UciiH'att zur berliner iloHis-tLribiuic. Nr. 40. Sonnabend, den 4. Oktober 1890. IVr. Jahrgang. Die Kiefen. Von Julius Hart (Moderne Dichtung"). Mitten auf einsamem Bühl Eieht allein der Baum, Dürrer Ginster starrt Zwischen der Wurzeln nacktem Zaun. Und zerwühlt ist der Grund, Wie ein Grab, nach langer Ichlacht Von zu müder Gräberhand Hastig zugemacht. Trübe wie ein Haupt Welk und schmerzdurchbohrt. Und vom Trauerschleier dicht, Wie»on Nacht umflort: Hebt die Krone sich Weithin übers Feld, Etarn die dornige Riesenkrone Todtschwarz über grünes Feld: Schwebt in weißer Maicnluft Und in flimmernder Sonnenglut, Wie aus blanken Wassern Eine Todtenbarke ruht...... Warmes gold'nes Licht Fließt als Heiligenschein Um Geäst und Laub, Ueber den weiten Rain, Uebcr der Frühlingsflur Ersten grünen Spricht, Und die junge Blüthenpracht, Leuchtend über Gras und Ried. Starr und finster nur Auf dem bunten Maienfeld Einsam diese Kiefer Wie ein Schalten hält. Starrt mit grauem Blick In den farb'gen Schein, Wie der Tod ins Leben Drohend starrt hinein. Aus dem blühenden Gras Tönt ein Liebeslicd, Doch ein Grabgesang Hochhi« durch die Beste zieht... ..... Jäh aus lustigem Traum, Traum von goldner Tage frohem Licht, Zitternd fuhr ich ans, Starrte todesblaß mein Angesicht. Dort im dunklen Grün, Fahl und grau, grau und fahl, Ausgerißnen Aug's Wild von Todesqual, Dort in«irren Geäst Schmutzig nnd bestaubt Starrt ein todics wildes Angstverzerrtes Mcnschenhaupt. Ei» entstelltes Haupt, Das so oft ich sah! Grau, von greisem Haar»msträhnt, Schrecklich hängt es da. Dumps das Auge grinst, Leer und ohne Schein, Aus»eriiestcr Höhle In die Luft hinein. Wie zu argem Schrei C ffen steht der Mund Und tm Tode noch Blut- und schmerzenswund Gellt aus diesem Mund Ohne Laut ein Schrei Jammernd über die bunte Flur Durch den grünen grünen Mai. Ueber sand'gem Grund, Aufgewühlt wie ein Grab, Von der Kiefer Ast Schattend hängt der Leib herab, Wie zerriß'ne Wäsche, Wie ein Lumpen bloß Hängt er in seinen Lumpen Schlaff und sehnenlos... Als zuerst ich's sah Mitten auf lustiger Flur Eine Spanne Zeit, Einen Augenblick nur. Doch so klar und scharf Wie vom Blitz erhellt, Niederstürzte ich jäh, Wie ein Vogel sällt, Den die Kugel traf Hoch im kreisenden Flug Dumpf von meinem Fall, Dumpf der Boden schlug ... Starres Auge du, Läßt du nie mich los? Soll dich ewig schaun Wild und schmerzensgroß? Das so oft ich sah Noch vom Licht erfüllt, Nun zum letztenmal Seh ich's, grau vom Tod verhüllt. Die gefurchte Stirn, Und das Haar so greis, O wie oft sah ich's Feucht und naß vom Schweiß, Wenn die schwiel'ge Hand Ueber Nacht und Tag Zitternd schaffte bei der Räder Dumpfem Stoß und Schlag. Jammernd sah mich an Dieses Aug' voll Qual, Da ich fühllos schritt Durch ein Hospital. Wenn im Morgengraun Nach durchzechter Nacht, Unter Lachen und Küssen Ueppig hingebracht, Wenn noch heiß von Glut Und doch wollustmatt Durch die Gassen ich schritt Halberwachtcr Stadt; Immer sah ich dich, Todte Seele du, Furchtbar fragend starrte Dieses Auge auf mich zu. Gestern, gestern noch Sah's mich klagend an, Seine letzte Thräne Langsam niederrann. Aus zerriß'nen Lumpen Starrtc welk ei» Arm, Aus verfallnen Wangen Lag des Hungers irrer Harm. Und ich sah dich stürzen, Jäh, mit leisem Schrei, Schlaff, ein Todter, fielst du Hirn, Doch ich schritt an dir vorbei, Stumm vorbei an deiner Qual Stumm an deinem Leid,-- Träumend von meiner Liebe Leuchtender Morgenzeit. Maicnabcnd kam, Tief am Himmel stand Feuerleuchtend die Sonne Ueber rothcr Wolkenwand. In dem glühenden Kessel Strömte brennendes Blut, Und durch alle