Str. 10

5. September 1926

Blick in die Bücherwelt

Psychoanalyse.

nur der Gegenwart, sondern, schlechthin, ohne dabei von der marristi­schen Gesellschaftstheorie ernsthaft Gebrauch zu machen, tann ich Dr. Alice Rühle- Gerstel  : Freud und Adler. Verlag Am ihm nicht folgen. Es wäre wünschenswert, wenn sich an dieses ernste Buch eine grundsägliche Diskussion aller pädagogisch Inter. Anderen Ufer, Dresden  . 102 Seiten. effierten anknüpfte. Dr. Karl Schröder  .

Auguft Aichhorn: Berwahrloste Jugend. naler Psychoanalysischer Verlag, Wien  . 291 Seiten.

Internatio­

Dr. Siegfried Bernfeld  : Sisyphos. Internationaler Psycho­analytischer Verlag, Wien  . 165 Seiten.

Dr. med. Friß Wittels: Die Technit der Psycho analyse. Berlag Bergmann, München  . 221 Geiten.

Ueber den, einer Zeit der Nichtbeachtung und des Boykotts fol­genden, widerwärtigen Moderummel hinweg, beginnt sich langsam eine fachliche, ruhige Würdigung der Theorie, Methode und Praxis der Freudschen Psychoanalyse und Adlerschen Individual psychologie durchzusehen. Sie sind im wesentlichen aus ärzt­licher Bragis gewonnene und wieder auf ärztliche Praxis ange. wandte Erkenntnisse über Entstehung, Verlauf und Charakter aller Art nervösen Erkrankungen. Sie find medizinische Heilmethoden. Als solche unterliegen sie in erster Linie der Nachprüfung und Kritit durch ärztliche Braris. Im Verein damit aber und darüber hinaus haben sie sich entwickelt zu einer Psychologie, zu einer Lehre vom geistig- seelischen Geschehen ganz allgemein, und haben be gonnen, überzugreifen besonders auf das Gebiet der Erziehungs lehre, aber auch aller Kulturerscheinungen schlechthin.

Gewerkschaftsbewegung.

Biertes Jahrbuch des Internationalen Gewerkschaftsbundes  . Amsterdam 1926. 650 Seiten. Preis 10 Mark.

Das Jahrbuch des Internationalen Gewerkschaftsbundes   für 1926 ist erheblich umfangreicher als seine Vorgänger. Es ist ein unumgängliches Nachschlagewerk für jeden, der sich über die inter­nationale Gewerkschaftsbewegung unterrichten will. Außer dem um fangreichen Adressenmaterial der dem JGB. angeschlossenen Landes­zentralen und den einzelnen Gewerkschaften der verschiedenen Länder sowie den internationalen Berufssekretariaten und den ihnen ange­schlossenen Organisationen, statistischen Tabellen und graphischen Uebersichten, enthält das Jahrbuch eine große Anzahl von Berich ten der Landeszentralen über die wesentlichen Vorgänge in der Arbeiterbewegung im Jahre 1924.

Die Berichte über die Mitgliederbewegung usw. schließen Ende Dezember 1924 ab. Wenn sie also der unmittelbaren Aktualität ent­behren, was ja bei einem solchen Jahrbuch nicht zu umgehen ist, so geben diese Berichte doch einen ausgezeichneten Ueberblick über die Berhältnisse, unter denen die Gewerkschaften gerade in diesem schwer sten Nachkriegsjahr zu kämpfen hatten.

Man muß zum Beispiel den Bericht über Rumänien   nach­lesen, um sich ein ungefähres Bild zu machen von den tragischen Verhältnissen, unter denen die rumänische Arbeiterschaft gegen ein Bojarenregime anfämpft, von dessen Barbarei wir faum eine Vor­stellung haben. Beim Lesen dieser Berichte empfindet man um so stärker die Lücken, die andere Berichte noch aufweisen. Wenn das vorliegende Jahrbuch wesentlich besser ausgestaltet ist als seine Vor­gänger, so darf man hoffen, daß das nächste Jahrbuch eingehendere Berichte von den Landeszentralen aufweisen wird, die diesmal sich mit weniger kurzen Andeutungen begnügten oder überhaupt keinen. zusammenfassenden Bericht geliefert haben.

