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Nr. 193.
Sonntag, 16. November 1884.
1. Jahrg.
Berliner Volksblatt.
Organ für die Interessen der Arbeiter.
Das ,, Berliner Voltsblatt"
erfcheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin frei in's Haus vierteljährlich 3 Mart, monatlich 1 Mart, wöchentlich 25$ 3f. Einzelne Nummern 5 Pf. Postabonnement pro Quartal 3 Mart.( Eingetragen im VHI. Nachtrage der Postzeitungspreisliste unter Nr. 719a.)
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Bur Auswanderungsfrage.
Daß die Auswanderung als ein Gradmesser des mehr ober weniger großen Wohlergehens oder besser gefagt, bes mehr oder weniger geringen Mißbehagens in einem Land angesehen werden kann, geht schon daraus hervor, daß gegenwärtig die offiziösen Federn sich abmühen, die Abnahme der Auswanderung dem wirthschaftlichen Aufschwunge in Deutschland zuzuschreiben. Damit aber wird eingestanden, und dies muß man sich merken, daß eine eventuelle Zunahme der Auswan= bernng einen Rückschlag in wirthschaft= licher Beziehung bedeutet.
Wenngleich nun noch einige andere Factoren, politische und religiöse Unfreiheit u. f. w. Mißbehagen in einem Bolte erzeugen und einzelne Personen zur Auswanderung treiben, so hat die Massenauswanderung im Großen und Ganzen doch immer nur ihre Ursache in der wirthschaftlichen Lage eines Landes.
Nur soll man nicht außer Auge laffen, daß nicht mur die wirthschaftliche Lage des Landes, aus welchem die
Somit ist die Abnahme der Auswanderung in Deutsch land , da sich diese fast ausschließlich nach Nord- Amerika wendet, durchaus tein Beweis, daß die wirthschaftlichen Zustände in Deutschland sich gebessert haben. Vorläufig sehen schlecht gehen. wir darin nur den Beweis, daß in Nordamerika die Geschäfte
Zahlreiche Briefe kommen über den Ocean zu uns, welche vor Auswanderung in gegenwärtiger Zeit warnen, in denen aber betont wird, daß, sobald die Verhältnisse in Amerika fich wieder etwas gebessert hätten, neue Einwanderer hochwillkommen seien.
So halten zahlreiche Europamüde noch mit der Ausführung ihres Entschlusses zurück; sie denten nicht daran, einen Aufschwung der Verhältnisse in Deutschland abzuwarten, ihre Augen sind auf Amerika gerichtet und sobald von dort günstige Nachrichten kommen, schnüren sie das Bündel und dampfen über den Ocean.
Man sieht also, daß es nicht zutrifft, wenn man annimmt, daß sich die Zunahme oder Abnahme der Auswanderung lediglich nach den wirthschaftlichen Zuständen des Landes richtet, aus welchem die Auswanderung erfolgt; Maße auch die wirthschaftliche Lage des Landes, in welches Landes mit in Rechnung ziehen, wohin sich der Strom der man muß in demselben Maße die Zustände desjenigen bie Einwanderung erfolgt, auf die Zunahme oder Auswanderung hinfenkt. Abnahme der Auswanderung resp. Einwanderung von durch schlagendem Einfluß ist.
Da nun aber die europäische Auswanderung sich fast ausschließlich nach den Bereinigten Staaten von Nordamerika mgießt, so wird dieselbe in hohem Maße von den dortigen wirthschaftlichen Zuständen beeinflußt.
Als in Deutschland die Auswanderung vor zwei Jahren den höchsten Stand erreicht hatte, stand in Amerika die Probuftion in hoher Blüthe; jetzt, wo wir in Deutschland eine, wenn auch geringe Abnahme der Auswanderung zu ver zeichnen haben, flagt man in Amerika überall über einen Rückgang in wirthschaftlicher Beziehung.
Und dieses Land ist, wie gesagt, für die deutsche Auswanderung Nord- Amerika . Die wirthschaftlichen Zustände in beiden Ländern sind also jedesmal ins Auge zu fassen, wenn man einen richtigen Schluß auf die Ursachen der Zunahme oder Abnahme der Auswanderung ziehen will.
Politische Uebersicht.
