mäßige Grundsteuer beträgt höchstens 11 Kopeken der Eigenthümer gewinnt also nur 20 Kopeken von jeder Dessjätin. In den fünf südlichen Gouvernements(im Gebiet des Schwarzen Meeres ) sind die Verhältnisse noch ungünstiger. Die Durchschnittseinnahme beträgt etwa 146 Kopeken, die den Banken zu zahlenden Zinsen 157 Kopeken, das ergiebt bei einer Grundsteuer von ebenfalls 11 Kopeken ein Defizit von 22 Kopeken. Daraus folgt eine beständige Unmöglichkeit, Zinsen und Steuern zu zahlen. In den zehn im Gebiete der..schwarzen Erde" liegenden Gouver- nements, die unter allen anderen den reichsten Boden be- sitzen, beträgt die Reineinnahme von der Dessjätin 281 Kopeken, die Zinsen verschlingen 228 Kopeken, die Grund­steuer 15 Kopeken, es bleiben dem Besitzer also nur 38 Kopeken für die Dessjätin. Nur dem Umstände, daß das Land von zu wohlwollenden Agenten der Terrotorial- banken zu hoch abgeschätzt wurde, ist es zu verdanken, daß die Einnahmen von den Zinsen in so hohem Grade ver- zehrt werden. Wir müssen noch bemerken, daß die Ober- fläche der in so unheilbarer Weise verschuldeten Güter einen beträchtlichen Theil des gesummten Grundbesitzes ausmacht. Nur in den nördlichem Gegenden, wo die Erde fast gar keinen Werth hat, ist sie nicht mit Hypotheken belastet. In dem Gebiete des Schwarzen Meeres bilden die ver- pfändeten Güter ungefähr 40% des Grundbesitzes. An der unteren Wolga steigen sie auf fast 50°/o und in einigen Provinzen z. B. Chersson befindet sich alles den Besitzern gehörige Land in dieser Lage.(Annales 1880, Nr. 248) Nichts kann betrübender sein als diese Zahlen. Sind sie richtig, so ist die Zwangsversteigerung der Be- sitzungen unvermeidlich. Uebrigens verkauft man sie jedesmal, wenn eine Bank die Bilanz ihrer Rechnungen zieht, zu Dutzenden. Aber die Lage des größten Theils des russischen Grundbesitzes nähert sich reißend schnell demselben Niveau. Die so genauen statistischen Aufnahmen der Semstwo von Moskau haben ganz Rußland in Er- staunen gesetzt. Dieselben zeigen, daß in dieser Provinz, die den gewaltigen Markt für die alte Hauptstadt besitzt, die adligen Grundbesitzer vollkommen ruinirt sind; die Oberfläche des angebauten Bodens beträgt vier Fünftel, manchmal nur ein Viertel von dem, was früher bebaut war. In vielen Gebieten ist überhaupt keine Kultur mehr zu finden. Die Wälder sind verwahrlost. Selbst die in der Umgebung großer Städte so einträgliche Milchwirth- schaft befindet sich in einem sehr traurigen Zustande. Von allen Enden des ungeheuren Reiches hört man die- selben trostlosen Klagen.Die Erde trägt nichts!" ist der einstimmige Ruf des Adels. Er flieht das Land und nimmt seine Zuflucht zu der Stadt, wo er eine staatliche Anstellung bei der Verwaltung oder in einem freien Berufe sucht. Das Land läßt er brach daliegen oder überläßt es Pächtern, welche es zu Grunde richten oder er verkauft es an Emporkömmlinge reiche Schänken besitzer oder frühere Leibeigenenaufseher, welche mit der neuen Art, die Angelegenheiten in den Dörfern zu leiten, besser vertraut sind. Es würde zu weit führen, die Verhältnisse, welche die Befreiung der Leibeigenen herbeigeführt hat, zu unter- suchen und ausführlich eine Erklärung dafür zu geben, warum die adligen Grundbesitzer dem Ruin entgegengehen. Die Emanzipation hat sowohl die Bauern«1s die Be- sitzcr ruinirt, indem die Bauern zu wenig Land haben, um die übermäßigen Steuern, welche oft den ganzen Reinertrag des Bodens verschlingen, zu zahlen, und an- dererseits die Besitzer während der dringendsten Zeit nie- mals rcgelmäßig die erforderliche Anzahl von Arbeitern finden; es