gehabt und können daher nur zu billigen Preisen rathen,welcbe unzweifelhaft einen stärkeren Absatz im Gefolge haben.Mitleidigen Herzen theilen wir nachstehend die Avreffeeiner Wittwc mit, Deren Mann im September d. I. in Ausübung seines Berufes als Zimmermann aus der fünften Etagein die Tiefe stürzte, wo er selbstvelständlich zerschmetteit liegenblieb. Die Frau bat es bisher versucht, sich und zwei kleineKinder von monatlich 5 Mk. Armenunterstützung und aus demErtrage einer Aufwartestelle von wöchentlich 2 Mark zu er-nähren. Leider hat ste die letzterwähnte Einnahme jetzt aucheingebüßt. Die Adresse ist: äßittwe Matschte, SW., Z offener-straße 27, Hof im KellerDas nach Japan bestimmte Personal tritt am 15. k. M.nunmehr die Aeise nach seinem Bestimmungsorte an, und diebetreffenden Beamten scheiden vom 1. k. M. ab aus ihren hie-figcn Dienstverhältnissen, unter Vorbehalt des Wiedereintrittsnach Ablauf von 3 Jahren- Polizeihauptmann Höhn, welcherdie Polizei in Tokio nach Berliner Muster zu reorganisiren berufen ist, fiedelt mit seiner ganzen Familie nach Japan über,während das ihm beigcgebenc Unterpersonal die Familien hierzurückläßt. Zur Reorganisation der Staatsanwaltschaft nachpreußischem Muster ist Assessor Frömmelt, ein Sohn des Hof-Predigers Frömmelt, nach Japan berufen, als militärischer In-struktor geht, wie schon gemeldet, Major Meckel dorthin.Sämmtliche Herren treten die Reise mit den zur Zeit nochhier weilenden japanischen Beamten gemeinschaftlich an undist unterwegs ein ca. 14tägiger Aufenthalt in Paris in Aussichtgenommen.n. Das Berliner Adreßbuch für das Jahr 1885,das olljährlich in neuester Auflage genau zur Weihnachtszeiterscheint, kam gestern, Dienstag, zum ersten Male zur Versen-dung. Unter Benutzung amtlicher Quellen ist dasselbe wiedervon A. Ludwig redigirt und von der Verloaefirma W- u. S.Löwenthal der neueste illustrirte Plan von Berlin als Gratis-beilege zugefügt worden. Wie bisher haben sämmtliche selbst-ständigen Einwohner mit Ausschluß der Handwerksgesellenund Haararbeiter Aufnahme gefunden. Das alphabetische Ver-zeichrnß der Einwohner Berlins zählt 1193 Seiten, also genau50 Seiten mehr, als wie im vorigen Jahrgange. Das Ver-zeichniß sämmtlicher Häuser Berlins mit Angabe der Eigen-thümer und Miether erfordert 418 Seiten, mithin 13 Seilenmehr als im Vorjahre. Das dritte Verzeichniß, welches dieEinwohner Berlins nach ihren Beschäftigungen und Gewerbenenthält, weist nur einen Unterschied von einer Seile mehr fürdieses Jahr auf. Ein sehr gutes Zeichen, daß stch die altenGeschäfte nicht nur gehalten, sondern noch um eine ganz statt-liche Anzahl neuer vermehrt haben. Im vorigen Jahre um-faßte dieieS Verzeichniß 267 Seiten, in diesem Jahre 268Seiten. Der vierte Theil, der das königliche Haus, die fiska-lischen und städtischen Behörden. Kirchen, Anstalten undSehenswürdigkeiten enthält, umfaßt 163 Seiten. In einemAnhange ist diesmal auch, abgesehen von Eharlottendurg undden zwölf alten Ortschaften, neuerdings auch noch Stralauund Wilmersdorf im Verzeichnisse mit aufgenommen. Trotzdieser bedeutenden Vermehrungen erscheint der Kalender indies-m Jahre handlicher wie sonst, da die Eingangs genannteVcrlagsfirma den Kalender in zwei Theilen zur Ausgabe ge-bracht hat.Ueber den strengen Frost im lebten Drittel des No-vcmber, den man bei der jetzt schon drei Wochen währendengelinden Witterung fast vergessen hat, entnehmen wir demneuesten