Berliner

Volks- Tribüne

Social- Politisches Wochenblatt.

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Sonnabend, den 7. Juni 1890.

Ausgabe für Spediteure: Boltsblatt" Beuth- Straße 3.

IV. Jahrgang.

Der evangelisch- soziale Kongreß. Bum Bum Schweizerischen Niederlassungsvertrag für ihr Organisationsrecht und für den Streik schweizerischen Niederlassungsvertrag. Amt­liche Vertheidigung der Koalitionsfreiheit. schreibt der Sozialdemokrat" in Bern : als Kampfmittel ein. Freilich geht er über den Ge­Parlamentarische Untersuchungskommissionen. Die deutsche Regierung hat sich herbeigelassen, eine von Bemerkungen geht doch hervor, daß er wohl sieht: werkschaftsstandpunkt nicht hinaus, aber aus einer Reihe Kreuzzeitungsnaivitäten. Verschiedenheiten Erneuerung des von ihr gekündigten Niederlassungsver- hier stehen unversöhnliche Interessen einander gegenüber. des Gemeindewahlrechtes in Preußen.- Ersatz- trages anzubahnen. Aber was ist nun der Erfolg" der mittel für das fallende Sozialistengeset. bezüglichen Unterhandlungen?

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Die einzige Andeutung, welche vermuthen läßt, daß er auch über den Streik hinaus auf eine andere Gestaltung In einer Bemerkung eines Nachtragsprotokolles wird der Dinge zu blicken scheint, liegt darin, daß er den Streik Gegensatz. Gedicht von Karl Henckell. der Schweiz gestattet, Deutsche auch ohne Immatriku für ein zwar rüdes", aber doch heilsames Mittel ansieht, Novelle von Nicolaus Krauß. Die zwar ,, rüdes", archalische Ehe. - Ein kapitalistischer Spazier- lationsschein der deutſchen Geſandtſchaft als Aſyl zu be welches so lange in Gebrauch bleiben werde, bis max Ein kapitalistischer Spazier- herbergen. Im Vertrage selber aber erhält der Bismarck einen mehr philosophischen(?) Ausweg entdeckt hat." Der Zur vergleichenden Lohnstatistik. sche Standpunkt vollen Ausdruck, daß zur Niederlassung Streik sei eine Kriegswaffe, die sehr oft erfolgreich ge­Ein Verzweiflungsschrei des kleinen Han- von jedem Deutschen eine Bewilligung der deut- wirkt habe und zwar so nachhaltig, daß Fabrikanten, die schen Gesandtschaft( Immatrikulationsschein) verlangt früher jede Forderung ihrer Arbeiter zurückgewiesen hätten, werden müsse.

gang II.- dels- und Gewerbestandes.

Der evangelisch- soziale Kongreh. Der evangelisch- soziale Kongreß ist beendigt. Ein näheres Eingehen auf denselben kann man sich bei der be­kannten Einflußlosigkeit der Kirche in der protestantischen

Bevölkerung ersparen.

Während also früher, bis zur Bismarc'schen Inter­pretation ad hoc, nach jedermanns Auffassung der Besit gewiffer Schriften nur die Bedingung war, unter welcher der Deutsche ein vertragsmäßiges, allerdings nur durch seine Regierung geltend zu machendes Recht auf Nieder­Daß die hohen kirchlichen Herren Würdenträger außer- lassung bei uns hatte, während im übrigen die Aufnahme ordentliche Lust bezeigen, auch in der sozialen Frage ein aller beliebigen Deutschen bei uns nach unserem freien Wörtlein mitzusprechen, ist nicht weiter wunderbar; ebenso Gutbünken, nach wie vor dem Vertrage außer Diskussion wenig wunderbar aber ist es auch, daß weder hüben noch stand, erscheint heute die Niederlassungssache in der Weise drüben, weder bei den Arbeitern noch den Lohnherren geordnet, daß man uns vorschreibt, al die Regel ge­darauf geachtet wird. Die Kirche hat eben längst aufge- wisse Papiere( Erlaubniß der deutschen Gesandtschaft) von hört, beim Volke Glauben zu finden. Ihre Einmischungen den bei uns fich dauernd aufhaltenden Deutschen zu ver­in das Privatleben durch Taufe, Konfirmation, Einsegnung langen; daß man aber daneben als Zugeständniß für der Ehe, durch Feste, Neden u. s. w. läßt sich die Masse besondere Fälle unser Recht anerkennt, auch Deutschen ohne freilich noch immer ruhig gefallen, aber keine tiefere solche Papiere das Asyl zu gewähren. Wirkung geht von jenen davon aus. Auf diese Weise werden, wie auch die" Revue" an­ Den großen Kämpfen der Gegenwart fehlt indessen führt, ausdrücklich zwei Kategorien Deutscher in der Schweiz jeder, auch der äußerlichste kirchliche Nimbus. Dem möchte geschaffen, die Kategorie derer, welche sich mit Erlaub­niß ihrer Gesandtschaft als Niederlassungsberech= man gern abhelfen. tig te bei uns aufhalten, und die Kategorie derer, welche im Namen und unter dem Schuße des Asylrechtes" ohne Erlaubniß ihrer Gesandtschaft bei uns wohnen. Für diese lettern werden wir", fügt die" Revue" bei, ganz beson­ders verantwortlich sein; aber es wird uns auch leichter sein, sie zu überwachen."

