und Uebertreibungen, die man nicht ernst zu nehmen braucht" — der nationalliberale Hammacher bezweifelt die Glaub- Würdigkeit eines Zeugen, weil derselbe in politischen Prozessen schon mehrfach bestraft sei— der freikonservative Abg. v. Rheinbaben erklärte:„Moralisch ist der Arbeitgeber immer im Recht, wenn er nicht duldet, daß der Arbeiter nur Kandidaten wählt, von dem er Schädi- gung seines Erwerbslebens erwarten muß"— und so fort.— Man kann das allgemeine Wahlrecht zurücknehmen; wir werden sagen, daß das eine brutale Gewaltmaßregel ist, aber es wird uns ja nichts übrig bleiben, als uns zu fügen. Wie die Dinge jetzt sind, vollführen die herrschen- den Klaffen eine nichtswürdige Heuchelei, wie sie ekelhafter nicht gedacht werden kann: in Wirklichkeit existirt kein allgemeines Wahlrecht, denn die ungestraften Wahlbeein- fluffungen machen es ja illusorisch— ganz abgesehen von den übrigen Mitteln, die ein falsches Wahlrcsultat zu Stande bringen; aber man heuchelt doch so, als ob ein allgemeines Wahlrecht existirte. Nun, ein Trost bleibt uns: Diese Heuchelei ist der klarste Beweis dafür, daß es bergab geht mit dem Bürger- thum; und der Trost ist ja nicht so übel. Das Wahlrecht bedroht! B. W. Tie„Hamb. Nachrichten," welche sich rühmen, Mittheilungcn und Anregungen„von besonderer Seite" zu erhalten, leitartikeln am Tage nach der Wahl in folgender Tonart: „Das Schicksal, welches schon seit Jahren drohend über Hamburg schwebte, hat sich erfüllt: durch die gestrige Wahl sind alle drei Mandate, welche die alte freie Hansastadt, die erste Handelsstadt des Reiches, das reiche, mächtige, intelligente Hamburg für den höchsten Rath der deutschen Nation zu vergeben hat, in die Hände der Sozialdemokratie geliefert worden: ein sächsischer Drechslcrmcister, ein Stuttgarter Buchdrucker und ein hiesiger Reporter reprösentiren von nun ab, falls nicht Zwischen- fälle eintreten, auf 5 Jahre Hamburg im Demschen Reichstage! Herr Wocrmann, der um Hamburg so hochverdiente Mann, dessen Wort für den Reichstag wie für den Buudcsrathstisch schwer wog, dessen Autorität und sachverständiger Rath das deutsche Par- lament in so vielen wichtigen Fragen gar nicht zu entbehren vcr- mochte, er hat zurücktreten müssen und sein Mandat einem Reporter an einem hiesigen Arbciterblatte überlassen müssen. In der That: es gehört für jeden Hamburger, dem Wohl und Wehe, Ansehen und guter Name seiner Vaterstadt am Herzen liegt, eine starke Selbstbeherrschung dam, diesem Wandel der Dinge gegenüber sein ruhiges Blut zu bewahren und nicht in Entrüstung über ein Wahlgesetz auszubrechen, das alle Unterschiede der Bildung, der Gcfittnng und dcö Besitzes, die sonst im bürgerlichen Leben maßgebend sind, aufhebt, das der Stimme des Straßenkehrers bei Entscheidung übjer die wichtigsten Grundsätze, nach denen der Staat regiert werden soll, genau soviel Gewicht beilegt wie der des Fürsten Bismarck, das nothwendig zur Herrschaft der brutalen, numerisch überlegenen Masse, über das ge- bildete Bürgerthnm, den Träger aller Wohlfahrt und Gesittung der Nation führen muß. Was hülfe ihm auch diese noch so große Entrüstung? Wir haben das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht einmal und es abzuschaffen oder zu verändern, ist fast unmöglich, falls nicht, was uns erspart bleiben möge, das Anschwellen der Sozialdenw- kratie, die Dreistigkeit ihrer Provokation über kurz oder lang zu einer Revolte, und die Niederschlagung dieser zu einer Reaktion führt, bei der es dann allerdings leicht zu einer neuen Wahlgesetzgebung kommen könnte. Aber wenn auch der politischen Einsicht die Unmöglichkeit der Mschaffung