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Beiblatt zur„
„ Berliner Volks- Tribune".
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№ 30.
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Sonnabend, den 28. Juli 1888.
II. Jahrgang.
Wenn die Arbeiter Berlins für den Norden der Reichshauptstadt in den nächsten Wochen abermals in eine Wahlbewegung eintreten, so wird ihnen dabei immer das Bild des Mannes vor Augen schweben, der lange Jahre hindurch den sechsten Berliner Reichstagswahlkreis vertrat und den Klagen und Forderungen des Proletariates in Wort und Schrift, als Agitator, Parlamentarier und Journalist beredten Ausdruck gab: das Bild Wilhelm Hasenclever's , den allzufrüh eine furchtbare Krankheit dem öffentlichen Wirken und seiner Familie entriß.
Für Hirth's Parlamentsalmanach machte der heute von geistiger Umnachtung Befallene folgende Angaben über sein vielbewegtes, arbeitsreiches Leben:
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" Hasenclever , Wilh., Schriftsteller in Dessau . Geb. 19. April 1837 in Arnsberg , Westfalen ( evang.). Besuchte das Gymnasium zu Arnsberg ; bereiste als Handwerksgeselle ganz Deutschland und Norditalien . 1862-63 Redakteur der Westfälischen Volks= zeitung" zu Hagen , dann Mitarbeiter am Sozialdemokrat" und Agitator, darauf Leiter des Neuen Sozialdemokrat" und Herausgeber der Sozialpolitischen Blätter". Im Jahre 1868 Kassirer des Allg. Deutschen Arbeitervereins; 1870/71 Sekretär, vom 1. Juli 1871 ab Präsident desselben bis zur Vereinigung der beiden sozialdemokratischen Richtungen auf dem Gothaer Kongreß 1875. 3u Gotha zum Vorsitzenden des Vorstandes der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands " erwählt, fungirte er auf den Kongressen zu Gotha 1875, 1876 und 1877 als Vorsitzender. Im Herbst 1875 übernahm er die Redaktion des„ Hamburg - Altonaer Volksblatts" und 1876, bereint mit Liebknecht, die Redaktion des Zentralorgans der Sozialdemokraten Deutschlands , des„ Vorwärts ". Mitarbeiter der„ Neuen Welt". Nach Verbot des„ Vorwärts " Vorstandsmitglied der Leipziger Genossenschafts- Buchdruckerei. Auf Grund des kleinen Belagerungszustandes aus Leipzig ( 1884 auch aus Berlin ) aus= gewiesen, lebte er seit dieser Zeit als Schriftsteller erst in Wurzen , dann in Halle a. S. und zuletzt in Dessau . 1869/70 Mitglied des Norddeutschen Reichstags für Duisburg , des Deutschen Reichstags 1874 für Altona - Stormarn ; 1877 in Altona und Berlin gewählt, nahm er für Berlin VI. an. Diese Wahl wurde für ungültig erklärt; wiedergewählt im Juli 1877 in Berlin , 1879 bei einer Nachwahl in Breslau ( Ost), 1881 in Breslau ( Oft) wieder-= gewählt, 1884 ebendort und Berlin VI. Er lehnte die letzte Wahl ab. 1887 wurde er in Berlin VI. gewählt."
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Wahltag: Donnerstag, den 30. August.
Wahlkreise.
Hinzuzufügen ist dem Hirth'schen Berichte noch, daß H. infolge des bekannten Diätenprozesses von Halle a. S. nach Dessau übersiedelte, wo ihn im Spätherbst 1887 das graufige Geschick ereilte: er wurde, kaum vom St. Gallener Kongreß zurückgekehrt, irrsinnig. Nach der Maison de santé bei Berlin übergeführt, verschlechterte sich sein Zustand derartig, daß jede Hoffnung auf Genesung ausgeschlossen, nach neueren Nachrichten sogar sein baldiges Dahinscheiden zu erwarten ist.
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Ueber den wahrscheinlichen Nachfolger Hasenclever's in der Vertretung des sechsten Berliner Reichstagswahlkreises, über
den langjährigen Freund des heute Geisteskranken, würden wir, wenn wir noch so ausführlich sein wollten, unseren Lesern kaum viel des Neuen sagen können.