Wetterbericht des königl. Meteorologischen Instituts,daß seit Beginn regelmäßiger meteorologischen Beobachtungen,d. i. seit 1848, eine derartige Abweichung von der Normal-tcmperatur, wie sie die Pentade vom 22. bis 26. November er.zeigte, nicht vorgekommen ist. Die Mitteltemperatur war indirem Zeitraum in Ostpreußen 8—0, in Brandenburg um 7,in Schlesien und Sachsen um 6, am Rbein um 4 5 Grad zuniedrig. In Lauenburg i. Pommern sank am 28. das Ther-mometer auf 18,1 Grad Kälte, in Könitz in Westpreußen am30. auf— 19,7 Grad, Temperaturen, wie sie selbst auf derSchneekoppe nicht beobachtet wurden. Daselbst war die Äini-maltcmpcratur— 17,2 Grad. In unserem Jahrhundert dürften,wie wir beiläufig bemerken wollen, nur die Jahre 1827, 1829und 1828 eine ähnlich auffallende Novcrr beikälte im letztenDrittel des Monats gehabt haben. 1827 trat ebenso wie indies.m Jahre der Witterungswechsel am 3. Dezember ein unddas milde Wetter dauerte bis Anfang Januar. 1833 warvom 30. November bis 18. Dezember warmes Wetter, alsdannfolgte Frost bis Mitte Januar und ein strenger Nachwinterim Februar und März. Der Winter 1829/30 dürfte wohlallen älteren Leuten als der strengste, den sie erlebt haben,in Erinnerung sein. Vom 12. November bis 11. Märzherrschte fast ununterbrochen strenger Frost, der besonders zuWeihnachten und Ende Januar eine ganz außerordentliche Höheerreichte.Eine tragikomische Verwechselung gab in den letztenTagen der vorigen Woche in den betreffenden Kreisen zugroßer Aufregung Veranlassung. Nach der Todesanzeige ineiner hiesigen Zeitung war eine Frau S..... gestorben.Diese Anzeige konnte sich nur auf eine Frau S., welche inNoth leiden zu sehen. Nehmen Sie seine Hilfe an; es wirdzur Ruhe seines Gemüthes beitragen.""„Und was antwortete sie?" fragte Nodenburg ge-spannt.„Ja, antwortete sie?— Spöttisch zuckten ihre Lippenund schnippisch erwiderte sie:„„Ich will von dem altenNodenburg und seinem Gelbe niehts wissen. Vorläufig istfür mich von anderer Seite gesorgt; vorläufig braucheich ihn nicht, und später.. Ach, ersparen Sie mirdas Uebrige, ich mag eS nicht aussprechen."„Du ermahntest mich vorher, Onkel, stets die volleWahrheit zu sagen, da es Onkel Robenburg wünscht,"nahm hier Emmy das Wort.„Ich erinnere Dich an Deineeigenen Worte, Du bist hier ebenfalls verpflichtet, die volleWahrheit zu sagen."„Die Undankbare!" stöhnte Robenburg.„Sie könntemein so gut gemeintes Anerbieten kalt und hochmüthig zu-rückweisen?"„Mehr als dag!" versetzte Amberg.„Ich hätte Ihnengern den Kummer erspart, denn das edle Gemüth em-pfindet, wenn es schnöder Undankbarkeit begegnet; aber ichmuß Ihnen Alles sagen...„„Später,"" sagte Lucie,„„gehört mir und meinen Geschwistern ja doch sein ganzesVermögen. Wir sind die nächstberechtigten Erben, und seinVermögen muß unser werden; allem Anscheine nach wird'sja nicht lange mehr dauern. Wie ich erfahren habe, geht esmit Riesensehritten bergab mit dem Alten.""— Das warenihre Worte!"„Unmöglich, Amberg, kann Lucie so gesprochen haben!"Amberg legte die Hand auf das Herz.„Glauben Sie, lieber Freund, ich wäre fähig auch nureins Sylbe zu übertreiben? Es drückt mir schon das Herzab, dieses zu sagen. Ach, ich habe die Ausdrücke im Gegen-theil gemildert,"denn ihre Worte so zu wiederholen, wiesie wirklich gesprochen wurden— nein, das bringe ich nichtüber's Herr."