«ungskommisfion wkd prüfen, ob ihre Mandate erloschen find. Der Mittwoch wird wie bisher der Berathung von Anträgen auS der Mitte des HauseS gewidmet sein. folgende Fachkommissionen: die Gcschaftsordnungs-, Pe- titions-, Agrar-, Justiz-, Gemeinde-, Unterrichts-, Budget-, RechnungS- und Wahlprüfungskommisfion werden in der nach- sten Zeit in derselben Siärke wie in den früheren Sessionen gewählt werden. Die Abthcilungen haben sich konstitulrt: l. Grimm (Bors.), DcliuS(St�llo.). Ii. von Wedell-Malchow Huene. III. ReichenSperger(Köln ), bobrecht. IV., Stengel. Althaus V. Graf, Beiscrt. vi. Windt­hor st, Simon v. Zastrow. VII. Zelle, v. LrNgendorf. Auf Antrag Stcngel's wird das bisherige Präsidium durch Akklamation wiedergewählt. Präsident v. K ö l l e r: Was mich betrifft, so stehe ich dem Hause wiederum gern zu Diensten und nehme mit herz- lichstem Dank für das mir von Neuem erwiesene Vertrauen die Wahl an. Ab. v. tz e e r e m a n n: Ich nehme die Wahl mit dem Ausdruck meines freundlichen Dankes an. Abg. v. B e nda: Ich nehme die Wahl dankend an. Auf den Porschlag des Abg. v. Schorlcmer-Alst werden m Schriftführern durch Akklamation gewählt: v. Quast, Bohtz, Dopelius, Jmwalle, Graf Slbmiesing, Worzewski, Steffens. Zu��Quastoren ernennt der Präsident von Liedermann und Schluß 12% Uhr. Nächste Sitzung Montag II Uhr. (Verstaatlichung der Eisenbahnen und Etat.) Fokales. .."J- r Die Verblendungsarbeiten, welche seit ungefähr 2 /, Jahren am Schauspielhause ausgeführt werden, find nun- mehr beendet, so daß der letzte Rest des hohen Gerüstes gestern entfernt werden konnte. Den fremden Besuchern Berlins wie auch den Einheimischen präsentirt sich in Folge dessen das dem Dienste der Kunst geweihte Haus am Schitlerplatz so ganz anders als vordem und doch ist es dasselbe geblieben. Eine Bekleidung des Schinkel'schen Baues mit Verblendsteinen hat genügt, um den Anblick deS herrlichen Gebäudes auch dem heutigen verwöhnten Auge wieder zu einem fesselnd interessanten zu machen. ,rf-»erltner Omnibusgesellschaft wird nunmehr nach und nach auf sämmtlichen Strecken farbige Schilder ein- führen und hat außer auf der Strecke Kurfürstenstraße-Stet- tmer Bahn an den Wagen Potsdamer Brücke-Rosenthalcr Thor grüne Schilder angebracht. b. Ew großer Droschkenkutscherball vereinigte am Donnerstag viele hundert Droschkenkutscher mit ihren Familien und freunden in der Philharmonie. Deklamationen und Ge- sana-Vo:trage füllten dm ersten Th-il ves Abends aus. Die festliche Stimmung ließ nichts zu wünschen übrig. Einen Wermuthtropfen in den Becher der Freude träufelte nur eine irrige Anficht der Direktion hinsichtlich der kulinarischen Nei- gungen der Gäste. Für Schweinebraten und Ripvespeer war reichlich gesorgt, während Hasen- und Putmbraten mehr deko- ratio auf der Speisekarte standen. Gerade nach etwas Be- sonderem trug die Mehrheit Verlangen, da Schweinebraten ihr täglich beim Budiker blüht. Mancher fastete deshalb voll Unwillen lieber ganz, als daß er fich zu dieser unfestlichen Kost bequemt hätte. In der Sprache der Droschken halteplätze heißt dieser Ball der Krebsball, weil er von den sogenannten Krebsen, den Besitzern von ein und zwei Droschken, veran- staltet wird. a. Hehler und Stehler gefaßt. In dem Zigarrengeschäft der Firma Löser und Wolff, Friedrichstraße 1316 war vor einigen Tagen, wie wir am folgenden Tage mitgetheilt haben, ein nächtlicher Einbruchsdiebstahl verübt worden, wobei die Diebe außer baarem Gelde auch eine Quantität Zigarren mit- genommen hatten. Am zweitfolgenden Tage nach diesem Ein- ruch vertheilte ein Mann, in welchem später derArbeiter" K. festgestellt worden ist, Zigarren in reichlicher Weise an mehrere Bekannte, ohne von diesen etwas dafür zu erhalten. Einem der in dem Lokal anwesenden Gäste, welcher kurz vor- her in der Zeitung die Mittheilung über den Einbruchsdieb' stahl gelesen hatte, fiel diese Liberalität des dürftig getleiveten und ärmlich aussehenden K. auf, und in der Annahme, daß die von ihm verlheilten Zigarren aus dem erwähnten Dieb- stahl herrührten, machte er sofort darüber Anzeige, welche die Festnahme deS K. und eines der