Mittwoch
16. April 1930
Unterhaltung und Wissen
likita Kryschkin: Gedächtnisfchwäche
Sofotschta Fuchs, die zweite Frau des ehemaligen Genoffen 1 Bomidoroff, holt einen baumwollenen Gegenstand aus ihrem Täschchen hervor.
,, Hier," sagte sie traurig und gedehnt, daß ist alles, was mir geblieben ist vom armen Pomidoritsch! Sein Nachschlageschnupftuch!"
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Weshalb aber hat es ein jo absonderliches Aussehen?"
,, Es ist voller Knötchen", sagte Sofotschta, schauen Sie einmal, in jeder Ede gibt es nötchen über Knötchen. Und schmußig ist es, weil es so viel mit den Fingern angefaßt wurde. Der arme Pomidoritsch hatte es ständig auf den Tisch liegen. Und ständig zählte und wählte er die Knötchen! Daher der Schmuz." ,, Weshalb tat er denn das?"
Nein, wie kann man so etwas vergessen!" Sofotschta war beleidigt. Ich verwed, fle nur die Reihenfolge. Ich denke, diefes obere bedeutet:„ Man darf nicht in der Theorie nach rechts abschwenken"; das unter:„ Man darf nicht in der Braris nach rechts unter: ,, Man abschwenken". Doch es könnte auch umgekehrt sein: ,, man darf nicht in der Praxis", und das untere..
,, Das ist im Grunde gleich," sagte ich. Doch wozu ist es nötig, Knötchen zu fnüpfen."
,, Sonderbare Frage. Eben um nichts zu vergessen!" Ist es denn so schwer zu behalten?"
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...
,, Sie haben gut reden!" erregte sich Sofotschta. Anderen mag's leicht fallen. Doch Pomidoroff. Wie heißt es doch gleich in dem Beschluß?„ Ein zufälliges Element in der Partei mit Wie weshalb?" verwunderte sich Sofoffchta. Natürlich zweifelhafter Vergangenheit." Zufällig! Und doch galt es, ständig damit er nicht vergaß."
,, Was vergaß?"
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,, Sind Sie aber schwer von Begriff! Selbstverständlich das, weswegen die Knötchen geknüpft wurden! Sie sind der Erinnerung wegen geknüpft. Ohne Knötchen ist es schwer zu erinnern. Macht man Knötchen ins Tuch, fällt es einem auf der Stelle ein!" ,, Ja, was gibt es denn zu erinnern."
Sofotschta fuchtelte mit den Armen.
,, Na, alles mögliche! Es gibt heut zu Tage eine solche Menge Vorschriften und Berordnungen. Dieses Knötchen zum Beispielwiffen Sie, was es zu bedeuten hat?"
Ich weiß es nicht."
,, Aber ich weiß es," sagte Sofotschka.„ Ich weiß um jedes Knötchen, denn wir haben sie gemeinsam gefnüpft: ich und Bomi toroff. Dieses Knötchen da bedeutet: Selbsttritit darf nicht unter drückt werden." Dieses bedeutet: Man darf die Aufsteigenden nicht zurüddrängen." Dieses: Besuche dürfen nicht grob behandelt werden." Das da:„ Es darf nicht gemacht werden wie in Astrachan ." Das: Anstellungen dürfen nicht ohne Arbeitsbörse vergeben werden." Und diese zwei... Ja, nun fürchte ich zu verwechseln."
,, Haben Sie es vergessen?"
In den brodelnden Hegentessel des modernen Indien führt uns ein neues, demnächst bei Brockhaus in Leipzig erscheinendes Buch Indien im Schmelztiegel" von C. 3. Közel. Der Ber faffer widmet der beherrschenden Gestalt dieser ganzen Bewegung, dem Mahatma Gandhi , ein ausführliches Stopitel und läßt uns die ungeheure Bedeutung dieses Mannes, auf den jetzt wieder die Rugen der Welt gerichtet sind, dadurch besser verstehen, daß er uns nach dem Zentrum seiner Tätigkeit führt. Dieser pttelpunkt, von dem die Kräfte seines Wesens ausstrahlen, ist der ,, Satyagraha Aschram", die von ihm 1915 gegründete Kolonie, aus der seine nächsten Anhänger und Jünger hervorgehen. Satyagraha" ist das indische Wort für den gewaltlosen Widerstand", der seit Gandhis Eintreten in die Politik zur Form des indischen Freiheitstampfes geworden ist. Aschram" heißt eigentlich„ Stätte der Erholung", bedeutet aber im heutigen Indien gerade das Gegenteil, nämlich den Zusammenschluß von Personen, die sich zu strenger und per antwortungsvoller Arbeit vereinen. Die Kolonie liegt etwa eine Stunde von der Stadt Ahmedebad, einem Mittelpunkt der indischen Baumwollindustrie, entfernt, bei dem Dorf Sabarmati an einer viel begangenen, vom buntesten indischen Leben erfüllten Landstraße.
