fit mich; denn ich verstand t» damals ganz und gar »icht, mich zu fügen. Aber an diesem Tage gab ich dieser Empörung ihr gegenüber noch keinen Ausdruck.... Gine Arbeiterinnenoersammlnug i« einem Berliner Koma«". Wir nahmen neulich wieder einmal einenBerliner Roman" zur Hand. Wir ihun es sonst nicht gern, denn wir haben die widerlichen Machwerke gründlich satt, die ihre mangelnde poetische Kraft durch allerlei Anspielungen aus vielbesprochene Tagesereignisse, auf bekannte Personen und deren Thaten und Schicksale, durch den ordinärsten Lokalklatsch überhaupt verdecken und ersetzen. Der neueste RomanDer Oberstolze" von Kr. Dernburg sollte aber nach den Bourgeoisblättern so viele treffende Bilder aus dem Arbeiterleben bieten, daß wir seine Lektüre nicht gut umgehen konnten. Es handelt fich jedoch auch hier um ein v»m künstle- »ischen Standpunkte aus grauenerregendes Erzeugniß. Darüber wollen wir heute nicht ein Wort verlieren. Was der Verfasser aber als Schilderer des Prole- tariates leistet, darüber mögen fich unsere Leser aus folgender Darstellung einer Arbeiterinnenversammlung selber ein Urtheil bilden: Die Frauenversammlung. Der Abend, an welchem die Frauenversammlung stattfinden sollte, war herangekommen. Mit Widerwillen und mit gerechtem Zorn empfand Pauline(eine weitere Borstellung der Personen ist für unsere Zwecke nicht nölhig. D. Red. d. V.) den Mißbrauch der mit ihrem Namen «ls angebliche Einberuferin der Versammlung ge- trieben worden war.... So befand sich Pauline aus dem Wege nach dem Nordhose, wo die Versammlung statt- finden sollte.... Kein Lüften hätte aus diesem Räume die Dunst- wölke von Menschenschweiß, verschüttetem Bier und altem Tabakrauch entfernt, die hier eine Versammlung der andern vererbte. Noch lag diese Wolke kalt und modrig über dem ungeheizten Saal. Denn er war noch wenig gefüllt. Erst nach und nach langten die Gäste an. Die erste Reihe der Stühle war bald von den nächsten Genossinnen der Rodnitz und der Populorum besetzt. In den Konzerten, wo die neue aufregende Musik gespielt wird, sieht man ähnliche Gesichter, denen der unausgesetzte Wechsel von Ueberreizung und Abspannung, in dem sie leben, den gleichen Ausdruck aufgedrückt hat. Diesen hier ist etwas besonders Wildes, Kqtzenartiges eigen, sie könnten Dir die Strickerinnen des Jakobiner klubs zurückrufen, die den Henkerkarren und das Schaffot umtanzten; jede finstere Prophezeiung und jede versteckte Drohung, die von der Lippe ihrer Redner fällt, findet hier entgegenkommendes Verständniß und haß erfüllte Züge geben die düstere Erläuterung dazu. Auch hier und da ein Gesicht, wie man es bei den religiös Erweckten, den Mormoninnen und Wiedertäufe- rinnen findet. Dann die Alltagsmenschen, welche die Neugierde in die vielbesprochenen Versammlungen gebracht hat, Frauen und Männer, die wie im Schauspiel sich den Abend vertreiben wollen; leichtfertige Schönen, die nach leichtfertigen Eroberungen umherspähen und junge Männer, die solche Gelegenheit hier suchen. Daneben arme, verkümmerte Mädchen, die davon gehört haben, daß hier Menschen sich versammeln, welche ihres trüben Schick- sals sich annehmen wollen. Durchsetzt ist das Ganze von Männern der sozial- demokratischen Partei, Leitern zweiten und dritten Ranges; dazu die wohleingeübte Schaar, die aus das Zeichen der Leiter in Beifallsgeschrei oder in wildem Lärm sich losläßt. In der Nähe der Estrade halten sich Dr. Splitgen, der Schuster und Cohen in einer Gruppe. Dr. Splitgen, der nur auswendig Ge lerntes zu sagen weiß, hält einen Vortrag über das Weib im Alterthum zum