Die vom Ministerium des Innern einberufene Submissions- Konferenz hat nunmehr ihre Berathungen beendet. Es ist dabei so zugegangen, mie mir vorausgefagt haben; Kleingewerbetreibende und Arbeiter waren nicht ein
Den besten Beweis aber liefert uns der gegenwärtige geladen, und die Beschlüsse, welche gefagt worden find, werden
Stand der Auswanderung aus England nach
auch wenn fie zur Ausführung gelangen nicht im Stande sein, Diejenigen, welche unserer Ansicht nach am Ersten Urfache hatten, im Submissionswesen Aenderungen zu wünschen,
zu befriedigen. Man sollte doch vor Allem dabin wirken, daß
in Zukunft auch der kleine Mann als Theilnehmer auftreten fönnte und nicht nur der bemittelte Unternehmer; die etwaigen
werden fonnten.
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Abgeordneten keine Karte erhalten, welche in oder in solcher Nähe der Stadt Berlin wohnen, daß die Benugung der Eisenbahn für den Verkehr zwischen beiden Orten ausgeschloffen ist. Die Karten werden den Abgeordneten und deren, von den Wahlkommissarien amtlich bezeichneten Wohnort durch die Post zugesandt. Unserer Ansicht nach müßten die Abgeordneten nicht nur Freifarten, sondern auch Diäten erhalten. Der Reichs tag soll im Kleinen das Volk widerspiegeln; das Volk darf aber bei der Wahl, die Männer, zu welchen es Vertrauen hat und deshalb in den Reichstag schickt, nicht danach fragen, ob auch ihre Mittel ihnen den kostspieligen Aufenthalt in der Reichshauptstadt gestatten. Würde dieses geschehen, so kämen in die Gesetzgebung nur bemittelte Leute und das wäre ein großer Fehler, denn gerade die weniger Bemittelten haben die Bedürfnisse des Volkes am Besten kennen gelernt. Deshalb ist die Forderung von Diäten für die Reichstagsmitglieder von großer Wichtigkeit.
In dem Gefeßentwurf, betreffend die Feststellung des Reichshaushalts- Etats pro 1885-86, der jept dem Bundesrathe vorliegt, werden die Ausgaben und Einnahmen auf 622 942 357. festgestellt. Von den Ausgaben entfallen 557 407 592 m. auf die fortdauernden und 65534 37 M. auf die einmaligen Ausgaben. Da die gewöhnlichen Einnahmen einen Minderertrag von 19 942 239 W. ergeben und der Mehrbedarf bei den Ausgaben fich auf 22 298 879 stellt, so tommen wie die Offiziösen sich ausdrücken 42 241 118 M. bei den Matrikularbeiträgen hinzu. Dffiziös wird also ein Defi zit von über 42 Millionen zugegeben.
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Zu Kafernenbauten werden in dem nächstjährigen Reichshaushaltsetat 13 875 265 Mart gefordert. Diese Forderung bildet einen nur sehr geringen Theil derjenigen Summe, die
zur Lösung der Kasernirungsfrage, zur vollständigen Kafernirung des Reichsheeres, welche die Unterbringung der Soldaten
in Bürgerquartiren, beziehungsweise der Pferde in gemietheten Ställen überflüffig macht, aufgebracht werden muß. Von dem Erlaß eines Kasernirungsgefeßes, nach welchem die Gjafant Tosten der Kasernenbauten 175 223 011 M. betragen sollten, hatte die Reichsregierung bereits im Jahre 1876 Abstand genommen, da an eine Bustimmung des Reichstags nicht zu denken war. Es wird vielmehr beabsichtigt, die Kafernirungsfrage nach und nach zu lösen und alljährlich im Etat die Mittel für die im Laufe des Etatsjahres weiter zu führenden oder neu zu beginnenden Kasernenbauten zu fordern. Letzteres geschah seit 1878.
In den Niederlanden sind die Liberalen bei den soeben vollzogenen Stichwahlen für die Deputirtenkammer unterlegen.
sonderlich zufrieden mit dem Stande der wirthschaftlichen Bekanntlich ist man gegenwärtig in England nicht Berhältnisse. Man sollte nun glauben, die Auswanderung Schwierigkeiten, welche fich dann herausgestellt hätten, wären würde fteigen. Sie ist auch gestiegen, soweit sie fich auf teineswegs so thurmhoch gewesen, daß ste nicht überstiegen abgenommen in weit höherem Maße hat die Auswanderung nach den nordamerikanischen Freistaaten und der englischen Rolonie Kanada , die in wirthschaftlicher Hinsicht laturperiode in der Weise ausgestellt, daß sie den Inhabern die könnte. Ueberdies besteht die erste Kammer der Generalstaaten
ganz von den Bereinigten Staaten abhängig ist und in welcher dieselben wirthschaftlichen Zustände herrschen, wie in
den Freiftaaten.
bathbruck_veebates.
