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Beiblatt zur Berliner Volks- Tribüne.
Nr. 16.
Knüppel aus dem Sack.
Von allen Wünschen in der Welt
Nur einer mir anjetzt gefällt, Nur: Knüppel aus dem Sack!
Ich dächte mir bei Tag und Nacht
Nur: Knüppel aus dem Sack!
Dann braucht' ich weder Gut noch Gold
Ich machte mir die Welt schon hold
Mit: Knüppel aus dem Sack! Ich wär' ein Sieger wie ein Held Der erst und beste Mann der Welt Mit: Knüppel aus dem Sack!
Ich schaffte Freiheit, Recht und Ruh Und frohes Leben noch dazu Beim: Knüppel aus dem Sack! Und wollt ich selbst recht lustig sein, So ließ ich tanzen Groß und Klein Beim: Knüppel aus dem Sack!
Märchen, würdest du doch wahr Nur einen einz'gen Tag im Jahr, Knüppel aus dem Sack!
Ich gäbe drum, ich weiß nicht was, Und schlüge drein ohn' Unterlaẞ, Frisch: Knüppel aus dem Sack
Auf's Lumpenpack! Auf's Hundepack!
Die papierne Passion.
Von
Arno Holz und Johannes Schlaf .
Eine kleine Berliner Küche, vier Treppen hoch, um die Weihnachtszeit. Es ist fast dunkel. Nur das Heerdfeuer, das oben über die Decke zittert, und unten ab und zu aus dem Aschenloch ein paar Funken, die bis in den Kohlenkasten sprizen.
Sonnabend, den 18. April 1891.
V. Jahrgang.
Mutter Abendroth hat nicht geantwortet, mehrmals wischt
Det's nu schon det dritte Mal!! Mit die verfluchtigten Bengels haste Dir wieder rumjetrieben! Uf'n Weihnachts- jetzt Herr Haase mit seinem Aermel üqer die Mappe. marcht! Aassticke!!!"
"
jo
Ach, Mutterk'n?! Mutterf'n?! Idk- Mutter!! Mutter!!!"
icf
So! So!- Ae!- Ae!
"
Ick hau Dir noch dette Boomeel jiebst!!"
„ Muttär!! Muttär!!"
-
willt'
. Ich Sie wissen ja, ich.
Mutter Abendroth'n hat ihre Lampe unterdessen wieder zugedreht und pustet nun in den Brenner.
Pff! O, lassen Se det man jut sind, Herr Jck weer Dir!... Haase! Pff! Haase! Pff!... Pff!... det- Pff! det hat ja janischt zu sagen!"
Die Lampe wirft ihr Licht jetzt voll durch die Küche, Wally,
De Schwindsucht ärjr' ich mir noch am Halse mit die aufmerksam zugehört hat, dreht sich wie ertappt wieder schnell Ruppije, riedije Bolle, Du!!"
Muh... tär!! Muh- tär!!"
"
Dir!!
Biste ruhig?!
-
Obste stille bist?!
Jo!
Nu fluckre man noch wie so'nne olle Truthenne! Ick weer Dir! Man immer rumdreibn! Wat?! Schularbeeten un so wat: och, is janich! Is nich! Jott, na! Ich sag ook! Wat aus det Meechen noch weern soll? Wachte Du!! Floobst Du, ick laß Dir so'nn Miststicke von Froonzimmer weern, det fick mit alle Kerls rumdreibt?!! Wat?! Eh'r hau' t Dir de Knochen im Leibe kaputt!! Eh'r häng' t Dir uff!!!"
ihrem Fenster zu. Sie hat sich die Schürze vor den Mund. gestopft, ihre spitzen Schultern zucken vor unterdrücktem Kichern. Herr Haase ist noch fassungsloser geworden, Mutter Abendroth'n sieht sich empört nach ihr um.
Na? Wat haste denn, olle Jans?! Wist woll wieder'n paa aus de Armentasse, wat?!" „ Hm!
Meine lich
-
-
Sie... Sie wissen ja, wie das ist! Mutter kriegt ihre Zinsen immer so unpünktund.. und
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Herr Haase dreht nervös seinen Stummel zwischen den
Fingern.
.
und alles werd' ich Ihnen diesmal wohl auch nicht geben können!" Mutter Abendrothen setzt die Lampe auf den Tisch, sie sagt kein Wort.