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Die Arbeiterschaft rührt sich, sie stellt ihre Forderungen mit einem solchen Nachdruck auf, daß die offizielle Gesell­schaft Respekt bekommt und wenigstens einige Konzessionen zu machen willens ist. Offenbar ein Vorgang des reinen Klassenkampfes! Die Arbeiter fordern, ohne auch nur daran zu denken, ob die chriftliche Kirche damit einverstanden ist oder nicht, und die Kapitalisten, wenn sie einen Schritt Damit find alle diejenigen Deutschen , welche die deutsche zurückweichen, thun es natürlich nur der Noth gehorchend; Regierung aus irgend einem Grunde nicht gerne bei uns

gewisse Rechte der Arbeiter anzuerkennen. Bec weist sogar jeßt es durchaus mit ihren Interessen vereinbar halten, andeutungsweise darauf hin, daß selbst die Regierungen beginnen, einen solchen Standpunkt einzunehmen. beginnen, einen solchen Standpunkt einzunehmen. Peck gewissermaßen das Wort, wenn er schreibt: Sogar Auflehnungen gegen das Gesetz redet

Gewiß ist es, daß es eine Pflicht des Gehorsams gegen das Gesetz giebt. Aber handelt die Behörde gesezmäßig, wenn sie das Unrecht verewigt?

Unterwürfigkeit unter ein unabänderliches Uebel ist vielleicht ein Ausfluß der Klegheit oder ber Scfignation, nicht aber ver Gerechtigkeitsliebe und der Moral. Jede Bewegung, welche die Aufhebung eines bestehenden Un= rechtes bezweckt, muß den Charakter eines Kampfes an­nehmen, innerhalb oder außerhalb der Grenzen des Gesetzes.

Von denjenigen, welche es sich zur Gewissenssache machen, alles Unrecht über sich ergehen zu lassen, sagt man, sie hätten den Gipfelpunkt des Menschenthums erklommen; dem steht aber jener andere Saz gegenüber, daß die Erdul­dung der Ungerechtigkeit, das Unrecht, gegen welches wir uns immer auflehnen sollten, nur noch ermuthigt.

" Der Arbeiter, dieser Produzent, der mit seiner Geschick­lichkeit und Fleiß so Enormes für das allgemeine Beste hervorbringt, hält sich zu einem größeren Antheil an dem unmittelbaren Ertrage für berechtigtigt.

Ein Quarter oder ein halber Dollar mehr pro Tag ist nicht viel für den Fabrikanten, der den Verlust auf die Schultern der Konsumenten abwälzen kann, aber er ist von Werth für den Arbeiter."

Ohne gegen die Fabrikanten aufheßen zu wollen, liege

giebt es eine geistige Macht, die ihnen in diesem Streite sieht, und denen die Gesandtschaft deßhalb einen Imma- es doch auf der Hand für jeden ehrlichen Beobachter, daß etwas abzuzwingen vermag, so ist es die öffentliche trikulationsschein verweigert, von vornherein in die Klasse der Unternehmer gar keinen Sinn haben könne für den Meinung; die öffentliche Meinung aber hat sich längst von politischer Asylgenössiger verwiesen und der Aufmerk- Begriff gerechte Löhne." Außerhalb der Fabrik mag er der kirchlichen Leitung völlig emanzipirt. Nicht einmal samkeit unserer politischen Polizei empfohlen. vielleicht Philanthrop sein. In seiner Geschäftsoffice stehe