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Feuilleton.
Gesucht und gefunden.
Roman von Dr. Dur.
( Forseßung.)
brub feiner trockenen, heiser dröhnenden Stimme, daß die Blöglich erhob sich Ajor und mit einem furchtbaren Aus Fenster dabei erflirrten, stürzte er gerade gegen die Mauer mit wild fletschenden Zähnen. Inurrend, als wollte er durch den Granit sehen. Jest trat er Gefentien Hauptes stand er dann wieder unterbrochen rasch zurück, drüdte seine Schnauze in den Winkel der Wand derpfoten und schlug fte gegen die Wand, als wollte er den
Die Freifahrtstarten für die Reichstagsabgeordneten werden einer amtlichen Nachricht zufolge für die neue Legis
freie Fahrt auf den, in den Karten bezeichneten, den Verkehr zwischen Berlin nnd dem Wohnort der Inhaber vermittelnden Eisenbahnstrecken gewähren. Demzufolge werden diejenigen
Berbrechen Sie sich darüber nicht den Kopf, alter Freund. Außerdem sage ich, Hunde gehören angebunden in den Stall, damit fie die Leute nicht beunruhigen.
Das ist nicht meine Anficht," antwortete der Jäger. Ich liebe es nicht, daß mein Hund angebunden wird." Warum nicht?" fragte Friz.
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Das macht die Hunde unnöthig wild. Du fiebft, er war angebunden. Wenn ich wüßte, wer ihn festgebunden hat, ich würde demjenigen einen Verweis geben. Das arme Thier hat ficherlich die äußerste Kraft anwenden müssen, um die starken Stride zu zerreißen, die ihn abhielten zu mir zu kommen."
Machen Sie fich doch nicht über solche Kleinigkeiten Kummer," versette Gilbert gutmüthig. Erinnern Sie sich, lieber Freund Habicht, an Ihr Versprechen?" An mein Versprechen?"
Fels durchbrechen. Sie beobachteten das Thier und durch lichen Abendessen hier?"
" Nun ja, fagten Sie nicht etwas von einem gemeinschaft
Durch fie fich seinen Born hätten erklären fönnen. Ein zweites ben, lieber Hausho, meister," versette Habicht. Bedaure sehr,
zu dem Hunde hinspringend. Er nahm ein brennendes Holzscheit und untersuchte die Wand. Diese war überall feft obne Spalten in dem Felsen unb nirgend regte sich etwas. Doch der Hund blieb auf dem
Ajar, was hast Du denn, bist Du toll?" schrie Habicht
Anstand.
babt
nicht mehr."
Mein armer Ajar, Du haft einen schlechten Traum ges fagte der Jäger. Geh', lege Dich, und beunruhige uns
"
Thür öffnete fich, und der ehrliche, dide Gilbert, der HausIn diesem Augenblicke erhob fich draußen ein Geräusch. Die hofmeister, in der einen Hand die Laterne, in der andern
Schmelle.
Seien Sie mir gegrüßt, Verehrungswürdige," begann er, bemertte aber sogleich die Unruhe auf dem Antlig der Beiden und fügte hinzu: Was giebt's denn hier?" tein Ajor macht hier einen Höllenlärm!" versetzte Babicht. Ich möchte wohl wissen, was er hat; er hat uns in der That durch sein Benehmen beunruhigt."
aber wir haben das Abendessen bereits beendet."
,, Ei, ei!" sagte der Haushofmeister lächelnd. Schlimm für mich, Sie müffen nämlich wiffen, ich bin heute Abend so eine Art Strohwittmer."
"
Wieso denn?"
" Run, meine Frau hat für diese Nacht die Wache beim gnädigen Herrn übernommen. Das gnädige Fräulein hat ja chon seit vielen Nächten kein Auge geschloffen, und da hat sie fich durch die Gouvernante bewegen lassen, fich diese Nacht einige Stunden am Bette thres Vaters ablösen zu laffen." So, so!" sagte Habicht.