Loslassen bereit, der Schuster ist im Zwischenrufen sehr gewandt, Cohen leitet das Hoch, das Hinaus und das Herunter. An einem kleinen Tisch fitzen die Berichterstatter der Zeitungen, auch Langhahn ist dabei. Heute wird aufgelöst, sagt er zu den Kollegen, die Rodnitz ist mit ihrer ganzen alten Garde da hoffentlich kommt die Auflösung nicht zu spät, ich habe noch eine Verabredung. Sagt, wer ist denn die Elldorfer(die erwähnteangebliche Einberuferin" Pauline), die auf dem Plakat steht, das ist ja ein neuer Stern." Hab' den Namen noch im Ohr, sagte der altgediente Gerichtsreporter, muß mir schon einmal durch die Fulger gelausen sein, Zuchthaus wegen Münzfälschung oder so etwas..... Auf einem erhöhten Boden, der ursprünglich für die Musiker bestimmt war, befanden sich hinter einem Tisch drei Stühle. Auf dem mittelsten thronte würdevoll Frau Populorum, würdevoll nickte selbst ihr schicfsitzcnder Federhul über ihrem dicken, rothen Gesichte herab. Ihr zur Rechten saß Fräulein Rodnitz, der dritte Stuhl war leer ge- blieben. Fräulein Rodnitz erhob sich, sie ließ eine kleine schrille Klingel ertönen. Ich eröffne als eine der Einberuferinnen die Ver- sammlung. Ich ersuche die Herren während der Ver- Handlungen nicht zu rauchen." Einige der Herren nahmen wirklich die Cigarren aus dem Munde. Als Fräulein Rodnitz gesagt hatte: Ich danke Ihnen, meine Herren, steckten sie die Eigarreu wieder in den Mund. Fräulein Rodnitz hustete»twaS als Zeichen der Miß­billigung,. dann begann sie ihre Eröffnungsrede, sie war, was man eine Durchgängerin nennt und spann einen langen Faden. Wie sie dastand, die kleine dürftige Gestalt, in einem nachlässig verschobenen grauen Kleide, trotz des Winters einen Strohhut mit schwarzem Band über dem dünnen Gesicht, statt jedes Schmuckes nur ein rothes Bändchen als Broche auf der Brust; mit rollenden Augen und scharfer Stimme ihre erregten und erregenden Worte vorbringend, erschien sie wie eine Verkörperung des Elends und der Umsturzgedanken. Sie hob an, wie nicht etwas, sondern vieles faul sei in Staat und Gesellschaft, die untersten unter den Unterdrückten, die beklagenswerthesten von allen aber seien die Frauen. Ihnen werde aufge­bürdet, was kein anderer tragen wolle, überall zurückge- stoßen oder ausgebeutet, ohne jedes staatliche Recht, frage sie, welches Recht den Frauen überhaupt noch gelassen sei, als zu verhungern oder sich zu verkaufen? Donnernder Beifall. Der Wachtmeister, welcher die Versammlung überwachte, überlegte sich, ob er schon auslösen solle. Er sah auf die Uhr, es war noch zu früh. Er beschloß noch zu warten. Es ist Zeit, rief die Rodnitz, und ihre Stimme hatte den schrillen Ton einer Feuerglocke hohe Zeit ist es, daß die Frauen sich organisiren und sich die Menschenrechte nehmen, die man ihnen verweigert. Deshalb ist diese Versammlung einberufen. Zur ersten Borsitzenden schlage ich Frau Populorum, zur Schriftführerin Fräulein Ell­dorfer vor. Ich frage, ob die Versammlung zustimmt und ob die Damen annehmen?" Splitgen, Cohen und der Schuster und die erste Damenreihe riefen ein dünnes Bravo. Frau Populorum erhob sich und machte der Bersamm- lung einen schmachtenden Knix. Ich nehme dankend an vor das Vertrauen, sagte sie im besten Berlinisch. Ich bin für die Bildung, vor allem für die Bildung, meine Aeltesten habe ich in's graue Kloster gelhan und meine Lowise was zupfen Sie denn, Rodnitz? es ist schon gut. Kommen Sie rauf Fräulein Elldorfer, rief sie Pauline zu. Sie nehmen doch an?" Pauline faßte ihren Much zusammen. Mit ihrer tiefen klangvollen Stimme sagte sie kurz: