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Berliner
Volks- Tribüne
Social- Politisches Wochenblatt.
Die Berliner Volks- Tribüne" erscheint jeden Sonnabend früh.- Abonnements- Preis für Berlin monatlich 50 Pfg. pränumerando( frei ins Haus).- Einzelne Nummer 15 Pfg. Durch jede Post- Anstalt des Deutschen Reiches zu beziehen.( Preis vierteljährlich 1 Mt. 50 Pfg.; eingetragen unter Nr. 850 der Zeitungspreisliste für das Jahr 1888.)
Redaktion und Expedition:
S.O.( 26). Oranien- Straße 23.
№. 46.
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Inserate werden die 4 spaltige Petit- Zeile oder deren Raum mit 20 Pfg. berechnet. Vereins- Anzeigen: 15 Pfg. Arbeitsmarkt: 10 Pfg. Injeraten- Annahme in der Expedition: Oranien- Straße 23.
Der neue Gesetzentwurf zur Alters- und Invalidenversicherung. Bom Uebermuth Der Arbeiter.- Warum muß die Frau hinaus ins öffentliche Leben?- Die sozialistische Bewegung in Rußland .
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Sonnabend, den 17. November 1888.
in den dann folgenden 20 Kalenderjahren jedes Jahr um
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Ausgabe für Spediteure: " Merkur" Zimmer- Straße 54.
II. Jahrgang.
in den nächstfolgenden 15 Kalenderjahren jedes Jahr um lichen Lohnsäße noch nicht in einer solchen Zusammen4 Tausendstel des Jahreslohnes, niedriger sind und damit den alleruntersten Klassen noch stellung vorliegen, daß diese aber zweifellos viel, viel einen ganz gewaltigen Zuwachs zuführen werden. Machen doch nach der Berufsstatistik vom Jahre 1882 die landArbeiter aus. Man zählte nämlich ,, Gehilfen und Arbeiter", wirthschaftlichen Arbeiter nahezu die Hälfte der sämmtlichen bezw. Gefinde:
6 Tausendstel, von da ab jedes Jahr um 8 Tausendstel bis zum Höchst betrage von jährlich 50 Hundertstel des betreffenden Jahreslohnes.
Ueber alle diese Alenderungen wird man am besten folgender Tabelle klar werden. Die Invalidenrente beträgt
Gedicht. Soziales Bild aus Rußland von Gorbunoff. Ein servil gewordener aus Dichter. Ein Negerfreistaat in Brasilien . Ein Vorläufer des Sozialismus in Italien . IV. - Kosten der Streits. Reichthum und Armuth. Die Vernichtung des Klein
betriebes.
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Der Gesekentwurf zur Alters- und
Invalidenversicherung
ist nunmehr im Bundesrath durchberathen und zur Vorlage an den Reichstag fertiggestellt.
Von den hierbei getroffenen Aenderungen sind besonders zwei hervorzuheben.
Einmal ist dem bundesstaatlichen Partikularismus
nach dem
nach dem neuen Entwurf alten Entwurf L.Kl. II. SI. III. I. IV.SI. V.KL. M. M. 144 168
M.
nach 5 Jahren 120
M. M. 72 96
M. 120
10
130
78 104
130
156 182
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15
140
84 112
140
168 196
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20
150
90 120
150
180 210
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25
165
99 132
165
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180
108 144
180
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195
117 156
195
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40
210
126 168
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45
230
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50
250
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198 231 216 252 234 273 210 252 294 138 184 230 276 322 150 200 250 300 350
Man hat angenommen, daß 20 Beitragsjahre allenein Zugeständniß gemacht worden: man hat den Reichs- falls im Durchschnitte von den Arbeitern erreicht würden. kommissar beseitigt, welcher für den Bezirk jeder Ver- Dann hätte der Arbeiter nach dem alten Entwurf 150 sicherungsanstalt vom Reichskanzler ernannt werden sollte, Mark erhalten, er bezieht nach dem neuen Vorschlag um bei der Geschäftsführung uns beiprs bei Streitig= keiten die Interessen der anderen Beicherungsanstalten und des Reiches zu wahren. Nach den neuen Bestimmungen bleibt bloß der Kommissar", der von den Landesregierungen ernannt wird. Die verschiedenen partikular
Entwurf
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in der ersten Klasse 90 Mark
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" 1
zweiten britten vierten fünften
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120 150 180 210
"
" 1
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Landwirthschaft, Forstwirthschaft, Thierzucht, Fischerei. 5 881 819 Industrie, Bergbau, Bauwesen
