Jetzt aber brach die Wuth los; unter entsetzlichem Geschrei stürmten die Frauen und die Streikenden den Scabs nach, die wie toll in die bereit stehenden Eisenbahnwagen flohen, um sich vor dem auf sie eröffneten Bombardement zu schützen. In diesem Augenblick kam der Inspektor Kealy mit dem letzten Wagen den Schacht herauf und schrie dem Lokomotivführer zu:„Um Gottes willen, fahr zu." Und der Zug setzte sich in Bewegung. Die Demonstration war aber erfolgreich. Die Gleen- dower Mine ist heute nicht im Betrieb.
Die Mohnungsfrage. [] Der Hailptverwaltungsbericht des Berliner Ma- gistrates für 1886/87 zeigt eine große Steigerung der Wohnungsnoth für die weniger bemittelten Bevölkerungsklassen. Die kleineren Wohnungen, wie sie den Ansprüchen dieser Klassen entsprechen, werden immer seltener im Berhältniß zur Bevölkerungszunahme und die vorhandenen Wohnungen werden immer theurer. Hören wir die Zahlen. Die Bevölkerung Berlins nahm in der angegebenen Zeit zu um 46 758 Personen, die vermietheten Woh- »ungen vermehrten sich diesem Zuwachs gegenüber um 10072 Wohnungen, die einen Durchschnitts-Micthswerth von 1196 Mark hatten. Es sind in der Zeit besonders große Wohnungen neu hergestellt, da der Durchschnitts- Miethswerth einer Wohnung in Berlin im Allgemeinen im 1. Quartal 1887 nur 629 Mark betrug. Auch diese Zahl ist mit der Zeit schon gestiegen, sie betrug vor Z Jahren nur 603 Mark. Die Anzahl der leerstehenden Wohnungen hat sich erheblich vermindert. Es sind nur noch 6904 Woh- nungen leer. Der Werth derselben hat sich aber erheblich, nämlich um 143 153 Mark gegen das Vorjahr, ver- mehrt. Es stehen also meistens nur große Wohnungen leer, an kleinen Wohnungen ist ganz empfindlicher Mangel. Wie es in Berlin steht, so steht es in allen größeren und in den meisten mittleren Städten. Die Wohnungs- miethe nimmt einen immer größeren Bruchtheil des Einkommens der Einwohner in Anspruch oder, wo die Einnahmen sich so niedrig gestalten, daß eine Ver- mehrung der Ausgaben für die Wohnung unthunlich erscheint, weil die anderen Lebensbedürfnisse keine Einschrän- kung mehr erlauben, da muß eine Verschlechterung der Wohnungsverhältnisse naturnothwendig Platz greifen. Dieses trifft bei der allergrößesten Mehrzahl der Ar- beiter noch mit den Lohnherabsetzungen zusammen, die in letzter Zeit aus den meisten Ortschaften und Gegen- den gemeldet werden. Sei es, daß wie in den Krefelder und anderen Weberbezirken die Lage des Weltmarktes die Arbeit ihnen überhaupt zu entziehen beginnt, sei es, daß die Fabrikanten-Vereinigungen die Herstellung im alleinigen Nutzen und Vortheil der Fabrikanten einschränken und den Schaden den Arbeitem auflegen, indem die Ar- beitszeit verkürzt wird; oder indem durch Arbeiterentlassun- gen das Angebot von Arbeitern erhöht und die Löhne gedrückt werden; sei es endlich daß die Unternehmer ohne äußeren Grund, nur weil sie wissen, daß die Arbeiter durch polizeiliche Maßregelungen an dem Gebrauch des Koalitions- rechtes gehindert werden, die Löhne einfach herabsetzen, wie es in letzter Zeit in geradezu erschrecklicher Weise einzu- reißen beginnt. Daß eine wirkliche Wohnungsnoth der ärmeren Klassen vorhanden war, schon lange vorhanden war, das ist eine so anerkannte Thatsache, daß wir eines weiteren Beweises dafür enthoben sind. Es lohnt nicht und ist nicht erforderlich, hier nochmals auf das Elend hinzuweisen, das in den Wohnungen der ärmeren Bevölkerungsklassen der großen Städte zu Tage tritt. Die schlechten Wohnungen im Bunde mit der mangelhasten Ernährung großer Be- völkerungskreise, die Drüsen- und Knochenkrankheiten als Erbgeschenk den Kindern des fleißigen und tüchtigen Ar- beiters bringen, sind lange genug