Es ist nur, weil... Ich habe jetzt nämlich auch einen Stundenschüler verloren und... hm!"
Sie ist jetzt auf den Küchentisch zugeschlurft, mit einem Ruck hat sie die Lampe hoch, wüthend schüttelt sie das alte Ding hin und her. " Da! Hier! Un der Eel is ooch alle! Jo! Vor Dir kann't woll hier in Dunkeln sizen! Wat?! Lauter Fiffematenten haste in Kopp!! Aber an wat denken, is nich!! Olle dufflichte Droomlade, Du!!.... Ach, wat! Hab Dir man! Jo?! Wiste jetz machen, dette ufstehst?! Kannst jleich noch mehr besehn!!- Jetz holste noch'n bisken! Drüben is't joo ooch man falt!" Petroljum, verstehste?! Na? Wird's bald?! Ick
Vom Fenster her pruſtet es. „ Hm! Na! Ich will man nun' nübergehn!" Herr Haase hat die Hand auf die Thürklinke gelegt. Aber... wat denn?! Wärm'n Se sick doch
"
-
.Aber ich. ,, Och, bleib'n Se man! Wachten Se! Icf ich hab da noch ick hab da noch... Woll'n Se vielleicht noch
weer Dir Beene machen!! Neelsuse! Da! hier! Halt doch de Hand uf!! Na?! Un de Bulle? Natierlich! jloob Is widder nich!! Halt doch fest, ollet, deemlichtet' ne Tass' Kaffe?" Sticke Meebel, halt doch fest!!
Endlich ist Wally wieder zur Thür hinaus. Draußen schluchzt es noch ein paar Mal, dann klappt die Entreethür zu. " Hach Jott, na! Ich sag schon!"
G"
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" D... Sie sind sehr freundlich!" Schüchtern hat Herr Haase sich wieder gegen den Heerd gelehnt, in der Fensterecke schnurgelt es, als ob Jemand ersticken wollte. Herr Haase sieht unwillkürlich auf seine sehr kurzen Hosen hinunter. Nanu?!... Na? Jieb Dir doch! Ja?!" Herr Haase schneuzt sich wieder. „ Na! Ick sag scho::! Det Balg! Wat man Ae, ick jag ook!" Mutter Abendroth'n hat jetzt die kleine, blaue, schwarzberußte Kasserolle von den durchglühten Heerdringen abgehoben; durch die kleine, kreisrunde Oeffnung in der Mitte fladkert es „ Ja! Mit die Miethe, wissen Se ich hätt' ihr zwar sehr nöthig... Ae! Pfui Deibel ja! All wieder verbrannt! Ik sag ja!!"
so sein'n Aerjer hat? Eben ist
wieder fragen die Kartoffeln über das Reibeisen. Draußen tappt Mutter Abendroth'n hat sich wieder auf ihren Stuhl gesetzt, Mutter Abendroth'n, eine große braunirdne Schüffel es faul die Treppen hinunter. Eine Weile vergeht. Das kleine, zwischen den Knieen, sitzt da und reibt Kartoffeln. Ihr dickes, in der Schrankecke tanzt, zwischen den beiden blutrothen Troddeln blitzende Pünktchen auf dem Zinkdeckel der langen Pfeife hinten rundes Gesicht ist in den Wiederschein der Heerdgluth vor ihr oben am Mundstück flinkern ein paar Goldfäden getaucht und puterroth; ihr Haar schwarz und glatt gescheitelt. unten durch den Thorweg wieder ein schwerer, mit Eiſen beSie trägt eine dunkelbraune Tricottaille, die durch eine bunte ladener Wagen in den Hof geraffelt. Ein paar Arbeiter rufen Brosche zusammengehalten wird mit dem Bildniß der Königin and lachen, unten in Budiferkeller muß man unterdessen die Die Uhr über dem Bett tickt, stoßweise weht der Wind den Fenster geöffnet haben, die Ziehharmonika ist verstummt, deutlich Schnee gegen das kleine Fenster.' Dazwischen, zuweilen, leise in flappern ein paar Billardbälle. Dazwischen, regelmäßig, von das dumpfe Geratter der Fabrik hinten auf dem Hofe, das der Fabrik her, die Dämpfe. Klirren der Scheiben
Louise.
„ Hach Jott ja! zimmer!"
Idk sag ja! So'nn Froven
Das Reibeisen ist ihr in den Brei gerutscht, sie klopft es gegen den Schüsselrand ab.
