Beiblatt zur Berliner Volks- Tribüne.

№ 25

Die Kreuzbandabonnenten

Sonnabend, den 21. Juni 1890.

IV. Jahrgang.

ladet dann die Ungeschickte ein, ihr zu folgen und zeigt älteren Ameisen regelrecht erzogen, d. h. in allem, was ihr an einem richtigen Theile des Baues, wie sie bauen sie zum ferneren Leben wissen müssen, unterwiesen. So bitten wir, wo es irgend angeht, vom 1. Juli an soll. Mit vereinten körperlichen und geistigen Kräften ist das Prinzip der öffentlichen und staatlichen Rinderer­direkt von der Post anstalt zu beziehen. leisten deshalb die Ameisen geradezu Erstaunliches. So ziehung, welches bekanntlich schon der Philosoph Plats Die Bestellungen müffen möglichst bald, jedenfalls bemerkte einst ein Ameisenbeobachter einen Trupp Ameisen, für seine Republik   verlangte, in der Ameisengesellschaft vor Monatsschluß bewirkt werden und können bei welche versuchten, eine über zwei Zoll lange Raupe zu völlig durchgeführt. allen Postanstalten des Reiches erfolgen( unter entführen. Als dies den Ameisen nicht gelang, weil sich Nr. 893 der Zeitungspreisliste für 1890). Das sind Proben von den Leistungen einer Gesell­Die Zeitung muk dank bei der betr. Postanstalt die Raupe verzweifelt an ein dürres Reis ankammerte, schaft, welche keine Arbeitgeber, Anführer oder Häuptlinge abgeholt werden. Gegen 15 Pfg. Aufgeld also für murde die Raupe von ihnen plößlich mit vereinten fennt. Mark 1,65 pro Quartal- liefert aber der Briefträger Kräften und wie von einem einzigen Willen gelenkt auf auch frei in's Haus.

Wo Kreuzband aus besonderen Gründen weiter gewünscht wird, erbitten wir umgehende Nachricht; fonst nehmen wir an, daß direkte Bestellung bei der Post erfolgt ist und senden daher vom 1. Juli ab nicht weiter.

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Sozialistischer Spaziergang.

II.

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Die Literatur als Waare.