Lüfte Leuchtete die Wiederglut. Ueber der Kiefer düstres Kleid Loderte ein Feuerschein, Heiß erglühten die flammenden Spitze« Röthlich, wie getaucht in Wein. Blut und Feuer floß Um des Todten Angesicht, Und sein leeres Auge starrte Grad ins wilde Sonnenlicht, So, als wollt es einmal nur Nur ein einziguial Trinken den hellen Weltenschein. Trinken des Lichtes warmen Strahl. ... Ueber den Himmel träumt Golden molkige Lust, Ueber die Erde athmet Weich der Wiesen Blumendust. Und ein schimmernder Falter Streisl des Grases grünen Saum, Ueber die Erde spinnt sich leuchtend Wie von Liebe ein Frühlingstraum. Doch das todte Haupt, Blut- und seuerbedeckt, Wild und drohend dort am Zweig Richtend aufgesteckt, Lautlos gellt sein Schrei In die heiße Welt des Lichts: Nichts von dem war mein, Nichts und ewig Nichts. Sah die Sonne nur Kochend in heißem Hof, Wenn von schwülem Dunst, Wie von Gift sie troff, Hier in Lumpen hang ich, Und ich klage klage klage Ueber meines Lebens Leer nnd stumpf verbrachte Tage Blut'ge Kiefer du, Roth im Sonnenstrahl, Ragst vor meiner Seele aus Als ein neues Krenzesmal. Nieder von deiner Höhe Kam ein lautlos Schrein, Und ein Todesschauer rann Schneidend mir durch Mark und Bei«, Mitten in mein Herz Fuhr eines Messers Stoß, Und der Thränen bittre Fluth Ueber mein Antlitz schoß. Und ich hebe die Hände In die Lüfte auf Schaue, o du Entseelter, Lang zu dir hinauf... Küssend mochte ich, Meinen lebenswarmen Mund Pressen auf deinen nackten Fuß, So beschmutzt, so kalt und wund, Meine Arme schlingen Um dein starr Gebein, Küssen all die tiefen Spuren Deiner Lebenspein. Bleicher Kläger du, Todter Richter dort, Aus mein Haupt die Schuld, Schuld an diesem Mord. Oh, auf unser aller Haupt Fällt dies Menschenblut, Und auf unsrer Seele brennt Deine Todesgiuth. Düster gellt dein Fluch, Deines Mundes Klage, Mitten in unsres Leben» Gold'nc Maientage... Mit den leeren Augen- Höhlen starrst du fahl Ueber nnsres Lebens Lust und Fceudenmahl. Und der Becher gleitet Mir aus bebender Hand, Purpurn strömt als Blut de, Wein Ueber mein Festgewand... Einsam ein Kieser Wie ein Schatten hält Starr und todcsschwarz Auf dem bunten Maienseld. Starrt mit grauem Blick In dem farb'gen Schein, Wie der Tod ins Leben Drohend starrt hinein. Aus dem blühenden Gras Tönt ein Liebeslied, Doch ein Grabgesang Hochhin durch die Beste zieht. lNachtzruck»erboten.! Junges Eheglück. Bon Paul Ernst . Sie hatten sich in einem Badeort kennen gelernt. Er war ein junger Journalist, Ende der Zwanziger, Redakteur bei einer freikonservativen Zeitung. Sie war in Begleitung ihrer Mutter da, welche ein Halsband aus Goldstücken trug, das man auf fünf- bis sechshundert Mark taxirte. Wie die Alte erzählte, war der Vater Bankdirektor; als er einmal ein paar Tage zum Besuch war, bemerkte er gelegentlich-Na ja, seh'n Sie, vor Neunen mach' ich ja nich auf," und als ihn die Frau anstieß, verbesserte er sich schnell:Ja, ja, natürlich keen offenes Jeschäft, das is blos so'ne Ausdrucksweise." Sie hatte sehr viel gelesen, natürlich immer nur unsere besten Schriftsteller, Spielhagen, Ibsen , Julius Wolff u. s. w.; sie interessirte sich überhaupt sehr für die Literatur und Papa kaufte ihr immer die neuesten Sachen; von Wolff zum Beispiel hatte sie alles; ob sie es ihm vielleicht borgen sollte? Sie hatten nämlich einen sehr guten Lehrer gehabt in der Literatur, der wußte mehr, wie mancher Professor auf der Universität! In ihn hatte sie sich gleich verliebt, als sie ihn das erste Mal sah. Er hatte so ein geistreiches Gesicht! Und wie er den Kneifer auffetzte himmlisch! Er war entschieden