des jetzigen Wahlsystems einleuchtet, die Bedenken gegen dasselbe werden immer mehr anwachsen. Wie man sich längst überzeugt hat, daß die Diätenlosigkcit der Reichstagsabge- ordneten kein Korrektiv gegen die nachtheiligen Wirkungen der Dcmokratisirung des Wahlvcrfahreus bildet, so ist es allmälig auch als Jrrthum erkannt worden, daß das allgemeine Wahlrecht und dadurch die gegebene Möglichkeit, Bestrebungen im politischen Leben zur Geltung zu bringen, die anders nicht so zielbewußt und einheitlich hätten propagirt werden können, diesen Bestrebungen erst Boden und Wachsthum und mit der Gelegenheit, sich öffentlich zu bethätigcn, ihren Vertretern, den Sozialdemokraten, erst die breite Basis geschaffen hat, die sie jetzt unter den Füßen haben. Dies nebenbei." Dies nebenbei!— Nun, wir halten diese offiziöse Stimme, welche so nebenbei das Wahlrecht zu knicken droht, für den Verboten von Reaklionsbestrcbungen, welche »nserer Gesellschaft schwere Konflikte bereiten dürsten. Dünste steigen auf,, Wolken ballen sich, ein Gewitter ist im Anzüge. Aber so muß es kommen. Das ist eine geschichtliche Nothwendigkeit. Die Arbeiterbewegung ist ein Klaffenkampf; sobald die Bourgeoisie dies ganz und voll einsieht, wird sie das Proletariat politisch zu knebeln ver- suchen. Reaktion heißt der Engpaß, durch welchen die Arbeiterbewegung kommen muß, bevor sie— ins Freie gelangt._ VreMmmen über die kaiserlichen Erlasse. In der„Münchener Post" unserer Genoffen v. Wollmar und Birk lesen wir:„Wenn wir unsere Meinung über diese Erlaffe zusammenfassen sollen, müssen wir sie alseinen großen Triumph der Sozialdemokratie betrachten. Ohne die, sowohl in die Breite als in die Tiefe wachsende Bedeutung der Sozialdemokratie, ohne ihr stetes Steigen an Bedeutung im politischen Leben hätten� die maßgebenden Kreise nimmermehr sich zur In- angriffnahme des Arbenerschutzes entschloffen. Sowie Fürst Bismark vor versammeltem Reichstage ausgesprochen hat, daß ohne die Sozialdemokratie nimmermehr die Arbeiterversicherung vom Reich gesetzlich geregelt worden wäre, dasselbe gilt von den kaiserlichen Erlaffen. Wenn die„Germania ", das Hauptorgan des Centrums und die „Münch. N. N." meinen, daß uns die kaiserlichen Erlasse wie ein Donnerschlag trafen, und der wichtigste Theil unseres Bodens entzogen sei, so haben wir darauf zweierlei zu erwidern: wir wünschen uns noch recht viele Donner- schlüge ähnlicher Art, nur soll man sich nie mit dem Donner, dem Lärme, begnügen, sondern auch den Blitz, ie That, nicht vermissen lassen. Sucht man durch ver- nünstige Konzessionen den friedlichen Uebergang zu der von uns angestrebten Gesellschaftsordnung zu ermöglichen, so sind wir immer zu haben. Das zweite, was wir ein- zuwenden haben, ist, daß unsere Gegner unsere Forderungen, obgleich wir sie in taufenden von Versammlungen, in Millionen von Druckschriften verbreitet haben, nicht zu kennen scheinen. Der Arbeiterschutz ist eine sehr wichtige Forderung unserer Partei, aber lange nicht die wichtigste. Wir fordern noch vieles andere, was in der Gegenwart leicht durchgeführt werden kann, sowohl nach politischer als sozialer Richtung." * Der„Reichsbote" bemerkt in seiner„Wirthschaft- lichen Rundschau" vom 18. Februar: Die Kaiserlichen Erlasse werden(an der Börse) im Stillen einer Erörterung unterzogen, welche von großer Erregung in den tlreisen der Großindustriellen und Großgrundbesitzer zeugt. Nach außen heuchelt mau die gewünschte Bereit- Willigkeit, innerlich aber ist man vielfach noch nicht aus dem ersten Schrecken hinausgekommen, daß nun plötzlich auch einmal der Besitzlose im Mittelpunkte des Staatsinteresses stehen soll. Die Bureaukratie auf der andern Seite schüttelt bedenklich den Kopf darüber, daß wieder bindende Versprechungen gemacht worden seien, welche das Facit aller kommenden Ueberlegungen vorweg feststellt. *» In der Fachpresse giebl man sich noch offenherziger und läßt die Maske einfach fallen. So lesen wir in der „Eisen-Ztg."