Sie alle wissen, wie Liebknecht bereits als Jüngling an den Freiheitskämpfen in unserem Vaterlande thätigen Antheil nahm, wie er am Ende der vierziger Jahre, nach dem Siege der Neaktion, die Heimath verlassen mußte, wie er als Flüchtling in der Schweiz , in Frankreich , in England, alle Bitternisse der Verbannung kennen lernte, wie er aber zugleich durch eine reiche Erfahrung, durch ernste Studien und durch seinen Umgang mit hervorragenden Männern, insbesondere durch seine Bekanntschaft mit Karl Marr und Friedrich Engels sich zu dem konsequenten Sozialdemokraten entwickelte, dem nach seiner Rückkehr in die Heimath eine so umfang= und erfolgreiche Thätigkeit im Dienste der aufstrebenden Arbeiterklasse beschieden war.
Mancher unserer Leser wird die rastlose Parteithätigkeit Liebknechts zu Ende der sechziger und zu Anfang der siebziger Jahre noch aus eigener Anschauung kennen. Die jüngere Generation aber wird den Mann aus seinen Schriften und aus seinen Reden im Parlamente richtig schäßen gelernt haben.
Noch hat eine öffentliche Kandidatenproklamirung nicht stattfinden können, aber alle Parteigenossen Berlins stimmen darin überein, daß von den Männern, die hierbei in Frage kommen könnten, Liebknecht in erster Linie steht.
An den Berliner Genossen wird es nun sein, Liebknechts Kraft wieder dem Parlamente zu gewinnen.
Nur wenige Wochen noch und der Entscheidungstag ist da: möge er die Berliner Genossen auf dem Posten finden.
Jeder Abgeordnete wird in einem besonderen Wahl
jede Abtheilung entfällt ein Drittel von der Gesammtsumme freise gewählt, dessen Seelenzahl also mindestens 100 000 der Steuerbeträge aller Urwähler im Wahlbezirke. Danach betragen muß. Dementsprechend umfaßt ein Wahlkreis Alle Wähler des 6. Berliner Reichstagswahlkreises- um- kann die erste Abtheilung aus einem einzigen, die zweite in der Regel zwei preußische Verwaltungskreise, oft auch fassend die Stadtbezirfe 218 bis 278, 285 bis 326 und vom Stadt- etwa aus 20, die dritte Abtheilung aber schon aus 100 drei, seltener nur einen. In den Provinzen Hannover und bezirk 282, Aleranderufer, Friedrich Karl Ufer und Invalidenſtr. 80 und noch mehr Urwählern bestehen, und doch hat jede Hessen- Nassau sind es Aemter, in Bayern Bezirksämter, bis 83" machen wir darauf aufmerksam, daß Abtheilung die gleiche Anzahl von Wahlmännern zu wählen. in Sachsen Gerichtsamtsbezirke, in Württemberg OberDiese Wahl ist also keine direkte und keine gleiche, wie ämter, in Baden Amtsbezirke( ie nach der Verwaltungsim Deutschen Reiche , sondern eine indirekte und ungleiche. organisation des betreffenden Bundesstaates), aus denen Für die Wahl der preußischen Urwähler ist ferner vor- die Reichstagswahlkreise gebildet werden. Jeder Wahlgeschrieben, daß die Stimmabgabe öffentlich und münd- kreis wird zum Zwecke der Stimmabgabe in kleinere lich vor sich gehe, sie ist also auch keine geheime.
von Donnerstag, den 2. August ab
die Wählerlisten in dem Wahlbureau, Königstraße 7, Hof rechts 3 Treppen und gleichzeitig in der Turnhalle der 67. Gemeindeschule, Ackerstraße 28 a, ausliegen, und zwar an den Wochentagen von Vormittags 9 Uhr bis am Sonntage von Vormittags 11 Uhr bis Nachmittags nur acht Tage lang.
Nachmittags 3 Uhr,
4 Uhr, jedoch
Im deutschen Reich ist dagegen der Grundsatz der Wir machen hierbei besonders darauf aufmerksam, daß ein kannt, wenn auch mancherlei Verbesserungen noch durchallgemeinen, direkten, gleichen und geheimen Wahl anerJeder, der die Listen für unrichtig oder unvollständig zuführen bleiben.
