№ 7.

Beiblatt zur„ Berliner Volks- Tribüne".

Arbeiter und Parteigenossen!

Bestellungen nehmen in Berlin alle Spediteure entgegen. Am besten abonnirt man bei den Spediteuren, welche zugleich die Tageszeitungen bringen.

Sonnabend, den 16. Februar 1889.

III. Jahrgang.

gegen sieben Uhr vom Buckingham Palast zu Hause kam, Benny beruhigte sich nach und nach und seine Hände fand ich ihn auf dem Fußboden liegend. Ich wollte ihm löften sich, als ob er sich wieder niederlegen wollte. Tretet eifrig für die weitere Verbreitung dieses aufhelfen, aber er konnte sich nicht auf den Beinen halten. ,, Bist Du jeßt getröstet, Benny", frug Froggy leise. Blattes ein! Das ist Alles." " Ja, Froggy", erwiderte der Kleine mit verlöschender ,, Und seit der Zeit schwäßt er, schwäßt er und schwäßt Stimme. Ich höre so schöne Musik." Ein sonderbar er"," fügte Frau Blunt hinzu.„ Er redet den größten glücklicher Ausdruck glitt über seine Züge, seine Arme Unsinn, ohne Sinn und Verstand zusammen." sanken herab, er legte das Krausköpfchen auf das Bett Wer pflegt und erzieht Euch?" fragte der Doktor, zurück und blieb ganz still. ,, Welche Zeit ist es?" fragte er dann nach einer während er seinen Blick über das Zimmer schweifen ließ. Entschuldigen Sie, Herr Doktor", sagte Froggy, Pause. ,, wir, Benny und ich, pflegen uns selbst. Die Eltern„ Ich kann Dir's nicht genau sagen, es muß wohl find gestorben, und da schlagen wir uns ganz allein durch." gegen vier Uhr sein." Der Doktor richtete noch mehrere andere Fragen an Froggy, welche dieser offen und rasch beantwortete.

Listen zum Sammeln von Abonnenten sowie Agita­tionsnummern jederzeit durch unsere Expedition, Dranien­straße 23, zu beziehen. Der Verlag der

Berliner Volks- Tribüne." Berlin S. O., Oranienftr. 23.

[ Nachdruck verboten.]

Froggy und sein Bruder.

Eine Geschichte.

Nach dem Englischen.

( Schluß.) VIII.

Als Benny am nächsten Tage erwachte, schüttelte ihn ein heftiges Fieber, die Haare klebten auf der Stirn, auf der große Schweißtropfen perlten, seine trocknen, über nächtigen Augen schauten sonderbar um sich. Die ganze Nacht hindurch hatte er vor sich hin gesprochen, die Decken abgeworfen und Froggy mit Fußtritten traktirt, die dieser geduldig hinnahm, weil es Benny's Fußtritte waren."

"

Er erzählte dem Doktor die Geschichte des Kasperle­theaters, wie zuerst die Mutter, dann der Vater gestorben mar, welches harte Leben er und sein Bruder seit der Zeit führten, wie er der Königin geschrieben und gestern in ihrem Palais nachfragen wollte, ob der Brief an gekommen, in welchem Zustande er Benny bei der Heim­kehr auf den Boden gefunden.

,, Ah... dann kommt wieder der Abend... Alle gehen heim", murmelte Benny vor sich hin.

Froggy hörte noch, wie er einen tiefen Seufzer aus­stieß, dann ward Alles still.