Das Jahr 1924 bedeutet gewissermaßen einen Abschluß der gewerkschaftlichen Hochkonjunktur mit darauf folgender Depression der Nachkriegszeit und auch den Höhepunkt der bolschewistischen Spaltungsarbeit. 1925 haben sich die Gewerkschaften wieder fonfoli­diert und es hat ein neuer Aufstieg begonnen. Schon deshalb ist das vorliegende Jahrbuch von besonderer Bedeutung. Troß der zusammen­wirkenden ungünstigen Umstände schließt das Jahr 1924 mit einem Mitgliederstand von 13 133 004 ab. In einer besonderen Tabelle werden die Gewerkschaften der verschiedenen Länder nach den Rich=

In ihren Ausläufern hat das zum Teil den Charakter einer neuen Prinzipienlehre angenommen mit dem Anspruch auch einer Ablösung oder doch ,, Ergänzung" des Marrismus. Da sich an dieser Stelle Darlegung wie Kritik diefer Theorien verbietet, so soll nur furz ausgesprochen werden: Der Marrismus hat keinen Anlaß, die Leistung Freud  - Adlers herabzusetzen, weder die in die Tiefen der Sexualität dringende, auf das Woher" gerichtete Erkenntnis Freuds  , noch die sozial gespannte, auf das Wohin" gerichtete Methode Adlers. Er wird den Versuch, zerstreute Erfahrungstatsachen und vielfach schon instinktiv erfaßte Zusammenhänge in ein flares Be­griffssystem zu bringen, zu würdigen wissen. Aber er wird nicht minder auf die Mangelhaftigkeit einer Methode hinweisen, die aus einer, der Gegenwart eigenen, psychischen Verfassung ein Prinzipien gerüft erbauen will, mit dem sie Vergangenheitserscheinungen zu deuten unternimmt, mit dem sie bestimmte Erscheinungen verabsolu­tiert und so alle geschichtliche Entwicklung vergewaltigt. Soweit diese Theorien unter Ergänzung" verstehen: gründlicheres Beachten und Durchdringen menschlicher Verhaltungsweise, auch und besonders der Proletarier, in der Gegenwart, ist es schon recht. Wenn sie aber meinen, den historischen Materialismus, den Marrismus als solchen unterbauen zu müssen, so find sie rücksichtslos abzuweisen. Für ihn, der die Ideologie( und damit auch die Psychologien so gut wie die psychischen Niederschläge in Kulten, Mythen usw.) in tausalem Bu- tungen gruppiert, zu denen sie sich rechnen. Da ist festzustellen, fammenhang mit den jeweiligen sozialen, gesellschaftlichen Verhält. nissen sieht, der den jeweiligen Klasseninhalt solcher Psychologien zu erfassen sucht, fann auch die Freud- Adlersche Theorie nicht Ergän. zung" sein, sondern einmal Objekt, und zum anderen freilich nur in gewissen Teilen und eingereiht in die umfassendere marristische Gesellschaftstheorie- Hilfsmittel praktischer Gegenwartsorientierung.. Ein Versuch zu marristischer Psychologie ist in feinem der vier oben benannten Bücher vorhanden. Alice Rühles Büchlein, eine elementare Einführung in Freud und Adlers Theorie mit der Absicht objektiver Würdigung und Vergleichung der beiden, ist ein­fach und klar geschrieben, wird Freud   aber nicht ganz gerecht und bleibt im ganzen an der Oberfläche. Sie bekennt sich zu Adler, als dem auf Zukunft und pädagogischen Aufbau" gerichteten. Das Büchlein fönnte als Unterlage in Arbeitsgemeinschaften dienen, wo­bei dann allerdings die entscheidenden Probleme erst heranzubringen wären.

-

Aichhorns Buch ist die Arbeit eines ausgezeichneten Prat. titers in der Fürsorgeerziehung. In zehn leicht verständlichen noch ringen, Erweiterung und Bertiefung stets offen lassen, wird das Grundgerüst der Freudschen Psychoanalyse aufgebaut. Jeder Erzieher wird hier lernen können, zum Nachdenken angeregt werden, wenn auch der Verfasser dem wissenschaftlichen Sozialismus fern steht und ganz im bürgerlichen Gegenwartsgedanken befangen bleibt, wie das besonders seine Haltung zu Familie und Gesellschaft deut­lich ausweist.