Serselben, also
hält, dies innerhalb acht Tagen nach dem Beginn der Auslegung spätestens am 9. August d. I., beim Magistrat schriftlich anzeigen oder in den vorbezeichneten Lokalen vor den dazu ernannten Kommissarien zu Protokoll geben tann, die Beweismittel für seine Behauptungen aber, soweit dieselben nicht auf Notorietät beruhen, beibringen muß.
Zur Begründung der beantragten Nachtragung in die Wählerliste ist entweder der Miethskontrakt, die letzte Miethssteuerquittung oder die polizeilich bescheinigte Anmeldung für die angegebene Wohnung vorzulegen.
Hierbei wird vom Magistrat bemerkt, daß die Aufstellung der Wählerlisten nach dem Wohnungsstande vom 20. Juni cr. erfolgt ist und daß die seitdem verzogenen Wähler ihr Wahlrecht mur in denjenigen Wahlbezirken ausüben können, in welchen fie bis zum 20. Jnni d. J. gewohnt haben.
Lebensjahr zurückgelegt hat, ist wahlberechtigt. Jeder Deutsche, welcher das fünfundzwanzigste
Das Wahlrecht ist aber ein staatsbürgerliches Ehrenrecht, und eben darum sind solche Personen,
rechte befinden, ferner solche, welche fich nicht im Befiße der bürgerlichen Ehren
welche unter Vormundschaft oder Kuratel stehen, über deren Vermögen der Konkurs gerichtlich eröffnet worden ist, oder
welche Armenunterstüßung aus öffentlichen oder Gemeindemitteln beziehen,
von der Wahlberechtigung ausgeschlossen. Wer aber die Berechtigung zum Wählen hat, der Versäume Keiner, dem die Ausübung seines wichtigsten poli- kann auch als Abgeordneter gewählt werden, nur muß er einem Bundesstaate mindestens ein Jahr lang angehört
tischen Rechtes am Herzen liegt, die Listen einzusehen. Wahlberechtigt ist jeder Deutsche, der das 25. Lebensjahr er- haben. reicht hat und feine Armenunterstützung bezieht.
Das Wissenswerthefte über Reichstags
wahlen.*)
Die Verfassung des deutschen Reiches( und früher des
Bezirke( Wahlbezirke) getheilt, welche im allgemeinen in Deutschland möglichst mit den Ortsgemeinden zusammenBerlin, Hamburg , Breslau , München 2c., müssen zuvor in fallen sollen. Ausnahmsweis große Ortsgemeinden, z. B. Wahlkreise getheilt werden. Wahlbezirke unter 3500 Seelen tönnen, mit einer größeren Seelenzahl aber müssen in Wahlunterbezirke weiter getheilt werden.
Das Wahlrecht darf nur in Person ausgeübt werden und nur in demjenigen Bezirke, in welchem der Wahlberechtigte seinen Wohnsiz hat.
Sollen die allgemeinen Wahlen erfolgen, so bestimmt das Bundespräsidium( der Kaiser) den Tag hierzu, welcher in öffentlichen Blättern bekannt gemacht wird. Die zuständigen Behörden ernennen hierauf für jeden Wahlkreis einen Wahlkommissar und für jeden der mehreren Wahlbezirke des Wahlkreises einen Wahlvorsteher. Zum Wahlvorsteher wird in der Regel der erste Kommunalbeamte des Wahlbezirks ernannt.
In jeder Gemeinde stellt nun der Gemeindevorstand ( in Berlin der Magistrat) für jeden Wahlbezirk eine Liste, die Wählerliste auf, in welche alle in dem Bezirk Für Personen des Soldatenstandes ruht die Wahl- wohnenden Wahlberechtigten in alphabetischer Ordnung berechtigung so lange, als sie sich bei der Fahne befinden; nach Zu- und Vornamen, Alter, Gewerbe und Wohnort sie sind aber wählbar. Jm Reichstage befindet sich jedoch eingetragen werden. Diese Listen sind spätestens. vier nur eine Person des Soldatenstandes, der Generalfeld- Wochen vor dem Wahltermine zu Jedermanns Einmarschall Graf von Moltke. sicht auszulegen, und ist dies zuvor unter Angabe des In jedem Bundesstaate wird auf durchschnittlich Lokals, in welchem die Auslegung stattfindet, sowie unter 100 000 Seelen derjenigen Bevölkerungszahl, welche den Hinweisung auf die Einsprachefrist öffentlich bekannt zu
Norddeutschen Bundes ) beſtimmt über Wahlen weiter Wahlen zum verfassunggebenden norddeutschen Reichstag machen. Wer nun die Liſte für unrichtig oder unvolldaß der Reichstag aus allgemeinen und direkten( 1867) zu Grunde gelegen hat, ein Abgeordneter gewählt, ständig hält, sei es, daß er in derselben nicht aufgenommen
nichts, als
Wahlen mit geheimer Abstimmung hervorgehen soll,
aber in jedem Bundesstaat mindestens einer, auch ist, oder daß Andere, zur Wahl nicht Berechtigte darin
daß Beamte keines Urlaubs zum Eintritt in den- wenn die Gesammtbevölkerung 100 000 Seelen nicht er- aufgenommen sind, oder sei es aus irgend einem anderen
selben bedürfen, und
daß, wenn ein Mitglied des Reichstags ein besoldetes Staatsamt annimmt oder in demselben aufrückt, es sich
einer Neuwahl zu unterwerfen hat.