,, Der Aschram wird gebildet von zwei Gebäudetempleren, die die voneinander getrennt werden", berichtet der Aschram:
auf der Höhe zu sein! So wurde es notwendig, die Knötchen ins Taschentuch zu knüpfen."
,, hat es was gefruchtet?"
Natürlich," sagte Sofotschta. Er war auch auf der Höhe. Ist einmal ein Knötchen geknüpft, so ist es schon weniger leicht zu ver= gessen, was man tun darf, und was nicht. Es war sein Nachschlage= schnupftuch, dieses mit den Knötchen
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,, So. Aber wofür wurde er trotzdem.
,, Herausgesetzt?" vollendete Sofotschta. Das geschah für etwas anderes. Wie heißt's doch gleich? Für Zusammenschluß mit fremden Elementen, Verzerrung der Linie... Und außerdem für irgend einen Mißbrauch."
Also hat das Knötchen nicht geholfen?"
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,, Das Knötchen?" wunderte sich Sofotschka. ,, Das ist es eben, daß solch ein Knötchen fehlte. Es gibt zu viel Berordnungen. Da reichen die Knötchen einfach nicht! Sonst natürlich... Übrigens, was soll es nun."
Und das Nachschlagetuch des ehemaligen Genossen Pomidoroff in der Hand wendend, sagte sie nachdenklich:
Ich werte wohl oder übel die Knötchen aufknüpfen müssen. Das Taschentuch muß in die Wäsche. Es ist trotz allem gehörig
schmutzig."
( Uebertragen von G. Rofentha I.)
Der ewige Jude als Idee
Zu den großen Sinnbildern, die der menschliche Geist sich von den ewigen Leidenschaften geschaffen hat, gehört neben Faust und Don Juan auch Ahasver, der ewige Jude. Er hat die Dichtung und Don Juan auch Ahasver, der ewige Jude. Er hat die Dichtung und die Menschheit beschäftigt, seit seine Gestalt aus der Dämmerung der Legenden auffaudité, und so haben sich in diefer feltsamen Figur. die großen been der Welfgefchichte gespiegelt, wie dies Berner 3irus in feinem foeben bei Walter de Grunter u. Co. in Berlin erschienenen Buch ,, Ahasverus , der ewige Jude" nachweist, das der Sammlung„ Stoff und Motivgeschichte der deutschen Literatur" an gehört. In der deutschen Literatur ist die Sage am vielseitigsten ausgebildet, durch ein deutsches Voltsbuch überhaupt zuerst in Europa allgemein befannigeworden. Das Urbild dieser Gestalt stammt aus den Klosterchroniken des 13. Jahrhunderts, die sich auf das Beugnis eines armenischen Erzbischofs berufen, der die heiligen Stätten Europas besucht haben soll. Dieser erzählte von Cartaphilus , dem Torhürter des Pilatus, der Jesus auf dem Wege nach Golgatha durch robe Stöße zum Schnellergehen antrieb und dem der Herr antwortete, er merde so lange wandern, bis er, der Heiland, wiedertehre. Dieser Fluch laste nun auf dem Sünder seit zwölf Jahr
CBC Beilage des Vorwärts
hunderten, er lebe als frommer Mann im Orient und erzähle mit Ehrfurcht von Chrifti Leiden und Auferstehung. Dieser Bericht wurde nun in dem zu Anfang des 17. Jahrhunderis erschienenen deutschen Boltsbuch Kurze Beschreibung und Erzählung von einem Juden mit Namen Ahasverus" wiedergegeben; doch berief sich der Berfaffer auf feinen armenischen Kirchenfürsten, sondern auf den Schleswiger Bischof Paulus von Eizen als Gewährsmenn, der in feiner Jugend Ahasver begegnet sein sollte. Durch das Volfsbuch wurde der im fernen Often weilende Einsiedler zu einem wandernden Büßer, der die Städte Europas durchzog und alle durch sein Wissen um längst Vergangenes in Staunen sette; er wurde als Schuhmacher bezeichnet, und bald nahmen andere Geschichten die Figur bes ,, unruhigen Wanderers" auf. 1694 erhält er zum ersten Male die Bezeichnung ,, ewiger Jude", wodurch sich die deutsche Auffassung der Gestalt in ihrer philospohischen Ausdeutung von der anderer Länder. deutlich unterscheidet.