geschildert und erkannt. Die oben angegebenen Zahlen zeigen, daß dieses Elend, diese Roth, diese Krankheiten im Wachsen, in der Ausdehnung begriffen sind, daß sie am Marke des Volkes nüt verstärkter Kraft zehren, auch darüber ist kein Streit. Die schrecklichen Zustände, die aus den schlechten und un- gesunden Wohnungen hervorgehen, sind anerkannt und bekannt; daß sie sich verschlechtern, reißend verschlechtern, ist auch nicht zu leugnen; daß eine Gefahr für den Staat und die Gesellschaft in diesen Zuständen liegt, eine weit größere und weit nähere Gefahr als in Vielem, was man glaubt mit wenig Einsicht und viel Gewalt bekämpfen zu müssen, möchte auch leicht zu erkennen sein. Nun, was thun Staat und Gesellschaft, um diesen großen, diesen dringenden, diesen wachsenden, diesen all- gemein erkannten Uebelständen entgegen zu treten? Was man thut? Nichts, man redet. Die Wohnungsnoth der Armen ist heute ein beliebter Vorwurf für mehr oder weniger sachkundige Schönredner, ein Gegen- stand der Erörterung für alle wirthschaftlichen Quacksalber und Kurpfuscher, ein beliebter Stoff, um in menschen- freundlichen Vereinen die Zeit damit auszufüllen, ein brauchbarer Vorwand, um seine„Wohlthätigkeit, Menschen- liebe und seinen Gemeinsinn" in's richtige Licht zu rücken, damit sie hohen und höchsten Personen recht in's Auge fällt. Auch staatsmännische Sporen wollen sich einzelne Gesetzgeber dabei verdienen. Die richtige und echte Ab- deritenwcisheit wird dabei zu Tage gefördert, aber an der Sache gebessert, auch keines Pfennigs werth. Da tritt der Schönredner auf, nachdem sorgfältig dafür gesorgt ist, daß niemand da ist, der vielleicht die
Sache ernst nehmen und widersprechen könnte. Er beginnt die Fortschritte unseres Jahrhunderts zu preisen, wie wir es so unendlich weit gebracht. Das Durchschnittseinkommen des Volkes ist gestiegen, wir leben besser als vor 40 Jahren Er verschweigt aber, daß das Steigen nur die eine Seite getroffen hat, daß der hungernde Weber leider von dem steigenden Durchschnitt nichts gespürt hat, daß viele Arbeiter mit Wochenlöhnen nach Hause gehen, die heute lange nicht die Kaufkraft haben, wie die der Zahl nach niedrigeren Löhne vor 40 Jahren. Sein Publikum kennt nur einige besser gestellte Arbeiter, das genügt. Nachdem so der Beweis geführt ist, daß es eigentlich wunderherrlich in unserer Staats- und Gesellschaftsordnung ist, dann be- ginnt der Redner zuzugestehen, daß es mit den Wohnungen nicht ganz so ist, wie es sein soll, daß sogar gewisse Uebel- stände sich beim besten Willen nicht ganz ableugnen lassen. Die Hauptschuld haben aber die bösen Arbeiter selbst. Sie sind noch nicht so gebildet, den Werth einer guten Wohnung gehörig zu schätzen, und selbst wenn man ihnen eine gute Wohnung giebt, sie verstehen nicht einmal sie gut zu bewohnen. Die Wohnungsmiethe nimmt freilich, das muß er ja zugeben, bis'/«(auch noch mehr) des Einkommens fort, aber was thut das, man soll lieber an anderen Bedürfnissen sparen. Das Publikum athmet ordentlich auf als ihm so be- wiesen wird, daß der Arbeiter allein schuld ist, wenn er mit seiner Familie in ungesunden Wohnungen verkommt. Warum mielhet er sich keine bessere, der dumme Kerl Man muß ihn in den Schulen über den Werth einer guten Wohnung aufklären, vielleicht entschließt er sich dann sogar im Sommer statt in der staubigen, ungesunden Stadt zu bleiben, eine Schweizcrreise zu machen, oder mit seiner ganzen Familie in ein Seebad zu gehen. Es wäre doch das Klügste und der Gesundheil sehr nützlich. Ihr Thoren! Wenn man ein Einkommen von 20 oder 30 Tausend Mark jährlich hat, verschlägt es freilich nicht so sehr viel, ob man 6 oder 10 Tausend Mark für eine Wohnung