Nr. 72 7. November 1926 45lirf in öie �ücherwelt öeilage öes Vorworts Genossenschaftsliteratur. .Sozius" ist das lateinische Wort für..Genosse"(Mitgenieher). Sozialismus— das Wort soll von Peter Leroux End« der 183l)er Jahre geprägt worden sein— bedeutet mithin nichts anderes als .Genossenschasllichkeit": die Gesellschaftsordnung, die auf Gemein- besitz und gemeinsamer Regelung der Wirtschast aufgebaut ist. So sollte eigentlich zwischen beiden Dingen kein Gegensatz denkbar, die volle Einheitlichkeit selbstverständlich sein. Bedenkt man aber, daß es zahlreiche Genossenschaften(die landwirtschaftlichen und klein- gewerblichen) gibt, die gar nicht nach einer solchen Ordnung streben, sondern sich mit bestimmten Aufgaben in der bestehenden begnügen; daß auch unter Sozialisten die Meinung über Weg und selbst Endziel vielfach geteilt sind, so begreift es sich, datz hier eine Reihe gegen- sätzlicher Meinungen entstehen mußten, die noch nicht völlig über- wunden sind. Wohl aber läßt sich sagen, daß die Wertschätzung der Genossenschaft, der freien Vereinigung im Gegensatz zur staatlich erzwungenen, ständig zugenommen hat. Die Genossenschaft ist nicht nur als ein wichtiges Mittel zur Verbesserung der heutigen Der- Hältnisse, sondern auch als mitentscheidendes Werkzeug zur grund- sätzlichen Umgestaltung der Gesellschaft und als die eigentliche Form endgültiger sozialistischer Ordnung anerkannt. Das zeigt die rasch wachsende Zahl nicht minder wie der Geist der in den letzten Jahren erschienenen Schriften. Eine frühere Kernfrage ist dabei völlig ausgeschaltet. Es gibt keinen Fachmann mehr, der noch, wie es Marx und Lassalle getan haben, der Produktiv genossenschast eine soziale Bedeutung zu» schriebe. Ausgenommen ist aus besonderen Gründen der technischen Entwicklung wie der Absatzbedingungen das Hoch- und Tiefbau- S«werbe. Die Erfahrungen in Italien wie mit den deutschen Bau- ü t t e n zeigen eine kräftige, der Gemeinnützigkeit unschwer anzu- passende Betriebsform. Im übrigen kommt als soziale Genossenschaft für uns nur die der Verbraucher in Frag«. Sie erstrebt keinen Gewinn, sondern Ersparnis. Sie fußt auf dem vor- handenen Bedarf, nicht auf Spekulation. Sie hat die Kraft, stetig auf errungenem Boden fortbauend, immer neue Gebiete zu erschließen, schließlich weltumspannende Bedeutung zu gewinnen. All das hat die Erfahrung gezeigt. Es spiegelt sich in der Lehre. Die sozusagen parteiamtliche Auffasiunq spricht sich aus in der Schrift des Genossen F l e i ß n e r:„Genossenschaften und Arbeiter- bewegnng"(zweite Auflage, Jena , lS24, Thüringer Verlagsanstalt). Der Berichterstatter des Parteitages von 1910 würdigt darin die Gegenwartsnützlichkeit der Genossenschaft, ohne ihr eine durch- schlagende Bedeutung für die Umgestaltung der Gesellschaft in der Richtung zur genossenschaftlichen Produktionsweise zuzuerkennen. Man darf sagen, daß inzwischen, dank tieferer Erfassung der Frage und mannigfachen Erfahrungen, auch mit dem staatlichen„Kriegs- foziallsmu», diese Auffassung in weiteren Parteikreisen doch einer grundsätzlichen Höherschätzung Platz gemacht hat, daß man den im Kern sozialistischen Charakter der echten Genossenschaft anerkennt. Das bedeutet kein Abweichen von dem Grundsatz der politischen Neutralität der Konsumgenossenschaft, die scyon durch die poli- tische Zersplitterung der Beoölkerungskreise, denen sie dienen soll. notwendig wird. Reinhard Weber kennzeichnet in seinem Buch:„Konsumgenossenschaften und Klassenkampf"(mit einem