(„Organ des Vereins deutscher Eisengießereien") vom 20. Februar d. I. nachstehende von Berlin aus dalirte Sätze: „Während der Staatsrath das ihm vom Kaiser selbst unter- breitete Programm beräth, klären sich auch unter den Arbeit- gebern die Ansichten, und immer mehr scheint sich die Uebcrzeugung Bahn zu brechen, daß nicht viel mehr herauskommen werde, wie bei den vom englischen Parlament von Zeit zu Zeit über wichtige Dinge, z. B. die Darniederlage des Handels veranstalteten Enqueten, nämlich so gut wie gar nichts. Es wird sich herausstellen, daß das, was überhaupt zu Gunsten der Arbeiter geschehen kann, nicht nur längst in sehr großem Maßstabe vorhanden ist, sondern daß die Industrie ohne gesetzlichen Zwang viel mehr gethan hat, als das, wozu sie gesetzlich jemals angehalten weichen kann. Es ist dadurch— d. h. also durch gesetzliche Maßnahmen, wie sie jetzt der Kaiser verlangt — zwar nicht die Zufriedenheit, wohl aber die Begehrlichkeit der Arbeiter gewachsen. Die Sozialdemokraten halten sich bereits für eine Art Regierungspartei, oder doch für eine solche, der in nächster Zeit der Staat auf Gnade und Ungnade ausgeliefert werden muß. Die Industriellen sehen mit Besorgniß, wie dieser Großmachtskitzel der Sozialdemokraten seine Nahrung anscheinend von einer Seite findet, welcher in erster Linie die Erhaltung der Gesellschaftsordnung obliegt. Wahrscheinlich ffolgt ans diese Strömung sehr bald eine scharfe Rektion, sobald die Unmöglichkeit erkannt wird, auf dem betretenen Wege zu einem prakttschen greifbaren Ziele zu gelangen." Deutlicher kann man kaum sprechen! *** Tie„Köln . Ztg." schreibt: Wie heiß das Herz idealisttsch angelegter Menschen für Nächstenliebe und Gerechtigkeit schlagen möge, der kühle Verstand ist unbedingt nöthig. Er muß uns vor allem bewahren, die Wirkung der edlen Kaiserworte zu überschätzen.... Wir wissen, daß auch die freudigste Bereitwilligkeit, an der größten Aufgabe des Jahrhunderts nsitzuarbeiten durch Rath und That, Grenzen hat, die nicht überschritten werden können, ohne das wirthschaftliche Chaos zu erzeugen und Arbeitgeber und Arbeit- nehmer zugleich zu vernichten. *** Tie„Hamburger Nachrichten", die anfangs selber abwiegelten, wenden sich mit einem Male gegen die nationalliberalen Gesinnnngsgenoffen, die es wagen, in ihrer grenzenlosen Verlegenheit an einzelnen Stellen der Erlaffe hcrumzudeuteln. Das nationalliberal- offiziöse Blatt schreibt: „Ein Theil der deutschen Presse glaubt es der Reputation seines Urtheils schuldig zu sein, darauf hinzuweisen, welche großen Schwierigkeiten, ja Gefahren sich bei Durchführung der kaiserlichen Erlasse ergeben könnten. Es ist ganz selb st ver- ständlich, daß die Erfüllung der kaiserlichen Absicht auf Wider- stand stoßen wird... diese Binsenweisheit aber in einem Ton vorzutragen, als ob es'"ch dabei um ein gewichtiges Argument gegen die kaiserlichen Erlasse selbst handele, erscheint sowohl trivial als von deutschem Standpuntte aus tadelnswerth.... Wir können nur nachdrücklich davor warnen, das liberale Bürger- thum mit Mißtrauen gegen die Nützlichkeit und Ausführbarkeit des kaiserlichen Programms zu erfüllen. Das würde sich rächen! ... Unter solchen Umständen hat es erst recht keinen Sinn, dem deutschen Volke die Freude an dem Vorgehen seines Kaisers durch