den Rücken gedreht, in welcher Situation sie sich nicht mehr festklammern konnte und ihrem Schicksal wohl oder übel erliegen mußte. Einige der Ameisen zogen an ihrem P. E. Man ist gewöhnt, die geistige Produktion als Opfer, die andern halfen durch Stoßen, und so ging es eine Art besondere Produktion zu betrachten, die besondere im Sturmschritt auf einen der kleinen Eingänge des Baues und eigene Geseze hat und besonderen und eigenen Ein­zu und in den Ortus hinab, wo wir die Raupe langsam flüssen unterliegt. Ein Meter Kattun weben, meint man, und auf Nimmerwiedersehen verschwinden sahen. In den ist ganz etwas anderes, wie ein Buch schreiben. Die eine Tropen giebt es Ameisen, welche Körner sammeln und Thätigkeit unterliegt lediglich den ökonomischen Gesezen, sich richtige Speicher anlegen. Damit nun die Körner die andere lediglich den Bedingungen des Verstandes, Das auffallendste Beispiel dieser Art berichtet Lespès. nicht teimen, werden sie vor der Bergung von den klugen Charakters, der Bildung und so fort. Und man hat Er hat im mittägigen Frankreich   eine kleine Ameisenart Thieren in zweckmäßiger Weise benagt. Es giebt wie immer noch die Illusionen von dem„ freien Menschen", beobachtet, deren sehr kleine Gesellschaften sich aus nur viele wissenschaftliche Leute, z. B. auch Darwin  , versichern dem freien Denker", der über den Dingen steht, alles ungefähr sechzig Mitgliedern zusammensetzen; und unter sogar acerbautreibende Ameisengesellschaften. beherrscht und durch nichts beherrscht wird. diesen befinden sich nicht weniger als zwanzig Königinnen. Es ist, sagt Büchner, eine große braune Ameise in Das ist aber nur die Außenseite der Dinge, ein Hier arbeiten die letzteren mit. Ein solches Verhältniß Meriko, welche so unglaublich dies auch klingen mag Schein, durch den man sich betrügen läßt. Das Wesen erscheint nun allerdings sehr unsinnig und spricht jedenfalls nicht bloß Körner einsammelt, sondern solche auch der Dinge entfernt sich sehr von diesem Jdeal. nicht für die soviel gerühmte Zweckmäßigkeit der Natur- anpflanzt und nach der Reife einerntet, also einen förm- Im Mittelalter, wo allgemein für den individuellen Einrichtungen. Aber das Mißverhältniß gleicht sich wieder lichen und vollständigen Ackerbau betreibt, wobei sie ähnlich Konsum produzirt wurde, lagen auch die ökonomischen Ver­dadurch aus, daß die Königinnen, wie gefagt, freiwillig einem umsichtigen Landwirth passende und zeitgemäße An- hältnisse der Literatur anders. Auch die Literatur wurde auf ihre Faulheitswürde verzichten und- ihre„ könig- ordnungen für die verschiedenen Jahreszeiten trifft. produzirt für den Konsum einer sehr engen Gemeinschaft; liche" Würde vergessend- an der Arbeit ihrer Unter- Aber nicht genug hiermit auch die gewöhnlichen be- die literarischen Werke wurden nicht als Waare betrachtet; thanen sich betheiligen. Hat man jemals etwas Aehnliches gleitenden Beschäftigungen des Ackerbaus, die Viehzucht man schrieb nicht ein Buch, verkaufte es an einen Verleger von den Menschen gehört? Auch bei ihnen finden sich und die Milcherei, werden von den Ameisen in einer und ließ es durch diesen weiter an das Publikum ver­staatliche Abnormitäten genug, welche an jenes Mißver- Weise ausgeübt, welche ihrem Geschmack ebensoviel Ehre kaufen; man schrieb für das literarische Bedürfniß seiner hältniß bei den Ameisen erinnern. Man denke nur an macht, wie ihrem Scharfsinn. Als ihre Melkfühe haben Genossen; wie im Kloster der Bruder Gärtner für die die vielen kleinen Negerfürsten in Afrika   oder an die fie, wenn auch nicht allein, so doch vor allen anderen anderen den Salat zog, der Bruder Kellermeister die Zustände unseres ehemaligen deutschen Reiches, in welchem Thieren, die zahlreichen und leicht erreichbaren allbekannten Kellergeschäfte besorgte, so befriedigte ein anderer Bruder mehrere hundert souveräne oder unabhängige Fürsten, Blattläuse erkoren, welche aus ihrem dicken Hinterleibe die geistigen Bedürfnisse, indem er Bücher abschrieb, oder Grafen, Bischöfe, Erzbischöfe u. s. w. auf einige Millionen einen von den Ameisen offenbar sehr geliebten, süßen Kompilationen machte, oder selbstständige Arbeiten lieferte. Unterthanen tamen! Oder an die schönen Zeiten des Saft tropfenweise ausschwißen. Zwar huldigen die Genau so war das Verhältniß bei den weltlichen Schrift­romantischen Ritterthums, in welchen jeder sporenklirrende Ameisen nicht allein dieser Art von Gourmanderie( Fein- ftellern; auch sie bekamen keine Honorare; und das Pu­Adlige über eine größere oder kleinere Schaar Höriger schmeckerei). Auch Fliegen, Wespen, Bienen u. s. w. blikum, welches sich ein Buch kaufte, bezahlte nicht die oder Leibeigener gebot! Aber hat man jemals vernommen, lieben jenen süßen Saft.... Jedoch versteht es keins Arbeit des Schriftstellers die bekam es umsonst daß einer dieser kleinen Herrscher sich bis zur edlen Selbst dieser Thiere, die Blattlaus besser zu behandeln, als die sondern die Arbeit des Abschreibens. verleugnung eines königlichen Ameisengemüths erhoben und Ameise, welche mit ihren Fühlern den Hinterleib der Laus In diesen Zeiten eristirte etwas,' was man den ,, freien an der segenbuingenden Arbeit seiner Unterthanen mit so lange bestreicht, bis sie einen Tropfen ihres süßen Denker" nennen könnte. Der Schriftsteller war äußerlich eigenen Händen theilgenommen habe?" Saftes von sich giebt. Dieses muß jedenfalls auf eine frei, denn er schrieb nicht ums Brot; die ökonomischen Ver­