" 1
Begreifen Sie jest, weshalb ich Strohwittwer bin? Ich hätte nun gerade so Muße, mit Ihnen einige Flaschen zu leeren."
leer!" Schade, ſchade, lieber Haushofmeister, alle Flaschen find
,, Wirklich? Kein Schluck Wein mehr?"
Die bestürzte Miene des armen Haushofmeisters bei dem
Anblick der leeren Flaschen war wahrhaft rührend. Gr hätte ſo gern den größtmöglichsten Bortheil aus seiner Freiheit ge zogen und wollte eben habicht noch einige gelinde Vorwürfe über seine Vergeßlichkeit machen, da aber erinnerte ihn ein Gähnen des Doktors daran, daß dieser wohl müde sein
meines Stelafußes auf dem Gange gehört haben. Weiter Ei mas?" entgegnete Gilbert, er wird das Til Tak lein Das glaube ich nicht; es muß etwas Anderes gewesen müßte.
Run, dann treffe ich es wohl ein ander mal beſſer,"
Die Konservativen aller Schattirungen werden jedoch im Gan zen nur über eine Mehrheit von etwa zwei Stimmen verfügen. Da nun überdies ein Theil der gemäßigten Konservativen in der Schulgesetfrage mit den Ultramontanen nicht gemeinsame Sache machen will, erscheint zunächst die Gefahr ausgeschlossen, daß das Elementarschulgeset, durch welches die neutrale Staatsschule eingeführt wurde, wesentliche Abänderungen erfahren
zu zwei Dritteln aus liberalen Mitgliedern. Zunächst werden fich die holländischen Kammern mit der Verfassungsrevision be= schäftigen müssen, insbesondere gilt es die Bedingungen festzu
Sprach er und erhob sich zum Gehen. Er ergriff wieder seine Laterne und feinen Stod und sagte:
Herren!"
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Gute Nacht, meine
Warten Sie!" rief Habicht. Ich gehe mit Ihnen. Der Doktor ist müde.... Gute Nacht, Friz."
" 1
Gute Nacht, Vater Habicht! Vergiß nicht, mich zu rufen, wenn es mit dem Grafen schlimmer werden sollte."
Sie gingen.
Als sie über den Wall gingen, hörte Friß die Thurmuhr von Donuil die Mitternachtsstunde schlagen. Seine Kräfte waren so erschöpft, daß er müde auf das Bett fant. Dies war die Nacht des Weihnachtsheiligenabends im Schloß Donuil.
Neuntes Kapitel.
Seit einem halben Jahre weilte Fräulein] Emmy im Hause des alten Rodenburg.
Ein halbes Jahr lang hatte sie also Gelegenheit gehabt, die ihr aufgetragene Mission zu erfüllen. Sie mußte fich gestehen, daß ihr noch viel zu thun übrig sei, so schlau fie auch verfahren war und so viele versteckte Bosheit sie auch ange wandt hatte.
Das Weihnachtsfest, das Fest der Freude in der ganzen Christenheit, zerstreute die düsteren Nebel, welche über Schloß Rodenburg lagen, nicht.
Der alte Herr war grämlicher, lebensüberbrüffiger als je. Denn welche Freude konnte ihm dies Fest bereiten, nachdem ihm das Gefchickt das Einzige geraubt, was ihn am Leben feffelte, feinen Sohn?
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Ja, mußte es ihn nicht schmerzlich berühren, wenn er glückliche Menschen um sich fah? Und die übrigen Huusge noffen mußten fte sich nicht einer Freudenäußerung scheuen, da sie fürchten mußten, durch dieselbe die Herzensmunde des alten Herrn schmerzhaft zu berühren? Und Emmy , fte, welche unablässig bemüht gewesen war, die Stimmung in diesem Hause durch ihr heiteres Temperament, durch ihre rastlose Beweglichkeit und immerwährende gute Laune zu einer heiteren zu machen, sie hatte den Verdruß, daß sie zu Weihnachten, also nach einem halben Jahre, Alles, was ste gethan hatte, vergeblich gethan sab.
Es muß Etwas geschehen," sagte fie fich, etwas Ent scheidendes." Dieſe fleinen Nadelstiche, mit welchen ich die Nebenbuhlerin bis jetzt verwundet habe, fie witfen nicht tödtlich, treffen kaum empfindlich. Freilich, mein Onkel