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auf diesem indirekten Wege hat die Geistlichkeit Aussicht, Der Erfolg" der neuen Niederlassungsvertragsver- er in Konkurrenz mit seinen Angestellten. in den Kampf der Parteien wirksam einzugreifen. handlungen mit Deutschland ist also wesentlich der, daß Dann weist Peck nach, daß der Arbeiter das Opfer Du denkst, du schiebst und wirst geschoben", dies wir der deutschen Regierung in ihren Bestrebungen, in der schlechten Geschäftszeiten" sei, daß aber seine Lage Göthe 'sche Wort kennzeichnet die soziale Rolle der heutigen unserem Fremdenpolizeiwesen mehr Ordnung" zu schaffen, mit den aufsteigenden Zeiten sich nicht wieder bessere, wenn Kirche. Die echt christlichen" Reden von Stöcker und nun beffer als vorher dienen. Die stärkere Betonung er nicht selbst ganz energisch dies fordere. Daß ein Fa­Konsorten, nebst aller Vereins- und Zeitungsgründerei, und die Verschärfung der vertragsmäßigen Niederlassungs- brikant nur den Arbeitern zu Liebe" auch in schlechten über welche der Kongreß berieth, vermögen nicht, den Lauf bedingungen entsprechen ausschließlich diesem Zwecke. Zeiten weiter arbeiten lasse, komme äußerst selten vor. der Zeiten auch nur um ein Spanne abzulenken; Wenn Weil deutscherseits( bekanntlich von Bismarck senior Peck singt dem Streik der Gegenwart ein Loblied der Kirche ihre sozialen Aufgaben plöglich einfallen, so ist und junior) seinerzeit zu bestimmten Zwecken beliebt wurde, und sagt, noch vor 50 Jahren sei ein Ausstand von Ge­das allerdings bedeutsam, aber nur als Zeichen der Zeit, dem bestehenden Vertrage eine politisch ganz unsinnige waltakten begleitet gewesen, jetzt sei er eine Selbstauf­als einer der vielen Schatten, welche die Bewegung des Auslegung zu geben, mußten wir, um dem Anfinnen dieser opferung aus Prinzip, aber daher komme auch der Un­Proletariats nach allen Seiten wirft. Auslegung zu entgehen, soweit nachgeben, daß wir alle ternehmer dem Arbeiter auf demselben Wege entgegen und Der protestantischen Kirche, welche seit jeher ihre Ehre, ohne ausdrückliche Bewilligung ihrer Gesandtschaft bei uns zwar im eigenen Interesse, weil er weiß, daß sein Kapital darin sezte, eine staatserhaltende Macht" zu sein, ist in fich aufhaltenden Deutschen als politisch anrüchige und zu an Werth verliert, wenn es nicht in steter Aktion bleibt. der Aera der Sozialreform ihre Haltung durch die Lage überwachende Asyliften erklären ließen. der Dinge vorgeschrieben. Man hat zwischen gerechten" Das ist ein weiterer Fortschritt auf der bekannten und ungerechten" Forderungen der Arbeiter zu unterscheiden, reaktionären Bahn unserer auswärtigen Politik seit ge­jene wird der Staat erfüllen, diesen muß er mit allen raumer Zeit! Mitteln entgegentreten. Die Kirche hat die Aufgabe, den Glauben an Gott und den bekanntlich von Gott eingesetzten Monarchen neu zu beleben. Gelingt das, so wird die Arbeiterschaft mit Erfüllung ihrer gerechten", d. H. vom Staat im eigenen Interesse approbirten Wünsche zufrieden sein. Die Milch der frommen Denkungsart wäre ihr wieder an Stelle des revolutionären Giftes eingeimpft, und die Kirche, der überirdisch- irdische" Doktor, könnte seinem lieben Patienten Staat zur Genesung gratulieren. Man darf beruhigt sein, die Kur wird nichts ver­schlagen.

Eine amtliche Vertheidigung der Koalitionsfreiheit.

Charles F. Beck, der Arbeitsstatistiker des Staates New- York , hat soeben seinen siebenten Jahresbericht aus­gegeben.

Und daß dieses Resultat durch die Macht der Ar­beiter organisation erzielt wurde, darüber können keine Zweifel mehr obwalten.

Nach einem kurzen Hinweis auf die Steigerung der Löhne der Arbeiter in England beginnt dann die Auf­zählung des eigentlichen statistischen Materials aus dem Staate New- York .

Am wichtigsten sind für uns diejenigen Resultate des Berichts, welche sich auf das Verhältniß der Kriegs­tosten im Streik zu den erlangten Vortheilen oder abge= wehrten Nachtheilen beziehen.

Wie gewöhnlich, schickt er seinem sehr reichhaltigen Von relativ geringerer Bedeutung ist es nach unserer und übersichtlich angeordneten statistischen Material eine Ansicht, wenn im Bericht konstatirt wird, daß die auf längere Erörterung über die Kämpfe der Arbeit gegen das Lohnerhöhung gerichteten Streiks während der letzten Kapital voraus. Wie schon in früheren Jahren, stellt er 5 Jahre, bei einer Betheiligung von 67 804 Arbeiter, fich rückhaltlos auf die Seite der Arbeiter, tritt eine Zunahme der Löhne für diese Arbeiter um 18,6 Mill.