Beiblatt zur Berliner Berliner Volks- Tribüne.

Nr. 49.

Auch Helden!

Earl Biberfeld.

( Monatsblätter der Breslauer Dichterschule.")

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Die Märznacht schwindet weit über das Feld Wölbt sich der Dämmerung graues Gezelt; Gleich Pfählen, die das Wolkendach stüßen, Hoch ragen die Pappeln am Wegesrand; Im schneeigen Teppich stehen die Pfützen,

Von eisiger Kruste überspannt.

Weit drüben, wo schwarz die Schlote starren, Wie Heerdfeuer lohen die Essen hell;

Kein Laut ringsum, als der Aeste Knarren

Und eines Hundes fernes Gebell.

Da horch! Da hallt es von stampfenden Tritten, Und feuchend, die beugende Last im Genic,

Kommen drei Männer dahergeschritten,

Mit troßigen Mienen, mit sprühendem Blick. Sie achten des Schnee's nut, darin sie versinken, Sie seh'n nur die Feuer, die drüben blinken, Als wollten die ihnen grüßend winken:

"

Vorwärts!"

Was bergen die drei in lichtscheuer Hut? Geschmuggelte Waare, gestohlenes Gut?! Dja! gestohlen von Bütteln und Schergen!" So grollt's aus den düsteren Blicken dort Wie Schmugglerwaare müssen wirs bergen Das freie, das zündende rettende Wort!" Flugblätter find's, die sie mit sich führen, Die Möven im nahen Sturme der Wahl Die flattern luftig durch Fenster und Thüren Vor dem ersten verräth'rijchen Sonnenstrahl. Und weiter geht's auf heimlichen Wegen,

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Mit dem Tag um die Wette, der drohend erwacht; Da starrt ihnen hemmend der Strom entgegen, Weithin erschimmernd in eisiger Pracht. Und bange steh'n sie am Ufer und zagen: ,, Wird uns die gebrechliche Decke tragen?

„ Wir haben's geschworen; wir müssen es wagen!" ,, Vorwärts!"

Sie schreiten schweigend sie schreiten leis,- In dumpfem Zorne knistert das Eis.

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Da plöglich horch! ein flagendes Tönen, Wie ein Schrei aus des Stromes gefesselter Brust, Wie einer gesprungenen Saite Dröhnen Sie hören's erschauernd todesbewußt!

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Ein Stoß erkracht schwarz quellen die Wogen Schon tlafft mit blinkenden Zähnen der Spalt Ein Sprung! Dann hat jie's hinabgezogen Noch hält die Faust das Bündel umkrallt, Roch gurgelt es leise in Todesschauern, Noch streckt sich der Arm zum Himmelszelt; Dann schiebt sich's drüber wie berstende Mauern Wie Trümmer einer stürzenden Welt. Die Sonne hebt sich die Nebel weichen Lenzkündende, tauige Lüfte streichen,

Und droben flammi's wie ein blutiges Zeichen: ,, Vorwärts!"

Scenen aus Krohg's   ,, Albertine".

( Aus dem Norwegischen   überseßt_von_E. Wetter.)*)

( Schluß.)

Es war am nächsten Morgen, die Uhr hatte drinnen neun geschlagen. Albertine stand und flocht ihr Haar. Wenn sie dorthin lam, wollte sie die Haupttreppe hinauf­

gehen

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nicht zur Glasthür herein.

Sollte sie es der Alten sagen und sie mitnehmen? Nein sie tam wohl auch so mit einer Verwarnung davon, und dann konnte es ja gleich sein. Sie hatte ge­sagt, daß der Constabler nach der Adresse Jossa's gefragt hatte denn Olfa hatte natürlicher Weise augenblicklich der Alten erzählt, daß er dort gewesen war. Ob die Alte es glaubte, wußte sie nicht, aber sie hatte nun feine Lust davon zu reden. O nein, sie würde sich schon selbst zu helfen wissen.

Sonnabend, den 6. Dezember 1890.