Geschenknehmer, Arbeiters G., zur Folge hatte. Die bei K- noch vorgefundenen Zigarren wurden von dem bestohlenen Geschäftsführer als die seinigen rekognoszirt, und K. ist unter dem dringenden Verdacht der Thäterschaft, sowie G. wegen Hehlerei zur Hast gebracht worden. DasDeutsche Theater" wird als nächste Novität nach demFiesko " eine aus drei Einaktern von Paul Heyse zusam- mengrsetzte Vorstellung bringen. Zu diesen Einaktern gehört auch das LustspielUnter Brüdern", welches deshalb noch nicht, wie beabsichtigt gewesen, am Montag, den 19. d. MtS. in Szene geht, sondern für den Heyse- Abend aufbewahrt wird. In der Vorstellung am Montag wird zu denHagestolzen" statt dessenEin Hut " gegeben. Polizei-Bericht. In der Nacht vom 14. zum 15 d. M. wurde einem höheren Beamten, als er seine mit ihm aus einer Gesellschaft heimkehrende Schwester nach deren Wohnung in der Bülowstraße begleitete und das Hau? öffnete, von einem unbekannten Manne, während dieser nach der Nummer deS Hauses frug und Antwort erhielt, der Hut vom Kopfe ge- schlagen. Der Unbekannte drang sodann auf den Herrn ein, warf ihn zu Boden und brachte ihm einen Messerstich am Hin- terkopfe bei. Als am 15. d. M. Morgens der Dachdecker Petri auf dem Dache des Hauses Mohrenstr. 48 beschäftigt stürzte er, wahrscheinlich in Folge Ausgleitens auf dem i ss�allenen Schnee, vom Dache auf den Hof hinab und ar 10 schwere Verletzungen, daß er auf der Stelle verstarb. Am Vormittage desselben Tages fiel der obdachlose ehe- mange Krankenwärter Borr in der Rüoeisdorferstraße zur Erde und zog fich dabei eine so schwere Berletzung am Hinterkopfe zu, daß er nach dem Kranlcnhause im Friedrichshain gebracht werden mußte. An demselben Tage Nachmittags versuchte ein obdachloser Mann im Abort deS HauseS Friedrtchstr. 228 in selbstmörderischer Abficht fich die rechte Pulsader zu durch- schneiden. Nach Anlegung eines Notqverbandes wurde er nach der Charit� gebracht.___ Gerickts-Rettung. Prozeß Fickelscheer. Im kleinen Schwurgerichtssaale des GerichtSgcdaudes zu Moabit begann heute Vormittag die Ver- Handlung in dem Prozeß gegen den Tralteur Scheer, Inhaber deS bekannten Restaurants von Lantzsch in der Eharlotten- straße. Das Lokal ist in der vornehmen Welt so bekannt, daß es begreiflich ist, wenn der Zuschauerraum bei Eröffnung der Sitzung schon dicht gefüllt ist: namentlich wohnen derselben zahlreiche hiesige Restaurateure bei. Angeklagt find 1) der Restauratcur Friedrich Wilhelm Fickelscheer, und 2) die Ehe- frau dksselb-n. Den Vorsitz der II. Strafkammer führt Land- gerrchtsdirektor Lüty, die Anklage vertritt Staatsanwalt Dr. <rui0'oralf, Vertheidiger fungin Rechtsanwalt Dr. Friedmann. £ afle wirft beiden Angeklagten wiederholtes Vergehen gegen vas m'-.....''' -% y"' V I" HCyUUH ÜClfllltn» UCWCftll, ,U VUÖ W manfi, der das Eis genoß, Leibschmerzen bekommen konnte. Ferner sollen verdorbene Nahrungsmittel verkauft worden, in anderen Fallen verdorbene oder nachgemachte Nahrungsmittel aufgefrischt", stehen gelassene Biernelgen wieder eingefüllt, schlechtes Geflügel, todte Fische eingekauft, zurückaelassene Sperse- reste wieder verlauft, Suppenieste wieder in die Terrine gegossen, auS einem einzigen Faß Leoville sowohl wie Brauneberger und Rüdesheimer gezapft und Hammelfleisch als Wildbraten ver« kauft worden sein. Dem Angeklagten wird außerdem wid-rrecht- liche Freiheitsberaubung vorgeworfen, weil er einen Mann wider- rechtlich hat fistiren lassen. Da 34 Zeugen zurStelle find, müssen zur Verhandlung zwei Tage bestimmt werden. Der Angeklagte Fickelscheer bestreitet die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen mit aller Bestimmtbett. Er erzählt, daß er das alte Lantz'sche Geschäft vor 7 Jahren übernommen habe, nachdem er acht Jahre als Obertellner do t seivirt halte. Seit 2 Jahren sei er verheirathet. Es sei sein Stolz gewesen, die zahlreichen Gäste aus der besten Gesellschaft, welche nach dem Theater sein Lokal zu besuchen pflegten, nach seinen besten Kräften zu bedienen und deren volle Zufriedenheit zu erwerben, waS ihm auch gelungen sei. Es seien niemals Klagen aus dem Publt- kum laut geworden. Er habe das