beachtenswerten Vorwort von Professor Tönnies, Halberstaich H. Meyer, 1SLS) dieses Verhältnis zutreffend mit dem Wort „exstruktioer"(aufbauender) Klassenkampf: eine zutreffende Bezeich- nung für eine Bewegung, die, ohne in den politischen Tageskampf .einzutreten, ihrem ganzen Wesen nach an der Befreiung der arbeiten- den Menschheit von der Herrschast des Profitmachertums arbeitet. Das Buch bietet auch sonst, geschichtlich wie theoretisch, eine gute Uebersicht und eine sachgemäße Beantwortung dieser wichtigen Frage. Auch das soeben in deutscher Uebersetzung(besorgt von A u g. K a s ch) erschienene Buch des Präsidenten der Genoffenschaftsliaa der Per- «inigten Staaten von Amerika . W a r b a s s«:„Genossenschaftliche Demokratie"(Hamburg , Berlagsaesellschast deutscher Konsumvereine, 1926) betont bei entschiedener, selbst übertriebener Ablehnung des politischen Kampfes und des Porgehens der Arbeiterbewegung mit aller Schärfe den profitfeindlichen, auf Freiheit von Ausbeutung und staatlicher Bevormundung gerichteten Kampf der echten Genossen- fchaft. Es zeichnet sich durch die entschiedene Herausarbeitung diese» mit unserem sozialistischen Endziel zusammenfallenden Leitgedankens ebenso aus wie durch reiche Anführung von Tatsachen, praktisch klaren Blick und echte Begeisterung für eine gxoße Sacke. Eine bessere Bertrautheit mit der wirtlichen Lehre und Geschichte des Sozialismus würde dem Buche noch größeren Wert sichern. Di« Genossenschaft wird dort gekennzeichnet als„eine radikale B e- wegung. Wer wünscht, daß die geltenden wirtschaftlichen und sozialen Perhältnisse weiterbestehen, sollte nicht in die Bewegung eintreten".— Vom parteisozialistischen Standpunkt aus, aber mit starker Betonung der Bedeutung der Genossenschaft und scharfer Kritik an andersdenkenden Parteigenossen behandelt diese Fragen die Schrift von Sigmund Kaff:„Die Sozialisierung der Wirtschaft durch die Genossenschaften"(Wien , Verlag„Neue Erde"). Mehr theoretischer Art, aber in seiner Grundsätzlichkeit und der Betonung des Zusammenhanges mit den allgemeinen Fragen der gesellschaftlichen Gcsamtentwickelung wichtig ist P r u n o Z s ch ä tz s ch: „Die Gemeinwirtschaft als gesellschaftliches Verfassungssystem" (Berlag: Die Gemeinwirtschaft, Hermsdorf i. Thür.).— Eine eingehende, in alle Tiefen und Einzelheiten eindringende Behandlung des Gesamtgebietes bietet das große Werk der Meister sozialer Erkenntnis S i d n e y und Beatrice Webb :„Die Genossen- fchaftsbewegung der Konsumenten"(deutsch von Jeanette Cassau, mit einem Vorwort von Staatssekretär a. D. Jul. Hirsch), dessen Schlußteil:„Die genossenschaftliche Gemeinwirtschast" gesondert er- schienen ist. Ueberwiegend von englischen Berhöltnissen ausgehend, leitet es aus der Entwicklung dieses wichtigen Landes eine Fülle allgemeiner Lehren über Richtung, Ausgaben und Zukunft dieser Bewegung ab. Ergänzend seien als geschichtliche Werke erwähnt: T h. O. Cassau:„Die Konsumoereinsbewegung in Deutschland " (München und Leipzig , Duncker u. Humblot, 1924) und Paul Lange:„Die Konsumgenossenschaft Berlin und Umgegend und ihre Borläuser"(in deren Verlag 1924). Sie bieten wichtige Beiträge zum Verständnis des wirtschaftlichen wie des geistigen Werdens der Bewegung und ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Unter Hervor- Hebung der führenden Persönlichkeiten wird derselbe Gegenstand von Cassau(Konsumvereine), G e n n e s(landwirtschaftliche) und Grünfeld(gewerbliche Genossenschaften) in einem Bande der