so ein Adelsmensch, ganz entschieden, wissen Sie. in Nosmersholm, Sie haben es doch gesehen im Residenztheater, Nosmersholm? Also, da meint nämlich Ibsen nicht solche Herrenvon", bewahre! Das sind manchmal gar keine Adelsmenschen! Nein, so den geistigen Adel meint er, und der ist manchmal ganz wo anders zu finden! Er hatte gefunden, daß sie einen sehr hellen Ver- stand besaß; natürlich, das kann man ja nicht anders erwarten, sie war ja doch noch sehr jung, erst achtzehn Jahre, und die Unterrichtsanstalten für das weibliche Geschlecht lassen ja gewiß auch noch Manches zu wünschen übrig; er war der Letzte, der das verkannte, und hier mußte entschieden reformirt werden, und wenn er auch sonst voll und ganz auf dem Standpunkt> Standpunkt stand na ja, aber das war einfach keine Frage, sie hatte ein sehr gesundes Urtheil, ein sehr gesundes Urtheil hatte sie!... Und so hatte er sie denn geheirathet. Da sie einzige Tochter war, so hatten ihr die Eltern gleich fünfzig- tausend Mark mitgegeben er war ja kein Materialist; im Gegentheil, sein Verhältniß zu seiner Frau war ein gut Stück Idealismus in unserer materialistischen Zeit, und. gottlob, solche Verhältnisse kommen nicht zu selten vor in unserem deutschen Volk aber natürlich, an- genehm ist es doch immer, wenigstens den drückendsten Sorgen ums Dasein überhoben zu sein, so daß sich der Geist voll und ganz zu den höhern Regionen empor- schwingen kann. Sie hatten sich eingerichtet, anständig natürlich, wie es ihre soziale Stellung verlangte, und dann lebten sie zusammen und genossen ihr junges Glück. Nun ereigneten sich bisweilen ganz sonderbare Auf- tritte zwischen ihnen. Es war gegen Abend, so um die Dämmerung. Er saß bequem im Polstersessel, sie schmiegte sich in die Sophaecke. Er hatte die Cigarre im Mund und fühlte sich so recht behaglich. Ach. das war doch eine andere Geschichte, als das ewige Garyonleben, immer in den Kneipen, und mit den Weibern ekelhaft! Nee, das war keine Frage, und wenn er Einem einen Rath geben sollte: Heirathen Sie, heirathen Sie um Gotteswillen! Und so mollig war es. Der Rauch strich ihm unter der Nase durch; und es war so hübsch warm, und n hatte auch einen ganz andern Appetit jetzt. Sie sprach von der Sophaecke her, zaghast,«l» wenn sie sich genirte: Sag, hast Du mich lieb?" Er legte die Cigarre auf die Tischkante. Aber mein Kind!" Es entstand eine Pause. Weißt Du, wenn wir nu so in den Wald gingen, u*d es käme ein ein Löwe oder irgend ein Räuber, meine ich würdest Du Dich für mich opfern?" Aber waS hast Du nur für Einfälle!" Er war ganz rathlvs vor Verwunderung. Er wußte gar nicht, was das eigentlich war. So was kann ja doch überhaupt gar nicht passiren!" Nu ja, gut, aber wenn nu doch!" Meinte sie denn damit vielleicht etwas Anderes? Er verstand gar nicht. Natürlich, ich würde mich opfern!" Er zog an der Zigarre. Sie schwiegen eine Weile. Du liebst mich nicht!" Zum Teufel auch, jetzt.. Nun mußte er aufstehen von dem weichen, bequemen Stuhl, mußte sich auf das Sopha setzen, neben ihr, mußte sie umfassen und küssen. Er erhob sich und ging zu ihr. Die Zigarre ließ er ans der Tischkante. Die ging nun auch aus! Solche Auftritte ereigneten sich öfter; und tt hatte wohl recht, wenn er sagte:Ja, ja, das Weib ist ein Räthsel!"... Sie war oft allein; er hatte viel in der Redaktion zu thun; das weiß man ja, dem Jüngsten wird immer das Meiste aufgepackt. So war er eigentlich nur deS Abends recht zu Hause. Sie fühlte sich einsam. Kein« Seele hatte sie, der sie sich offenbaren konnte, und st« verlangte so nach einer gleichgesinnten Frauenseele!