abwarf, was ja allerdings blutwenig Geld für fauerfle Mühe war, wurde Anfangs 1888 im Tagelohn mit 50 Pf., in der zweiten Hälfte desselben Jahres bei zwölf- stündiger Arbeitszeit mit 4041 Pf., im Jahre 1889 bei 14-stündiger Arbeitszeit mit 35 Pf. bezahlt. Die Knopfhäkelei weift den gleichen Lohnfall auf: im Jahre 1883 1884 erhielten die Hausindustriellen für das Groß im Durchschnitt 1,45 Mk., 1887 nur noch 1 ,25 Mk., und im Jahre 1888 gab es 1 Mk.! Nun sti das Filetnähen, das besonders im Kreise Neisse  , in Friedland in Obcrschlesien, in Zülz   und Um- gegend(Kr. Falkenberg bezw. Neustadt in Oberschl.) im Schwünge ist, eine sehr aufreibende Arbeit. Die ganze Familie, selbst Kinder von 5 Jahren an, hockt in elenden Räumen; früh bei Licht beginnt man, Nachts gegen 12 Uhr hört man auf. Die Augen werden kurzsichtig, Brustleiden und Rückgratsverkrümmung treten als Wir- kung der ungesunden Thätigkeit auf. Die Lehrer be- richten, daß die Knaben in der Schule nicht sitzen können, daß die Mädchen schief werden. Die Schularbeiten werden vernachlässigt, die Kinder werden schlaff und stumpf. Eine vom Landrath zu Falkenberg angestellte Untersuchung ergab deutlich, daß das Filetnähen die Kinder leiblich und geistig zu Grunde richtet. Die Knopfhäkelei führt zu den gleichen Erscheinun- gen. Dieser Erwerbszweig wurde von verschiedenen Zlveigen desVaterländischen Frauenvereins  " vor einigen Jahren alsleichte Hausarbeit" eingeführt. Die Knopf- Häkelei braucht die delikaten Finger von Kindern, und so sind es vorzugsweise Mädchen im schulpflichtigen Alter, die zu dieser Beschäftigung herangezogen werden. Ein Mädchen von 12 Jahren stellt täglich iVs Dutzend Knöpfe fertig und für 12 Dutzend erhält sie 1 Mk., sie muß also 8 Tage arbeiten, um diese Summe zu verdienen, erhält also täglich rund 13 Pfennig! Dieser für arme Kinder schon hohe Geldbetrag," sagt Lange,verleitet dieselben, täglich eine große Anzahl von Knöpfen herzustellen, um nur in kurzer Zeit die lockende Mark zu verdienen. Deshalb wird jede Stunde aus- genutzt und selbst bis in den späten Abend hinein, bei meist ungenügender Beleuchtung, wird mit einer Hast gehäkelt, die bei längerer Dauer auf die Gesundheit des jugendlichen Körpers schäblich wirken muß. Die Folgen der Ueberanstrengung und des schädlichen Nervenreizes, den andauernde Strick- und Häkelarbeit verursachen, zeigen sich auch bereits seit längerer Zeit unter den mit dem Knopfhäkeln beschäftigten Schulkindern in auffälliger Weise. Schwächung der Sehkraft, Uebelkeit und Plötz- liches Erbrechen sind von den Lehrern häufig beobachtete Erscheinungen, ebenso machen sich körperliche Müdigkeit und geistige Abspannung vielfach bemerkbar. In der Stadt Nikolai und den nahe dabei gelegenen Ortschaften des Kreises Pleß wird mit wenigen Ausnahmen in jedem Hause von den Kindern Knopfhäkelei getrieben; die Aus- lieferung der fertigen Waare bei der Annahmestelle er- folgt ebenfalls durch Kinder." Wenn Herr Lange übrigens sagt, daßmanche El- lern den Fleiß der Kinder ausbeuten und letztere zu immer erhöhterer Anstrengung drängen," so hätte er hinzufügen müssen, daß dieseausbeutenden" Eltern nur ein Produkt der erbärmlichen Sozialzustände sind, welche der Proletariersamilie die Kinderarbeit aufzwinge». Man sorge dafür, daß der Vater genug verdiene, und es wird ihm nicht einsallen, seine Kinder, die er sicher so hoch liebt, wie ein Bourgeois die seinigen, zu solch ver- wüstender Arbeit anzuhalten. Wie ist es sonst zu er- klären, daß auchdie einsichtigeren Eltern", von denen Lange spricht, die Ursache der Erkrankung ihrer Kinder wohl erkennen, aber nur selten dagegeneinschreiten"? Sie können aber in den meisten Fällen nichts thun, weil daS Hanshaltsbudget auch mit diesen Groschen rechnen muß. Die Verleger aber, die sich durch diese abscheuliche AuSttVtzung bereichern, kehren sich nicht daran, daß an dem Geld, daß sie einsäckeln, thatsächlich Blut und Schweiß von