reicht. Demnach beträgt die Gesammtzahl der Abgeordneten Grunde, der muß seine Einsprache binnen 8 Tagen nach 397. Davon kommen auf Preußen 236, Bayern 48, Beginn der Auslegung bei derjenigen Behörde, welche die Sachsen 23, Württemberg 17, Elsaß- Lothringen 15, Baden Bekanntmachung erlassen hat, anbringen.( Vergl. hierzu
14, Hessen 9, Mecklenburg- Schwerin 6, Sachsen- Weimar , den Aufruf an der Spiße des Hauptblattes). Innerhalb
Oldenburg , Braunschweig und Hamburg je 3, Sachsen - weiterer 14 Tage müssen die Einsprachen zustimmend oder
Das Wahlgesetz vom 31. Mai 1869 und das dazu Meiningen , Sachsen- Koburg- Gotha und Anhalt je 2 und erlassene Reglement des Reichskanzlers vom 28. Mai 1870 auf alle übrigen Bundesstaaten je ein Abgeordneter. bestimmen dagegen alles Nähere.
ablehnend erledigt sein, dann werden die Liſten geschloſſen.
Nur die in die Listen Aufgenommenen werden Eine Vermehrung der Zahl der Abgeordneten in zur Wahl zugelassen, jeder an sich Wahlberechtigte
dagegen wird zurückgewiesen, wenn er in der Liste nicht
In Preußen erfolgt die Wahl zum Abgeordneten Folge der steigenden Bevölkerung soll durch Geſetz beſtimmt hause in der Weise, daß die Wähler, Urwähler genannt, werden. Ein derartiges Gesetz ist aber bis heute nicht aufgenommen ist. nur die Wahlmänner wählen und erst durch diese letteren erlassen, es lag daher der letzten im Februar 1887 statt- Sobald die Wahlen in Aussicht stehen, beginnt die bie Wahl der Abgeordneten erfolgt. Auf je 250 Seelen gehabten allgemeinen Reichstagswahl dieselbe Bevölkerungs- Agitation. Die einzelnen Parteien halten Versammlungen wird ein Wahlmann aus der Zahl der ſtimmberechtigten zahl zu Grunde, wie der Wahl zu dem verfassunggebenden ab, in welchen Vereinbarungen über die aufzustellenden Urwähler des Urwahlbezirks gewählt. Dabei zerfallen die Reichstage vor 20 Jahren. Bei Zugrundelegung der durch Kandidaten und über die zu beobachtende Taktik getroffen Urwähler nach der Höhe der von ihnen zu entrichtenden die Volkszählung von 1885 ermittelten Bevölkerungszahl werden. Das Recht zur Abhaltung solcher Versammlungen birekten Steuern in brei Abtheilungen( Dreiklassensystem), würde sich die Zahl der Abgeordneten bedeutend höher bezw. zur Bildung von Wahlvereinen ist im Wahl*) Nach Clemens Freyer, Der deutsche Reichstag. Berlin , ftellen, nämlich bei rund 46 000 000 Einwohner, die das gesetze ausdrücklich bestimmt. Es heißt in§ 17 dieses Gefeßzes:„ Die Wahlberechtigten haben das Recht, zum
Hennig. Pr. 2 Mark.
Reich hat, auf 460 Abgeordnete.