schon so hübsche Rechenexempel ausgestellt: jetzt sind wir anderthalb Millionen, bei der nächsten Wahl haben wir drei, bei der dann folgenden sechs Millionen Stimmen; und wenn wir erst so stark sind, dann kommt Rothschild und übergiebt Singer den Schlüssel zu seinem Geldschrank, die Unternehmer danken in corpore ab und bewerben sich bei Auer um die Aemter im Zukunftsstaat, Bebel und Liebknecht   halten eine Konferenz mit der Regierung ab, und dann wird imVorwärts" eine Erklärung erlassen: vom nächsten Ersten haben wir den sozialen Staat. Wie grausam sind wir enttäuscht! Herr v. Caprivi hat kaltblütig unsere schönen Träume zerstört. Wie häßlich von ihm! Nachdem die verbündeten Regierungen darauf ver- ziehten mußten, das Sozialistengesetz wieder einzubringen, waren sie sich über zwei Dinge klar: einmal, daß der Kampf gegen die Sozialdemokratie die ernsteste Frage der Zeit ist, eine Frage, die Jahrzehnte lang die Welt be- schäftigt hat, und deren Erledigung des Schweißes der Edelsten Werth ist; sie waren sich ferner darüber klar. daß, wenn auch ein Sozialistengesetz als solches nicht wieder eingebracht wurde, alle diejenigen Maßregeln er- griffen werden müßten, die im Laufe der Zeit sich als geeignet herausstellten, der Sozialdemokratie entgegen- zutreten, sei es. daß man ihr den Boden unter den Füßen wegzieht, sei es, daß man den offenen Kampf aufnimmt." Zu diesem Zweck, meint Herr v. Caprivi, muß man die geeignete Soldateska haben; für die Soldateska aber ist der Unteroffizier von großer Bedeutung. Machen wir also den Unteroffizier zu einem zufriedenen Mann, füttern wir ihn, stopfen wir ihn, nudeln wir ihn, thun wir alles, damit er nur zufrieden ist; dann wird er mit Leib und Seele uns angehören; dann wird er bei einem eventuellen Straßenkamps auf Vater und Bruder schießen lassen was ist ihm Vater und Bruder? Nudeln sie ihn? Nein, sie nudeln ihn nicht; aber der Staat nudelt ihn. Also nieder mit Vater und Bruder, es lebe der Staat! Wenn unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Erhaltung der Disziplin erschwert wird, so wird es noch viel schwerer sein, wenn wir Zeiten uns vergegenwärtigen. in welchen der Kampf gegen die Sozialdemokratie ich will das Wort Kampf nicht einmal im Sinne von Schießen und Fechten gebrauchen lebhafter wird. Meine Er- innerungen reichen noch in das Jahr 1848 zurück. Die Truppe trat damals in sehr schwierige Verhältnisse, aber sie war doch ungleich besser als heute; denn es war nicht eine lange Schulung zu Ideen, nicht die Erziehung einer Generation zu diesen verwerflichen Ideen vorangegangen, sondern die Ideen traten, wie wenn ein Vorhang fällt, vor das Volk, und es war das Gefühl in der Truppe: was wird nun? Da waren die alten Unterasfiziere den noch in keiner Weis? sozialistisch angehauchten Mann- schaften gegenüber in besserer Lage als die heutigen Unteroffiziere, wo die Sozialisten den Versuch gemacht haben, in die Armee einzudringen." Aber Herr v. Caprivi! Das durften Sie doch nicht! Was wird man sagen! Wird es jetzt nicht heißen: Sie haben gesagt, daß wir die Armee nicht gegen den aus- wärtigen Feind nöthig haben, sondern gegen unsere Mit- bürger; daß die Kinder des Volkes, welche von ihren Familien genommen werden, damit man sie in Uniform steckt und im Schießen übt, daß die nicht gegen den Feind" gebraucht werden, sondern gegen das Volk selbst! Und was werden Sie sagen, wenn man Ihnen er- widert: in ein Paar Jahren haben die Sozialdemokraten die Majorität im Reichstag, können sie den Maßnahmen der Regierung gesetzlichen Widerstand leisten! Oder meinen Sie, daß, wenn wir so lange gewartet haben, wir nicht auch noch die Paar Jahre abwarten können; und ein Paar Jahre dauert es ja nur, wenn nicht ein Krieg oder etwas Anderes die Entwicklung noch be- schleunigt; meinen Sie, wir werden eine Revolte machen? So dumm sind wir nicht! Was muß man sich nun denken, wenn man angesichts dieser Thatsache eine derartige Begründung der Unter- offiziersprämien hört? Muß man sich nicht denken: das ist die Vorbereitung zum Staatsstreich? Muß man nicht denken: wenn das