Vorträgen, die immer an die Praxis anknüpfen, mit den Broblemen

Ein ärztlicher Prattifer, Wittels, gibt eine Darstellung der Anwendung der Psychoanalyse im Ordinationszimmer des Ärztes und der sich daran anschließenden Deutungsarbeit insbesondere der Träume der Batienten. Das Ganze ist allerdings weniger eine " Technik der Psychoanalyse", wie der Titel sagt, als eine bloße Be sprechung ausgesuchter Fälle verschiedenen Charakters, wie Angst­neurose, psychische Impotenz, Homosexualität, 3wangsneurofe, Epilepsie usw. Da die Schreibweise, von Fachausdrücken abgesehen, laienverständlich ist, so kann sich der Interessierte aus diesem Buch ein Bild der Arbeit eines psychoanalytisch vorgehenden Mediziners machen. Wittels verweist mehrfach auf den seiner Ansicht nach streng nationalen Charakter der Freudschen Psychoanalyse und sieht in Adlers Individualpsychologie nur einen Sproß am Stamme Freuds  . Daß seine gesamte Betrachtungsweise nicht über ein primitiv- freidenferisch- bürgerliches Gesichtsfeld hinauskommt, beweist schon das einleitende Kapitel mit seinem geschichtlichen Rückblick. Immerhin wird auch dies Buch jeden Leser anregen und zu eigenem Durchdenken mancher Erfahrung bringen.

Einen ernsthaften Versuch, marristische Gesellschaftstheorie in Zusammenhang zu bringen mit Freudscher Psychoanalyse macht Bernfeld   in seinem Buch Sisyphos, oder die Grenzen der Er­ziehung". Es ist freilich lesbar nur für den geschulten Lehrer. Im Gewande eines Steptifers und Pessimisten, aber eben nur im Ge­wande, in literarisch glänzendem Florettgefecht, stößt Bernfeld   info­fern ins Herz, in den Kern der Sache, als er Aenderung der Er ziehungsorganisation allein abhängig sieht von Aenderung der gefell­schaftlichen Struktur. Niemals ist sie die Vorbereitung für eine Strukturänderung der Gesellschaft gewesen. Immer ganz aus> nahmslos war sie erst die Folge der vollzogenen." Berechtigt im ganzen ist seine Forderung nach Verbindung soziologischer und psychologischer Schulung für den Erzieher. Soweit er die Freudsche Theorie aufnimmt zur Grflärung des menschlichen Trieblebens nicht

daß die zur Richtung Amsterdam   zählenden Gewerkschaften eine Ge­famtmitgliederzahl von 17 702 431 haben. Die Differenz zwischen der Dorher angeführten und der letzten Zahl erklärt sich sehr einfach dar­aus, daß eine Reihe von Organisationen, wie z. B. in Deutschland   der angeschlossen sind, aber sich selbst zur Amsterdamer Richtung zählen. Allgemeine Deutsche   Beamtenbund, dem JGB. zwar formell nicht Die kommunistischen Organisationen gaben eine Mitgliederzahl befinden. Außerhalb Rußlands   gibt es nur wenige fommunistische von 7 333 845 an, wovon allerdings in Rußland   allein 6 604 684 fich Gewerkschaften, die eine bedeutendere Mitgliederzahl angeben. Aber auch hier sind diese Angaben für jeden Kenner sofort als start über. trieben erkenntlich. Bon den übrigen Organisationsgruppen haben nur noch die tonfessionellen mit etwas über 2 Millionen und die ohne bestimmte Richtung mit rund Millionen Mitgliedern eine fierten betrug Ende 1924 rund 36 Millionen Auf Deutschland   allein entfallen davon nahezu 7 Millionen.

Das Jahrbuch erscheint in drei Sprachen( deutsch  , französisch, englisch  ), was zwar seinen Umfang bedingt, aber andererseits in vieler Beziehung von großem Vorteil ist.

J. Steiner Jullien.

Dr. Core Bodmer: Die englische Gewerkschafts­bewegung in der Kriegs- und Nachkriegszeit. Verlag A. Rudolf, Zürich   1925, 175 Seiten.