Der ewige Jude ging nun bald so in die Volksphantafie ein, daß man noch im 18. Jahrhundert ernsthaft die Frage aufwarf, ob er wirklich gelebt habe, und zu dem Ergebnis fam, das ,, vor Gott doch nichts unmöglich sei". Auch in das Oberammergauer Passionsspiel wurde eine Episode eingefügt, deren Mittelpunkt er ist. Nun nahm sich die Dichtung immer eifriger dieses dankbaren und vieldeutigen Stoffes an. Nachdem die düstere Gestalt zuerst im Sturm und Drang in dem Gedicht von Schubart und in Goethes genialen Epenentwurf als Zeitfritiker eingeführt worden war, wandte die Romantit dem ruhelosen Pilger ihre besondere Aufmerksamkeit zu. Nun wird er immer wieder in phantastische Szenenfolgen eingeführt, als Bertreter des tragischen Weltschmerzes, als gläubiger Mahner der Menschheit, als Wohltäter und Retter; er begegnet auf seinen Wanderungen durch die Jahrhunderte den berühmten Personen der Sage und Geschichte, er erlebt graufig- unheimlich und komischsatirische Abenteuer, er wird in eine Weltuntergangsstimmung als großes Symbol der Menschheit hineingestellt. Die spätere Zeit hat dann diese Figur immer mehr als Menschheitsidee ausgestaltet. So wird er nach der Hegelschen Philosophie als die Antithese Gottes " hingestellt, als die Verförperung des Negativen, des Zweifels und des Bösen. Er nimmt die Züge des Antichrist an, des Todes, der Revolution; er gilt für den Träger der inneren Konflikte im Menschen, der sich durch langsames Reifen zu einer harmonischen Lösung dieser Zwiespälte hindurchringt; so wird er auch zum Sinnbild des ewigen Werdens und Sicherneuerns, der ewigen Wiederfehr", der Seelenwanderung und der Erlösung der Menschheit. Es zeigt sich bei der Betrachtung der vielen Ahasver- Dichtungen, daß dieser Stoff sich zu großen Gestaltungen nicht recht eignet, sondern dann durch fremdartige Zutaten gedehnt werden muß. Seine
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Stellung zu Chriftus und feine endlose Lebensbahn eröffnen ein weites Feld, aber die psychologische Vertiefung kommt meist zu kurz, und so erfolgt die beste Gestaltung in den Balladen, die ihn als Stimmungsbild, als riesigen Schatten der Vorzeit auffaffen.
Die Wiederherstellung eines Prachthauses in Herkulanum. Am 21. April, dem Tage, an dem die Geburt Roms gefeiert wird, fo in Herkulanum der neue Eingang und die Straße eröffnet werden. die zu den Ausgrabungen führt. Bei dieser Gelegenheit wird man ein besonders prächtiges Haus bewundern können, das jetzt ausgegraben und wiederhergestellt worden ist. Diese Villa, in der augenscheinlich reiche Leute wohnten, ist durch ihre Größe, den Reihtum ihrer Fresco- Malereien und des vielfarbigen Mosaikbelag: s besonders ausgezeichnet. Bom Atrium führt eine fleine Treppe zu dem Peristyl des Gartens, der von Säulen umgeben ist. In seiner Mitte befindet sich ein viereckiges Becken aus weißem Marmor, dessen großer Springbrunnen durch eine unterirdische Bleiröhre mit Wasser gespeist wird, die vortrefflich erhalten war. An der Hinterseite des Gartens befindet sich der schöne Speisesaal, dessen Wände mit bunten Fresten auf einem grünen Hintergrund geschmückt sind.