Proletariat so weit ist, daß es seine Wünsche gesetzmäßig äußern kann, wird man ihm den Mund gewaltsam schließen und den Reichstag auseinanderjagen nach berühmten Mustern? Ein Staatsstreich war im Grunde das Sozialisten- gesetz schon, aber man konnte ihn noch gesetzlich über- tünchen. Dieser Staatsstreich wäre die Offen- barung der nackten Gewalt. Und da würde ihm auch wohl die nackte Gewalt entgegentreten. Aus der Zeit der Barrikadenkämpfe sind wir heraus. Die Revolution, welche die Regierung machen würde wenn man den Worten des Kanzlers wirklich die Be- deutung unterlegen kann müßte ganz andere, ge- waltigere Kämpfe hervorrufen. Und dabei würden die Unteroffiziersprämien wohl nicht viel nützen. Aber was ereifern wir uns und was regen wir uns nur auf? Heute ist Regen, morgen ist vielleicht der schönste Sonnenschein, es ist ja Aprilwetter, das uns derneue Kurs" gebracht hat. Wir werden unsxburch diese Witterungswechsel nicht hindern lassen und unseren Weg ruhig fortsetzen. Neues vom Anleiheschmindel. M. M. Die 3 Prozent. Anleihe ist gerade zugetheilt, und sofort steigt der Kurs van seiner Höhe auf das Niveau des ohnehin niedrig fixirten Emissionskurses herab. Ein Bruchtheil eines Prozentes noch, und er ist dort angelangt. Wie sehr wir mit unserer Beurtheilung des jammervoll aufgebauten Kartenhauses von Zeichnung ins Schwarze getroffen hatten, ist dadurch bewiesen. Verrauscht ist der Jubel, und der Katzenjammer beginnt. Die kleinen Zeichnungen bis 1000 M. sind so spärlich. daß sie der Rede nicht werth sind. Je höher die Summen, desto mehr Anmeldende. Wer da zu behaupten wagt, das sei keine Spekulation, das sei die reine Anlage, der macht einen salto mortale ans Kosten der Wahrheit. Die von den privaten Zeichnungsstellen angemeldeten Beträge erreichten die Summe von über 10 Milliarden Mark. Da bei der Zeichnung bekanntlich eine Kaution von 5% zu erlegen war, so Hütten diese 10 Milliarden 500 Millionen Mark Kaution bedungen. 500 Millionen Mark im Reiche aufzubringen und zwar in wenigen Ta- gen und als Zeichnungskaution, das, behaupten wir, ist unmöglich. Und wenn es möglich hätte sein sollen, dann hätte der Kredit im ganzen Lande eine Anspannung aufs Aeußerste erfahren müssen, dann hätte die Beschaffung der 500 Millionen ihren Reflex zurückwerfen müssen bis in die feinsten Aederchen des Verkehrs. Aber keine Spur von Aufregung war wahrzunehmen. Der Reichsbank- status selber blieb in der Zeichnungswoche so stationär wie je. Also ist die Zeichnungskaution nicht aufgebracht worden. Und zwar aus dem einfachen Grunde nicht, weil nicht das Privatpublikum die eigentlichen großen Summen zeichnete, und nicht einmal die Berufsspekulation, sondern weil die Banken selbst sich den Humbug leisteten, für sich selbst und durch sich selbst den größten Theil der Zeichnungen zu bewerkstelligen. Das ist eine sehr wohlseile Reklame einerseits, denn man konnte sich ja vorher genau sagen:Wenn wir die Anleihe 42 mal zeichnen, dann können wir auch nur den 42ten Theil zuertheilt erhalten". Risiko also haben wir nicht. und wir vollbringen durch unseren Zeichnungsrummel obendrein noch eine patriotische That. Da aber die Zeich- nungsstellen selbst keine Kaution zu hinterlegen brauchten, wenn sie für sich selbst in ihrem eigenen Heim zeichneten so brauchte die Zeichnungskaution nicht erst aufgebracht zu werden. Die einfache Folge dieses Zeichnungs- scherzes muß sein, daß die Anleihe nicht im Publikum untergebracht ist und auch nur zum kleinen Theile spe- kulativ ganz wie wir es voraussagten sondern daß das faktische Verfügungsrecht über die Stücke die Banken selbst haben. Nicht allein die als Emissionsstellen sungirenden 14 Banken, sondern auch alle größeren Banken des Platzes, welche so unvorsichtig waren, das Vielfache der faktisch bei ihnen angemeldeten Stücke zu zeigen. Nun, wir wünschen den Banken und den großen Firmen, daß ihnen die Anleihe nicht allzuschwer im Magen liegen bleibe. Vielleicht werden sie sie auch im Laufe langer Zeit verdauen. Herr Miquel aber braucht sich auf den Erfolg der ganzen Subskription nichts