ei denn, daß es ihnen gelungen ist, alle Bauern der Umgegend in ein unentwirrbares Schuldennetz zu verstricken. Die Bauern folgen auch thatsächlich niemals dem Rase der Grundbesitzer, wofern sie nicht gezwungen sind, auf den Feldern der letzteren, wenn auch mit Wider willen, zu arbeiten und ihre eigenen Ernten währendessen zu Grunde gehen zu lassen. Die einzige Art des Acker- baucs, die noch Früchte trägt, ist also die, welche auf dieser neuen Form von Leibeigenschaft beruht, die der russische BauerKabala ' nennt, dasselbe Wort be­zeichnete früher den Verkauf eines Menschen in die Skia- verei. Es giebt nur sehr wenige Ausnahmen von dieser Regel. Um ein solches System zu organisiren und jähre- lang fortzusetzen, muß mau viele besondere Eigenschaften besitzen. Eine gründliche Kenntniß der benachbarten länd- liehen Bevölkerung ist die erste Bedingung; sie genügt aber nicht. Es erfordert viel List, Ausdauer ja Grau- famkeit und Unredlichkeit, um die Bauern auf die wirk- samste und sparsamste Weise an sich zu locken und zu fesseln. Die Unfähigkeit unseres ländlichen Adels, sich an die neuen Verhältnisse zu gewöhnen, gereicht ihm also nicht ganz zur Unehre. Er hat weder jene Ausdauer, noch die erforderlichen Kenntnisse; auch widerstrebt es den meisten Adligen, mit Hülfe der Polizei und der Orts- behörden die Rolle von Bauernschindern zu spielen, und sie ziehen es deshalb vor, ihre Besitzungen ihrem Schick- sale zuüberlassen. Die Kage der Kandbevölker««g in Ungar«. Wo d.'r Kapitalismus herrscht, da zeigt er auch mit ermüdenderMonotonie immer dieselben Begleiterscheinungen. dasselbe Elend in derselben Gestalt, dieselbe Roth in demselben Kleid. Und so ist es auch das gleiche Bild. das sich vor uns aufrollt, ob wir nun die Verhältnisse der Landbevölkerung in Posen oder in Ungarn beobachten. Ueber die Lage der Landbevölkerung in Ungarn giebt die BudapesterArbeiterpresse", eines der besten sozialdemokratischen Organe, Schilderungen in einem Ar- tikeldie Ackerbau-Sklaven", denen wir Folgendes ent- nehmen: Die überwiegende Bkasse der landwirthschaftlichen Arbeiter bilden die gegen Jahrlohn beschäftigten Wirth- schaftsdienstboten, deren Zahl nach den Ergebnissen der Volkszählung vom Jahre 1881 1 700 000 beträgt. Diese werden von den Grundbesitzern mit Wohnung, einigem Feld, mit gewissen Naturalien und einem wahren Bettel an Baargeld emlohnt. Diegegenseitigen" Ver­pflichtungen und Rechte, welche jedoch in Wirklichkeit sehr einseitiger Natur sind, werden in Verträgen festgesetzt, welche am 24. Feber(zu Mathias) geschlossen werden und einjährige Geltung haben. Auf diese Verträge wollen wir bei diesem Anlaß nicht näher eingehen, wir erwähnen nur, daß sie derartig sind, daß die ganze Wucht ihrer Lasten auf die Schultern der Schwachen, das ist der landwirthschaftlichen Arbeiter aufgewälzt werden. Nach- dem der Bau von geordneten Wohnhäusern einiger- maßen kostspielig ist, so helfen sich die Grundbesitzer und Herrschaften auf die Weise, daß sie die Kosten theils durch ungenügende Bauten, theils aber auch dadurch vermindern, daß sie die Wirthschaftsknechte sammt Familien in ungenügenden Räumlichkeiten zusammenpferchen. Wir sehen, daß die überwiegende Mehrzahl der Wirthschafts- dienstboten-Wohnungen aus Lehm oder Koth zusammen- gestampft sind, die Fußböden sind ungedielt, von Neben- räumlichkeiten ist keine Rede. M. Tomcsanyi, Grundbesitzer in Csäkova, äußert sich folgendermaßen über die Gesindewohnungen: Schauen wir, wie die landwirthschaftlichen Arbeiter hin- sichtlich ihrer Wohnungen bestellt sind? Meistens so, daß 2, 34 Familien