Berfaffer. Auf der einen Seite der eigentliche Wigram: ein Eine Million Muster für künstliche Zähne
großes, beinahe festungsartig- düster aussehendes zweistödiges Ge bäude, im Rechtec um einen großen Hof herumgebaut. Kleine vergitterte Fenster geben dem Ganzen von außen etwas Gefängnis artiges; steht man auf dem Hof, so wird sofort die Vorstellung Kloster " lebendig. Tür an Tür mündet auf die sonnengeschüßten Gänge; wo eine geöffnet ist, bedt man in eine fast leere 3elle. lleber den Gängen ein Hauch Klösterlicher Entsagung. Die ersten Menschen, die ich treffe, find um einen Ziehbrunnen bemüht. Die Männer fast ausnahmslos bis auf ein Lendentuch nackt; die Frauen tragen den landesüblichen Sari, aber aus Khaddar, recht grobem Baumwolltuch, das im Aschram selbst gesponnen und gewebt wurde. Die Männer ziehen die gefüllten Ledersäcke aus dem Brunnen empor, die Frauen scheuern allerhand Kupfer- und Messinggeschirr. Alle haben sie intelligente Gesichter, viele der Männer tragen die dappelte Schmur des Bramahnen von der Schulter zur Hüfte Man lebt in Sabarmati nach den Regeln einer Art religiösen Kommunismus. Alle Arbeit wird von allen geleistet. Sie baden ihr eigenes Brot, sie weben ihr eigenes Kleid; es gibt feine ,, dienenden Brüder", jebe Berrichtung wird in regelmäßigem Wechsel dem einzelnen zugewiesen. Es gibt nichts Wichtiges oder Unwich tiges, teine höheren Dienste" oder„ niedrigen Arbeiten": es gibt nur das Notwendige."
Mit fortschreitender Entwidlung der Technit ergaben sich im Ablauf des vorigen Jahrhunderts, zu dessen Beginn die ersten fünft lichen Zähne verfertigt wurden, immer neue Erfindungen, die zu einer weitgehenden Vervollkommnung des Zahnersatzes führten. Die deutschen Fabriken machten sich, durch den Krieg geradezu dazu gezwungen, von der bisherigen Vormachistellung amerikanischer Erzeugnisse in der Bemusterung frei und erzielten in emfiger Laboratoriumsarbeit ein musterhaftes Resultat. Zahnprothesen der insgelamt vorhandenen sieben deutschen Firmen sind heute auf der ganzen Welt anzutreffen.
Die Boraussetzungen, auf denen eine zielbwußte Arbeit auf diesem ziemlich unbekannten und doch so wichtigen Industriezweig beruht, sind mannigfaltig und geben dem Praftifer mande Nuß zu fnaden. Menschenzähne sind keineswegs einander gleich, sie unter scheiden sich in Größe, Form und Farbe schon normalerweise, j.hr bäufig bedürfen aber auch Personen gerade mit abweichend gebauten Zähnen der Hilfe, und auch für diese muß Baffendes geschaffen werden. Nimmt man den einfachen Fall zur Grundlage einer kleinen Rechnung, so lassen sich schnell recht überras tende Ergebnisse errechnen, selbst wenn vorausgesetzt wird, daß der Zahnersaß„ nur" mit 28 Kunstzähnen arbeitet; denn die Weisheitszähne, die spät tommen und sich selten länger als wenige Jahre erhalten lassen, gelten als entbehrlich. Eine einzige Fabrik stellt also 28 Grundtypen in 16 Formen her, die wieder in 61 Größenabstufungen unter teilt sind und auf 30 Farbtöne abjdat.iert werden. Ohne dabei zu berücksichtigen, daß auch die Gebisse vom Schneidezahn zum Eczahn in sich Farbunterschiede aufweisen, ergibt die einfache Multiplika tion die stattliche Summe von 879 940 Barianten, die vermutlich die Mehrzahl der vorkommenden Fälle befriedigen dürfte. Diese Zahlen gelten nur für eine Fabrit, jede ardere hat bei zwangs läufiger Uebereinstimmung der Fabrikate in den großen Zügen doch ihre besonderen Eigentümlichfeiten. Eine auch mir annäherude Errechnung der überhaupt erhältlichen Muster dürfte die Million überschreiten,
