Berliner

Volks- Tribune.

Social- Politisches Wochenblatt.

Die Berliner Bolts Tribune" erscheint jeden Sonnabend früh.

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Einzelne Nummer 15 Bfg.

Abonnements- Preis für Berlin monatlich 50 Big. pränumerando( frei ins Haus). Durch jede Post- Anstalt des Deutschen Reiches zu beziehen.( Preis vierteljährlich 1 mt. 50 Bfg.; eingetragen unter Nr. 867 der Zeitungspreisliste für das Jahr 1889.)

#edaktion und Expedition:

8.0.( 26). Oranien Straße 23.

3.

Inserate werden die 4 spaltige Petit- Zeile oder deren Staum mit 20 Pfg. berechnet.- Vereins- Anzeigen: 15 fg. Arbeitsmarkt: 10 Bfg. Inferaten- Annahme in der Erpedition: Oranien- Straße 23.

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Sonnabend, den 19. Januar 1889.

Ausgabe für Spediteure: " Merkur " Zimmer- Straße 54.

III. Jahrgang.

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Die Nähmaschine und die Gesundheit der wünschenswerth erschiene, Nähmaschinen in Fabriken zu Das hat neuerdings Herr Dr. Hensgen in Berg­Arbeiterinnen. Demokratie und Unterordnung. verwenden, die auf andere Weise in Betrieb gesezt neustadt gethan und wir glauben aus seiner Ab= Die Konkurrenz der ausländischen Arbeit würden, als durch das Treten der Beine der Arbeite- handlung*) das Folgende hervorheben zu sollen: und das italienische Proletariat. 1.§ 153 rinnen. Im Allgemeinen-meint Dr. Hensgen.- muß ich der Gewerbeordnung. Ein Industriekönig. E. Decaisne trug im Mai 1870 in der französischen bemerken, daß mir schon längst die relativ große Zahl Novelle. Sozialismus und Moralphilo- Akademie der Wissenschaften seine Untersuchungen über den der sich zur ärztlichen Behandlung stellenden Näh­sophie. Das Elend einer Millionenstadt. Einfluß der Nähmaschinen auf die Gesundheit der Arbeite- maschinenarbeiterinnen aufgefallen war. Um indeß Ein Arbeiter und ein Held. Aus dem rinnen vor. Er sah bei solchen, die 11-13 Stunden einen zahlenmäßigen Beweis für die Annahme der häufi­Reichstage. täglich an der Maschine saßen, allgemeine Muskel- geren Erfrankungsdisposition dieser Klasse von Arbeiterinnen und Lendenschmerzen. Schwäche der Oberschenkel, zu erhalten, legte ich die Verhältnisse einer Ortskranken­Magenbeschwerden und Verdauungsstörungen glaubte er tasse meinen Untersuchungen zu Grunde. Arbeiter und Parteigenossen! nicht öfter beobachtet zu haben, als bei sonstigen Arbeiter- In dem Verbande der letzteren befinden sich, außer innen. Er spricht zum Schlusse seine Ueberzeugung dahin männlichen, zahlreiche weibliche Arbeiter mit verschiedenen Tretet eifrig für die weitere Verbreitung dieses aus, daß die Nähmaschinenarbeit, in mäßiger Weise be- Arten der Beschäftigung; und so war es nicht nur möglich, betrieben, nicht mehr körperliche Unzuträglichkeiten im Ge- zu vergleichen, wie oft im Verhältnisse zu den männlichen die weiblichen Mitglieder erkrankten, sondern auch zu unter­Bestellungen nehmen in Berlin alle Spediteure entgegen. folge habe, als die Arbeit mit der Nadel. Weniger günstig urtheilt über die Nähmaschinenarbeit suchen, wie unter den letzteren die einzelnen Kategorien Am besten abonnirt man bei den Spediteuren, welche zugleich Layet. Er ist der Erste, welcher bei den betreffenden von Arbeiterinnen sich gesundheitlich zu einander verhielten. die Tageszeitungen bringen. Arbeiterinnen nach einer gewissen Zeit Erscheinungen von Es erkrankten nun im vorigen Jahre: Listen zum Sammeln von Abonnenten sowie Agita- Anämie( Blutleere) beobachtete. Als fernere Krank - von 767 männlichen Mitgliedern: 209 mit 3106 Krankentagen 609 weiblichen 170 tionsnummern jederzeit durch unsere Expedition, Oranien- heiten führt er noch an Störungen in der Verdauung straße 23, zu beziehen. ( Verstopfung u. s. w.) und nervöse Erscheinungen, sowie Die Häufigkeit der Erkrankungen differirte somit nicht eine gewisse Schwäche der unteren Ertremitäten, und glaubt wesentlich zwischen männlichen und weiblichen Ar­Der Verlag der Berliner Volks- Tribüne." auch an eine Störung gewisser Partien des Rückenmarkes, beitern, indem Erstere 27 pet. und letztere 28 pet. Er­die bei Nähmaschinenarbeiterinnen schließlich eintreten soll. krankungsfälle darboten. Etwas mehr differirte die durch­Auch die französische Akademie der Wissenschaften schnittliche Krankheits dauer; denn während bei den männ= scheini später die optimistisches Agbten des Herrn Decaisne lichen Mitgliedern 14/1 rententage auf den einzelnen

Blattes ein!