ausgiebt, wenn aber das Jahres- cinkommen 7 bis 9 Hundert Mark beträgt und oft erheb- lich weniger ist, dann macht es einen großen Unterschied ob man 200 oder 300 Mark für die Wohnung bezahlt. Die„Bildung" nutzt da nichts und freilich ist das Brod und die wärmende Kleidung dringender nothwendig, ihr Mangel macht sich mehr und schärfer fühlbar. Da muß, hört ihr! Da muft die Wohnung zurückstehen, selbst wenn der Arbeiter ganz genau weiß, daß die schlechte Wohnung seiner Gesundheit schädlich ist. Der Hunger ist es auch, und er ist schwerer zu ertragen. Hat der„Herr Redner" nun so sein Publikum be- arbeitet, dann giebt er zu, daß doch vielleicht nothwendig sein könnte, daß irgend etwas gethan würde, um sich um die leidende Menschheit verdient zu machen. Vom Staate darf man natürlich nichts verlangen, der darf sich in die Sachen des heiligen Kapitals durch- aus nicht anders einmischen, als daß er höchstens den Arbeiter verhindert, dem Kapitalisten unbequem zu werden. Nein, nur Alles schön auf dem kapitalistischen Wege. Die Arbeiter müssen zum Sparen gebracht werden. Sie sagen zwar, sie kommen schon jetzt nicht durch, das ist aber Heuchelei. Man kann sich bei 12 bis 14 Mark durchschnittlichem Wochenlohn ganz gut in wenigen Jähren ein Haus ersparen. Warum nicht! Wir wollen ja helfen, meint der Herr Redner, wir haben ja menschenfteundliche Kapitalisten unter uns, die gerne gegen sehr billigen Zins---! Es entsteht eine Bewegung im Publikum, einige Herren knöpfen die Taschen zu, andere entfernen sich ganz stille. Na, fährt der Redner fort, dann können wir auch Wohlthätigkeis-Konzerte,-Bälle,-Bazars,-Schlittenfahrten, veranstalten.— Zustimmende Bewegung unter den Damen, die schon ihre Kostüme überdenken.— Uebrigens wird unter hoher Protektion ein Verein--! Ein Banquier besieht sein Knopfloch und überschlägt, was er wohl daran wenden könnte. Oh! Man hat in England schon sehr dankenswerthe Erfolge in diesem Wege erzielt.— Man ist davon überzeugt.— Schließlich soll auch der Weg der Gesetzgebung nicht ausgeschlossen sein. Man darf in Gesetzen bestimmen, wie schön eine Wohnung mindestens sein muß,— es nützt dem Arbeiter freilich wenig, wenn das Gesetz ihm nicht auch den Mini- mallohn bestimmt, daß er diese Wohnung nun auch be- zahlen kann.— Hu! sozialdemokratische Forderung! � Auch kann ein Gesetz gegen den Wohnungswucher erlassen werden, es wird freilich nichts nutzen,— allgemeine Zustimmung der Hausbesitzer—. Auch über andere gesetzliche Bestimmungen kann man noch sprechen—! O ja! sprechen kann man über die Wohnungsnoth, sprechen und nichts als sprechen. Eine Abhilfe zu schassen aus dem Boden der heutigen Wirthschaftsweise und Gesell- schaftsordnung ist aber nur möglich, wenn die Arbeiter in die Lage versetzt werden, die Sache selbst in die Hand zn nehmen. Dazu gehört die unbeschränkte Frei- gäbe des Vereinigungsrechtes zur Erzielung günstiger Ar- beitsbedingungen und ein geregelter Arbeiterschutz. Das würde unter vielen und schweren Kämpfen manche Uebel- stände, auch die Wohnungsnoth beseitigen. Eine gründliche Abhilfe freilich ist nur möglich auf dem Boden einer wirthschaftlichen Umformung, welche die Grundstücke und Häuser zum Gemeineigenthum der Gesell- chaft macht und das Wohnungsbedürfniß der Beutesucht des Kapitals entzieht. Daran ändern alle Schönredner, Kurpfuscher und wirthschaftliche Quaksalber nichts. Wie nothwendig eine solche Umformung ist, zeigt das sich in den angegebenen Zahlen abspiegelnde Steigen der
Wohnungsnoth. Es ist diese Roth freilich nur eine Er- sckeinung der allgemeinen Krankheit der Gesellschaft, aber eine Erscheinung, die deutlicher spricht und drängender auf- tritt als manche andere.