Sammlung„Die deutsche Wirtschaft und ihre Führer(Gotha , 1925, Im Flamberg Verlag) behandelt. So erfreut sich die Genossenschaftsbewegung eines an Zähl und innerem Wert wachsenden Schrifttums, in dem die Erfahrungen und Bestrebungen der deutschen wie der fremdländischen Bewegungen nutzbar gemacht werden. Eine wachsende Klärung in der Stellung- nähme zu den nutzbringenden Arbeiten des Tages wie zu den weit- gespannten Aufgaben der Zukunft gibt Zeugnis von der geschicht- lichen Tragweite einer aus unscheinbaren Ansängen in der Richtung zu umfassender Gemeinwirtschaft heranwachsenden weltgeschichtlichen Bewegung. Simon Katzen st ein. Sozialismus. Carl ZNennlcke. Der Sozialismus als Bewegung und Aufgabe. Quäker-Berlag, Berlin -Bicsdorf. 1926. 72 S. Die sozialistische Bewegung wird von Mennicke zunächst ge- zeichnet und begriffen als Interessen-, Massen- und Kulturbewegung. Es sei das Schicksal des modernen Jndustrieproletariats, daß es durch die Verhältnisse gezwungen sei, sein ganzes„Interesse" auf den materiellen Existenzkampf zu konzentrieren, daß es sein Selbst- gefühl nur in der Sammlung und Auswirkung des Klassenbewußt- feins(das ist das Massenbewußtsein der sozialistischen Arbeiterschaft) finden und steigern könne. Aber trotzdem sei in den proletarischen Massen ein K u l t u r w i l l e wach geworden, ein Herausbilden neuer Inhalte und Formen zu konstatieren, deren Anzeichen in der Freidenkerjugend- und pädagogischen Bewegung vorliegen. Diese sozialistische Bewegung— zu der Mennicke oft aus- gezeichnete Bemerkungen macht— dürfe nicht begriffen werden aus ihrer Beziehung zur Aufgabe, die mit dem Sozialismus gestellt sei, sondern aus„immanenten Triebkräften", für die die sozialistische Idee der psychologisch notwendige Ausdruck sei. Diese ist— das führt Mennicke aus— für die Masse der„irgendwie" erlösende Ausdruck. Ein„reifes" Verhältnis zur Aufgabe ist in ihr nicht vorhanden: sie lebt von jenen immanenten Triebkräften. Daher auch die Spannung zwischen Masse und Führer, die Krise der sozialistischen Bewegung, da die Führer immer unausweichlicher vor diese Aufgabe gestellt sind und immer deutlicher die Notwendig- ketten zu ihrer Lösung erkennen müssen. Im zweiten Teil will Mennicke versuchen, Aufgabe und Be- wegung des Sozialismus in fruchtbare Veziehung zueinander zu bringen. Die Methode dieser Untersuchung soll die dialektische sein— hierin Lukacs zustimmend— die auch die Jßemmungen" (Widersprüche, Antionomicn) im lebendigen gesellschaftlichen Prozeß achtet. Sic reicht aber nicht aus, um der„Aufgabe" die letzte Ve- gründung zu geben, ihr den Charakter unbedingter Notwendigkeit zu verleihen. Das sei erst möglich durch die religiöse Fundierung der Dialektik, d. h. die Deutung soll im Sinne des positiven be- iahenden Berhältnisses zu der letzten Bestimmtheit der Welt, zu ihrem erfühlten und erfahrenen tiefsten Wesen erfolgen. Nur von dieser Grundhaltung aus können die„Kräfte" erfühlt und erkannt werden, die der Lösung der„Aufgabe des Sozialismus" wahrhaft entsprechen. Dann sieht man ein, daß die gesellschaftlichen Be- Ziehungen der Menschen persönlich gefüllt und mit dem erlebbaren Ernst der der Verantwortung durchtränkt werden können nur durch die Umwälzung der bestehenden Wirtschaftsorganisation, weil eben die„Würde", die dem Menschen in seinem Beruf zur verantwort- lichen Entscheidung gegenüber dem„Unendlichen" eignet, ihm verloren gegangen ist mit dem Arbeitsschicksal der Industriearbeiterschaft. Unseres Erachtens kann diese