ein- zuvilden. Er könnte sonst üble Erfahrungen machen. Damit auch der äußere Humor an dem Humbug nicht fehle, tobt nun die brave, fromme Kreuzzeitung gegen den Terminhandel in Staatsanleihen, und das Blatt der Großjobber aus dem Tempel in der Burg- straße, derBerl. Börsen Kourir" legt hinwiederum für das Termingeschäft eine Lanze ein. Die Beiden merken garnicht, daß der Terminhandel in Staatsanleihen längst wieder schlafen gegangen ist. Er wird auch kaum wieder auferstehen. Denn nach oben ist an unseren Staatsanleihen nichts zu holen und nach unten dazu sind sie noch nicht verwässert genug. Aber gemach! Das Deutsche Reich ist ja ein Neuling unter den Europäischen Schulden- machern. Nur so weiter, und man' wird sich bald in Gesellschaft der Serben, der Türken, der Spanier, Bul- garier und Italiener   befinden, eine nette Gesellschaft. Heimstättenrecht. i. 89. Die Herrschaft der kapitalistischen   Wirthschast hat die Trennung des Arbeiters von den Produktions- Mitteln zur Voraussetzung. Nur diefreie" Arbeitskraft kann zu einer Waare werden, die unter dem Schein eines rechtlichfreien" Kaufvertrages im Produktionsprozesse mehrwerthschaffend, d. h. unbezahlte Arbeit leistend, an- gewendet wird. Und thatsächlich bietet uns die Lebens- �schichte des Kapitalismus bis zur Stunde nur das ununterbrochene Schauspiel jenes Enteignungsverfahrens, anfangs unter Zuhilfenahme offenkundiger Gewaltmittel in Szene gesetzt, später durch den friedlichen Ausgleich einerfreien Konkurrenz" auf dem Produktenmarkte fortgesetzt. Heut charakterisirt folgerichtig ein wildes Durch- einander der persönlichen und sachlichen Produktions. faktoren das bereits erreichte Stadium jenes Mobilisations- Werkes. Von der Scholle losgerissen fluthet heute eine niillionenköpsige Arbei.erarmee ruhelos von Markt zu Markt, gleich ihren Erzeugnissen, den tobten Maaren  - massen, der tollsten Spekulation und dem Zufall über­antwortet, welcher unter der Aera derfreien Konkurrenz" Angebot und Nachfrage fast allein reguliren. Seit die Entwicklung der Maschinerie einen gewissen Höhepunkt erreichte, hat dieUeberproduktion  " an Waare Arbeits- kraft mit der Ueberfüllung der übrigen Produktenmärkte gleichen Schritt gehalten; dort wie hier herrscht eine dauernde Absatzkrise, mit dem Güterreichthum ist die Reservearmee" gewachsen. Und während die herrschende kapitalistische Produktionsanarchie unaufhaltsam einer Katastrophe zutreibt, droht gleichzeitig die wachsende Fluth der Expropriirten die Expropriateure zu ersticken, droht eine wirthschaftliche und gesellschaftliche Sintfluth die bestehende Kultur des Kapitalismus zu vernichten. Vergegenwärtigen wir uns dies, und besonders noch, daß die Loslösung der Arbeiterklasse von den Produktions- Mitteln(hier wieder in erster Reihe von Grund und Boden) bereits zur endgültig vollzogenen Thatsache ge- worden ist, daß ferner der nur noch nominell zu den Besitzenden zählende Kleinbetrieb dem gleichen Geschick mit Riesenschritten zueilt; dann wird uns der von Ab- geordneten der konservativen Partei eingebrachte Antrag auf Erlaß eines Heiwstättengesetzes nur ein Lächeln ab- gewinnen. Daß vorwiegend reaktionär gesinnte Junker, also die Nachkommen jener Raubrittersippschaft, die einst durch dasBauernlegen" die Beweglichkeit der Arbeiter- Heere ani radikalsten gefördert haben, zu den Antrag- stellern gehören, ist der unfreiwillige Humor bei dieser an sich naiven Sache. Zuerst, was wollen die Leute; ihre Agitations- broschüre*) giebt uns auf Seite 10 eine kurzgefaßte Uebersicht. Wie ein derartiges Gesetz etwa beschaffen sein müßte, zeigt der Versasser der oben erwähnten Broschüre, der einen derartigen Entwurf seiner Schrift angehängt hat. Danach darf die Maximal- g.