Arbeiterkindern klebt. Dasselbe Elend zeigt sich in der Teppichknüpferei, die namentlich in Neustadt   in Oberschlesien   und in Schmiedeberg und Umgegend(Kreis Hirschberg  ) betrieben wird. Die dabei beschäftigten Frauen und Mädchen ver- dienen täglich höchstens 1 Mark. In der Wollenwaaren- erzeugung in Liegnitz   werden die Heimarbeiterinnen nicht bloS durch den Verleger, sondern durch den schma- rvtzenden Zwischenhändler, den die Geschäfte zwischen ihnen und dem Verleger vermittelnden Faktor, ausge- beutet. Der Wochenlohn schwankt zwischen 3,60 bis 5,10 Mk. In der Saison, vom März bis Juni, wird Dag und Nacht geschafft, während der übrigen Zeit ist �knig zu thun; die Roth ist in Folge dessen sehr groß. Die Weber im Eulengebirge, so trostlos ihre Lage haben mindestens denTrost", Genossen im Unglück zn besitzen. Für uns sind diese Zustände ein Sporn mehr, für die rasche Durchführung der sozialen Reform und Sie endliche Befreiung der Arbeiterklasse zu kämpfen. KeinGroberuiigs-Recht" mehr? Vor einiger Zeit, so schreibt ein amerikanisches Arbeiterblatt, theilte der Präsident dem Kongreß die drei Resolutionen der Panamerikanischen Konferenz mich die dritte lautete: Die amerikanischen   Nationen erkennen das Eroberungsrecht nicht an." Indem wir hiervon Notiz nahmen, deuteten wir an, daß die Panamerikanische Konferenz sich wohl der Folgerungen, deren ihre Resolution Nr. 3 fähig, nicht bewußt gewesen ist. Denn vom politischen auf das ökonomische Gebiet übertragen, bedeutet der Satz nichts mehr und nichts weniger: Es giebt kein rechtmäßig er- wordenes Eigenthum. Stellen wir uns einmal zum Beweise dessen das Verhältniß der kriegführenden Staaten oder politischen Gemeinwesen und das Verhältniß der im ökonomischen. Kriege befindlichen Individuen vor und sehen wir dann, ob nicht ihre Ziele ganz parallel laufen. Staat A und B bekämpfen sich kriegerisch; A ist in eine Provinz von B eingedrungen und hält sie besetzt; er schließt mit B nur unter der Bedingung Frieden, daß die von ihm besetzte Provinz an ihn abgetreten wird. Warum besteht er darauf? Um den früheren Gegnern zu schwächen und zu verhindern, nächstens wieder Krieg zu führen, oder mit anderen Worten, um den Gegner zu zwingen, ihm künftighin willfährig zu sein. Solches bisheriges Landes-Eroberungsrecht" wollen die amerikanischen Nationen fortan nicht mehr anerkennen, obschon es bis Dato nnbestrittencs Völkerrecht war und von den Vereinigten Staaten   von Nordamerika   wie anderen Amerikanischen Nationen ebenso wie in Europa  praktisch ausgeübt worden ist. Dieser Versuch zur Abschaffung des bisher gemein- giltig gewesenen Eroberungs-Rechtes des Siegers ist eine ideelle Großthat; sie beruht auf der Erwägung, daß Mensch und Sache grundverschiedene Wesen sind. Das Eroberungs-Recht" sollte eigentlich nur der Sache, dem Lande, gelten; aber indem man den Sack schlug, meinte man den Esel den Menschen. Das Land wurde erobert und die darauf lebenden Menschen mit. Da sich nun bei Landes-Eroberungen die Sache vom Menschen nicht trennen läßt, muß man auf das Eroberungs-Recht überhaupt verzichten. Die Panamerikanische Konferenz will den bisherigen völkerrechtlichen Gebrauch, daß der stärkere Staat den schwächeren verspeisen oder mindestens unter seine Bot- Mäßigkeit zwingen darf, abschaffen. Sehr schön; der Grundsatz entspricht den Anforde- rungen unserer Zeit, insbesondere demSelbstbestim- mungsrechte der Nationen." Aber folgerichtig sollte er auch auf denKrieg Aller gegen Alle" seine Anwendung finden. Setzen wir statt der kriegführenden Staaten A und B die Individuen A und B, oder vielmehr deren Klasse, die Vesitzer-Klasse A und die besitzlose Klaffe B. Die Letztere hat im ökonomischen Kampfe die Erstere besiegt underobert", sich dieselbe tributpflichtig gemacht, indem sie Beschlag legte auf alle Mittel, von welchen die Er- nährung der Menschheit abhängt. Wie der erobernde Staat den Einwand vorschützt: Wir