Berlin S. O., Oranienstr. 23.

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Nähmaschinenarbeit und Untergrabung der nicht adoptirt zu haben, irven je, die Unzuträglichkeiten Fall tamen, entfielen für die weiblichen Mitglieder

Gesundheit.

I.

Als in den 60er Jahren die Nähmaschine in Auf­nahme fam, erwartete man von derselben für die Arbeiter nicht nur einen großen Erfolg in finanzieller Hinsicht, sondern auch einen Fortschritt in gesundheit heitlicher Beziehung, indem man der Ansicht war, daß das Nähen auf ihr gesunder sei, als das frühere Hand nähen.

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der Nähmaschine für die Gesundheit anerkennend, einen 183/10 Tage.

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die 359 Maschinennäherinnen absorbirten 2127 Krankentage 250 anderen Arbeiterinnen

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anderen Worten:

987

auf jede Nähmaschinenarbeiterin kamen im Durch schnitt ca. 6 Krankentage, wogegen die anderen Ar­beiterinnen kaum 4 Krankentage pro Jahr erforderten. Auffallender springt der Unterschied hervor, wenn wir

Preis von 2000 Fres. auf die Erfindung einer anderen Fragen wir uns nun, welchen Antheil an der Er­Nähmaschine sette, deren Betrieb unabhängig von den krankungsziffer hatten die Maschinen näherinnen im Füßen der Arbeiterinnen wäre. Vergleich zu den übrigen Arbeiterinnen, die theils Die Ergebnisse der über die Frauen- und Kinder in denselben Räumen mit diesen beschäftigt sind( wie die arbeit in den Fabriken auf Beschluß des( deutschen) sog. Finselerinnen und Reiherinnen), theils( wie die Bundesrathes angestellten Erhebungen" erwähnen über den Strickerinnen, Fadenanmacherinnen und Haspelerinnen) Einfluß der Nähmaschinen nur Folgendes: Bei den an anderweitig arbeiten, so ergiebt sich Folgendes: den Nähmaschinen in der Webfabrikation und an den Tambourir und Steppmaschinen in der Posamenten- und Gardner, Prof. der Geburtshilfe in New- York , Weißwaarenbranche beschäftigten Arbeiterinnen sollen ferner Mit war ihr erster Lobredner: er preist die Nähmaschine als in Folge der fortwährenden Bewegung mit den Füßen die größte Wohlthat des 19. Jahrhunderts für die Erkrankungen, besonders Nervenreiz und weißer Fluß, be­Frauen der Christenheit" und nennt sie die Abschaffung obachtet werden." Die Arbeit an den Nähmaschinen der Sklaverei der Weißen". Er glaubte beobachtet zu in den Schirmfabriken Hamburgs, und zwar sowohl das haben, daß bleiche und schwächliche Frauen, die über Treten dieser Maschinen als das Eizen in gebückter Stellung, die Zahlenverhältnisse der thatsächlichen Erkrankungen ein­Rückenschmerzen zu klagen hatten, auf der Maschine kräftiger soll regelmäßig Störungen in der Ernährung herbeiführen." ander gegenüberstellen: Es erhielten Krankengeld 136 Nähe= und voller würden und wollte sogar bei mehreren, die 2. Hirt, der bekannte Hygieniker, sagt in seinen rinnen und nur 34 andere Arbeiterinnen. Diese Zahlen, Abweichungen der Körperstatur gezeigt, gesehen haben, daß Krankheiten der Arbeiter": Das Thema von dem schäd- übertragen auf die Gesammtzahlen der Arbeiterinnen, er­ihre Konstitution sich befestigte; auch hielt er das Treten lichen Einfluß der Nähmaschinenarbeit ist heute unmodern geben Folgendes: der Pedale für durchaus gesund und gab an, daß die Ar- geworden. Aber mit Unrecht! Die gesundheitlichen Be­beiterinnen nur sehr selten durch Krankheit genöthigt scien, schädigungen in Folge der Nähmaschinenarbeit sind da und ihre Arbeit zu unterbrechen. Von Krampfanfällen oder lassen sich nicht wegdisputiren." Er ist der Meinung, man Steifheit der Glieder in Folge der Maschinenarbeit hat er könne mit ziemlicher Sicherheit behaupten, daß die durch= im Gegensaße zur Handnäherei nie etwas erfahren. schnittliche Lebensdauer der Nähmaschinenarbeiterinnen Sehr verschieden wurde die Frage der Schädlichkeit keine sehr hohe sein werde. der Nähmaschinenarbeit von den Franzosen beantwortet. Letzterer Ansicht Hirt's tritt Blaschko wiederum ent­Nachdem Vernois 1862 auf Muskelstörungen und schieden entgegen, indem er sagt, daß die Einführung der nervöse Krampfanfälle, sowie auf geschlechtliche Erregungs- Nähmaschinenarbeit ein Segen der Menschheit geworden zustände hingewiesen, welche die Nähmaschinenarbeit zur und in gesundheitlicher Beziehung keineswegs diejenigen Folge habe, stellte Ad. Espagne zuerst bei einer größeren Nachtheile mit sich führe, wie dies stellenweise behauptet Anzahl von Arbeiterinnen genauere Untersuchungen über worden."*) den Einfluß der Nähmaschinenarbeit an. Obwohl er nicht fand, daß nach Einführung derselben bei den Sträflingen im Zentralgefängniß zu Montpellier die allgemeine Sterb­