Handel, Verkehr, Gast- und Schankwirthschaft Lohnarbeit wechselnder Art
Häusliche Dienstboten in allen Berufsklassen
4 096 243 727 262
397 582
1 324 924 12 427 830
Von diesen 12,4 Millionen sollen auch die am schlechtesten gelohnten 5,9 Millionen landwirthschaftliche Arbeiter gegen Alter und Invalidität versorgt werden. Welche Ortsklassen werden dadurch maßgebend für den ganzen neuen Versicherungszweig? Wie man sieht, stehen selbst bei obiger Liste für die gewerblichen Tagelöhne, welche 40 Fälle aufführt, in 35 Fällen die niedrigsten Löhne unter 1,40 mt., bei welchem Betrage die zweite Ortsklasse abschließt in 872 Prozent aller Fälle verweisen die Minimallöhne lediglich in die erste und zweite Klasse. Betrachten wir nun, um uns ein Bild des Durchschnittes zu machen, die Marimallöhne! Diese stehen fast alle unter 2 Mart in die fünfte und beste Klasse werden also nur ganz wenige Orte gerathen( in ganz Brandenburg z. B. nur Berlin und Spandau ). Ja
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staatlichen Regierungen werden sich darüber nicht wenig deutet das also eine ganz gewaltige Verschlechterung höchsten Löhne, die in Regierungsbezirken vorkommen, Für die Ortschaften mit niedrigen Tagelöhnen be- in 14 von den erwähnten 40 Fällen reichen sogar die freuen, der Reichskanzler wird sich kaum deshalb grämen, der Lage der Altersrentner gegen den bisherigen nur bis 1,80 Mart, d. h. bis zur Grenze der dritten und den Arbeitern kann dieser Uniform- und Titelwechsel eine Herabseßung der Rente von 150 auf Klaffe; in 371/2 Prozent der Fälle fallen, selbst den sehr gleich giltig sein. Dagegen berührt die zweite Aenderung die Arbeiter 90 und 120 Mark, von noch nicht 3 Mark wöchentlich Marimallöhnen nach, die Bezirke in die dritte Klasse. Der Durchschnitt wird also selbst hier bei den besser= sehr nahe. Die Rente soll nämlich nicht mehr überall, auf noch nicht 2,40 und 1,80 Mart! an allen Orten und in allen Berufen, 120 Mark im Ob auch für die gesammte Arbeiterschaft Deutsch - gestellten gewerblichen Arbeitern sicherlich kaum die Alter und 120-250 Mark( je nach den Beitragsjahren) zweite, geschweige denn die dritte Klasse überschreiten. Und nun nehme man die noch erbärmlicheren ortsüblichen bei Invalidität betragen. Sie soll vielmehr abgestuft, niedriger oder auch höher angesezt werden, je nach dem Tagelöhne vom Lande dazu, so wird ortsüblichen Tagelohn.
lands eine noch weitere Verschlechterung der Versorgungsverhältnisse eintritt, das wird sich danach richten, ob die schlechtgestellten Ortschaften der ersten, zweiten und dritten, oder die der bessergestellten der vierten und fünften Ortsklasse die Mehrzahl der Arbeiter entschieden der ersten und Man hat dabei allerdings nicht für jeden besonderen überwiegen. Und nach den vorliegenden Aufnahmen sind zweiten Klasse zugewiesen, d. h. mit Renten von 72 und Lohnsatz auch eine besondere Rente in Aussicht genommen, wir unbedingt zur ersteren Annahme und damit zu dem 96 Mark abgefunden. sondern in fünf großen Klassen alle Vohnsäge und Schlusse gezwungen, daß der Arbeiterstand im Durchschnitt damit auch alle Rentensäße zusammengefaßt. nun noch weniger erhalten wird. Wenn das die Abstufung" sein soll, wenn die Wir finden z. B. in den einzelnen Regierungsbezirken balten soll dann sehnen wir lieber die alte schablonen= große Masse der Arbeiter noch weniger als früher er( bez. Kreisen, Oberämtern u. f. w.) folgende ortsübliche hafte Einheitlichkeit zurück, bei der jeder Arbeiter doch Tagelöhne für gewöhnliche gewerbliche männliche Ar- feine 120 Mark erhielt! beiter( in der Reihenfolge der in einzelnen Orten des Bezirkes gezahlten Mindest löhne geordnet):
Zur Ortsklasse I gehören alle diejenigen Ortschaften, in welchen der übliche Tagelohn erwachsener männlicher Zagearbeiter unter einer Mark steht, der Jahres lohn
wird hier mit 300 Mark angenommen;
Ortsklasse II umfaßt die Tagelöhne von 1,01 bis 1,40 Mark, der Jahreslohn wird hier zu 400 Mark berechnet;
Drisklasse III umschließt 1,41-1,80 Mark TageLohn, gleich 500 Mark Jahreslohn;
Ortsklasse IV die Tagelöhne von 1,81-2,20 Mart, gleich 600 Mark Jahreslohn;
Ortsklasse V enthält alle Tagelöhner über 2,20 Mark, der Jahreslohn wird hier mit 700 Mark berechnet. Dementsprechend werden nun Alters- und Invaliden
rente abgestuft.