öße einer Heimstatt die Größe eines Voll-Bauernhofes nicht übersteigen; die kleinste muß einer ländlichen Arbeiterfamilie außer der Wohnung auch die Produktion der nothwendigsten Nahrungs­mittel ermöglichen. Der Besitz darf nur bis zur Hälfte des Er- tragswerthes mit Renten verschuldet sein. Die Grundbücher sind gegen neue Verschuldung geschlossen. Die Heimstätte unterliegt nur der Pfändung bezw. der exekutiven Eintreibung der Schulden und deren Folgen, wenn die Forderungen aus der Zeit vor Er- richtung der Heimstätte stammen und seit letzterer nicht drei Jahre verflossen sind, wenn sie rechtskräftige Ansprüche von Lieferuncien zur Errichtung der Heimstätten betreffen und wegen rückständiger Steuern und Renten. Die Heimstätte ist untheilbar und geht nur ans einen Erben über. Die Uebertragung bei Lebzeiten ist uur mit Zustimmung der Frau des Besitzers gestattet." Kurz gesagt: mau will die fluktuirende Arbeiter- bevölkerung wieder seßhaft, den wankenden ländlichen Kleinbesitz wieder lebensfähig machen. Die Motive und Ziele dieser Bestrebungen sind zum Theil voni engherzigsten Egoismus diktirte, zum Theil lleinbürgerlich-reaktionäre. Zu den ersteren rechnen wir die Fesselung des Proletariats an die Scholle, um als billiges, beliebig zur Hand befindliches Ausbeutungs- objekt des Großkapitals zu dienen; zu den zweiten die Rückkehr zur feudalen Betriebszersplitterung durch eine Unmasse selbständiger Kleinbanernwirthschafte». Das Wesen der herrschenden kapitalistischen Pro- duktionsweise ist wie auch nicht anders zu erwarten unseren Heimstättenmännern gänzlich unbekannt. Sonst müßten sie doch vor allen Dingen wissen, daß das Kapital nicht nur eine besitzlose und leichtbewegliche Arbeiterarmee, die es beliebig anziehen und abstoßen kann, braucht, sondern auch unausgesetzt in derReserve- armee" zu vergrößern sucht. Zu Zeiten mag die Aus- beutung einer ansässig gemachten Arbeiterschaft vielleicht noch wirksamer betrieben werden können, als heute, im Prinzip ist das Kapital aber für eine Spekulation mit der Arbeitskraft, wie mit seinen übrigen Waaren und für volle Bewegungsfreiheit. Aber auch die Stellung des Arbeiters im heutigen Produktionsprozesse verlangt gebieterisch die letztere. Er muß leicht und schnell die Arbeitsmärkte aufsuchen können, denn seine Waare Arbeitskraft ist für ihn ein werthloses Ding, für das er, um nicht Hungers zu sterben irgendwo einen Käufer suchen und finden muß. Bei einer etwaigen Nachfrage muß er ungehindert zur Verfügung des Kapitalisten stehen können. An eine feste, bleibende Heim- statte gefesselt, würde seine Arbeitskraft zu Zeiten gar keinen Preis haben. Im modern und rationell bewirth- schafteten ländlichen Großbetriebe dürfte dies zum Beispiel während der 3 bis 4 Wintermonate der Fall sein. Auch dies Bild hat zwar eine für das Kapital be- denkliche Kehrseite, da durch den Besitz einer kleinen Scholle einigermaßen unabhängige Arbeiterniassen bei Streits oder sonstigen Differenzen widerstandsfähiger wären als ganz besitzlose. Aber dieser Fall kommt vor- erst nicht in Betracht, weil die schuldenfreie Erwerbung einer solchen Heimstätte für die Mehrzahl der jetzt Leben- den ein Ding der Unmöglichkeit bleibt. Das moderne Industriekapital wird sich somit für ein Heimstättengesetz nie erwärmen, so sympathisch es sich auch öffentlich, aus Furcht vor demrothen Gespenst", dieser Utopie gegenüberstellen mag. und das Proletariat hat erst recht Veranlassung,kühl bis ans Herz" zu bleiben. Diejenigen aber, die einzig und allein ein Interesse daran haben,'sind die Großgrundbe''itz?r, die modernen Vertreter der kapitalistischen   Plnsmacherei in der Landwirthschaft. Ihnen kämen die freiwilligen Sklaven- zwinger von Arbeiterheimstätten allein gelegen; und wieder ist es nur die Seßbarmachung der Arbeiterklasse, nicht aber die Sicherstellung der kleinen Grundbesitzer, was sie fordern. Das ist klar, der Aufsaugung des Bauernstandes durch den Großgrundbesitz wäre ja durch den Schutz gegen Verschuldung ein wirksamer Riegel vor- geschoben. In einem Artikel derKreuzzeitung  " om 14. Februar v.J. wird das auch ganz offen ausgesprochen: So ist denn sein(des Großgrundbesitzers Sombart  , der als Vater der Heimstättenutopie gelten kann, Raih ein entschieden schätzbarer, aber, wenn wlr Landwirthe ihm auch warme Auer- kcnnung und Tankbarleit für seine Bestrebungen zollen, so müssen *) Heimstättenrecht, ein Recht für Jedermann. Berlin  . Rich. Wilhelmi. 189 l.