„O, Lucie, das habe ich nicht um Dich verdient!"stöhnte Rodenburg.Die Stimmung bei Tische war jetzt eine sehr trübe,Und es fand sich jetzt auch trotz Amberg's Bemühung keinder Bergstraße in Rißdorf wohnt, beziehen, zumal deren Vor- Inamen genau zu denen der Verstorbenen paßten. Anverwandteeilten sofort nach Rixdorf, um für das Begräbniß der ver-meintlich Verstorbenen Sorge zu tragen, waren aber nichtwenig erstaunt, Frau S. wohl und munter anzutreffen. DerTag nahte heran, an dem nach der Todesanzeige das Be-grädniß auf einem der Kirchhöfe in der Bergmannstraße statt-finden sollte. Zur festgesetzten Zeit trafen viele Freunde undBekannte der Todtgeglaubten in deren Wohnuna ein, umdieser die letzte Ehre zu erweisen, trafen aber die Todtgesaztein bester Laune im Kreise mehrerer„Leidtragender" bei einemfröhlichen Mahle. Die nach dem Kirchhof gegangenen Be-kannten der vermeintlich Verstorbenen, von denen einige sogardem Sarge derjenigen gefolgt waren, auf welche sich die Todes-anzeige bezogen, wurden dort ihren Jrrthum gewahr und begaben sich nach der Wohnung der noch lebenden Frau S-,wo auch sie noch Gelegenheit fanden, sich an dem fröhlichenMahle, des Wiedersehens der Todtgeglaubten zu erfreuen.a. Ueber den zweifelhaften und gemeingefährlichenGeschäftsbetrieb eines Kaufmanns B-, welcher in der NeuenFriedrichstraße unter der Firma B. u. Co. in einem mit einemPult und ein vaar Stühlen versehenen Zimmer ein Komptoireröffnet hatte, daselbst unerfahrene Personen als Kaffenboten,Kasfirer, Geschäftsführer zu engagiren versucht resp- engagirthatte und von diesen sich namhafte Kautionen in der Formvon zu verzinsenden„Geschäftseiniagen" geben ließ, gehen unsnoch wettere Mittheilungen zu, wonach B. diese Geschäfte ineinem großartigen Umfange und mit meistelhafter Routine be»trieben hat. B- hat sich in einem Falle, in welchem er einemjungen Mann, Namens H., der einige Tausend Thaler Ver-mögen hat, an sich herangezogen und ihn als Geschäftsführerengagirt hat, als Inhaber eines Getreide-, Bau- und Kommst-stonsgeschäfls bezeichnet und 5). mußte vor dem Antritt seinesEngagements 3000 Mark an B-, und zwar als eine mit ö pCt.zu verzinsende„Geschäsrseinlage" geben, welche Summe B.hypothekarisch auf einer ihm gehörigen geringwerthigen Baustelle in der Bernouerstraße hinter einer sehr hohen Baugeld-Hypothek eintragen ließ. Bei dem sodann in Angriff genom-mcnen Bau auf dieser Baustelle fungirte H. als Bauaufseherin Ver'.retung des Bauherrn B., und er verstand stch fortgesetzt,Lohnzahlungen an die Bauarbeiter aus seinen eigenen Mittelnfür B. zu leisten, da dieser nicht in der Lage war, die drängen-den Handveiker zu befriedigen. In dieser Weise hat H. binnenKurzem 1500 M. für B. verauslagt, ohne irgend welche Sicher-heil für diese Summe zu haben. Als nun H. auf Zahlungder 1500 M. drang, propomite ihm B- die Betheiligung aneinem anderen Baugeschäft, falls H. noch wittere 6000 Maildazu geben wollte. Ä- spiegelte in Bezug auf dieses Geschäftvor, daß er in Verhandlung wegen Erwerbs einer Baustelle inder Kuifürfienstlaße stehe, worauf er 10 000 M- anzahlen müsse,über 4000 M aber nur verfüge; wenn ihm nun H. die nochfehlenden 6000 M. gebe, so werde er dem H. die 6000 M. unddie bereits geleisteten 1500 M- auf dem neuen Grundstückhypothekarisch eintragen lassen. H. wollte in dem Glauben,dadurch die Forderung von 1500 M. sichern zu können, darauseingehen, bevor er aber dem B. die 6000 M. gab, zog er vor-fichtiger Weste bei dem angeblichen Verkäufer der BaustelleEiktindlgungcn