IV. Jahrgang.

Die Uhr zeigte fünf Minuten bis zehn; es durchschauerte Holzgetäfel und den häßlich gelben Holzmöbeln auf dem sie und sie ging den Hügel empor.

Niemand sah sie und sie schritt muthig über die Gasse, blieb unten an der Treppe stehen, gleich als wenn sie sich bedachte oder auf jemand wartete, dann drehte sie um und ging nachlässig die breite Granittreppe unter dem gewölbten Bogen empor.

" Ich sollte mit Polizeiinspektor Winther sprechen", jagte sie zum Konstabler an der Thür.

Es war ihr, als wenn die große Vorhalle mit dem schwarzen Steinboden und den feuchten kalten Wänden sich ihr auf die Brust legte.

Durch eine halboffene Thür sah sie einen Ober­fonstabler mit breiten Goldtressen auf der Uniform sizen, plaudern und lachen und Tabak rauchen.

Bitte", sagte der Konstabler und zeigte in langen dunkeln Gang hinein.

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einen

Endlich war sie hineingeführt worden und sah seinen schwarzen, furzgeschorenen Scheitel über einem Protokoll hinter einer gelben Schranke.

,, Albertine Kristiansen", meldete der Konstabler und ging hinaus.

Winther sah sie flüchtig von der Seite an, erhob sich und ging mit den Händen in den Taschen auf

und ab.

mir denken?

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grauen Boden.

Aber plößlich blieb sie jäh stehen. Der Athem verging ihr und sie schnappte nach Luft, während ihre Kniee gegen einander schlugen.

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Dort, gerade ihr gegenüber, auf der andern Seite des großen, häßlich gelben Tisches mitten im Zimmer - dort stand er ja der Stuhl der entsetzliche Stuhl, ihr ewiger Schreck, ihre unaufhörliche Angst, die sie aber draußen unter den frechen Augen der öffentlichen Frauenzimmer einen Augenblick wieder vergessen hatte. Dort stond er hoch und häßlich, mindestens einen Meter höher als der Tisch, mit einem halbrunden Einschnitt in dem braunen, verschossenen, lederbezogenen Sitz und einem niedrigen schrägen Rücken, dort stand er, sein unheim­liches Profil zeigend, und vor der kleinen Treppe, die zu dem Size empor führte, stand ein junger Herr, den sie oft zur Musik auf Karl Johann gesehen hatte mit fleinem schwarzem Knebelbart und dunkeln Augen, und pugte sein Pince- nez, während er auf sie wartete.

Das Blut klopfte in ihren Schläfen, die Kniee schlugen gegen einander und sie schnappte nach Luft.