lassen den Bewohnern des Landes, von welchem wir Besitz ergreifen, die Wahl, dazubleiben oder auszu- wandern" so behauptet die Bourgeoisie:Wir zwingen ja Niemanden, für uns zu arbeiten; wir tasten dieindividuelle Freiheit" des Arbeiters, einen anderen Lebensweg einzuschlagen, nicht an!" In Wirklichkeit bedeutet aber die Eroberung der Arbeits- und Lebensmittel die Miteroberung der auf jene Existenzmittel angewiesenen Menschheit, wie eine staatliche Landes- Eroberung die Ausdehnung fremder Zwangsherrschaft auf die ansässige Bewohnerschaft einschließt. Einzelne Elsaß  -Lothringer   konnten wohl ihr Hab und Gut veräußern, um auszuwandern, und auch dies nur unter ungeheurem Verlust; aber diese Ausnahmen vermochten nicht die Regel umzuändern, daß die Be- wohnerschaft des eroberten Landes sich der Fremdherrschaft zu fügen hatte. In ähnlicher Weise sind wohl noch einzelne Arbeiter im Laufe geraumer Zeit im Stande, sich der Gewalt ihres Eroberers zu entziehen, aber die Arbeiterklaffe als solche bleibt ihm unterthan. Und das Erobeiungsrecht der besitzenden Klaffe wird täglich und stündlich bis auf das Tüpfelchen über dem i fortgesetzt ausgeübt; der Sieger schreibt dem Besiegten den zu entrichtenden Tribut an Arbeitsleistung vor, nöthigt den Arbeiter, ihm, dem Sieger, sein Lebensmark zu opfern. Die amerikanischen Nationen erkennen kein Er- oberungsrecht mehr an", sagt die Panamerikanische Konferenz in holder Unschuld und Naivetät. Aber in der Oekonomie, da hört die Großmuth auch die in bloßen Resolutionen ausgedrückte auf. Da erkennt man nach wie vor dasRecht des Stärkeren" an. Zur Harmonielehre. Jeder ist seines Glückes Schmied Wer arbeiten will, findet auch immer Arbeit Wie man's treibt, so geht's Den Unternehmer quält immer Sorge um die Marktverhältnisse, während der glückliche Arbeiter, sobald er die Fabrik verläßt, ein freier Mann ist, ohne Risiko- Aengste All' diese hübschen Redensarten werden wieder einmal von den Thatsachen höchst eigenartig kommentirt. Tausenden von Arbeitern, so wird aus Sachsen  berichtet, nimmt die Tariferhöhung der Vereinigten Staaten das Brod vom Tisch. Unsere Industriellen sind vielfach auf die Vereinigten Staaten   ganz unbedingt angewiesen; viele von ihnen besitzen kein anderes Absatz- gebiet. Bleiben von dort die Aufträge aus, so werden die Arbeiter brod los. Schon heute ist die Lage der sächsischen Industriearbeiter oft eine bejammerns- werthe; wie dieselbe sich nach Einführung der Kinley-Tarifbill gestalten wird, ist noch gar nicht abzusehen. Die Ernährung ist in vielen sächsi- schen Arbeiterfamilien bereits auf das tiefste Niveau gesunken. Eine weitere Herabdrückung kann in diesen Familien ganz unmöglich noch stattfinden; die öffentliche Armenunterstützung wird daher im nächsten Winter ihre Aufgaben voraussichtlich stark vermehrt sehen. Aber auch die Armenunterstützung kann in Sachsen   oft die ärgste Roth nicht abwenden, da in den nothleidenden Gegenden die Gemeinden zu einer nur halbwegs wirksamen Unter- stützung zu arm sind. Zu Alledem kommt, daß die amerikanische   Tariferhöhung zusammenfällt mit einem all- gemeinen Niedergang der geschäftlichen Konjunk- tur, der sich auch in Sachsen   bereits durch Beschränkuitg der Arbeitszeit, Arbeiterentlaffungen und Lohnschmäle- rungen bemerllich macht, daß die Lebensmittelpreise oft unerschwinglich und die Kohlenpreise selbst in den sächsischen Grubenbezirken unerhört sind. Fleisch ist für viele sächsische Arbeiterfamilien, auch als Sonntagsaericht, zu theuer; manche müssen sich selbst den Genuß vou Pferdefleisch und das Aufkaufen der Abfälle aus den städtischen Gasthäusern und Restaurants versagen. Mit derartigen Fleischabfällen wird allem Anschein nach ans dem Lande in der Nähe größerer Städte Handel getrieben; aus der Umgegend von Dresden   ist uns ein solcher Fleischabfallhandel bekannt; die Käufer sind großindustrielle und ländliche Arbeiter. Vorwiegend nährt man sich