in einem nicht zu großen Zimnier unter- gebracht sind. So sind also oft 16 und auch 20 Personen bei­sammen; eine solche Wohnung ist aber weder gesund, noch ist sie geeignet, das sittliche'Leben zu fördern." Betrachten wir ferner die anderweitigen Verhältnisse der landwirthschaftlichen Taglöhner und in dieser Richtung überlassen wir auch den Grnndbesitzern das Wort. Der erwähnte Grundbesitzer äußert sich hierüber folgender- maßen: Wir wissen es, leugnen wir es nicht, es ist so daß die landwirthschaftlichen Arbeiter mit Ausnahme einzelner größeren terrschaften elend entlohnt werden.... Ein Knecht vekommt lles in Allem 6070 sl. Baarbezahlung(auf ein Jahr), 2025 Kilo Speck. Wir(d. h. die Grundbe>ltzer) sind beltrcbt, letzteren billig einzukaufen, denn es thut nichts, wenn er auch ein bischen ranzig ist. Ferner erhält der Arbeiter 68 Hektoliter Weizen mindester Sorte, in welchen ein wenig Getreidesamen eingeschaufelt wird, ivie auf eine große Schüssel Nudel der ge- riebene Käse. Endlich erhält derselbe 1012 Kilo Salz und 12 Klafter Brennknüppel. Der �Arbeiter ist nicht im Stande, sich aus seinem Jahres- lohn mitsammr seiner Familie zu bekleiden; der geringe Verdienst der Familienglieder wird, da diese von der Arbeit an der frischen Luft gesegnete» Appetits sind, aufgezehrt. Ein Theil der Natural- konvention wird von der Familie gleichfalls verbraucht und aus dem Berkaufspreise der verbleibenden Naturalien wird die Kleidung besorgt, welche natürlich sehr elend ist, weil es noch nicht gelungen ist, zur Landarbeit und zur Biehpflege genügend starke Kleiderstoffe zu erfinden. Der Arbeiter geht zerlumpl ein- her, nährt sich, Sonn- und Feiertage ausgenommen, von Brvd, aber trotzdem muß er bis zur Erschlaffung arbeiten, denn sonst regnen nicht besonders schmeichelhafte Ausdrücke auf ihn herab. Alle diese Verhältnisse faßt Tomcsanyi, ver Grund­besitzer. wie folgt zusammen: Wie sind also die Verhältnisse derzeit im Allgemeinen? Schlecht bekleidet, elend genährt, im Herbst beim Ackern und Anbau, im Winter mit dem Düngen und mit der Berftachtung von Brennholz, Stroh, Ziegel und Baumaterialien von Früh bis Abends beschäftigt, geht ein Theil der Nacht auf die Pflege des Zugviehs und oft beim Wachen zur Zeit des Lammens bei den Schafen auf. Zeitlich früh beginnt die Fütterung und sofort." So äußert sich ein Grundbesitzer über die Lage des landwirthschaftlichen Gesindes. Seine Aeußerungen können mit Rücksicht darauf, daß derselbe ein Grund- besitzer ist, gewiß nicht als übertrieben bezeichnet werden, soviel ist jedoch gewiß, daß die landwirthschaftlichen Sklaven selbst ihre Lage kaum in schwärzeren Farben schildern könnten; wir müssen jedoch gestehen, daß eine solche Offenherzigkeit gewiß zu den Seltenheiten gehört. Ein Kollege Tomcssinyi's, der Grundbesitzer A. V&ry in Kecskemet denkt schon anders, er sieht in jedem land- wirthschaftlichen Arbeiter einen Dieb. Dieser Ueberzeugung giebt er folgenden Ausdruck: Es wäre langwierig anzuführen, alle die täglich vor- kommenden mit Einbruch verbundenen Diebstähle, welche aus- nahnislos vom landwirthschaftlichen Gesinde verübt und zu welchen die Kinder schon in den ersten Jahren angeleitet werde»; sehr oft werden die Kinder ausgezankt, wenn sie am Abend keine gestohlene Kleinigkeit nach Hause bringen, denn, so sagt man, was wird aus dir, wenn du nicht sparen lernst?