Vor dem Stuhle, an der Treppe blieb sie stehen

Unmöglich, unmöglich, sie mußte vor Scham in die Erde sinken. Niemals würde sie auf das entsetzliche, häßlich gelbe Gestell hinaufsteigen- hätte sie nur gerade Albertine Kristiansen", sagte er,„ wovon leben Sie in die Erde herabsinken können! eigentlich Sie wohnen bei Ihren Eltern, kann ich Mit einer befehlenden Bewegung zeigte der ältere, Ja, das ist wohl nur so ab und zu, blonde, bartlose Herr, der an dem gelben Waschbecken nachdem was ich höre. Sie, Albertine Kristiansen zwischen den Fenstern stand und sich die Hände an dem Sie Sie sind auf einer gefährlichen, abschüssigen weißen Handtuch abtrocknete, dorthin. Er zeigte mit Bahn. Hier liegen mehrere Meldungen vor, ich sage der weißen halbnassen Hand so befehlend dorthin, daß nicht von wem es ist, es ist von einer Freundin von sie, obwohl sie scheinbar nicht konnte, dennoch aber den Ihnen es sind schlechte Freundinnen, die Sie haben. grauen Boden längst dem großen gelben Tische ent­-Sie sind früher viel mit Jossa Evensen umgegangen, lang ging. und nun haben Sie es wieder angefangen, sagt man es liegen, wie gesagt, mehrere Klagen vor.- Hier ist mit niedergeschlagenen Augenlidern und die Augen fest eine von einer der besten Familien der Stadt. Ein junger auf den Boden geheftet, und der junge Herr mit den Sohn vom Hause ist mehrere Nächte fortgewesen und schwarzen Knebelbart, den sie von der Musik her kannte, mit Ihnen zusammen. Es wird wohl nichts anderes fezte das Pince- nez wieder auf und sagte ganz gleich­übrig bleiben, als Sie vom Arzte untersuchen zu lassen. gültig:" Bitte, setzen Sie sich da hinauf." Nun, warum antworten Sie nichts? Man pflegt in Aber er rührte keine Muskel im Gesicht, zeigte nur jedem Fall doch zu bitten, daß wir es diesmal noch auf die kleine Treppe und sagte: durchlassen sollen, und zu versprechen sich zu bessern- Wollen Sie die Stufen hinauf gehen und sich dort in dem Falle könnte ich es ja in Erwägung ziehen. oben auf den Siz sezen" und mit einem kleinen Klatsch Sie sind, wenn ich mich so ausdrücken darf, auf einem ließ er die Hand flach auf den Lederbezug fallen. sehr gefährlichen Wege ein junges Mädchen, das nicht Sie blieb noch einen Augenblick stehen, dann begriff anständig lebt, bringt ein eutsegliches Unglück über sich fie ihre ganze Hilflosigkeit, und wieder gingen die Füße selbst und seine Familie. Warum antworten Sie nicht? mechanisch vorwärts und trugen sie die Stufen empor. Lachen Sie? Sie werden bald was zu lachen be- Aber als sie oben war auf der obersten Stufe, kommen. Ich denke, es ist am Besten, Sie kommen zum wandte sie sich blizschnell um, und indem sie in den Sitz Arzt hinein. Was sagen Sie dazu?" herniederfiel, die Kniee dicht gegen einander gepreßt, griff sie mit beiden Händen um sich herum und glättete den Rock... und blieb dann mit einer Hand auf jedem Senie ſizen, ein wenig vornüber gebeugt und starrte von ihrem erhabenen Size verwildert auf den Assistenten und den Doktor und den Doktor und den Assistenten herab.

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Sie war bleich und lachte. Sie hörte wohl, daß er vom Arzte sprach, aber wollte er thun, als wenn er sie früher niemals gesehen hatte er? Es war ihr, als wenn sie ihn vor dem Waschbecken stehen sah. Er biß sich in die Lippe.

„ Ich hatte gedacht, Sie durch diese Thür' gehen zu

laſſen", er zeigte auf eine Thüre zur Linken,„ dann hätte Sie niemand gesehen."

Sie lachte laut auf.„ Sind wir denn dammlig geworden, Emil?"

Baar

Er ging fort und riß die Thüre auf. " Fredriksen!"

Pantoffeln bei mir vergessen

Aber keiner von ihnen sah sie an. Der Ooktor Wand und setzte sich an den großen gelben Tisch vor das Protokoll- und der Assistent sah nicht höher als bis zum Sitz des Stuhles hinauf und sagte ruhig be­lehrend:

hängte ruhig das weiße Handtuch auf die gelbgetäfelte

Du mußt Dich ganz hineinsetzen und Dich gegen den Rücken zurücklehnen."

Der Konstabler kam herein. „ Führen Sie sie zum Arzt!" Sie sah sich hilflos um, und der kalte Schweiß Albertine lachte. Du Emil, Du hast " Du Emil, Du hast... und ein sprang ihr an den Schläfen hervor, aber dann plötzlich willst Du sie nicht rückte sie ganz in den Siz hinein und legte sich mit der flachen Hand über die Augen und einem einzigen kurzen ,, Nehmen Sie sich in Acht", sagte er kalt. Fahren Aufschluchzen gegen die stark hintenübergebeugte Lehne Sollte sie vielleicht das Haar auflaffen? Nein.- Oder sollte sie gehen und Olinen's Hut leihen? Hu, nein Sie noch länger fort hier auf diese Art zu reden, so des Stuhles zurück, während sie unwillkürlich, ohne es Sie konnte geht es Ihnen noch schlechter."