religiöse bzw. metaphysische Be- gründung der„Ausgabe" deren Notwendigkeit nicht deutlicher machen. Wir sehen in der religiösen Fundierung der Dialektik ein- mal eine Form der Reaktion gegen die Sinnentleertheit der kapita- listischen Zeit und dann das Streben nach Ganzheit und Gemein- schaft, das sich aber ebensogut in die dialektische Betrachtung des „Klassenkämpfers" hineingießen ließe. Weil aber diese religiöse Haltung Mennickes und seines Kreises auf realen-„Triebkräften" beruht, die nur falsch gedeutet sind, so ist es ihm möglich, sehr gute Bemerkungen über die„inneren Voraussetzungen" der geistig-see- llschen Bedingungen" der Wandlung der wirtschaftlichen Organi- sationen und über deren Förderung zu machen, was vom Marxis- mus bisher wenig beachtet wurde. Es sind das die Ausführungen über die„Arbeitssolidarität und Kulturerneuerung".(Darin Ziel- Weisungen für Arbeitswissenschaft, Volkshochschulbewegung, Be- Handlung der Freiheit.) Die Entfaltung des sozialistischen Gemeinde- lebens und die Erfahrung echten, gehalterfüllten Lebens unter uns würde— nach Mennicke— den Kamps gegen die kapitalistische Wirtschaftsordnung wuchtiger gestalten und das wahre produktive Verhällnis von sozialistischer Bewegung und sozialistischer Aufgabe erreichen. Maximilian Lange. Volitit. Prof. Dr. Theodor kipp: Zur Reform de« Rechts der unehelichen Kinder. Sonderausgabe aus der Festgabe für Rudolf Stammler . Berlag de Gruyter. Berlin 1926. Preis 2,50 Mt. Die Schrift von Kipp gibt eine gedrängte Uebersicht über den „Gesetzentwurf über die unehelichen Kinder und die Annahme an Kindesstatt". Dabei werden ausführlicher kritisch die Bestimmungen des Entwurfs über die Unehelichen behandelt, auf die der Ehelich- keitscrklärung und der Annahme an Kindesstatt nur am Schluß ein kurzer Hinweis gebracht. Der Entwurf findet im allgemeinen die Zustimmung des Verfassers, in Einzelheiten Widerspruch, meist mit Recht. So wird beispielsweise sehr treffend darauf hingewiesen, daß es unzulässig ist, wenn bei Anerkennung der Vaterschaft„über den Kopf des Kindes hinweg" auch bei mehr als Vierzehnjährigen die Annahme durch den gesetzlichen Vertreter erfolgen kann. Ebenso treffen die Bemerkungen zu über gewisse Verschlechterungen der Unterhaltsansprüche der noch nicht Sechzehnjährigen und über un- zweckmäßige erbrcchtliche Bestimmunaeu. Auch der Feststellung, daß eine Befreiung durch Zahlung einer Abfindungssumme nur eintreten darf, wenn diese den Unterhalt des Kindes deckt, ist zuzustinnncil. Wertvoll sind gleichfalls die Hinweise formaler Natur aus vor- handene Unklarheiten und vor allem die gedrängte Zusammen- fassung des Wesentlichen im Entwurf. Dadurch gelingt es dem Leser schnell, ein Bild des Ganzen zu gewinnen. Die Grundein- stellung Kipps im Sinne des Eintretens sür die Interessen des unehelichen Kindes und der Mutter ist eine erfreuliche. Immerhin tan» man sich nicht völlig der Empfindung erwehren, daß gelegcnt- lich eine Bcemträchtigung der Ehe in gewissen Rechten der Unehe- lichen erblickt wird, die tatsächlich nicht vorhanden ist. oder, wenn vorhanden, als das kleinere Uebel erscheinen muh. Kipp spricht in den einleitenden Worten davon, daß es gilt, zwei Vorschriften der Reichsoersassung gerecht zu werden, dem Zlrtitel 119 Abs. 1, nach dem die Ehe unter dem besonderen Schutz der Verfassung steht, und dem Artikel 121, der sagt, daß den unehelichen Kindern„durch die Ge- setzgebung die gleichen Bedingungen sür ihre leibliche, seelische und gesellschaftliche