Bedenken zu trüben." Aus allen diesen widersprechenden Aeußerungen geht hervor, daß jetzt noch immer von oben herab verschieden gepfiffen wird und daß darum die mittelparteilichcn Wetter- sahnen noch nicht wissen, wie sie tanzen sollen. *** In der„Franks. Ztg." lesen wir:„Arbeiterschutz " heißt jetzt der Sport, den in Gemeinschaft mit dem sofort eine Arbeit:rschutzausstellung in Köln arrangirenden Herrn Corn�lp bereits mancher rechte Osfiziosus treibt So schreibt der Eine in Anknüpfung an die letzten Fabrik- inspektorenberichte: „Wenn man bedenkt, daß im Jahre 1888 die Zahl der jugendlichen Arbeiter im Deutschen Reiche sich auf 98,014 belief, wovon sich 6225 noch in dem zarten Alter von unter 14 Jahren befanden, so muß Jeder, der ein Herz hat für die moralische und intellettuelle EntWickelung unserer Natton, die hochherzige Initiative unseres Kaisers und Königs auf diesem Gebiete mtt größter Genugthuung begrüßen". Eine so wuchtige Ohrfeige auf den eigenen Backen haben sich die Offiziösen lange nicht gegeben. Als die Opposition aus den letzten Fabrikinspektorenberichten die bedenklichen Ziffern über Zunahme der jugendlichen Arbeiter noch viel detaillirter und sorgfältiger hervorhob, als es oben geschieht, da erhob sich in der ganzen gouverne- mentalen Presse eine wüste Schimpferei über die„absichtliche Schwarzmalerei" und„tendenziöse Ausnutzung", die sich darin kundgegeben haben sollte. Nichts sei in Deutschland besser gestellt, als die Beschäftigung jugendlicher und kindlicher Arbeiter in Fabriken. Damals war es, als die„Köln . Ztg." schrieb, die Berichte der Fabrikinspektoren „beweisen, daß die Zustände bei uns... überhaupt gut sind", und als sich sogar Herr v. Bötticher zum Sprach- rohr dieser Patrioten im Reichstag machte, indem er in der Sitzung vom 14. November 1889 erklärte: „Es liegt also ein erfreuliches Zeichen des Aus- schwunges unserer Industrie in diesem Jahre vor, denn man hat keinen Beweis, daß diese Mehrbeschästigung... zu einer Konkurrenz der Erwachsenen geführt hat." Jetzt wird wohl auch Herr v. Bötlicher„ein Herz für die moralische und intellektuelle Entwickclung unserer Nation" bekommen haben. Was soll am 1. Mai geschehen? In dieser Frage waren neuerdings vielfach Meinungen laut geworden, die wesentlich von dem alten Vorschlag: den 1. Mai als Feiertag zu begehen, abweichen. Jetzt erwidert die„Neue Tlschlerzeitung" darauf: Die bei den deutschen und deutschredendcn Arbeitern der Schweiz und Oesterreichs bereits zu recht bedeuten- den Dimensionen angewachsene Bewegung, die vom Pariser internationalen Arbeiterkongreß für den 1. Mai d. I. be- sckloffene Kundgebung zu Gunsten des achtstündigen Ar- beitstages durch Erklärung des genannten Tages zum all» gemeinen Arbeiterfeiertag zur Ausführung zu bringen, scheint in jüngster Zeit im eigenen Lager, d. h. unter den für den achtstündigen Arbeitstag sonst eintretenden Arbeitern und Genossen, aus Widerstand zu stoßen. Manche Arbeiterblätter wußten bereits vor mehreren Wochen von einem solchen Widerspruch zu berichten, ob- wohl, wenigstens soweit uns bekannt, bis dahin noch in keinem Arbciterblatte eine Stimme gegen das Feiern am 1. Mai laut geworden war. Jetzt lesen wir nun in ver- schiedenen Blättern, daß der Grütliverein und die- übri- gen schweizerischen Arbeitervereine auf einer Delegirten- konferenz den Beschluß gefaßt haben: „Den 1. Mai in der ganzen Eidgenossenschaft durch würdige Manifestation zu feiern, jedoch von der Einstel- lung der Arbeit an diesem Tage abzusehen. Denjenigen Arbeitern, die den ganzen Tag zu einem Feiertag machen. wollen und können, soll natürlich nicht entgegengetreten