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sie wollte das Gefrage nicht haben. heute auch mit dem Kopftuch gehen, das war hierbei

ganz gleichgültig.

holen kommen?"

,, Arbeitshaus vielleicht?" sagte sie und lachte. Winther winkte dem Konstabler, der sie fest am

In der Lackegasse standen mehrere Weiber und Mäd- Arme ergriff und hinausgeleitete. chen in einer Thür und plauderten und lachten. Nein nein

„ Guten Tag, Albertine!" riefen sie, sie nickte wieder

"

Plößlich fing sie an zu begreifen.„ Der Doktor! nein," flüsterte sie dem Konstabler zu,

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zu wissen, die Kniee fest gegeneinander preßte wie in bewußter Angst vor dem, was geschehen sollte.

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„ Glaubst Du, wir stehen hier zum Vergnügen,

und sputete sich, daß sie in die Brückengasse kam. Die ich will nicht, ich werde anständig sein, ich werde Dirne? Die Kniee auseinander, sage ich!" gelben Pferdebahnwagen fuhren und ratterten wie sonst anständig sein, ich werde niemals mehr ausgehen, o lassen und glänzten und spiegelten sich dort unten in der Sonne. Sie mich gehen! Lassen Sie mich noch einmal mit dem Nach der Elvegasse zu, unten gegen die Brücke hin, lag Inspektor reden!"

ein grauer, nasser Himmel und etwas dunkelere und

" Kommen Sie", sagte er.

Du großer Gott so lag sie hier also wirklich; Es duftete stark nach Moschus in dem Zimmer, in sie war es, sie selbst, die hier in diesem schmachvollen

größere Wolfenköpfe famen schnell herauf. Der Rauch das er sie hineinführte und raschelte von Seide und ge- Stuhle lag,/ und er, der junge Herr, mit dem Schnurr­von den Schornsteinen und den großen Fabrikschloten auf dem Nyland- Werk flog gleichsam in fleinen Flicken steiften Unterröcken. Links war eine Thür, aus der eine bart und Pince- nez, den sie von der Musik her kannte, mit einem großen Hut herausfam, indem sie ihre Hand- er stand wirklich da vor ihr und untersuchte sie- un­weithinaus, es pfiff, ein Zug fam, der weiße Rauch flog schuhe zufnöpfte, und sie blickte sie an und musterte sie denkbar, wie es war, war es doch wahr und noch war Sie war bis an die Ecke bei Gunerius Pettersen ge- bon Kopf bis zu Fuß und lächelte ein wenig. Hu! Und sie nicht vor Scham gestorben.

rüdwärts

fommen

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gegen das Polizeigebäude hin.

die Uhr der Erlöserkirche zeigte zehn Minu- sie zog sich vor all diesen geschminkten Augen zurück ten bis zehn. Sollte sie die Younggasse entlang gehen? und drängte sich an den Konstabler.

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Nein, dann kam sie gerade zur Glasthüre und nein, die Plöengasse wollte sie auch nicht gehen.- End­lich war sie auf den Youngmarkt hinausgekommen dort war es voll von Buden; und sie jah den großen Bogen oben über der Treppe, die sie hinauf sollte.

* Als Buch erschienen bei Grimm in Budapest  .

„ Kommen Sie", sagte er.

Sie sahen sie alle an und lächelten.

Stumm lag fie dort eine Weile mit der Hand vor den Augen und sah sich selbst in Gedanken daliegen in der schmachvollen Stellung vor dem jungen Herrn! Und sie lebte wirklich war nicht vor Scham ge­Der Konstabler öffnete die Thüre, und froh, dem storben wunderbar! Und sie lugte ein wenig unter dem Handbogen zu entgehen, von all' diesen geschminkten, frechen Frauen­zimmern angestarrt zu werden, sputete sie sich, über die hervor und sah das oberste Ende seiner weißen Stirn Thürschwelle und machte ein paar Schritte vorwärts mit dem wohlgefämmten Haar, in der Mitte gescheitelt, hinein in das giftgrüne Zimmer mit dem häßlich gelben gegen die Fensterscheiben hin.