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Nr. 146.

Dienstag, 23. September 1884.

I. Jahrg.

Berliner Volksblatt

Organ für die Interessen der Arbeiter.

Das Berliner Bellsblatt"

erfcheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin fin's Haus vierteljährlich 3 Mart, monatlich 1 Mart, wöchentlich 25 Pf. Ginzelne Nummern 5 Pf. Postabonnement pro Quartal 3 Mart.( Eingetragen im VIII. Nach trage der Postzeitungspreisliste unter Nr. 719a.)

Jasertionsgebühr

beträgt für die 3 gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf. Arbeitsmarkt 10 Pf. Bei größeren Aufträgen hoher Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate werden bis 4 hr Nachmittags in der Expedition, Berlin SW., Bimmerftraße 44, sowie von allen Annoncens Bureaur, ohne Erhöhung des Preises, angenommen.

Redaktion und Expedition Berlin SW., Bimmerstraße 44.

Abonnements- Einladung.

An die Lefer

und freunde des Berliner Volksblatt."

Das dritte Quartal unseres Bestehens rückt heran. Wir And trog der kurzen Zeit zu der Ueberzeugung gekommen, daß wir uns die Achtung und das Vertrauen der arbeitenden Be völferung Berlins erworben haben.

Das Berliner Volksblatt"

bat sich zur Aufgabe gemacht, die Interessen der Arbeiter nach jeber Richtung hin zu vertreten. Dies soll geschehen durch ent­prechende

Leitartikel,

die, in volksthümlicher Weise geschrieben, Alles berühren, was auf dem Gebiete der inneren und äußeren Politik irgendwie von Wichtigkeit iſt.

wird

Eine reichhaltige, umfassende politische

Uebersicht

Das

Feuilleton

wird nach wie vor gediegene, volksthümliche Erzählungen, Schilderungen von Land und Leuten ferner Gegenden, Plau­dereien, sowie Notizen heiteren Inhalts bringen.

Die

Vermischten Nachrichten

werden derartig ausgewählt und bearbeitet werden, daß ste be­lehren und das Wiffen fördern.

Die

Lokalnachrichten

werden den Leser von allem Wissenswerthen in Kenntniß seßen, was im Bereiche der Reichshauptstadt passtrt. Dieselben wer den frei sein von allem Klatsch und sogenannten pilanten" persönlichen Neuigkeiten, durch deren Kultivirung fich einzelne Blätter hier einen so traurigen Ruf erworben haben.

Das ist in der Hauptsache das, was wir unseren Lesern bieten, und darum bitten wir um ein recht zahlreiches Abon­

nement.

Das Berliner Voltsblatt" foftet für das

Durch das Kassenstatut kann bestimmt werden, daß Mitgliedern, welche sich die Krankheit vorsäßlich oder durch schuldhafte Betheiligung bei Schlägereien oder Raufhändeln, durch Truntfälligteit oder geschlechtliche Ausschwei­fungen zugezogen haben, das statutengemäße Krankengeld gar nicht oder nur theilweise zu gewähren ist."

Es hieße Eulen nach Athen tragen, wollte man alle die Gründe der Humanität und des praktischen Lebens wiederholen, die gegen diese beiden Paragraphen sprechen. Diese Gründe sind in den Reichstagsverhandlungen von ben Rednern der linken Seite mehr als erschöpfend beleuchtet worden, was indessen gegenüber der konstanten Majorität von Nationalliberalen, Ültramontanen und Konservativen gänzlich erfolglos blieb.

with fernerhin unsere Lefer über alle politischen Vorgänge ganze Vierteljahr 3 Mart, für den Mo- baß die erwähnten$$ 6 und 26 in die Statuten ber Ge­

ftets auf dem Laufenden erhalten, es wird unser Bestreben fein, in sorgfältiger Auswahl und in knapper, sachgemäßer Darstellung alles Wissenswerthe so schnell wie möglich zu bringen.

Außerdem werden wir unseren Lesern wie bisher

belehrende Artikel

aus allen Gebieten der Wissenschaft bieten.

Borzugsweise aber werden wir auch in Zukunft bestrebt fein, mit unserem Leserkreise eine ganz bestimmte Fühlung zu untergalten, wir haben das gezeigt in unserer Rubrit

Arbeiterbewegung, Versammlungen und

Vereine,

die weniger von berufsmäßigen Berichterstattern, sondern, wie fich für ein Arbeiterblatt schickt, von Arbeitern für Arbeiter

geschrieben wird.