ein, wobei sich herausstellle, daß überhaupt garkeine Verhandlungen zwischen ihm und dem ihm unbekanntenB. wegen Der Baustelle stattgefunden haben. Jetzt erst erkannteH., nachdem er um 4500 M. leichter gemacht worden, in welcheHände er gerathen war.N. Ein durchgehendes Pferd, das vor einen Milch-wogen gespannt war, versetzte heute Vormittag in der 10.Stunde die Adjazenten und Passanten der Neuen Roßstraßein Angst und Schrecken. Das Pferd war durch Ausstreuenvon Kies scheu geworden und ungeachtet um die Fußgängerauf de» Bürgeriicig gerannt, wo es im nächsten Augenblickedas große Schaufenster der Kolonialwaarcnhandlung vonHitschke zertrümmern mußte. Mehreren beherzten Augenzeugengelang es, das Thier noch im letzten Augenblicke aufzuhaltenund so eine ernsthafte Katastrophe zu verhindern.N. Ein unfreiwilliges Bad wurde in der vergangenenNacht einem in der Oranienburgerstraße wohnenden Gärtner-gehülfen Waschke in der Straße Neu Cölln am Wasser zuTheil. Derselbe versuchte in übermüthiger Laune mit nochmehreren anderen jungen Leuten am Geländer der Spree Kunst-stücke zu machen, verlor dabei das Gleichgewicht und stürztekopfüber ins Wasser. Ein mitanwesender SchlächtergeselleWolff sprang dem mit dem Wellentode Kämpfenden sofort nachund gelang es ihm, den W. bald ohnmächtig, aber noch lebendans Land zu schaffen W mußte sofort per Droschke nach seinerWohnung geschafft werden.a. Verhaftet. Bei einem Bäckermeister in der Steglitzer-straße stand bis zum 9. d. Mts. der Hausoiener E. im Dienst,welcher während der letzten Zeit in zahlreichen Fällen die vonihm für Backwaaren von Kunden eingezogenen Beträge anseinen Prinzipal nicht abgeliefert, vielmehr angegeben hat, daßdie Kunden die von ibm überbrachten Waaren nicht bezahlthätten. Nachdem sein Prinzipal Anzeige hiervon bei der Po-lizeibehörde erstattet hatte, entfernte sich E. heimlich und erstThema eines Gesprächs, was diese Stimmung einiger-maßen hätte aufhellen können. Erst als die Tafel aufge-hoben war, und Rodenburg sich in sein einsames Zimmerzurückgezogen hatte, da hellte sich Amberg's Gesicht aufund lachend schloß er Emmy in seine Arme.„Mädchen," sagte er,„Du hättest müssen Komödiantinwerden!"„Und Du, Onkel, wärest der beste Komödiant derWelt gewesen," erwiderte sie.„Bist Du nicht mein Lehr-meister?"„Die Sache nimmt einen vortrefflichen Verlauf," be-stätigte Amberg.„Das Glück begünstigt jeden unsererSchritte sichtlich. Wenn wir jetzt keinen Fehler machen,dann sind wir geborgen."„Ich denke, Onkel, wir sind Beide zu klug, um einenFehler zu machen," erwiderte Emmy.„Das denke ich auch!"Im höchsten Vaterstolze bot Amberg ihr den Armund Beide machten einen Spaziergang durch Garten, Hofund Wald, das ja Alles jetzt so gut wie ihr Eigen-thum war.Fünfunddreißigstes Kapitel.Brand, welcher seine Wohnung in dem Seitenflügeldes Schlosses hatte, saß in seinem Bureauzimmer in Rech-nungen vergraben. Vor sich hatte er ein mächtiges Buch,in welches er Summe auf Summe eintrug, und neben sichauf verschiedenen Zahldrettern Geld in allen Münzsortenaufgezählt. Es war heute Lohntag, und da hat der Ver-waiter eines so umfangreichen Gutes hinlänglich Arbeit.Auf einem Seitentischchen lag ein mächtiger Stoß kleinerBücher. Es waren das die Arbeitsbücher der Handwerkerund Arbeiter, und die Listen der Statthalter, welche übereinzelne Abtheilungen der Arbeiter die Aufsicht führen,und deren Arbeitsleistungen zu kontroliren hatten.