Nichts verrieth ihm, daß in dem traurigen Heer der Londoner Hungrigen wieder ein kleiner Soldat gefallen, weil in Reih und Glied kein Platz für ihn gewesen. Er hatte sich niedergelegt, um nie mehr aufzustehen, die wunden Füße, das schmerzende Haupt ruhten für immer. Der Arzt hörte dies Alles mit sehr ernster, ja so In Benny's Zügen ging eine große Veränderung ernster Miene an, daß sich Frau Blunt veranlaßt fühlte, vor sich, sie nahmen einen friedlichen, heiteren Ausdruck ihm zu erklären, daß sie den ganzen Tag als Aufwarte- an, den Froggy noch nie an ihnen gesehen, und der ihn frau außer dem Hause beschäftigt sei, und daß sie nur an das Antlig der todten Mutter erinnerte. Ueberhaupt mit knapper Mühe und Noth sich und die Ihren vor der sah Benny mit einem Male der Mutter so ähnlich, nur Unterkunft im Workhause" bewahre. So könne fie daß er nicht so alt war. Froggy beugte sich zu ihm natürlich den Kindern nicht viel geben, aber was sie gäbe, nieder, um ihn zu küssen; er fand sein Gesicht so kalt! das käme aus gutem Herzen. Er ergriff die kleine Hand: fie war ebenfalls kalt. Froggy rieb das Händchen sanft, ohne es erwärmen zu können. Warum war nur Benny so kalt? Froggy rieb stärker und stärker, er sprach mit Benny, er füßte ihn, er rief ihn laut, aber Benny antwortete nicht.

"

,, Es thut mir unendlich leid, daß ich dies Alles nicht früher erfahren habe", sagte Doktor Brown, denn nun fürchte ich, ist nicht viel mehr zu machen."

,, Oh, Herr Doktor", flehte Froggy ,,, können Sie ihm Als der Morgen graute, stand Froggy auf und nicht eine gute Medizin geben, welche ihn gesund macht. betrachtete den kleinen erstaunt, es schien ein ganz anderer Ich habe noch kein Geld, aber ich werde gewiß bald kleiner Knabe zu sein. Auf Froggy's Frage nach seinem welches verdienen und Sie für Alles bezahlen." Befinden setzte er sich in die Höhe und murmelte buntes, Er liebt seinen Bruder über Alles", flüsterte Frau unzusammenhängendes Zeug durcheinander von Pferden, Blunt. Raßen, großen Ratten und Ballons. Froggy konnte sich „ Ich werde mein Möglichstes thun, Kleiner", sagte

Froggy ward unruhig und dachte, Frau Blunt zu rufen, als die Thür aufging und diese hereintrat.

" Frau Blunt", rief Froggy voller Todesangst, Benny schläft so fest... ich kann ihn nicht aufwecken Ich kann machen, was ich will... Und fühlen Sie nur, wie seine Hand kalt ist!"

•

nicht verhehlen, daß es dem Kranken schlechter anstatt der Arzt freundlich.„ Mach' Dir nur wegen der Bezahlung. Die gute Frau, trat schnell auf das Bett zu, fie er­

beffer ging.

In seiner Verlegenheit lief er zu Frau Blunt und bat sie herauf zu kommen, um nach Benny zu sehen. Als dies geschehen, erklärte die Nachbarin, daß Benny schwer krank sei.

"

feine Sorgen."

Kreuz.

fragte Froggy, der das Bedürfniß empfand, eine theil- und eilte davon, Benny unter der Pflege des Letteren wie betäubt.

nehmende Seele in seiner Nähe zu wissen.