Wir bitten unsere bisherigen Leser, sowie diejenigen, wel­the neu hinzutreten, uns wie bisher auch thatkräftig zu unter­ftüßen, wir sind für jede Kundgebung, die uns aus Arbeiter freisen zugeht, sehr dankbar. Die Redaktion ist nur in der age, ein vollständiges Bild der Berliner Arbeiterbewegung geben zu fönnen, wenn jeder Einzelne selbst mitthätig ist, wenn , in welcher Form auch, uns von allen Vorkommnissen auf diesem Gebiet unterrichtet. Wir betonen ausdrüd­lich, daß hinter uns, im Gegensatz zu anderen Beitungsunternehmungen, feine Rapitalien teben, die Konkurrenz mit anderen Blättern wird uns da­her in dieser Beziehung sehr schwer gemacht. Die Mehrzahl Der Schriftführer der Fachvereine und Gewerkschaften hat bis­her ſeine Pflicht voll und ganz gethan, wir bitten so fortzu­fahren, auch die übrigen, die bisher läffiger waren, werden fich boffentlich in Bulunft enger an uns anschließen.

Radbrud verboten.]

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Feuilleton.

Das Kind des Proletariers.

Sensationsroman von U. Rosen.

( Fortsetzung)

Aber wo ist ihre Mutter? Dein Vater hat kein Recht an ihr, Sch weiß es, ich weiß es. Es ist Francesca Joria. und es widerspricht das Alles dem, was er uns von ihnen

retten Sie die Aermste, und retten Sie meinen Vater vor dem

Berderben."

Die arme Milly fiel in Krämpfe, und es vergingen Stunden, ehe fte wieder zu fich fam. Myra saß an ihrem

cesca zu befreien und sogleich ins Schloß bringen zu lassen. Dr. Brice war ersucht worden, unverzüglich zu der erkrankten Milly zu kommen. Er war nicht zu Hause gewesen und wurde noch immer in Barth erwartet. Wenn er erschiene, sollte er auch Francesca's wegen zu Rathe gezogen werden. Myra blieb beinahe bis Mitternacht an der Seite des schluchzenden und aufgeregten Mädchens. Erst als Milly ein­fich in ein langes, weißes Nachtgewand und warf fich auf geschlafen war, fehrte fie in ihr eigenes Bimmer zurüd, hüllte

ihr Bett.

In einem

Augenblicke war sie fest eingeschlafen.

ber jüngsten, aufregenden Erlebniffe Myra's. Seinen alten Milly's entsegliche Mittheilungen waren der Gipfelpunkt Eigenheiten freu, weigerte fich ihr aufrührisches Gehirn, mit bem Rörper auszuruhen und beugte diesen im Schlafe seinem Willen. Wieder einmal stand Myra in der Nacht auf, und von den Erinnerungen an die Vergangenheit geleitet, warf fe ein großes weißes Tuch über Kopf und Schultern und Schritt hinaus in die Dunkelheit, jenen Weg entlang, welcher Se vor Jahren zu so vielem Unglüd geführt hatte. In dem matten Licht des aufgehenden Mondes glitt fie groß, ficher

und unidisch dahin.

Es war zwischen zwölf und eins. Ein Wagen wartete auf Tony, sein Weib und Francesca. Die beiden Unholde hatten das Mädchen aus dem Haufe des Doftors getragen und eilten mit ihrer leichten Last die Wiese entlang, welche zwifchen Clematis Villa und dem Pfade lag, der den Weg

nach dem Reservoir freuzte.

Am Ende der Wiese hielt der Wagen.

nat Oktober 1 Mark frei ins Haus. Bestellungen werden von sämmtlichen Zeitungsspeditionen sowie in der Expedition, Zimmerstr. 44, angenommen. Für außerhalb nehmen sämmtliche Postanstalten Abonne­ments für das nächste Quartal zum Preise von 3 Mark ent­gegen.

Redaktion nnd Expedition des Berliner Volksblatt".

Seltsame ,, Sozialreform".