Ich lehne ab. Ich bin überhaupt nur hierher ge­kommen, um zu erklären, daß meine Unterschrift mit Un­recht unter die Einladung gekommen ist." Das gab eine Bewegung. Der Schuster rief höhnisch: Sie fürchten sich wohl vor der Polizei?" Ich fürchte nichts als die Lüge, sagte Pauline ruhig, jedenfalls will ick keinen Theil an ihr." Frau Populorum sah die Rodnitz verlegen fragend an. Diese hatte sich rasch gefaßt. Bcdaure, wenn ein Jrrthum unterlaufen. Darf ich die Redtterin bitten zu sagen, warum sie unsere Bestre­bungen für das Reckt nickt theilen will?" Ick bin keine Rednerin, und was ich sagen könnte, würde Ihnen nickt gefallen," erwiderte Pauline. Sprecken Sie immer," rief die Rodnitz, begierig auf die Gelegenheit wartend, Paulinen eines abzugeben. Die Kourage fehlt", sckob Cohen dazwischen, fühlte sich aber plötzlich auf den Fuß getreten. Wie er schmerz- lick sich umsah, war es der Stellenlose, der ihm in die Ohren wisperte:Entschuldigen Sie, ist gern geschehen, Sie Schupke." Ruhe! Ruhe!" rief die vorderste Reihe. Pauline stand immer noch vor der Estrade. Sic hatte die Arme über der Brust gefaltet und maß ihre Umgebung mit ruhigen Blicken. Wenn Sie es hören wollen, warum nicht? Aus Ihren Morien spricht nur Haß, Haß kann nur Gegenhaß erzeugen. Wer den armen Frauen helfen will, der muß die Hülfe aller guten Menschen gewinnen. Wir Armen werden es am schlimmsten fühlen, wenn Sie Rohheil und Gewalt entfesseln." Sie hielt einen Augenblick inne, wie über den Ton ihrer eigenen Stimme erschrocken. Dann fuhr sie in festem Tone fort. Mir braucht niemand zu sagen, wie unglücklich viele meiner Schwestern sind ick lebe unv leide mit ihnen. Wo aber ihr Elend nur zur Sckaustellung dient, da will ick nichts mit gemein haben. Das ist es, was ich sagen wollte." Damit wollte Paulinc den Saal verlassen. Die Rovnitz aber fuhr dazwiscken. Sie versagen ihre Hülfe dem arbeitenden Volke. Sie werden wissen warum?" Pfui," riefen der Schuster und Cohen zu­gleich und der Chor der Frösche fiel ein:..Pfui' Pfui!" Pauline richtete sick auf. Ueber das, was ick'hue und nicht thue, erkenne ich ihnen kein Urtheil zu. Aber besser das sag' ich hier den armen Müdcken keine Hülse als die. welche von hier und von ihnen kommt. Die Arme», die ihr Loos verbessern wollen, erfüllt ihr mit Bitterkeit und Haß. Werden sie darum glücklicher sein? An den Schranken, welche die Schwäche des Werbes beschützen, an der Ehe rüttelt ihr. Aus den wenigen Arbeitsstätten. die den Frauen offen stehen, wollen eure Genossen sie verdrängen..." Beschützen wollen mir sie," schrie Dr. Splitgen. Sie wollen wohl ihr Heil bei dem Minister versuchen? Gratulire dazu. Wahrhaftig! Sie verdienen wirklich einen Orden!" Ein Orden! Sehr gut," rief der Chor der Frösche. Cohen machte sofort eine Geberde, wie wenn jemand einen Orden um den Hals hängt. Und ein wil- des Gelächter erscholl. Ich habe bei dem Minister nichts zu suchen," sagte Pauline wieder vollständig ruhig.Und doch," verbesserte fie sich,ich hätte ihm etwas zu sagen. Und ich kann eS gerade so gut jetzt und hier sagen. Warum, würde ich ihn fragen warum geben Sie die Frauenarbeit, die der Staat vergiebt, den Unternehmern, die den besten Theil davon ziehen und nicht direkt den arbeitenden Frauen? Aber ich glaube, der Minister würde antworten: wo soll ich diese Frauen finden, sie haben sich nie an mich ge- wandt?" Das ist richtig, das könnte ein wenig helfen," sagte eine ältere Arbeiterin,daS könnte man probiren". Andere stimmten ihr bei. Das Komitee gerieth in Aufregung, die Herrschaft über den Saal schien ihm