Nach bestimmten Regeln und Grundfäßen, die von Gandhi aufgeste find, vollzieht sich das Leben in dieser kleinen Gemeinde. Jeder Tag beginnt mit der gemeinsamen Andacht, die als ein Hilfsmittel der Selbstreinigung und der umfassenden Singabe an Got" dienen foll. An zweiter Stelle steht der Sauberkeitsdienst"; et wird von Gandhi besonders betont, weil er in der Durchführung hygienischer Maßnahmen eine große volfserzieherische Aufgabe sieht. Die Haupttätigkeit in Aschram ist das gemeinnügige Spinnen", denn das Spinen, einst tief im Leben des indischen Bolles verankert, ist durch die Maffenfabritation aus dem Hem verdrängt worden, und Gandhi ficht in der Wiederaufnahme des Hardipinnens ein Hauptmittel gegen die wachsende Hungersnot der Bevölkerung. In kleinerem Maßstab wird auch Landwirischaft, Milchwirtschaft und Gerberei betrieben. 3m 2schram wird auch Der Gedanke liegt nahe, in dieser umständlichen und durch die der Versuch gemacht, ein Erziehungssystem zu übermitteln, das der Unzahl der Modelle unübersichtlichen Industrie einen organisato nationalen Wohlfahrt entspricht, und die für den Aufstieg Indiensrischen Zusammenschluß zu erwarten, eine wirtschaftliche Gliederung so hemmenden Kastenvorurteile zu überwinden. Im ganzen leben und Erleichterung. Gerade das Gegenteil ist aber in Wirklichkeit in dieser Kolonic Gandhis rund 300 Menschen, 133 Männer, der Fall. Die Herstellung fünstlicher Zähne hat begreiflicherweise 66 Frauen und 78 Kinder. Es gehören nicht nur Hindus und in meitestem Maße die Wissenschaft herangezogen, um etwas zu Mohammedaner zu den Injajjen, sondern auch einige Chriften, die schaffen, mas der Natur möglichst gleichkommt. Und in den VorAnhänger Gandhis geworden find auslegungen diefer Borichungsiniteme ruht die Spaltung, die einen
Flügel nach der Wiedergabe des gewachsenen Zahnes streben läßt, während der andere, gleichsam vom Konstruktionstisch aus, eine neue Form des Gebisses erfindet. Denn, so jagen die Anhänger der zweiten Richtung, der künstliche Zahn hat dieselbe Arbeit zu leisten, wie ein gesunder, seine Befestigung ist aber wesentlich schwächer und demgemäß ist seine Leistungsfähigkeit geringer. Um unter folchen Voraussetzungen dennoch die gleiche Raufraft zu produzieren, sind völlig abweichende statische Momenie wirksam zu machen. Die beim Rauen im gefunden Bahn wirkende Strait iſt geeignet, den Ersatz zu zerstören oder umgekehrt ist die Anwendung der naturgegebenen Raufläche im Kunstzahn wertlos. Trotzdem hat man heute auf beiden Wegen befriedigende Ergebnisse erzielt, ohne das wesentliche Moment einer weitgehenden äußerlichen Angleichung an die Natur zu vernachläffigen.
Seltsame Wege begingen auch die Forscher, che sie die naturgemäße Bildung der Zähne in eine Form bringen konnten. Die verbreitetsten Zahnformen werden nämlich in der Regel von drei Grundformen abgeleitet, dem Rechteck, dem Dreieck und der Elips. Ein Bedürfnis nach anatomisch richtigem Zahnersag entstand abr erst or wenig mehr als 20 Jahren, als man entdeckte, daß die Gefichtsbildung wesentlich vom Gebiß abhängig ist und daß sogar zwischen der Kontur der mittleren oberen Schneidezähne und der des Gesichts eine ziemlich gültige Proportion besteht. Aus dieser Ueberlegung erfanden Gelehrte eine Mehvorrichtung, die über Schädelbach und Bangen angelegt, Form und Größe des passenden Bahnes einfach ablejen läßt.
Bemerkenswert ist auch eine Form des künstlichen Zahnes, die heute erst wenig bekannt und daher auch ziemlich kostspielig ist. Bei Defekten des Schmelzes der Krone ist es möglich, die Außenhaut des franken Zahnes abzuschleifen und mit Hilfe von Gipsabbruden innerhalb 24 Stunden den Kronenstumpf, der selange durch eine Guttaperchahülle geschüßt bleiben muß, mit einer neuen Schmelzschicht zu umfleiden, die in bezug auf Haltbarkeit und guten Siz nicht übertroffen werden kann. Zu dieser Technik gehört neben der Möglichkeit, früh eingreifen zu können, eine besondere Apparatur, die dem Arzt gestattet, den Brennprozeß des farbigen Borgellans bei 1400 Grad Size felbst vorzunehmen. Die Farbenskala der künstlichen Zähne läuft über hellweiß nach bläulich), çelb, braun, grünlich, grau bis zu den charakteristisch verfärbten Raucherzähnen, die, bisher ein Reservat der Männer, jetzt auch für Damen öfters verlangt werden. Der poröse, Schmelzüberzug der Zähne ist eben auf die Dauer nicht gegen den Einfluß des Nitotins zu schüßen.