II.

Von Maschinennäherinnen erhielten 38 pCt. Krankengeld, während von den übrigen Arbeiterinnen nur 13% pCt. Krankengeld erhielten.

Aus diesen Zahlen ergicbt sich deutlich die größere Krankenfrequenz der Nähmaschinenarbeiterinnen im Ver­hältniß zu den übrigen Arbeiterinnen. ( Schluß folgt.)

Demokratie und Unterordnung.

B. W. Zu den Waffen, welche von unseren Gegnern gegen die Sozialdemokratie ins Feld geführt werden, gehört der Gedanke: Die Gesellschaft, so wie sie von den Sozialdemokraten angestrebt wird, bedarf der Unter­ordnung ausführender Arbeitskräfte unter den Willen Wenn somit die Ansichten über die Schädlichkeit der leitender Intelligenzen, der Unterwerfung vieler Menschen lichkeit oder die Morbidität( Neigung zur Erkrankung) der gewerblichen Nähmaschinenarbeit, wie ersichtlich, in weiblichen Inhaftirten von 1865-1868 eine größere ge- manchen Punkten wenig geklärt erscheinen, zumal es an Wie aber verträgt sich solche Unterordnung mit dem unter Autoritäten und zwar in ganz bedeutendem Maaße. worden war, als in einem gleichen Zeitraume vorher, einer eigentlichen Krankheits- Statistik noch fehlte, so lag demokratischen Saße, daß alle Menschen gleich seien? konnte er doch einige Krankheitsformen erkennen, die Veranlassung nahe, die Erfahrungen der Kassenärzte Wie verträgt sich Autoritätsherrschaft mit Demokratie?" die er auf die Nähmaschinenarbeit zurückführen mußte. So konstatirte er öfter allgemeine Ermüdung und Muskel-/ 3u sammeln und dahin zu verwerthen, einen Beitrag zur Besonders scharf zugespißt findet sich dieser Gedanke, oder

Erkrankungsstatistik dieser Arbeiterinnen zu liefern.

vielmehr diese Gedankenlosigkeit, bei Schäffle, welcher geradezu behauptet: Die sozialistische Produktionsweise ist unmöglich in einem demokratischen Staate.

schmerzen. Er glaubte, daß geschlechtliche Erregungs­zustände von der Individualität abhingen und wenig mit *) Blaschko bezeichnet den Gesundheitszustand der von ihm be­der Arbeit zu thun hätten. Er kommt zu dem Schlusse, obachteten Näherinnen als einen vollkommen guten, bezieht dies aber daß man bei Gefangenen nur die jüngeren und selber nur auf die an leichtgehenden Wheeler- Wilson'schen kräftigeren Personen zur Nähmaschinenarbeit zulassen auben 2c.; er fügt hinzu, daß es bei Arbeiterinnen an anderen liche Entwickelung und Gesundheit bei Fabrikarbeiterinnen. Vortrag Maschinen beschäftigten Näherinnen von Wäsche, Weißzeug,*) Ueber den Einfluß der Nähmaschinenarbeit auf die körper­dürfe, und daß ihre Körperhaltung dabei ärztlich zu über- Maschinen, die eine größere Straftanstrengung der Füße voraus- gehalten in der hygienischen Sektion der 61. Versammlung deutscher wachen sei; im Uebrigen ist auch er der Ansicht, daß es seßen, sich nicht so verhalte. Naturforscher und Aerzte.