„ Ick sag't ja! Idk ärjer mir noch kaputt! An janzen Leibe! Ick kriej de Schwindsucht! So'nn Frooenzimmer!"
" Hach Jott ja!"
decke schrubbelt sich Jemand hastig den Schnee von den Füßen, Endlich hat wieder die Entreethür gefnarrt, auf der Strohdazwischen lacht und schwazzt Wally.
"
gehorcht.
Nanu?"
roth auf.
-
wieder über das Feuerloch. Mutter Abendroth'n zerrt verdrießlich die heißen Ringe „ Ach! Nur bis zum Fünfzehnten! Wenn Sie sich bis zum Fünfzehnten gedulden könnten! " Ja! Ja... Sehn Se! Et is man...." Ste gießt den heißen, dampfenden Kaffee in eine große, blaumarmorirte Portionstasse und mischt nachdenklich ein paar " Sagen's mal: Löffel Kochzucker hinein.
Einen Augenblick lang hat Mutter Abendroth'n auf" Ah so!"
„ Au! Is jo janich mal wah!
Die kleinen silbernen Ringe in ihren Ohrläppchen zittern, wahhaftig!" wieder kratzt es regelmäßig durch die kleine Küche
ick meen man!
-
Sehn Se! Mein Karl
Die Küchenthür ist aufgegangen, draußen in dem kleinen, pfff?! stockdunklen Entree glüht jetzt der rothe Bunft einer brennenden bringt mir diesetmal ooch man dreißig Mark. Na! Un Cigarre auf. Man huſtet
„ Nee! nee! So'n Frooenzimmer! So'nn. Doch schlecht!! Ich sag't ja! Warum nich jleich lieberst in de Beene?? So'nn Miststicken!! Na komm du mir man! Ick weer dir schon inweihen! Wat??.... Eenzen. Zweeen
•
Die Uhr über dem Bett hat zu schlagen begonnen, Mutter Abendroth'n zählt..
auf
-
„ Vieren.... Fünwen.... Wat? Sechsen?! Nanu wird's Dag! Nu schlag eener lang hin! So'nn
Aas!"
" Det jreeßte Portmanneh,
Det jreeßte Portmanneh,
Hat Ladewich, hat Ladewich, Det jreeßte Portmanneh
Mutter Abendroth'n hat aufgehorcht!
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Draußen eine hohe, etwas heisere Stimme; langsam,
fingend, kommt es die Treppen in die Höhe gestampft.
" Det jreeßte Portmanneh..
Jezt geht die Entreethür.
" Hat Ladewich, hat
Ach, watt!!
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Ettchen, dettchen, dittchen, dattchen,
Zebe de Bebe de bunte Klattchen,
Zebe de Bebe de Buff!""
Jetzt, endlich, ist auch die Küchenthür aufgegangen.
"
' N Abend, Muttert'n!"
W!"
„ Herr Haaje?! Sagen's mal
,, Na?! Mach doch, dette rinkommst!"
,, Gu'n Abend, Frau Abendroth!"
"
Der runde, rothe Punkt draußen wippt eilig ein paar Mal und ab, dann geht irgendwo in der Dunkelheit eine Thür. " Ah!' n Abend! Nanu?! Treten S' doch' n bisfen neher, Herr Haase!"
D, wenn
hm
wenn Sie gestatten?"
Gu'n Abend!"
„ D, na! Wojo nich?! Bitte!"
Gu'n Abend!
" 1
' N Abend ook!"
"
Herr Haase ist schüchtern eingetreten. Ein lang aufgeschlossener, schmalschultriger Mensch; unter den Arm hat er eine dicke glanzlederne Collegmappe geklemmt.
Mutter! Herr Haase sagt..."
„ Na?! Laß doch noch de Pulle fallen, ja?! Froonzimmer dufflichtet!"
Wally ist einen Augenblick zusammengezuckt, sieht aber Herrn Haase schon wieder grade in's Gesicht.
„ Och, Mutter! Seh mal, wat Herr Haase fier' ne rothe Neese hat!"
„ Nanu?! I, seh doch! Nanu wird't ja immer besser! Wiste wachten, biste jefragt wist, Royneese?!"
Herr Haase hat jetzt seine große, rothe, gekrümmte Vogelnase schnell in sein Taschentuch vergraben. Er schnäuzt sich. Hm Ein gräuliches Wetter heute!"