von Brod und Kartoffeln. Aber der theure Brodpreis wird von vielen Familien nur durch andere Entbehrungen aufgebracht, die Kar- toffeln sind manchem armen ländlichen Industriearbeiter, der ein Stückchen Feld bebaute, verfault: Alles eröff- net in Sachsen   für die arme und ärmste Bevöl- kerung sehr trübe Aussichten für den nahen Winter. Die Lehren der kapitalistischen   Wirklichkeit sind furchtbar. Die heutige Freiheit des Individuums ist nichts Anderes, als die absolute Abhängigkeit von einem unüber- sehbaren, mitleidslosen ökonomischen Mechanismus. Wann werden die Menschen ihn zu regieren und sich so wirk- lich frei zu machen lernen? Wann wird die gesell- schaftliche Ordnung des Produktionsprozesses uns die Er- lösung aus der verheerenden Wirthschaftsanarchie der Gegenwart bringen? Verein fnr Sozialpolitik. Die Verhandlungen des Vereins für Sozialpolitik sind beendigt. Großes Geräusch haben sie nicht gemacht und ebenso wenig führten sie zu einem irgendwie nennenswerthen Resultate. Vor allem debattirte man viel über Form und Nutzen der Arbeiterorganisationen. Doch ging man auf den eigentlichen Kern, auf die Be- sprechung der politischen Verhältnisse, die eine geeignete Organisation zur Voraussetzung haben müßte, gar nicht ein. Die Keßler'schen Artikel haben unseren Lesern wieder einmal recht deutlich in Erinnerung gebracht, welche Zangen der Gesetzesausleger gegen uns in der Hand hat. Es kommt in erster Reihe, so bemerkt die Franks. Ztg." treffend, darauf an, welchen Stand die Vereinsgesetzgebung des Landes hat, für welche neue so- ziale Organisationen geschaffen werden sollen, wenn prak- tisch entschieden werden soll, wo nunfortzubilden" ist. Diese wichtige Seite der Sache wurde aber leider gar nicht berührt. Bekanntlich haben wir in Deutschland  noch nicht einmal ein Reichsvereinsgesetz, sondern nur preußische, sächsische u. s. w. Es wäre also die erste Frage gewesen, ob nicht für die großen sozialen Zwecke, welche man mit neuen Berufsorganisationen erreichen will, eine Vereinheitlichung der emzelstaatlichen Gesetz- gebung nothwendig ist, da sich die sozialen Bedürfnisse an Landesgrenzen doch nicht kehren. Und wenn man dann zum Inhalt der bestehenden Vereinsgesetze gekommen wäre, so hätte sich wohl Vieles anführen lassen, was diese Gesetze angesichts der neuen sozialen Bedürfnisse als recht veraltet und reaktionär hätte erscheinen lassen. Man weiß, wie schwer noch unter dem gegenwärtigen Regime die Korporationsrecbte von Arbeitervereinigungen erlangt werden können, welche vorsintfluthlichen Be- stimmungen in einzelnen Staaten noch verbieten, daß sich lokale Vereinigungen zu einem Landesverband oder gar Reichsverband zusammenschließen; man kennt die Hinder- niffe, die heute noch wie vor 30 Jahren in großen Einzelstaaten einer einfachen Versammlung von Gesetz und Verwaltung in den Weg gelegt werden. Diese Dinge hätten mit den neuen sozialen For- derungen verglichen und an ihnen gemessen werden müssen, wenn man zu einem greifbaren Ergebnisse kommen wollte. Dann hätte auch der in dieser Beziehung nicht unberechtigte Einwand fort- fallen müssen, daß eine bestimmte Richtung einfach die englischen Gewerkvereine kopiren wolle. Brentano und seine Anhänger wollen dies gewiß nicht. Aber wenn sie die Sache praktisch angefaßt und neben ihren englischen Studien die Belege auch dafür gesammelt hätten, wie die Organisations-Bestrebungen der deutschen  Arbeiter an allen Ecken und Enden von den ver- schiede neu deutschen   Vereinsgesetzcn verkümmert und gehindert werden, dann hätten sie jenen Em  - wand von vornherein abgeschnitten gehabt. Das Frankfurter   Demokratenblatt hat vollständig Recht. Die Hemmungen der Koalitionsfreiheit das ist das Thema, welches von dem Verein vor Allem hätte diskutirt werden müssen. Daß diese fallen, ist die nächste und wichtegste Forderung, welche das deutsche Proletaniat im Interesse seiner Selbsterhaltung zu stellen hat._