griff die kleine Hand und behielt sie einen Moment in Er schrieb mehrere Zeilen auf zwei Blätter, die er der ihrigen; behutsam legte sie dieselbe dann auf die Decke aus seinem Notizbuch riß, faltete jedes von ihnen besonders zurück. Sie wußte, daß keine Gluth der Welt das zusammen und bezeichnete das eine mit einem großen Händchen erwärmen konnte, daß keine Freude, kein Schmerz ein Lächeln oder Thränen auf das bleiche, abgezehrte ,, Du mußt ihn ruhig halten und gut unterhalten, Baß auf," sagte er zu Froggy, Du läßt dieses Gefichtchen zu locken vermochten. sagte sie, während sie ihre Hand auf Benny's heiße Stirn Blatt" in der Apotheke der Roberstraße und trägst dieses ,, Oh, wecken Sie ihn", flehte Froggy, als sie sich zu legte und seine glühenden Händchen anfühlte. Der Papier in das Haus aus rothen Ziegelsteinen, das in der ihm wendete. Armenarzt Brown wird bald zu meinem Curt kommen, nämlichen Straße liegt. Du verlangst Herrn Wallace Frau Blunt zog Froggy an sich, legte die Hand auf der nicht recht wohl ist. Ich werde ihn heraufschicken, und giebst ihm das Blatt, dann holst Du auf dem Rück- sein Haupt und während in ihren Augen zwei große damit er nach Benny sieht. Er ist krant, jehr frank", wege Deine Medizin ab. Hast Du verstanden?" Thränen glänzten, sagte sie sanft:„ Froggy, Dein Brüderchen fügte sie mit einem mitleidigen Kopfschütteln hinzu. Froggy wiederholte die Instruktionen des Doktors ift glücklich... Aber Du siehst ihn nie wieder." ,, Haben Sie heute eine Aufwartung, Frau Blunt?" Froggy antwortete nicht, er war von den Worten zurücklaffend. Durch die Vermittelung des Arztes erhielten die ,, Können wir ihn nicht zurückrufen", schrie er endlich ,, Nein, ich muß heute nicht fort", gab sie zur Ant­" Ich wasche zu Hause. Du kannst mich immer Kinder Medikamente, Lebensmittel, Kohlen, wollene Decken auf; ,, soeben sprach er ja noch mit mir... Er versprach und sogar eine Krankenwärterin. Aber Wohlthaten und mir, mich nie zu verlassen... Er sagte, daß er sich rufen. Kannst Du nicht Feuer anzünden?" " Nein", versezte Froggy zögernd.„ Holz und Kohlen ärztliche Pflege kamen zu spät, Benny war hoffnungslos fürchtete, allein auf eine so weite Reise zu gehen verloren. Vom Fieber und Delirium gequält, lebte er und nun hat er Niemand mitgenommen, der auf ihn Acht find ausgegangen." Ohne ein Wort zu sagen, stieg Frau Blunt die noch zwei Tage dahin. Am dritten Tage scheint das geben könnte!... Er hatte mir doch versichert, daß er Treppe hinab und kehrte nach einer Minute mit Holz und Fieber zu fallen, der kleine Kranke wird ruhiger und nie, aber nie ohne mich fortgehen würde!" Und Froggy schluchzte in bitterem, verzweifeltem Kohlen zurück, die sie von ihrem eigenen, mageren Vor- scheint friedlich zu schlafen. Ueber seine Züge glitt ein so glückliches Lächeln, daß Schmerze. Nun ist er fort, und er weiß nicht einmal, rathe genommen. Der armen Frau mußte später fehlen, Froggy unwillkürlich ebenfalls lächeln mußte. Er stand wie lieb ich ihn habe. Dh Benny, Benny, komm was sie verschenkte, aber dennoch gab sie es von ganzem auf den Zehenspißen neben dem Krankenlager und betrachtete zurück!... Benny, mein Bruder, mein lieber kleiner Benny mit dem Ausdruck unendlicher Zärtlichkeit. Das Bruder, komm wieder!... Ich kann ja nicht leben ohne Die wahre Großmuth ist nur bei den Armen zu lächeln des Kranken war rasch erloschen, seine kleine Dich!... Benny, mein Benny!" Hause, die jede Annehmlichkeit, den geringsten Ueberfluß Brust hob sich unter krampshaften Seufzern. Gleich darauf Der guten Nachbarin thaten diese herzzerreißenden Wie viele Armen haben hungrig am kalten Herde gesessen, setzte er sich in die Höhe und schlang seine Arme um den Klagen in der Seele wehe, fie versuchte Froggy aus dem weil sie einem im Elend befindlichen Freunde ausgeholfen. Hals des älteren Bruders, während er heiße Thränen Zimmer zu führen, aber dieser war nicht dazu zu bewegen, das elende Loch zu verlassen, in dem er mit Benny gelebt Frau Blunt kniete vor dem Kamin nieder und vergoß. hatte, und das dessen Leiche barg.

wort.

Herzen gern.

mit Freuden theilen, ohne eine Belohnung zu erwarten.

zündete das Feuer an. Froggy's verzweifelter Gesichts- Was fehlt Dir, mein Liebling", sagte Froggy er­ausdruck flößte ihr um so tieferes Mitleid ein, da sie schrocken, indem er den Kleinen fefter an sich preßte. Was fehlt Dir. Ich dachte, Du seiest schon wieder ahnte, daß er bald noch verzweifelter werden würde. Was fehlt Dir. gesund Sie hatte schon viele Kranke gesehen, und war überzeugt, .. Vor einer Minute lachtest Du, und jetzt weinst daß es der kleine Benny nicht lange mehr treiben könne: Du, wie ein kleines Kind." Froggy blieb dann ganz allein zurück. Nachdem sie diesem nochmals eingeschärft, Benny nicht sprechen zu lassen, ging sie hinunter, um den Doktor zu erwarten.

