblichen Geschlechts verangt. Dieses Verhalten der amerikanischen Regierung in Anbetracht der Stellung der deutschen Regierung ur Frauenbewegung so anerkennenswerth, daß es Pflicht aller Frauen und Arbeiterinnen ist, über den Stand ihrer Bewegung Bericht zu geben.
Wir ersuchen daher die Vorstände aller Arbeiterinnenvereine, wie überhaupt aller Vereine, an welchen Frauen betheiligt find, uns den Namen, Siz und Zweck, lowie die Anzahl der weiblichen Mitglieder so schnell als irgend möglich mitzutheilen, um einen eingehenden Bericht erstatten zu können.
Alle Zuschriften sind zu richten an Frau Martha Rohrlad, Berlin O., Holzmarktstraße 45 a.
Sofortige Erledigung ist Bedingung. Alle Blätter, welche diesem Unternehmen sympathisch gegenüberstehen, werden um Abdruck gebeten.
Wir veröffentlichen den vorstehenden Aufruf nochmals, ba bie bisher an die angegebene Adresse gelangten Einsendungen ber Bahl der thatsächlich bestehenden Vereinigungen der Arbeierinnen durchaus nicht entsprechen. D. Red.
einen Standpunkt stellt, dem ich jetzt schon, obschon er vom Stadtmagistrate Bamberg bei der hervorstechenden Kürze seines Bescheides nicht hervorgekehrt wurde, et
was näher treten will.
Die tgl. Kreisregierung glaubt nämlich das Er scheinen von Frauen in jener Versammlung deshalb für unzulässig erklären zu dürfen, weil lettere, wenn sie auch nicht von einem lokalisirten Vereine der sozialdemokratischen Partei ausgehe, nichts anderes als die in allgemeinen von der sozialdemokratischen Arbeiterpartei Aussicht genommene Zusammenkunft der Mitglieder des gebildeten und über ganz Deutschland verbreiteten polis tischen Vereins sein konnte und für die Interessen des letzteren bestimmt gewesen ist.
wechselung der Begriffe:" Partei" und Verein" unter: Allein hier ist ber kgl. Kreisregierung eine Verlaufen. Eine Partei ist" tein Verein, eine Partei ist die Gesammtheit aller durch das geistige Band der gleichen Gesinnung und der gleichen Bestrebungen umschlungenen Staatsbürger.
Es ist auch im Gefeße, daß jezt allein maßgebend sein muß, seitdem das die Aufhebung alles Gesetzes bedeutende Sozialistengeset abgeschafft ist, nicht das Wort; Partei", sondern Verein" gebraucht, obschon es auch 1850 bei uns in Bayern bereits Parteien gegeben hat, freilich keine sozialdemokratische im heutigen technischen
" 1
Sinne des Wortes.
" 1
-
Wo kämen wir hin, wenn diese Gesegesinterpreta tion, besser gesagt, diese Substitution bei uns Usus tion, besser gesagt, diese Substitution bei uns Usus würde? Dann wäre den Frauen der Besuch einer jeben Versammlung verboten, die ein Konservativer auch wie der böse Sozialdemokrat- einberufen wollte, ober dieser brave Mann steht jetzt unter denselben Geseßen, ein Nationalliberaler, sofort müßte diese Versammlung untersagt werden, weil die konservative oder nationalliberale Partei bezw. der durch deren Angehörige in ganz Deutschland gebildete politische Verein" die fragliche Zusammenkunft veranstaltet und seine, natürlich nicht die sozialdemokratischen, Interessen zu fördern sucht. Die tgl. Kreisregierung wird wohl vor diesen Konsequenzen, welche ja überhaupt dann jede Versamm lung in der Form, daß Arbeiter und Arbeiterinnen zusammentreten, unmöglich machen würden, selbst zurücktreten; die Konsequenz erfordert ja auch, daß man dassammentreten, unmöglich machen würden, selbst zurück treten; bie Konsequenz erfordert ja auch, daß man das jenige, was man den Sozialdemokraten zu wehren glaubt, auch genehmeren Parteien nicht hingehen läßt. Allein die fgl. Kreisregierung war bei dieser Entschließung
Die Arbeiterinnenbewegung und der Stadt- überhaupt in einem Reichsirrthum. Selbst wenn eine
Zu welchen absurden Konsequenzen würde man auch gerathen, wenn man diesen Satz nicht gelten lassen
wollte? Haben denn die Frauen keine gemeinsamen Intereffen, über welche fie sich berathen wollen, welche sie gegenüber der Deffentlichkeit, den gesetzgebenden Gewalten, gegenüber den ihre Verhältnisse beeinflussenden Faktoren zu wahren haben? Und da sollte das Gesetz allen diesen Frauen sagen: Weil Du als Weib auf die Welt gefommen bist, darfst Du mit Deinesgleichen nicht zu jammenkommen, um über Deine Sachen zu sprechen?!
Diese Annahme schließt auch Art. 15 tes bayeri
Partei ein Verein wäre, wäre nicht jede Versammlung, welche auf Anregung eines solchen Vereins zusammen tritt, eine Vereinsversammlung; das wäre ein Fehlschuß, der viel zu denken gäbe. Die Versammlung, welche ausgeschrieben war, ist eine öffentliche, das Gefeß macht nirgends einen Unterschied, ob eine Einzelperson oder ob ein Verein eine öffentliche Versammlung einberuft. In Folge der Deffentlichkeit, weil ja Jebermann Zutritt hat, können ja die etwaigen Vereinsmitglieder vollständig in der Minorität bleiben, der Vorsitzende, das Bureau, welche ja in jeder Versammlung durch Afflamation ge wählt werden, aus Vereinsnichtmitgliedern, ja sogar wählt werden, aus Vereinsnichtmitgliedern, ja sogar aus Feinden des einberufenen Vereines bestehen.