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Ebensowenig wie die sogenannten Königinnen beweisen besondere zarte und schmeichlerische, den Blattläufen an- hältnisse übten keinen äußerlichen Druck auf ihn aus. die sogenannten Sklaven das Vorhandensein einer Herrschaft genehme Weise geschehen. Denn Darwin   versuchte ver- Unfrei war er natürlich in seinem Denken und Schreiben, bei den Ameisen. Mit den„ Sklaven" hat es folgende geblich, es den Ameisen hierin nachzuthun und den Blatt- soweit eben jeder unfrei ist; er stand unter dem Bann seiner Bewandniß: Gewisse große Ameisenarien, z. B. die läusen durch Bestreichen ihres Leibes mit feinen Haaren sozialen Lage, seiner Klasse, seiner Zeit. Aber da diese " Amazone", rauben sich von den kleineren Arten Larven ihren Saft zu entlocken." Manche Ameisenarten bauen Unfreiheit dem Menschen nicht zum Bewußtsein zu kommen oder Puppen und pflegen dieselben, bis sie austriechen. ihren Meltkühen sogar auf Bäumen und Pflanzen Dächer pflegt, so mag er sich ja selbst als„ frei" erschienen sein. Die neuen Ameisen, die sogenannten Sklaven, bilden und Gallerien aus Erde, um sie möglichst gegen äußere Ganz anders mußten die Verhältnisse werden, als die alsdann mit ihren Sklavenhaltern" eine Gemeinschaft. Unbilden zu schüßen. Andere wieder verstehen es, im feudale Gesellschaft zu Grunde ging und der bürgerlichen „ Sklavenhalter" und" Sklaven" betrachten sich hierbei Innern ihrer Wohnungen selbst die Pflanzenläuse aus im Plaß machte. Man produzirte nicht mehr für den in­völlig als Geschwister." Den„ Sklaven" wird niemals der Herbst gesammelten Eiern zu erziehen und zu erhalten, dividuellen Konsum, sondern man produzirte Waaren; und geringste Zwang von ihren Herren angethan. Darum wobei übrigens die Liebe zu diesen ihren Kälbchen und wie seit dieser Zeit alles Waare geworden ist, was nur denken die„ Sklaven" auch nicht daran, sich der Gemein Rühen   sie nicht abhalten soll, dieselben in Zeiten der Noth, existirt, Kleidung und Nahrung, Haus und Hof, selbst so schaft mit den„ Sklavenhaltern" zu entziehen. Im Gegen- wenn Nahrungsmangel eintritt, mit Haut nnd Haar zu schwer zu greifende Dinge, wie Ehre und Gewissen theil, sie lieben dieselben. Und sie haben Grund dazu. verspeisen. Eine eigenthümlich schlaue Verwendung der wurde auch das literarische Werk zur Waare. Einen Denn die Sklavenhalter" find für die Sklaven" die Blattläuse durch die Ameisen wird in Büchners Buch be- äußerlichen Ausdruck bekam das in der Anwendung der vorzüglichsten Beschüßer, vermöge ihres Heldenmuthes. richtet. Ein Ahornbaum, der einem deutschen Fabrikanten Buchdruckerkunft.

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Wird aber die Frage aufgeworfen: Wenn die gehörte, wimmelte von Ameisen und Blattläusen derart, Wie fast überall, wo geistige Faktoren mitwirken, ging Sklavenmacher" ihre„ Sklaven" nicht ausbeuten, warum daß der Besizer, um dem Uebel Einhalt zu thun, den die Entwickeiung der literarischen Produktion zur Waaren­erziehen sie sich dann überhaupt solche„ Sklaven"? so Baum kurz über dem Erdboden ringförmig anstreichen produktion langsamer vor sich, wie die Entwickelung der antwortet Büchner:„ Die Amazone läßt sich von ihren ließ. Die ersten Ameisen, die den Ring überschreiten übrigen Produktion. Sklaven füttern, macht es also gerade so, wie der be- wollten, blieben natürlich fleben; aber was thaten die Zunächst hatte die Aufhebung der Klöster in den kannte Dalai- Chama in Tibet  , welchem ebenfalls die Nachfolgenden? Sie kehrten auf den Baum zurück und protestantischen, bürgerlichen Staaten und die ökonomische Speisen von seinen Dienern in den Mund gesteckt werden, holten Blattläuse, welche sie nebeneinander auf den Theer Vernichtung des feudalen Adels zur Folge, daß dem mittel­weil man es unter der Würde eines solchen Herrschers klebten und sich dadurch eine Brücke schufen, auf welcher alterlichen Literaturleben die materielle Basis entzogen hält, wenn er sich selbst bedienen wollte. Ob wohl die fiie nunmehr ohne Gefahr den Theerring überschritten." wurde.