Es ist von mancher Seite vorhergesagt worden, daß das Rrantentaffengeset, wenn es einmal erst voll zur praktischen Anwendung gelangen werde, keine besonders ers freulichen Früchte bringen könne. Diese Prophezeihung hat sich schneller erfüllt, als man erwarten konnte, und es hat die Anwendung des Gesetzes bereits so seltsame Früchte ge­zeitigt, daß wir nicht umhin können, davon Akt zu nehmen.

Von den einzelnen Paragraphen des Krankenkassen­gefehes sind mit am heftigsten die$$ 6 und 26 bekämpft worden. Der§ 6, auf die Gemeinde- Krankenkassen bezüg­lich, lautet in alinea 2:

Die Gemeinden sind ermächtigt, zu beschließen, daß bei Krankheiten, welche die Betheiligten sich vorfäßlich oder burch schuldhafte Betheiligung bei Schlägereien oder Rauf­händeln, durch Trunffälligkeit oder geschlechtliche Ausschweifungen zugezogen haben, das Krankengeld gar nicht oder nur theilweise gewährt wird" 2c.

Der§ 26, der sich auf die Orts- Krankenkassen bezieht, befagt:

Eingedent seiner früheren Abenteuer an dieser Stelle, sah Tony fich behutsam um, als sein Blick auf die Nachtwandlerin fiel. Seine Zähne schlugen heftig aufeinander, seine Augen traten wild aus ihren Höhlen, falter Schweiß rollte über seine Stirn. Der Athem tam feuchend und pfeifend aus seiner Bruſt.

" Der Geist! der Geist! stammelte er. Ich habe ihn schon zweimal vor dem heutigen Abend gesehen! D, dies ist mein Leptes! Er ruft mich! Ich muß sterben!"

Er ließ sein Ende der Last finken, und sein Weib, derart aufgehalten, starte wie wahnsinnig umber.

Die weiße, geheimnißvolle Gestalt bewegte fich langsam und feierlich näher.

Tony schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Er schrie gellend und in rasender Angst: Geist! Guter Geist! Sei barmherzig! Schone mich, schone mich und nimm mein Weib!"

Tony benutte feine Füße ebenso behende, wie seine Bunge und lief, was er konnte.

Frau Petigrew, so als Ersatz für ihren Gatten dem schrecklichen Geist auf Gnade und Ungnade überantwortet, ließ auch ihr Ende der Last fallen und rannte außer sich vor Entseßen und Wuth, mit ihren langen Beinen hinter Tony brein.

Sie streckte ihren nervigen Arm aus und packte Tony fest um den Hals. Ein Rud ihrer kräftigen Faust und er lag am Boden.

" Der Teufel hole Dich, Tony Petigrew. Willst Du Dein rechtmäßiges Weib den Klauen des Geistes statt Deiner opfern? O, das geschieht nicht, so lange ich bei Verstand bin, Du Schelm!"

Aber der Lärm des leifenden Ehepaares, ihr Laufen, Stampfen und Schreien hatte die Nachtwandlerin aus ihrem Schlafe erweckt. Myra blickte erstaunt umher. Ueber ihr wölbte fich die blaue Himmelsdecke. Dort drüben fliehende Gestalten, die ein tolles Geschrei erhoben. Bu ihren Füßen ein dunkles, schweigendes, regungsloses Etwas.

Elfa Wallace hatte Myra's Abwesenheit entdeckt. Gesund und rüftig wie vor zwanzig Jahren, hatte sie ihre Pflegekind bald eingeholt.

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Gott segne Sie, mein theures Lamm. Es ist eine töft­liche Nacht zu einem Spaziergang, aber warum haben Sie die alte Elfa nicht gerufen, Sie zu begleiten, Herzenskind?" sagte Frau Wallace.

Was tommen mußte, blieb nicht aus. Leute, die für das körperliche und geistige Heil ihrer Mitmenschen allzu sehr besorgt sind, haben sich auf diese Bestimmungen ge= ftüßt, um sie möglichst auszunuzen. In Schlesien hat man den Anfang gemacht; der Kreistag zu Oppeln hat beschlossen, meinde- und Drts- Krankenkassen aufgenommen und nach­brücklich gehandhabt werden sollen. Man will diese Be Stimmungen hauptsächlich benutzen, um die- Trunksuch t zu bekämpfen. Beiläufig ist auch den freien Hilfskassen von den Aufsichtsbehörden die Aufforderung zugegangen, in ihre Statuten eine folche Bestimmung aufzunehmen. Den Ars beitern innerhalb der freien Hilfskassen wird man damit nicht viel Beschwerden machen können.