(Das Stehlen wird landläufig mit dem Wortsparen" bezeichnet.) Die Roth muß allerdings schon furck tbar sein, wenn derartige sittliche Anschauungen im Proletariat geläufig werden, das doch sonst gerade in derartigen Dingen so außerordentlich seinsü lig ist. Natürlich sind nicht diese Unglücklichen daran schuld, sondern ihre elenden Aus- beuter, die ihnen keinen anderen Ausweg lassen uno dann noch Gelegenheit finden, sich wohlfeil zu entrüsten über derartigeVerkommenheit." Sehen wir ferner, was der Temesvarer Grund- besitzer St. Mokry über die Erwerbsverhältniffe der land- wirthschaftlichen Arbeiter meint: In der Regel nehme ich 15 Familien auf, diese bilden meine ständigen Arbeiter. Der Lohn beträgt bis Mai für Männer 50 kr., für Frauen 40 kr. per Tag. Im Mai und Juni 60 kr. und 50 kr. Beim Repsschnitt und Heumähen 80 kr. Nach der Ernte, im September bis in den Oktober, wieder 50 kr. und 4o kr. Die Gesammt- Entlohnung der Arbeiter, Taglohn und Naturalien inbegriffen, beträgt jährlich bei 4000 fl. Es fällt daher aus eine Familie im Durchschnitt 266 fl." Wenn wir dem landwirthschaftlichen Gesinde eine anständige Lebensweise sichern, werden nicht so viele Klagen laut und auch wir Landwitthe werden befttedigendere Zustände haben. Wir könnten die Bekenntnisse der Grundbesitzer fortsetzen, wir begnügen uns jedoch mit den angeführten Zitaten. Aus allen diesen Aeußerungen geht klar hervor, daß der landwirthschaftliche Arbeiter als Taglöhner geboren wird, als Taglöhner lebt und als Taglöhner stirbt un) daß dies sein unabänderliches Schicksal ist. Immer breitere Schichten des landwirthschaftlichen Proletariats gelangen zu diesem Bewußtsein, wie das eine Haus- haltungskosten-Zusammenstellung eines landwirthschaftlichen Arbeiters aus dem Bekeser Komitat beweist, welche wir im Interesse der Erhaltung der Originalität zum Theil unverändert wiedergeben: Begleiten wir einen fleißigen Arbeiter von Michaeli bis Georgi, und sehen wir, was er bei einem Taglohn von 40 kr. (Sonn- und Feiertage ausgenommen) in 7 Monaten oder 171 Tagen verdienen kann? Mit 40 kr. Taglohn kann er erwerben 68 fl. 40 kr. Im Mai und Juni bei 60 kr. Tagiohn verdient er 31 fl. 20 kr. auf 52 Tage. Im Monat Juli, zur Erntezeit, 1 fl. 20 kr. d. i. auf 25 Tage 30 fl. Im August eines zum andern 60 kr. Taglohn, auf 22 Tage 15 fl. Im September beim Maisbrechen 1 fl., d. i. auf 25 Tage 25 fl. Also kann er im ganzen Jahre zu- sammen 160 fl. 60 kr. erwerben. Wo bleiben da die Tage, welche icden Erwerb unmöglich machen?(schlechte Witterung, Regen u. s. w.) Auf diese müssen wir ivenigstens lOo/» rechnen, was aber nur gering veranschlagt ist. Dann bleiben�nur noch 152 fl. 64 kr' Wer kein'eigenes Haus besitzt, muß jährlich 2530 fl..Miethe zahlen. WeiOaber ein eigenes Haus bewohnt, dem bleibt nicht einmal so viel, weil Wenige schuldenftei sind; so giebt es Zinsen- lasten und Ausgaben für Reparatur des Hauses, wovon die Dach- reparatur allein jährlich zirka 20 fl. erfordert; da sind ferner 1012 fl. Steuern und 3 4 fl. für Feuerversicherung, zusammen 36 fl. Derjenige aber, welcher sein Haus schon lange benützt, bei dem also die Hypothekenlasteit den Werth des Hauses über- steigen, hat(zu 8°/o gerechnet) 16 fl. Zinsen, mit den obigen 36 fl. also 52 fl. zu decken. Ziehen wir nun diesen Betrag von den 152 fl. 64 kr. ab, so verbleibeil 100 fl. 64 kr. Nun wolle man sich die Eintheilung zur Deckung aller Bedürfnisse vergegen- wärtigen. Da ist noch in Anschlag zu bringen die Beistellung des nöthigen Werkzeuges, wie: Hacke, Eisengabel(4zinkige, sonst ivird der Arbeiter nicht angenomnten), Sense, Heugabel, Hammer, Rechen u. s. w. Ziehen wir von den 100 fl. 64 kr. noch die �Ausgaben für die Frau ab, lvas bleibt da übrig? Rechnen wir hierfür zu- mindest den Betrag von 5 fl. 64 kr., so verbleiben 95 fl. Ver­anschlagen