Während der Kriegszeit hatten wir in Deutschland   wenig Gelegenheit, die Vorgänge, im englischen Gewerkschaftsleben zu ver­folgen, und in den ersten Jahren der Nachkriegszeit mit uns felber genug zu tun, um uns noch besonders darum zu kümmern. Obgleich sich im großen und ganzen in diesen Zeitläuften die Kriegs­Notwendigkeiten" und Kriegsfolgen in der englischen Gewerkschafts­bewegung genau ebenso bemerkbar machten, wie in der deutschen, ist es auch heute noch nicht überflüssig, die Geschehnisse in England genauer fennenzulernen, da sie uns die Veränderungen verständlicher machen, die sich dort inzwischen vollzogen und manche Traditionen überholt haben. Die vorliegende Arbeit, die als Dissertation der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich  erschienen ist, vermittelt uns einen genaueren Einblick in die Dinge. Sie zeigt in ihrem ersten Teil Aufbau und Methodik der englischen Gewerkschaftsbewegung, im zweiten Teil ihre Ziele und im dritten Teil ihre politischen Auswirkungen. Diese Einteilung ist eratter als eine rein chronologische Darstellung, bei der sich jedoch Wieder­holungen erübrigt und ein lebhafteres Bild ergeben hätten. Die Formen der Gewerkschaftsorganisationen sind auch in Eng­land nicht aus einem Guß entstanden. Doch treten die zwei Haupt­formen hervor: Industrie- und Berufsorganisation. Auch die Tendenz der Betriebsorganisation macht sich bemerkbar. Die stärksten Hindernisse eines strafferen Zusammenschlusses der englischen Gewerkschaften sind auf der einen Seite der schwer aus­zurottende Berufsgeist der gelernten Arbeiter, auf der anderen Seite die Autonomiesucht, die mit dem englischen Individualismus eng zusammenhängen. Diese Geistesrichtungen erschweren auch den nationalen Zusammenhalt aller Gewerkschaften, der im Gewerk schaftskongreß versucht worden ist."

Der Krieg brachte den englischen Gewerkschaften ihre Aner­fennung durch die Regierung, die sie jedoch nachdem als ein strategisches Manöver auffaßten. Die Bindungen der Gewert schaften führte zur Shop- Steward- Bewegung, die im Clydestreit 1915 zuerst offen hervortrat. Als die Streifunruhen trotz des Streif­

Beilage des Vorwärts

verbots in den Munitionsbetrieben zunahmen, wurden die Streifen­den gerichtlich bestraft und schließlich die führenden Betriebsvertreter deportiert. Ein Streit Ende 1917 in Conventry wegen verweigerter Anerkennung einer Shop- Steward- Bertretung durch eine Munitions. unternehmung führte zu einem Abkommen, das den Gewerf= schaften die Ernennung von Ghop- Stewards gestattete.

-

Der Krieg brachte den Gewerkschaften eine Mitgliederzunahme von 3.736 000 auf 6 664 000 bis 1918 und die folgende Blütezeit ließ diese Zahl bis 1920 auf 8 493 000 anschwellen. Auch die inter­Hier nationalen Beziehungen wurden wieder lebendig. wird die Verfasserin wie mehrfach auch den englischen Gewerk­schaften der Borkriegszeit dem Internationalen Gewerkschaftsbund  nicht ganz gerecht. Zwei Kapitel befassen sich mit der direkten Aktion in der Vorkriegszeit und ihrem Wiederaufleben in der Nachkriegszeit. Der Blütezeit machte die wachsende Arbeitslosigkeit bald ein Ende. Die Gewerkschaften wurden in die Defensive ge­drängt, Arbeitslosenunruhen eine häufige Erscheinung. Nach der großen Niederlage von 1921/22 wurde es still in der Gewerkschafts­welt. Ende 1922 ftanden millionen Arbeiter auf einem Lohn standard unter dem von 1914. Aus dem Drange nach Sicherung und Erhöhung des Standards erwuchs die Forderung nach Kontrolle der Industrie, die wir als Mit­bestimmungsrecht formulierten, und die Gewerkschaften wurden sich der Bedeutung der politischen Macht und der Wandlungsmöglichkeiten des Staates bewußt. Bei der Betrachtung der politischen Aus­wirkungen der Gewerkschaftsbewegung tommt die Verfasserin zu dem Schluß, auch die englische Arbeiterschaft müsse sich innerlich erst noch mehr konsolidieren, um eine gefestigtere Regierung schaffen zu können, wenn sie die parlamentarische Mehrheit erreicht. Zur Beurteilung des jüngsten Bergarbeiterkampfes enthält die Schrift reiches Material. Den Schluß bilden drei tabellarische Ueber­sichten über die Mitgliederzahlen nach Gewerbegruppen von 1913 bis 1922, über Lebenskosten, Arbeitslosigkeit und Lohnänderungen von 1912 und 1913 und eine weitere über die Arbeitszeit der wichtigsten Gewerbe in den Jahren 1914, 1920 und 1921. Friedrich Eztorn.

Politif.

Egmont Zechlin  : Schwarzrotgold und Schwarz­weißrot in Geschichte und Gegenwart. Deutsche Ver lagsgesellschaft für Politik und Geschichte m. b. S., Berlin   1926. 75 Seiten.