Es ist etwas merkwürdiges mit dieser Bekämpfung der Trunksucht". Sind wir denn in Deutschland wirklich so weit herabgekommen, wie gewisse Leute behaupten? Luther fagt zwar: Jede Nation hat ihren Teufel; die deutsche Nation hat den Saufteufel." Wenn das wahr ist und wenn es nothwendig sein sollte, diesen Saufteufel" zu bekämpfen, bei wem soll man dann anfangen. Hier fängt man bei dem kranken Arbeiter damit an, der doch selbst in den Fällen, wo Trunffälligkeit" wirklich vorhanden fein sollte, mit seiner Krankheit hart genug gestraft ist, da er mit feiner Familie auf ,, die Hälfte des ortsüblichen Tagelohnes gewöhnlicher Tagearbeiter" angewiesen ist. Da braucht also so ein armer Arbeiter nur einmal eins über den Durst getrunken zu haben, man denunzirt ihn als Trunffällig" und die Krankenunterstützung wird dem Un­glücklichen ganz oder theilweise entzogen.

Tausende von fröhlichen Menschen sigen in den Wirths­häusern und fingen das Lied von den alten Deutschen , die immer noch Eins tranken, und Mancher ahnt nicht, daß ihm bies fein Krankengeld kosten kann..

"

Wir haben uns über die Bekämpfung der Trunkfucht" schon öfter ausgesprochen. Dem Arbeiter, der zur Stärkung

Dann bemerkte fie die dunkle Masse zu Myra's Füßen. Sie beugte fich nieder und zog die Hülle weg.

Gott steh' uns bei! Was liegt da mitten im Wege? All­mächtiger! Ein ermordetes Weib!"

Myra bückte fich und wendete das bleiche leblose Geficht der Daliegenden dem Mondlichte zu.

Es war Francesca Joria.

,, Nimm fie auf, Elsa", sagte Myra. Erhebe ihren Kopf, ich werde fie mit Dir tragen. Gott gebe, daß wir fie ficher unter das Obdach meines Hauses bringen!"

Elsa hob die Gestalt empor. Sie ist todt!" murmelte

die Alte.

Sie eilte nach dem Barth'schen Schloß. Am Thore stand Dr. Brice, der eben aus seinem Wagen gestiegen war.

32. Kapitel.

Der erste Tag des Juli stieg in schwüler Gluth über London auf. Jeder, der es irgend vermochte, floh die Haupt stadt. Diejenigen, welche zurückgeblieben waren, verließen ihre Bimmer nicht, wenn sie es ermöglichen fonnten. Wer aber dennoch hinaus mußte hielt fich auf der Schattenseite der Straßen. Die Durchfahrten sahen so verödet aus, als hätte die Best wiederum in der Millionenstadt gehauft. So fam es wenigstens der Gräfin Joria vor, als fich die Pforten des Hospitals wieder hinter ihr geschloffen hatten.

" I'

Leben Sie wohl!" rief ihr der Portier nach. " Ich danke Ihnen".

Und wieder befand sich die Gräfin ohne Heller dem großen London gegenüber.

Sie hatte noch einige Schillinge in der Tasche gehabt, als. fie vor einigen Wochen ohnmächtig fortgetragen wurde. Wo ste geblieben waren, wußte fie nicht.

Ahr Haar war gebleichter als zur Zeit, wo sie in Bird Cagestreet wohnte, ihre Augen waren tiefer eingesunken, ihre Wangen hohler und ihre Spaltung etwas gebückt, aber fe fab immer noch vornehm aus in ihrem schwarzen Seidenkleide, das fie in der Eile zu jener verhängnißvollen Mitternachtsfahrt übergeworfen hatte, in dem feinen mit einem schwarzen Bande garnirten Florentiner Hut, dem schwarzen Spizenschleier und Dem schönen Chawl, der zwar der Jahreszeit nicht ange meffen, ihr aber nach der überstandenen langen Krankheit nicht läftig war.

Sie verließ das Hospital mit derselben Absicht, welche fle Wochen zuvor beschäftigt hatte. Ihr erfter Weg galt Dr. Mellodew. Er sollte ihr behilflich sein, ihre Tochter aufsus