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Mart
0,80-1,20 Aurich
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Mark 1,25-2,10
Und kann die Regierung solche Hungeralmosen vor sich selber irgend wie rechtfertigen? Wir bezweifeln das, denn noch vor wenigen Monaten schrieb die Regierung 1,20-2,00 felber in der Denkschrift, welche den„ Grundzügen" beiMecklenburg( Domigegeben war, zur Rechtfertigung für den Minimalsaß von nien und Städte. 1,30-2,00 120 Mark: Baden 1,30-2,50 Kreishauptm. Leipzig 1,30-2,00
.
+
1,30-2,00
1,30-1,80
1,30-2,12
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. 1,00-1,75 1,00-1,60 1,00-2,00 1,00-2,00 1,10-1,90
Oberbayern Weimar Kassel Trier
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1,10-2,00
1,10-2,00
·
1,20-2,00
1,20-2,26 1,20-2,00
1,20-1,60
1,25-1,80
1,20-2,40
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·
1,50-2,00 1,50-2,00
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Die Altersrente soll auch ferner erst vom voll: endeten 70. Lebensjahre ab und nach 30 Beitragsjahren Württemb. Schwarzbezogen werden, aber sie beträgt jetzt nicht mehr in fester waldkreis Summe wie früher 120 Mart, sondern sie beträgt Stettin . 24 Prozent des Jahreslohnes jeder Klasse. D. h. also: Hannover . der Arbeiter, welcher sein Leben an einem Orte zubrachte, Erfurt für welchen der ortsübliche Tagelohn mit weniger als Braunschweig . einer Mark festgesetzt war, erhält 24 Prozent von 300 Münster Mart, mithin 72 Mark Altersrente.
Die zweite Ortsklasse erhält 96 Mark, erst die britte 120 Mart, die vierte 144 Mart, die fünfte 168
Bauzen
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Ihrem Betrage nach wird die Nente so bemessen werden müssen, daß sie.. nur für den nothdürftigen Lebensunterhalt an billigem Orte ausreicht!
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Also vor kurzem nahm selber die Regierung noch 1,30-2,00 an, daß man mit 120 Mark höchstens an„ billigem" Würtemberg( 3streise) 1,30-2,00 Drte ,, nothdürftig" auskommen könne und jetzt schlägt Koblenz 1,30-1,80 fie selber für die Mehrheit der Arbeiter 72 und 96 Mart vor! Mecklenburg ( ritters Und die weiblichen Arbeiter? D, die werden sich schaftliche Güter. 1,40-2,00 Elsaß- Lothringen 1,40-2,40 auch weiter mit zwei Dritteln dieser Zuwendungen beSchleswig- Holstein. 1,40-2,50 gnügen müssen, d. h. im allgemeinen mit 48 und 64 Mark Schwaben u.Neuburg 1,40-1,65 jährlich, mit 90 Pfennigen und 130 Pfennigen Magdeburg . wöchentlich!
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1,50-2,00 Und selbst diese Trinkgelder werden nunmehr noch . 1,50-2,40 unter Erschwerungen des Bezuges in Aussicht gestellt. . 1,50-2,20 Früher erhielt man sie, wenn man täglich nicht mehr Man wird hier auf dem ersten Blick zu dem Schlusse 333 Pfennige, monatlich nicht mehr 10 Mark verdienen tommen müssen, daß die meisten Arbeiter in die erſte und konnte. Jezt erhält man sie erst, wenn man den Mindestzweite Klaffe( bis 1,40 Tageslohn), mindestens aber in betrag der neuen Rente, d. h. wenn man in der ersten Klasse nicht mehr 20 Pfennige täglich, 6 Mark monatDie Invalidenrente ist nach Ablauf der gewöhn- die erste, zweite und dritte Klasse zu verweisen sind. lichen Wartezeit( nach fünf Beitragsjahren) auf dieselben Wenn obige Zahlen noch einen Zweifel daran lassen lich, in der zweiten Klasse nicht mehr 27 Pfennige täglich, Beträge angesetzt. Sie steigt aber, je mehr Beitragsjahre könnten, so muß dieser sofort gehoben werden bei der Er- Mark monatlich durch irgend welche Hantirung erwerben kann. Das ist das, was die Sozialreform den Arbeitern bietet! bis zur Invaliditätserklärung verstrichen sind, und zwar wägung, daß diese angeführten ortsüblichen Tagelöhne für vom Ablauf der Wartezeit an gewerbliche Arbeiter gelten, daß die landwirthschaft=
Mark Altersrente.
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