Flaggen symbolisieren in ihren Farben und Zeichen bestimmte gesellschaftliche Ideale. Eine Geschichte von Flaggensymbolen kann also keine bloße Aufzählung von Daten sein wollen, wann und wo und von wem bestimmte Flaggen gezeigt worden sind, sie wird viel mehr darüber hinaus eine genaue Beleuchtung jener gesellschaftlichen Ideale geben müssen, die durch die Flaggen und ihre Farben sym­bolisiert werden. Man kann nicht sagen, daß Egmont Zechlin   nach diesem Grundsatz verfahren ist. Den bekannten Daten aus der Ge­schichte beider Flaggensymbole fügt er mancherlei Neues hinzu, und dankbar fein, an die Wurzel des ganzen Problems aber geht Zechlin viele werden für eine Materialiensammlung größeren Umfangs nicht. Was vielleicht daran liegt, daß sein Herz sich halt an schwarz­weißrot erwärmt.

Aber Zechlin wird, wie wir alle, genau wissen, daß der kurzen, in ihrer politischen Struktur leicht zu erfassenden Geschichte von Schwarzweißrot eine ungleich längere und zweifellos bedeutendere Geschichte von Schwarzrotgold gegenübersteht. Was bedeutete das alte Reichspanier, das den schwarzen Adler in Gold   zeigte? Was bedeutete die zum erstenmal von Karl dem Großen als Zeichen deutsche Kaiser bis ins 17. Jahrhundert geführt haben? Welches gesellschaftliche Ideal ist es, das damals in den frühen Zeiten des Mittelalters Millionen unter Schwarzgold und Rot vereinte? Auch Bechlin kennt ja die niedlichen Belege des Abscheus, den beispielsweise Wilhelm I.   und die hinter ihm gegen das Rot selbst im Schwarz­weißrot hatten. Bechlin weiß ferner zweifellos, was der schwarze Adler in Gold   bedeutete, weshalb erzählt er seinen Lesern nichts von dem großen Gedanken des universellen Reichs, wie es den Völkern in sehr deutlichen Begriffen vorschwebte?

Bechlin weiß auch sicherlich mancherlei von der noch viel inter­effanteren Bedeutung des Rot, des gesonderten gezeigten Rot weshalb erzählt er seinen Lesern nichts von alter Gemeinfreiheit, nicht vom Gemeineigen der Alten, nichts von der tragischen Ent­wicklung, die zwischen ursprünglichem Lehen und späterem Privat­eigentum läuft? Das alles, wird auch Zechlin zugeben, ist schließlich unendlich wichtiger, als über die Uniform der Lükower und den alten Jahn sich Kopfschmerzen zu machen. Es ist unendlich wichtiger deshalb, weil die Leute, die die deutsche   Flaggenfrage wieder auf­gerollt haben, anscheinend das dringende Verlangen tragen, Sinn und Bedeutung von Schwarzrotgold gründlichst erörtert zu wissen.

Friedrich Wendel.

Erzählende Literatur.

Hans Grimm  : Volt ohne Raum. Roman. Verlag Albert Langen  , München  .

Das ist die Geschichte des Cornelius Friebott und soll, nach dem Willen des Verfassers, wie in einem von feiner Partei getrübten Spiegel die Geschichte des deutschen Menschen" zeigen. In dieser Tatsache und diesem Anspruch sind Bewertung und Urteil über Frie­bott enthalten. Der Held des Buches, der als niedersächsischer Bauern­pastorenlehrerenkel schließlich in der Fabritarbeit landet, weil das Land des Baters nicht genügt, um die Familie aus Landarbeit allein zu ernähren, fann vielleicht als Repräsentant einer versinkenden Standesschicht gelten; ihn mit seinen Nöten und Hilfsmitteln aber als den deutschen Menschen" darzustellen, der in sich deutsches Volks­Schicksal verkörpert, beweist schon, wie klaffengebunden Denken und Empfinden des Verfassers ist.

Cornelius Friebott, der Bauernentel, wird in seiner Fabrikzeit leicht von sozialistischen   Ideen angetränkelt; er entrinnt mit letzter Not einem Grubenunglück, hält den Opfern dann eine Leichenrede, die ihm drei Monate Gefängnis einträgt; nach dieser Strafe ermöglicht fein Bater seine Ausreise nach Südafrita. Burenaufstand, Teilnahme,

MORGENSTUNDE

5

Pf.

Edel­Cigarette

Bold

Leuken

Preußengoto

PHANOMEN

KRZ

IM MUNDE!