Entwicklung zu schassen sind wie den ehelichen Kindern". Die mittlere Linie icheint ihm im Entwurf eingehalten und angemessen,„daß die eheliche Abstammung ihrer alten Bor- züge vor der unehelichen nicht völlig entkleidet wird". Man kann der umgekehrten Ausassung sein, daß jede erhöhte Verantwortlichkeit auch dem unehelichen Kinde gegenüber dahin wirken wird, daß der uneheliche Bertehr weniger leichtfertig angeknüpft, und so die Ehe geschützt wird. Die Schrift nimmt vielfach auf die Begründung des Entwurfs Bezug. Durch den leidigen Umstand, daß diese noch nicht veröffent- licht, nur bei den Drucksachen des Reichsrats befindlich ist, wird dem Leser hier die Nachprüfung erschwert. Henni Lehmann . Erzählende Likerakur. Paul Ernst : Der Schatz im Morgenbrots tal.(Roman ). Horcn-Verlag, Berlin . Ein« Geschichte von schwerer Notzeit und mühvollem Aufbau, kurz und knapp wie der Tatsachenbericht eines guten Reporters; und doch wird in dem schmalen Bändchen die ganze Zeit der eben über- standencn dreißig Kriegsjahr«, alle Menschen, jeder ihrer Gedanken, jeder ihrer Handgriffe scharf geprägt und umrissen. Und aus„der Geschichte des von den Soldaten zusammengeraubten und vergrabenen Schatzes wächst symbolisch das ewige Kriegsschicksal: das geraubt- Gut des schaffenden Menschen, das all den räuberischen Landsknechten den Tod bringt, kehrt wieder in die Hände zurück, die es zum Aufbau neuen Lebens oerwenden. Das Kind des Krieges, von Landsknechten, die vielleicht fein« Eltern erschlugen, aufgegriffen, nach dem Baum« benannt, unter dem es der nächste Soldatenhaufen fand, hängt das Landsknechtschwert an den Nagel und greift zur Axt, wird Bauer und wirbt in harter Arbeit Hof und Heim und Weib. In kristallklarer, selten schöner Sprache ersteht aus diesem Geschehen«in Bild voll Farbe und Bewegung, das hohe Lied des alles besiegenden Lebens, das auch auf blutgedüngtem Acker wieder golden« Gchben reifen läßt. Rose Ewald. Andr6 Gide: Die Pastoralsinfonie. Propyläen-Verlag , Berlin . Mit Recht nennt Andre Gide seine kleine Novelle eine Sinfonie: fein-pjychologisch und verständnisvoll schildert er den Lebens- und Leidensweg eines blindgeborenen jungen Mädchens, die ein kümmer- liches Leben ohne Beschäftigung und ohne Anregung führt, dann von einem Pastor gefunden und erzogen wird. Selten wird von Autoren ein solches Thema behandelt, Andre Gide macht es zu einer trau- rigen Lebenswahrheit. Wenn er die blinde Gertrud und den un- ermüdlich um diese bemühten. Pfarrer charakterisiert, stehen sich zwei Welten gegenüber. Eine Blinde braucht einen Lcbensführer, durch ihn erst kann sie die Wirklichkeit erkennen, doch schildert der Pfarrer alles aus Barmherzigkeit schöner als es ist. Er nahm Gex- trud zu sich, um aus ihr einen Menschen zu machen, seine Frau wird jedoch durch den Zuwachs eifersüchtig. Unbeirrt erzieht er Gerttud, die ihm zugeneigt ist. Doch als ein Arzt ihr das Augenlicht wieder- gab, vernichtete er gleichzeitig ihre verschönerte Levensauffassung. Gertrud suchte und fand den Tod. Andrä Gide schildert das Seelen- leben einer Blinden so fein, so tief, wie nur selten ein Autor. Seine kleine Novelle ist ein wertvoller Beitrag zur Psychologie der Blinden. Kurt Harris Wolf. bester Schutz gegen Nasse und Kälte Riesenanswahl u. gewaltige Preisvorteile bietet unsere Kamelhaar schuh - Woche Beachten Sie unsere Schaufenster I
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43 (7.11.1926) 12
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