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Ameisen ebenso denken? Oder ob sie dem bei manchen Eine hochwichtige Sorge der Ameisengesellschaft bildet Damit war der alte Schriftstellerstand vernichtet; cin Menschen gültigen Grundsatz huldigen, daß die Arbeit die Erzielung einer Nachkommenschaft. Jede Ameise unter- neuer Stand, welcher den veränderten Verhältnissen sofort schändet? Nein die Ameise hat für ihr eigen zieht sich dieser Aufgabe mit einer Hingebung, welche den vollständig entsprochen hätte, war nicht gleich zu beschaffen; thümliches Verhalten einen weit besseren Grund oder eine menschlichen Schwärmern für die" Familie" beweist, zu und so bildet sich denn das Mittelglied zwischen dem mittel­weit bessere und triftigere Entschuldigung, als ihre mensch welcher Höhe der Gemeinsinn sich in einer Genossenschaft alterlichen und dem modernen Schriftsteller: der Schrift­lichen Vor- oder Nachbilder. Sie kann nämlich nicht entwickeln kann. Die von der Königin" gelegten Eier ſteller ist ein Mann von anderweitig gesicherter Lebens­allein fressen und kann auch nicht die gewöhnlichen werden von den Ameisen in kleinen Backeten zusammenstellung; er schreibt nicht gerade für Geld, bekommt auch Arbeiten einer Ameise verrichten, und zwar wegen ihrer gehäuft und unaufhörlich mit den Zungen beleckt. Durch sehr selten Honorar; dagegen werden seine Werke bereits langen, schmalen und starken Kiefern. Daher die Ama- diese Behandlung werden die Eier zum Wachsen gebracht. als Waare betrachtet; sie werden gedruckt und verkauft. zone ganz und gar von dem guten Willen ihrer Sklaven Um die Eier vor zu großer Kälte, Hiße oder Feuchtigkeit Bezeichnend für dieses Uebergangsglied ist die Existenz des abhängig ist. Ohne deren Hülfe müßte fie verhungern, zu bewahren, schleppen die Ameisen dieselben bald in eine Nachdrucks; noch ist der Begriff des geistigen Eigenthums", und die ganze Kolonie müßte aus Mangel an Pflege und höhere, bald in eine tiefere Etage. Wenn aus den Eiern d. H. des Waarencharakters der geistigen Arbeitsleistung Nahrung zugrunde gehen." Die„ Sklaverei" beruht also die kleinen Maden oder Larven ausgeschlüpft sind, so ver- nicht fest konstituirt; und daher glaubt noch jeder Drucker auf gegenseitigen Nugen der beiden Theile und ist ab doppeln die Ameisen ihre Pflege. Sie füttern die Larven, das Recht" zu haben, ein Werk nachzudrucken. gesehen von dem Raube der Truppen-frei von Zwang, gerade wie Vögel ihre Jungen äßen. Durch Belecken Auch das Mittelglied in dieser Entwickelung erfreut halten sie die Larven rein. Sie schleppen dieselben ebenso fich noch einer gewissen Freiheit." Freilich, in mancher

verdient daher eigentlich nicht ihren Namen.

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Die Ameisengesellschaft ist also, anarchistisch." Sehen wie die Eter von Etage zu Etage. Auch die aus den Beziehung ist dieser Schriftsteller schon vom Publikum ab­wir uns nunmehr ein wenig die Kultur an, welche die Larven entstandenen Puppen werden, der Temperatur und hängig. Werke, von denen er sich keinen Erfolg verspricht, kleinen Anarchisten zu Stande gebracht haben. Die Ameisen Feuchtigkeit entsprechend, umhergeschleppt. Droht einem brudt ihm der Buchdrucker nicht. Aber die Abhängigkeit find Meister im Bauen von Wohnungen und Wegen. Ameisenhaufen Gefahr, so denkt jede Ameise zuerst an die hat nur eine negative Bedeutung; sie drückt nur aus, daß Bei dieser Thätigkeit helfen und belehren die Ameisen ein- junge Generation und sucht also soviel Eier, Larven und er gewisse Sachen nicht schreiben darf, die er schreiben ander. Ist einem Thierchen eine Last zu schwer, so hilft Buppen als möglich zu retten. Um die Jungen ihres möchte; sie ist nicht positiv; der Schriftsteller ist nicht ge= ihm alsbald ein Genoffe. Baut eine Ameise unzweckmäßig, Stammes zu schüßen, giebt jede Ameise willig ihr Leben zwungen, Sachen zu schreiben, die er nicht schreiben möchte; so eilt- wie von Forschern beobachtet worden ist dahin. Sind den Puppen die jungen Ameisen, die sog. denn noch lebt er ja nicht von der Schriftstellerei, er hat eine klügere Arbeiterin herbei, zerstört den falschen Bau,„ Nymphen", entschlüpft, so werden dieselben von den eine andere Einnahmequelle aus anderweitiger Thätigkeit.