zu entschlüpfen. Die Populorum arbeitete mit der Glocke! Es wurde wieder ruhig. Die hat ein Mundwerk," zischelte der Schuster z« Cohen,das hat fie von ihrem Bater." Rodnitz," sagte die Populorum zn ihrer Nachbarin, heirathen will die Elldorfer in die Bourgeois hinein." Das wäre ," rief die Rodnitz.Na warte nur I" Und auf Paulinen weisend, schrie sie:Bürgerinnenl Entlarvt die Heuchlerin, sie verbindet sich«it unseren Ausbeutern!" Ein wilder Lärm erhob sich, aber auch jetzt verlor Pauline die Ruhe nicht. Wenn ihr Ausbeuter sucht, so braucht ihr nicht weit zu gehen. Reinigt doch erst eure eigenen Reihen von den Männern, welche die Frauenarbett mit Hungerlöhnen zahlen und die sich mit Krokodilsthränen über Massenelend zu BolkSmännern stempeln. Weist die von euch ab, die von den Beiträgen leben, die sie den Aermsten unter den Armen abpressen..." Weiter kam Pauline nicht. Wie ein entfesselter Organ raste die Ler- sammlung.Hurrah, hurrah, Namen nennen," brüllte der Stellenlose. Cohen donnerte mit dem Bierseidel. Die Populorum, seuerroth im Gesicht vom Schreien, arbeitete wie besessen mit der Klingel, Stühle wurden ge- rückt und umgeworfen, die Frauen schrieen wild durchein- ander, von der Rodnitz sah man nur die Hände, die über dem Gewühl um sie auftauchten. Die Gesellschaft im Hinlergrund des Saales betrachtete den ganzen Vorgang als einen ausgezeichneten Scherz, als einenJux" erster Sorte.D'rauf Populorum, d'rauf Rodnitz," schrie es von dort unter tollem Gelächter. Die Stimme deS Schusters übertönte alle. Sie ist eine Spionin, hinaus mit ihr!" Dann war Pauline draußen... Nicht lange darauf sah der Wachtmeister nach der Uhr. Gerade, erklärte die Rodnitz, die Frau müsse sich ihre Stellung erobern und wenn eS durch ein Meer von Blut gehen sollte. Zehn Uhr, sagte sich der Wachtmeister und ein Meer von Blut das genügt. Er macht« sich rasch eine Notiz. Die Versammlung ist aufgelöst," sagte e», sich erhebend. Cohen schlug mit dem Seidel ans den Tisch, daß dl« Gläser tanzten.Die Marseillaise !" kommandirte er und in wildem Chor zog der Revolutionsgesang durch den Saal. Der Wachtmeister verzog keine Miene. Singen meine Herren ist gut..... aber immer raus und nicht drängeln." Im wüsten Durcheinander leerte fich der Saal. Der Stab der Partei zog in's nahe Parteilokal,»« bei einigen Seideln auf die Schändlichkeit der Polizei zu schimpfen. Die armen Näherinnen eilten nach Hause, um di« verlorene Zeit durch Arbeit bis in den frühen Morgen ein« zubringen. «.* Was sich der gute deutsche Bürger doch auf allen Gebieten vormachen lassen muß! Der Desto der Tudors.') der nie kam» In derFranks. Ztg." lesen wir folgende amüsante Geschichte: Mit großer Andacht betrachtet man in London eine Reliquie, welche in der Entwicklung der englischen Zivili- iaiion eine hochwichtige, ja entscheidende Rolle spielte. Sie ist i» einem mit GlaS bedeckten Kasten ausbewahrt und besteht aus einem vollständigen leinenen Anzüge für ein neugeborenes Kind. Froude in seiner Geschichte Englands erzählt, wie die Königin Mary, im Wahn, daß ihre Entbindung bevor- stehe, sich in den Palast bei Hampton Court zurückzog, wo schon Ansang April 1555 Ammen und Hebammen angelte lll wurde». Bischöse und Priester sangen Litaneien in den Straßen Londons ; der Regent Philipp marschirte an der Spitze eines aus Getstlichen bestehenden Zuges bis hinauf nach dem Palast; Formulare, in welchen den Ge- sandten, den Ministern, den Fürsten des Auslandes die Geburt eines Prinzen denn das mußte es sein i-OK ,\«w*,0r8 ff�r. tjuhdörrS), englisches Fürstenhaus, regierte i