Froggy wollte den Kranken dadurch zerstreuen, daß er seine gestrigen Erlebnisse erzählte, aber dieser hörte ihn nicht. Seine Lippen murmelten unzusammenhängende Reden von Polizisten, der Königin, großen Ratten 2c.

So vergingen etliche Stunden bis endlich Frau Blunt in Begleitung des Arztes erschien.

„ Ich habe geträumt", schluchzte Benny,„ einen so schönen. so glücklichen Traum."

.

Was haft Du geträumt, erzähle", bat Froggy den Kranten." Ich erzählte der Mutter immer, was ich geträumt hatte."

Wenn nur Benny wiederkommen und mit mir sprechen möchte. Benny! mein Benny! Komm! komm! dieser Schrei hallte unaufhörlich von den nackten Wänden

wieder.

Als endlich Froggy nicht einmal mehr schluchzen konnte, als er sich kraftlos auf das Lager warf, das Frau Blunt in einer Ecke der Mansarde bereitet, murmelte er noch mit bereits geschlossenen Lidern:

,, Die Mutter sagte doch, daß wir Alle zusammen von Benny hob den Kopf etwas in die Höhe, ohne sich hier fortgehen würden... Und nun find Alle fort... aus Froggy's Armen zu winden und fing zu erzählen an. nur mich haben sie allein zurückgelassen."

Sch träumte", sagte er, daß ich gestorben und

*

nicht mehr hier war. Ich weinte nicht mehr, ich war Die Privatwohlthätigkeit und die Fürsorge der Der Armenarzt war ein filberhaariger, großer, nicht hungrig, ich ängstigte mich nicht um den Miethszins. Gemeindebehörden, von Dr. Brown auf die Brüder auf­magerer Mann, der sich bücken mußte, als er zur Thür Meine kleine Maus war bei mir, ich hielt sie in der merksam gemacht, zeigten sich anläßlich des Todesfalles im hereintrat. Er warf einen raschen, prüfenden Blick um Hand. Wir wollten zusammen spielen... da war sie glänzenden Lichte. da war sie glänzenden Lichte. Nachdem sie den kleinen Benny lang­sich und schien von dem entseßlichen Elend der Mansarde auf einmal fort... Ich sagte, daß ich zu Dir wollte, fam, Zoll für Zoll qualvoll verhungern ließen, sorgten fie schmerzlich berührt. Der Doktor Brown war durch seinen Froggy; Du warst ganz allein hier... mein Froggy; für ein anständiges, ja reiches Leichenbegräbniß. Für Beruf an den Anblick von Elend und Noth gewöhnt, Es war Nacht, und Du weintest." Froggy sollte gleichfalls ein Uebriges gethan werden, um Und Benny brach bei der Erinnerung an die traurige ihn vor dem Schicksal seines Bruders zu bewahren. aber so entsegliche Dürftigkeit wie hier hatte er noch nie Vision des armen Froggy, der verzweifelt allein weinte, Einige Tage nach dem Begräbniß ward er dem Waisen­gesehen. weil sein Brüderchen gestorben, in lautes Schluchzen aus. ftift, dem ,, Workhouse " überwiesen, jener Einrichtung, Benny, mein Benny", stammelte Froggy, es war welche die Londoner Armen mehr als Kerker und Gefängniß ja nur ein böser Traum." fürchten. Froggy hatte früher Alles darangeseßt, seinen „ Ja, ja", murmelte Benny und fuhr mit Schluchzen fort. Bruder vor dem Aufenthalt in dem verabscheuten Ort zu. Die Brüder schmiegten sich noch inniger an einander, bewahren. Jetzt ließ er Alles ruhig, theilnahmslos über

Er trat an Benny's Lager, zog eine große Uhr aus der Tasche und ergriff das abgezehrte Händchen, um nach dem Pulse zu fühlen.

,, Seit wann ist das Kind krank?" frug er. ,, Seit gestern", versezte Froggy. Als ich Abends

"