—Brand hätte die einzelnen Arbeitsbücher durchzusehen, umsich zu überzeugen, ob die darin notirten Posten mit den! von dem Statthalter angegebenen Arbeitstagen oder ge-' fertigten Stücken übereinstimmten. Bevor er noch diesegestern Abend wurde er in der Potsdamerstraße von einemWächter angehalten und verhaftet.Polizei-Bertcht. Am 21. d. M.. Nachmittags wurde einfinnlos betrunkener unbekannter Mann, vor dem HauseAlexandrinenstraße Nr. 35 auf dem Bürgersteige liegend, auf-gefunden und nach der Wache des 23. Polizei-Reviers getragen.Nachdem derselbe die Nacht hindurch in der Sistirzelle fest ge-schlafen hatte, verstarb er am andern Vormittage am Herz-schlaae- Die Leiche wurde nach dem Obduktionshause geschafft.— An demselbe Tage Abends verunglückte der NagelschmiedSchulz vor dem Hause Wiesenstraße Nr. 64 dadurch, daß erbeim Ueberschreiten des Rinnsteins ausglitt und den rechtenUnterschenkel brach. Derselbe wurde nach dem Lazams-Kran»kenhause gebracht.— Am 22. d. Alts. Nachmittags wurde einMann in der Küche seiner in der Boyenstiaße belegenen Woh«nung an einem Rouleauxhaken erhängt vorgefunden-— Aufdieselbe Weise machte am Abend desselben Tages ein Mannin seiner in der Friedenstraße belegenen Wohnung seinemLeben ein Ende. Beide Leichen wurden nach dem Odduk-tionshause geschafft.— In der Nacht vom 22. zum 23. d. M.wurde ein unbekannter, anscheinend dem Ardeiterstande ange»hörender Mann in der Rosenthalerstraße 54, von einem anderen ohne jegliche Veranlassung mit einem Stocke derart überden Kopf geschlagen, daß er besinnungslos zusammenbrach undnach dem Hedwigs-Krantenhause gebracht werden mußte.GmeW-Leitung.Das Dynamit-Attentat bei der EnthitllungSfeier desNiederwald-Denkmals vor dem NeichS-Gericht.Leipzig, den 22. Dezember 1884. Am heutigen Tage,an dem das Ürtheil verkündet werden soll, ist der Andrang einsehr großer. Pünkilich um 12 Uhr Mittags werden die Ange-klagten auf die Anklagebank gesüizrt. Reinsdorf mustert mitdreister Miene daS zahlreiche Publikum, Rupsch und Küchlersehen dagegen sehr niedergeschlagen aus. Gegen 12 Uhr Mittags erscheint der Gerichtshof. Unter lautloser Stille verkündetPräsident Drenkmann folgendes Urtheil:Der Gerichtshof hat für Recht erkannt, daß der AngeklagteBackmann wegen versuchten Mordes und Brandstiitung mit10 Jabren Zuchthaus, 10 Jahren Ehrverlust und Poiizeiaus-ficht, Angeklagter Rupsch wegen Hochoerraths mit dem Todeund dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, außerdem wegenversuchten Mordes und Brandstiftung mit 12 Jahren Zucht-haus, 10 Jahren Ehroerlust und Polizeiaufsicht, der AngeklagteKüchler wegen Hochverraths mit dem Tode und Verlust derbürgerlichen Ehrenrechte, serner wegen versuchten Mordes undBrandstiftung mit 12 Jahren Zuchihaus, 10 Jahren Ehroerlustund Polizeiaufsicht, der Angeklagte Reinsdorf wegen Anstif-tung zum Hochverrath mit dem Tode und Verlust der bürger-lichen Ehrenrechte, und wegen Anstiftung zum versuchtenMorde und zur Brandstiftung mit 15 Jahren Zuchthaus, 10Jahren Ehrverlust und Polizeiaufsicht zu bestrafen, dagegenden Angeklagten Reinsdorf wegen Anstiftung eines wetterenveisuchten Mordes und Brandstiftung freizusprechen, den An-geklagten Holzhauer wegen Beihilfe zum Hochverrath mit 10Jahren Zuchthaus, 10 Jahren Ehrverlust, wegen Beihilfe zumversuchten Morde und zur Brandstiftung freizusprechen, daßferner die Angeklagten Söhngen, Rheinbach und Toellner vonder