Städtische Grundbefttzer und Miether. Welche Riesenvermögen sich durch die beständige Steigerung der städtischen Grundrenten und Miethspreise aufthürmen, dafür liefert das grandioseste Beispiel wohl die Geschichte der Familie Astor in New-Aork, die eine ungeheure Bodenfläche in dieser Stadt besitzt. Johann Jakob Astor hinterließ bereits vor nicht ganz 40 Jahren ein Vermögen von ebenso viel Millionen. Dasselbe war zum größten Theil in Grundbesitz in der Stadt New-Dork angelegt und der Theil der Rente, welchen die Astor's nicht verbrauchte, wurde wieder so verwendet. Man schätzt, daß sich derart das Vermögen auf zwischen 200 und 300 Millionen Dollars(800— 1200 Millionen Mark) vergrößert habe und daß es jährlich um zehn bis zwanzig Millionen wächst. Johann Jakob Astor erwarb die erste Grundfläche im Handel mit den Indianern; von seinen Nachfolgern hat sich, soweit man weiß, keiner in Spekulationen oder Handels- geschäfte eingelassen, noch war einer an Fabrikgeschäften betheiligt. Soweit sie Anstoß zur produktiven Thärigkeit gaben, war es blos der Bau von Häusern auf ihrem Grundbesitz in New-Aork, den sie beständig vergrößerten. Diese Astor's hatten also wenig Arbeit und gar kein Risiko. Das Wachsrhum New-Aorks und damit die Stei- gerung der Grundrente war nicht schwer vorauszusehen. Die Astor's konnten die Hände in den Schoost legen und zusehen, wie ihre Dollars heckten. Und das geschah denn auch mit wahrhaft kaninchenhafter Fruchtbarkeit. Sie haben gewiß nicht schlecht gelebt; wenn sie auch nicht den prunk- haften Hoshalt späterer Parvenüs nachahmten, so haben sie sich doch Paläste gebaut, Kunstsammlungen angelegt, haben einen luxuriösen Haushalt geführt: kurz ohne Zweifel eine hübsche Anzahl Millionen verbraucht. Und trotzdem hat sich ihr Vermögen in jedem Jahrzehnt um die Hälfte vergrößert. Es ist auch gar nicht abzusehen, daß es damit so bald ein Ende nehmen werde. Die„Arbeit" der Astor's deren Frucht dieses Riesen- Vermögen sein soll, bestand, im günstigsten Fall, in der Gulheißung oder Verwerfung von Vorschlägen ihrer Archi- tekten, Inspektoren und sonstigen Bediensteten, worunter wohl die wichtigsten die für das Emporschrauben der Renten gewesen sein mögen. Alles andere besorgten be- zahlte Beamte. Die Astor's möchten ebenso wohl im Monde gewohnt haben und der Zuwachs ihres Vermögens hätte doch stattgeftmden. Denn er ist das Resultat der Arbeit der Leute, die in Astor's Häusern wohn- ten, der arbeitenden Bevölkerung New-Dorks überhaupt und, im weiteren Sinne, der des ganzen Landes. Ist es nun sittlich, gerecht, daß eine Familie, und lasse man sie selbst als eine arbeitende gelten, das Ein- kommen von 60 000 Arbeitern an sich reißt? Sind die gesellschaftlichen Einrichtungen nicht faul, die das gestatten und legalisiren?
Maschine und Arbeiter. „Ein Mann, Namens Schmalz, hat eine Zigarren- Maschine erfunden, welche das Deckblatt zuschneidet, die Füllung einlegt und die Zigarren wickelt und vollendet. Angeblich genügt ein lOjähriges Mädchen zum Betrieb einer solchen Maschine, welche die Arbeit von drei Männern verrichten kann. Eine der großen hiesigen Zigarren- fabriken hat bereits ein Hundert solcher Maschinen bestellt. So meldete kürzlich ein großes New-Dorker Blatt und die„St. L.Tribüne" bemerkt dazu: Was soll dann aus den Zigarrenmachern werden? Man mag antworten: Was nach Erfindung der Nähmaschinen aus den Schneidern geworden ist; es wird dann wegen der größeren Billigkeit der Zigarren mehr geraucht werden, und so werden die Leute immer wieder Beschäftigung finden. Allein dies ist einfach nicht wahr. Ehrliche Statistiker haben hundertfach bewiesen, daß der Mehrbedarf der Ersetzung lebender Arbeitskräfte durch leblose Maschinen nicht die Stange hält. Es werden vielmehr nach Erfindung arbeitsparender Maschineninden betreffendenJndustriezweigen stets T a u sen d e auf die Straße geworfen, die in ihrem Handwerk keine Beschäftigung mehr finden können und daher meist aus den Reihen der produktiven Arbeiter hinaus in die der Zwischenhändler, der Hausirer zc. getrieben werden. Diese Gebiete sind aber auch schon längst überfüllt, und Millionen Dollars gehen täglich dadurch verloren, daß Arbeiter, die willens und fähig, produktiv zu wirken, ge- zwungen sind, unthätig zu bleiben. Was sind gegen diese Verwüstung von Arbeitskraft, wie sie die heutige anarchistische Volkswirthschaft im Gefolge hat, die Verluste eines Streiks — die reinste Lappalie! Dann aber wird unter dem System, welches die Vortheile aller Erfindungen ausschließlich in die Hände Zer Unternehmer legt, auch das Kleingewerbe vernichtet. Die Maschine monopolisirt das Geschäft und wie heute neun Zehntel aller Kleidungsstücke von Leuten gemacht werden, die nicht mehr selbständig sind, sondern im Dienste von großen Unternehmern stehen, so wird es auch nach Einführung obiger Maschine im Zigarrengeschäft werden. Die„Kleinen" werden ihre Selbständigkeit verlieren und als Lohnarbeiter der„Großen" ihr Leben zu stiften gezwungen sein. Denken wir nun einmal den Maschinen-„Fortschritt"