wir die Ausgaben für Kleidung mit 35 fl., so ver- bleiben nur mehr 60 fl. Was aber, wenn der Manu erkrankt, wo er nichts verdient, sondern nur die Ausgaben erhöht werde»? Nun möge inan das Ersorderniß einer aus 6 Personen be- stehenden Familie berechnen, so lange die Kinder noch klein sind. Was entfällt hier auf jede Person jährlich? Muß da nicht die größte Roth herrschen, wenn für die ganze Familie per Tag 16'/, Äupferkreuter entfallen? Dabei sind weder die Aus­gaben für Brennholz, noch für Zündstroh gerechnet, ivas gleich- falls mit 15 fl. in Rechnung gebracht werden kann. Soviel also vermag ein noch rüstiger Mann zu erwerben, d. h. wen» er recht unterthänig thun kann, denn darauf wird gegenwärtig fast noch mehr gesehen, als auf die redliche Ar- beit u. s. iv. So spricht ein Proletarier der Landwirthschaft ans eigener Erfahrung über seine eigenen Lebensverhältnisse. Dieses Budget ist sehr lehrreich, es ist ein treuer Spiegel des unsagbaren Elends unter der Landbevölkerung. Der Grundbesitz, ob in den Händen der Magnaten, Adligen oder Bürgerlichen , wird von Lohnarbeitern be- arbeitet, welche sich nur dem Namen nach von den Leib- eigenen vergangener Jahrhunderte unterscheiden; die land- wirthschaftlichen Arbeiter befinden sich sammt ihren Familien in einem dauernden Abhängigkeitsverhältniß vom Grundherrn, wohlbemerkt in einem Verhültniß, welches dem verflossenen Hörigkeitszustand so ähnlich ist, wie ein Ei dem andern. Die landwirthschaftlichen Ar- beiter sind verpflichtet, sammt Weib und Kind für eilten Taglvhn von 16Va Kreuzer nebst einigen Natural- emolumenten, für den Herrenhos zu arbeiten; für diesen Lohn sind sie verpflichtet, an Wochentagen(im Sommer oft auch an Sonntagen) im Winter 11, im Sommer aber 16 18 Stunden ununterbrochen zu arbeiten. Die Wohnungen dieser Landarbeiter, welche eher Höhlen genannt werden können, sind in primitivster Weise aus Koth und Lehm nothdürftig zusammengeklebt, den Fußboden bildet die nackte Erde, Thören oder Fenster schließen in der Regel nicht. Der Gutsbesitzer läßt ail diesen Häusern nicht gern etwas ausbessern, und der Lohnarbeiter kann sich nicht mehr um diese Wohnstätten kümmern, so kommt es, daß diese Spelunken alsbald in einen unsagbaren Zustand gerathen; sie verfallen, ver- schmutzen und bieten gegen Wind und Wetter keinen Schutz mehr, die Thören fallen aus den Angeln, die zer- brochenen Fenster sind mit Papier verklebt oder mit Lumpen verstopft. Ein Raum, welcher kaum genügen würde, eine Familie aufzunehmen, beherbergt 3 4 Fa­milien, so daß oft 1620 Individuen zusammengepfercht sind, die Kinder halbnackt, im Schmutz sich wälzend, die Betten aus Streu und schmutzigen Lumpen bestehend. so sieht dasDaheim" des ungarischen landwirthschaft- lichen Proletariers aus, so dasjenigeDaheim", dessen Gemüthlichkeit, Annehmlichkeit und traulichen Herd" die lorbergOrönten Dichter wie Jokai und andere, so oft be- sungen haben. Die brutalen Thatsachen erschlagen die romantischen Lügen des Dichters. Daß aus solchen Lebensverhältnissen sich keine ge- sunde Generation entwickeln kann, ist nur selbstverständlich. Die Kindersterblichkeit, dieser Fluch Ungarns , grassirt daher in verhängnißvoller Weise. Die Kindersterblichkeit ist im Komitat Bekes , nach derBevölkerungsstatistik Ungarns " von Ludwig L&ng , eine so erschreckende, daß unter je 1000 Todesfällen 612 Kindertodesfälle sind, und auf tausend Geburten entfällt eine Kindermortalität von 495{jOVo. Wie wäre dies aber auch anders möglich? Schon vor der Geburt ist dem Kinde die Anweisung auf den Tod ausgestellt; schon vor der Geburt