Verblüfft ist Wally an der Thür stehen geblieben. Sie ist ein kleines, blondes, vermeckertes Ding von elf Jahren. Den Schneeball vorn an ihrer Jacke hat sie sich noch so schnell als seine möglich wegzuivischen gesucht, sie stottert.
Ick
M!!"
"
ick..."
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Er hat sich jetzt noch dichter gegen den Heerd gedrückt, dünne Stimme zittert vor Frost. Mutter Abendroth'n
macht sich mit der Lampe zu schaffen. „ Ach ja! Et macht' ne jute Hucke hin!" „ Hm! Was ich
"
denn hab' ick man noch de Miethe von Herrn Rödern un von det Freilein da in die Vorderstube. Sehn Se! Un davon soll ick nu leben und de deire Miethe bezahl'n! - Un denn gloob'n Se ja janich, wie deier det jeg allens is! Fier det Sticksken Butter muß ick jez siebzig Pfennige..
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Siebzig
siebzig Pfennige in de Markthalle bezahln! Ja! Sie jloobn janich! Na! Aber lassen Se man gut sind! Wat nich is, is nich!"
Sie präsentirt Herrn Haase die dampfende Tasse. ,, Da! Trinken S' man!"
" Hm!
- Ich danke sehr! danke sehr!"
Herr Haase ist wieder ein wenig roth geworden. Vorsichtig hat er die Taffe genommen. Sie ist bis zum Rande voll. Er schlürft in kleinen behaglichen Zügen.
sag'
" Hach Jott ja!- Ick jag schon det Leben!" Mutter Abendroth'n hat sich wieder auf ihren Stuhl gesetzt und die Schüssel auf den Schooß genommen. " Is man so'nne Lurfe! Wat? Aber bei so'nne
Kälte thut't doch jut!"
„ Ach! Er ist ausgezeichnet!
"
Herr Haase hat aufgeathmet, er lächelt jetzt. Mutter Abendroth'n hat hat ihren Arm lang über den Schüsselrand gelegt und blinzelt ihn nun gutmüthig an.
„ Na, wachten Se man! Wenn Se erst mal Pro
fessor sind!"
Herr Haase bückt sich über die Tasse.
群
Aber denn hab'n Se de olle Abendroth'n lange
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vergessen, wat?" " D!"
Mutter Abendroth'n lacht.
„ Au! Da muß man ville Jeld hab'n! Wah ja,
Die leere Tasse, die Herr Haase eben auf den Heerd setzt,
Unten vier Treppen tiefer aus dem Budikerkeller dringt jetzt Herr Haase besieht sich zerstreut das feuchte, zerkaute Ende deutlich der dünne Ton einer Ziehharmonika:„ Siste woll, da seines Cigarrenstummels. Wally ist auf den Stuhl neben dem timmt er, lange Schritte nimmt er" Mutter Abend- Fenster geklettert und sucht nun durch die befrorenen Scheiben Herr Haase?" roth'n hat sich, die Hände in die Seiten, mitten in die dunkle unten in den Hof zu sehn. „ Siste woll, da kimmt er schon, der Was ich... noch sagen wollte, Frau Abend- flappert. Du??! Idk weer Dir!- Soft Dein unjewaschnet roth. Ich Seine Mappe ist ihm auf die Dielen geglitten, er bückt sich Maul nich in allens häng'n!" nach ihr. Langsam kluckert das Del in die Lampe . „ Ach Gott !" Lassen Sie doch! Ich wollte Sie nämlich bitten, liebe Frau da weiter bei?"
Kitche gestellt " J!- Seh doch! Also doch schon?!"
befoffne Schwiegersohn.
„ Ick..
Dir
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. ich hab jo man.... Liese!!"
"
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Was ist denn
Wat?? Lieje?? Jawoll, Du Aas! Hab icf nich jesagt, Du fost um Vieren widder da Abendroth, sich mit der Miethe doch noch ein wenig," I, na! Wat denn?! Js jo wah! Wirklich! Sie sind?! Wat?! Un jet is' t Sechsen!!! Na wachte Du! das heißt, ich meine... ein paar Tage mein' ich... iloob'n janich, wat ich mir mit det infamichte Jör ärgern Ich weer Dir! Frovenzimmer! Mensch, infamichtet!! geduldigen zu wollen! Ich... muß! Eben kann ich ihr halbdot jehauen hab'n: im
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