Anklage wegen Beihilfe zum Hochverrath und wegenBeihilfe zum versuchten Morde und zur Brandstiftung freizu-sprechen, daß die Kosten des Verfahrens den verurtheiitrn Angeklagten zur Last zu legen seien.Die Gründe find folgende: Es find zwei Attentate zurAusführung gelangt, das eine in dem Wrllemsen'schen Lokalezu Eiberfelv, dos andere in einer Festhalle zu Rüdesheim. Eindrittes Attentat auf dem Niederwald ist versucht worden, jedochnicht zur Ausführung gekommen. Das Attentat in demWillemsen'schen Lokale zu Elberfeld ist am 4. September 1883valfirt. Dasselbe hat in dem betreffenden Gebäude einen er-heblichen Schaden angerichtet. Es ist außerdem vollführt war-den zu einer Zeit, als stch etwa 30 A-rzte in einem Neben-lokale befanden.Der Angeklagte Bachmann, der einmal sich selbst alzThäter bekannt, andererseits vom Kellner Fricke auf das Be-stimmteste rekognoszirt worden ist, hat nach Lage der Dingeunzweifelhaft die Absicht gehabt, nicht blos eine Brandstiftungzu begehen, sondern auch Menschen zu tödten. Der in derNähe gewesene Kellner Fricke ist im Uebngen durch dieExplosion sehr erheblich verwundet worden, andererseits mußteB. sehen, daß noch eine Anzahl anderer Menschen im Lokalestch aufdielten. Es ist zu erwägen, daß das Attentat von Bach-mann, Reinsdorf und dem flüchtig gewordenen Weidenmüllerlange vorher geplant worden ist, und zwar sollte es deshalbunternommen werden, weil in jenem Lokale die besitzendenKlassen verkehren. Hieraus, aber auch aus dem ferneren Um-stände, daß Bochmann längere Zeit im Lokale gesessen, che erdas Attentat vollführte, geht hervor, daß er mit voller Ueber-legung gehandelt hat. Es ist des Weiteren zu erwägen, daßBachmann ein hervorragendes Mitglied der Anarchisten-Parteiwar, daß noch bei seiner Verhaftung mehrere Exemplare derArbeit begonnen hatte, trat der Sekretair Rodenbnrg's zuihm ein.„Es ist noch nicht so weit, Herr Härder," sagte Brand,seine Absicht errrathend,„ich habe die Bücher noch nichtkontrolirt. Sie können den Betrag für die Feldarbeiternoch nicht in Empfang nehmen."„Ich komme auch nicht zu dem Zwecke," antwortetein zweideutigem Tone der junge Mann,„ich weiß wohl,daß es dazu noch zu früh ist. Ich komme im Auftragedes gnädigen Herrn, welcher Sie bittet, ihm die Arbeits-bücher und die Kontrol-Listen zu schicken."Brand blickte überrascht auf.„Ei, es freut mich, daß Herr Rodenburg sich wiedero wohl fühlt, um sich mit seinen Angelegenheiten zu be-chäftigen," sagte er.„Es gehört sich eigentlich, daß eineolche Kontrole jede Woche geübt würde."„Ich glaube nicht," versetzte Härder,„daß der gnädigeHerr sich heute wohler fühlt, als sonst; vielmehr glaubeich, daß Herr Amberg und seine Tochter die Kontrolevornehmen werben."Da umdüsterte sich Brand's Stirn; er erinnertesich der Begegnung mit Lucie am Eingang des Gartens.„Pure Bosheit!" murmelte er vor sich hin, dann abernahm er ohne Weiteres den Stoß kleiner Bücher— eswaren die Arbeitsbücher der Handwerker— und dieKontrol-Listen der Statthalter, und übergab beide» demSekretair.„Bringen Sie dies Herrn Rodenburg; in einerhalben Stunde werde ich mir erlauben, selbst zu ihm zukommen."Der Sekretair entfernte sich. Amberg und Emmywaren in Rodenburg's Zimmer anwesend. Härder tratein und übergab Herrn Rodenburg die Bücher und dieListen.':„Herr Brand war wohl einigermaßen überrascht, dieseAufforderung zu erhalten?" fragte Emmy mit hämischemLächeln. y(Fortsetzung folgt.).:'