Das wäre ja nicht zum ersten Male der Fall. Daß der oder die Einberufer die Absicht haben, diese
ichen Vereinsgefeßes vollständig aus, indem es die oder jene Interessen zu fördern, kann kein Verbot und Frauenspersonen nur von der Mitgliedschaft politischer keine gesetzliche Unzulässigkeit der Anwesenheit von Frauen
Vereine und von den Versammlungen derselben, also begründen. politischer Vereine, ausschließt. Es liegt mir eine EntDieses Motiv war unter dem seligen Sozialistenichließung einer hohen kgl. Kreisregierung vom 13. Febr. gesege möglich, heute geht es einfach die Polizei gar 1891 betr. das Verbot einer Arbeiter und Arbeiter: nichts mehr an, in welchem Interesse der Einberufer innenversammlung, ergangen auf die Beschwerde des Dor, welche meine und aller Welt Ansicht, daß Frauen Partei den Lebensfaden zu unterbinden und die andere Tünchergehülfen Johann Baptist Hering in Bamberg , Versammlungsrecht zusteht, bestätigt, sich aber auf zu begünstigen; sie hat, wie überhaupt der Staat, neu
bas
einer Versammlung dieselbe einberuft.
Die Polizei hat nicht mehr die Befugniß, der einen
tral zu sein und nur das Gesetz und nichts als das Gesez anzuwenden.
Diese bürgerliche Freiheit, die jede derartige vormundschaftliche Erwägung über Erwachsene ausschließt, muß endlich betont und es muß die Frage durchgefühit werden: Leben wir in Bayern in einem Rechts- oder in einem Polizeistaate?
Je nach der Antwort werden die Arbeiter und Arbeiterinnen die künftige Gestaltung ihrer Agitation in Bayern , ob offen oder nicht, einrichten.
Wer in letzterem Falle besser fährt, das wird die Zukunft zeigen und die Geschichte. Ganz verblüffend wirkt das Erstaunen, ich möchte fast sagen das kopfschüttelnde Entseßen des Stadtmagistrates Bamberg, stellt ſei. daß sogar eine Frauensperson als Referentin aufge
Ja, frage ich einen Menschen: Wer anders soll denn über die Lage der Frauen referiren als eine Frau?
Ist es denn am Ende des 19. Jahrhunderts, in welchem deutsche Staaten Frauen in die Beamtenkategorien einreihen, Bayern sie sogar als Lehrerinnen anstellt, eine so ungeheuerliche Thatsache, daß in einer öffentlichen Versammlung auch einmal eine Frau das Wort ergreift und über die Lage der Frauen spricht?
Wenn ich dem Eindrucke Ausdruck geben soll, welchen der Beschluß des Magistrates auf mich machte, so ist es der, daß das Verbot der Versammlung nicht der Ausfluß des Studiums des Gesetzes gewesen, sondern daß das Verbot der Vordersat und die gesetzliche Begründung der dazu gesuchte Nachsaß sein dürfte.
Bewegung in der Arbeiterinnenwelt eindämmen zu Glaubt man aber durch derartige Verbote die können, so ist man sehr auf dem Jrrpfade.
Die Arbeiterbewegung hat trotz des Martyriums, welches das Sozialistengesetz Tausenden begeisterter Männer und Jünglinge bereitet hat, trotz der Unterbrückung der ursprünglichen staatsbürgerlichen Rechte dieser Partei 12 Millionen Stimmen für die Wahlurne gezeitigt; mit solchen Maßregeln wäre man auf dem besten Wege, die zweite Million voll zu machen."
Ungefähr in dieselben Tage fällt auch das Verbot einer Versammlung in Braunschweig , in der Frau Steinbach- Hamburg referiren sollte über die wirth. schaftliche Lage der Arbeiterinnen und deren noth wendige Organisation". Gleichzeitig sind auch mehrere Versammlungen verboten worden, in denen Fräulein Wabniz referiren sollte. Das ist das einige Deutsch land ", dessen Beamten es einfach in die Hand gegeben ist, dies Gesetz nach Belieben auszulegen, das ist das gleiche Staatsbürgerrecht" für Frauen.
Wir erwarten, daß diese Verbote dieselbe Wirkung haben werden, wie die Verbote unter dem Sozialistengesez; jedes derartige Verbot öffnete einem Theil der Indifferenten die Augen, sie waren gewonnen für den Kampf um gleiches Menschenrecht. Wenn uns auch noch Alles zu thun übrig bleibt zur Erringung des selben, so müssen und werden diese Verbote den Arbeiterinnen von Neuem gezeigt haben, wie nöthig Orga nisationen sind. Der Zusammenschluß aller Frauen und Mädchen ist nöthig, um derartigen ungefeßlichen Widerstand zu brechen. Darum zum Kampf, Ihr Arbeitsmenschen, weibliches Proletariat!"
Sädififdie Kinderfterblichkeit.
Opfern unserer gesellschaftlichen Zustände. In dem letzten vor Die unehelichen Rinder gehören zu den beklagenswertheften einigen Wochen erschienenen Doppelheft der Zeitschrift des
t. sächsischen statistischen Bureaus" findet sich eine Reihe von Thatsachen, welche die Ungunst, unter welcher die Kinder der Liebe" zu leiden haben, in ein helles Licht setten.
Die Sterblichkeit der unehelich Geborenen ist eine höhere, als die der ehelich Geborenen. Denn die soziale Noth trifft am furchtbarsten und mit zumeist ganz unparirter Wucht jene, deren