werden. Dem Entschluß der schweizerischen Arbeiterdelegirten liegt die Annahme zu Grunde, daß die Proklamirung des 1. Mai als eines allgemeinen Feiertages, an dem nicht ge- arbeitet wird, zu schweren Konflikten mit der Arbeit- geberklasse führen würde, welche nicht im Interesse der Sache wären." Und des weiteren wird berichtet, daß in einer Wähler- Versammlung zu Ronneburg (Sachsen- Altenburg) der Ab- geordnete Liebknecht aus eine Interpellation hin seine Zu- stimmung zu dem Beschluß der schweizerischen Arbciterver- vereine erklärte. Diese gegen das Feiern am 1. Mai gerichteten Kund- gebungen haben— schreibt die„Neue Tischlcrzeitung" weiter— unseren Beifall nicht, weil sie in erster Linie zu spät kommen. Einmal können wir durchaus nicht die Befürchtungen theilen, daß aus einem solchen Feiertag für die Arbeiter schwere Konflikte mit der„ Arbeitgeber"klasse entstehen könnten. Bei Gewerben, die ihrer Natur nach einen un- unterbrochenen Betrieb erfordern, sowie bei Einrichtungen, die dem Verkehr und der Erholung dienen, ist es selbst- verständlich, daß den dabei beschäftigten Arbeitern Niemand zumuthen wird, am 1. Mai mitzufeiern, wie ja auch nie- mand daran denkt, das Verbot der Sonntagsarbeit auf jene Betriebe mit auszudehnen. Und die anderen Ar- beiter werden und brauchen vor Konflikten mit ihren Ar- beitgebern nicht bange zu sein. Von diesen würden es jedenfalls nur sehr wenige auf einen solchen Konflikt an- kommen lassen. Muß es sich doch der Arbeiter auch ge- fallen lassen, wenn der Unternehmer erklärt, an einem bestimmten Tag mal keine Arbeit zu haben oder aus ir- gend einem Grunde, vielleicht wegen der Sedanfeier, oder weil„hoher" oder„allerhöchster" Besuch im Orte ist, nicht arbeiten lassen zu wollen. Oder wenn aus denselben Gründen die städtischen oder staatlichen Be- Hörden einen„bürgerlichen Feiertag" anordnen, muß der Arbeiter ihn auch hinnehmen. Wer will es da dem Ar- beiter verwehren oder zum Vorwurf machen, wenn er mal in seinem eigenen Interesse einen Tag nicht arbeitet? Außerdem haben wir aber auch noch keine Stimme äußern hören, welche den Arbeitern Konflikte mit ihren Arbeitgebern prophezeite, wenn sie am Tage der Reichs- tagswahl nicht arbeiten. Man wird da sagen, der Wahl- tag ist wichtiger und eher ein Opfer werth, als die Kund- gebung am 1. Mai. Es soll das auch nicht bestritten werden. Doch auch diese Kundgebung ist wichtig, und die eintretenden Maßregelungen werden nicht zahlreich sein, wenn die Arbeiter an beiden Tagen feiern. Doch selbst wenn man die geäußerten Bedenken gegen den geplanten Feiertag als begründet anerkennen wollte, könnten wir es noch immer nicht gut heißen, daß man der Bewegung jetzt Steine in den Weg wälzt. Wer solche Bedenken hat, hätte sie früher äußern und nicht jetzt erst damit kommen sollen, wo in ganz Deutschland hunderte, ja vielleicht tausende von Arbeiterversammlungen bereits beschlossen haben, am 1. Mai zu feiern. Die Bewegung, in dieser Weise am genannten Tage zu gunsten der Erlangung des Achtstundentages zu demon- striren, datirt doch nicht erst seit heute und gestern. Gleich nachdem der internationale Arbeiterkongreß zu Paris stattgefunden, entschieden sich die deutschen Arbeiter, die von diesem Kongreß zum 1. Mai beschlossene internationale Demonstranon dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß an diesem Tage alle gewerbliche Arbeit ruhen solle. Ob diese Art zu dcmonstriren richtig und ihrem Zweck entsprechend gewählt, kommt vorläufig dabei gar nicht(?)
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4 (1.3.1890) 9
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