beste Fleisch von Noack. die Fische von Lmdenberg bezogen, es sei ihm nie eingefallen, irgend eine der ihm vorgeworfenen Manipulationen zu voll- ziehen. Bei ihm habe stets die größte Sauberlrit und Ord- nung geherrscht und betrügerische Absichten niemals vorgewaltet. Er habe stets echte Biere geführt, da er damit seine Gäste aber schließlich nicht mehr zufrieden stellen konnte, habe er das so- genannte Pilsener Bier der Adlerbrauerei, welches den Gästen vortrefflich mundete, ausgcschenkt, aber es sei ihm nickt einge- fallen, vorzuspiegeln, daß dies echtes Prlsener Bier sei. Die ganzen Vorwürfe lassen fick nach seiner Meinung auf ein gegen ihn geschmiedetes teuflisches Komplott zurückfübren, an dessen Spitze ein Ehepaar stehe, von welchem er früher große Posten Konserven gekauft habe. Dazu kämen dann die Rache- gelüste von Kellnern, Köchen und Bediensteten, denen er bei der überaus strengen Geschäftsleitung, deren er stch befleißigte, irgendwie zu nahe getreten war. Speziell bestrette er, daß die Eismaschine irgendwie unsauber und defekt gewesen sei. Mit aller Energie müsse er den Vorwurf zurückweisen, daß er die auf den Tellern der Gäste zurückgebliebenen Hummern- und Krebsschalen gesammelt, gestampft und später zu Krebssuppe rc. verwendet habe. Er habe so viel Hummern eingekauft und verbraucht, daß er wahrbaftig nicht zu alten Schalen seine Zuflucht nehmen brauchte. Es sei eine böswillige Verleumdung, daß er alte Bierreste wieder verwen« det und einen und denjelben Wein unter verschiedener Flagge verkauft habe. Er behaupte, daß Jeder seiner Gäste sofort er- kannt hoben würde, wenn er ihm Mosel - statt Rheinwein vor- setzte. Ebenso sei es falsch, daß er b-denltiches Geflügel ein- gekaust, welches nur durch Einlagen in Sahne genießbar wurde; allerdings habe er ja manchmal Geflügel aus Rußland br zogen, welche» auf Eis hier ankomme und von einem guten Koch sofort in Sahne gelegt zu werden pfl.'ge. Er bestrette, daß er Haselhühner als Fasanen verkauft und die billigen Seiden- schwänze in einem großen Posten aufgekauft und alsKram- metsvögel" auf die Speisekarte gesetzt bade. Er habe l.tztere von einem hiesigen Wildhändler als italienische Krommetevögel gekaust und als solche auch den Gästen vorgesetzt. Frau Fickelscheer bestreitet ihrerseits, daß sie jemals die Hand zu be- trügerischen Manipulationen in der Küche gereicht oder gar die intellektuelle Urheberin des betrügerischenFleiichpräporations- Verfahrens" gewesen sei, welches in der Küche angewendet sein soll. Sie habe niemals Abfälle wieder verlauft, dieselben wur­den vielmehr in einer großen Tonne gesammelt und einem Milchhändler zur Schweinefütterung verkauft. Zurückgebliebenes Fleisch»c. wurde in großen Posten täglich an die Armen ab- gegeben. Was die Freiheitsberaubung betrifft, so behauptet ver Angeklagte Fickelscheer, daß der Agent Camphausen eineS Tages beim Vorbeigehen vor seinem Lokal laut über dieSchwindelbude" geschimpft habe, so daß er fich veranlaßt sah, fich darüber bei einem Schutz- mann zu beschweren. Letzterer habe alsdann den Camvhausen zur Feststellung seines Namens zur Wache ststirt. Damit ist das Jnqaisttoriam beendet und es wird zur Beweisaufnahme geschritten. Die unverehelichte Modzinska war früherReseivemävchen" in der Küche der Angeklagten. Sie ist nicht in vollem Frieden von ihrer Herrschast geschieden, behauptet vielmehr, noch 6 M. Lohn von derselben zu bckom- men. Sie bekundet, daß die zurückgekommenen Krebsschalen in einem großen Sieb gesammelt, gewaschen, dann von dem Küchenjungen zerstampft und zu Krebsbutter verwendet wurden. Zurückgekommene Suppenreste seien auf Befehl der Herrschaft wieder in den großen Suppcntopf geflossen worden. Die fische seien zumerst todt gewesen, das Geflügel in sehr wildem ustande. Der Angeklagte bestreitet alle diese Angaben und der Präsident konstatirt, daß die Zeugin kurz hintereinander aus zwei späteren Diensten entlassen worden sei. Der Ange­klagte behauptet noch, daß er das Mädchen aus seinem Hause gewiesen habe, weil dasselbe einmal ein anderes Mädchen der Unterschlagung bezichtigt hatte, während fich der b-treffende Gegenstand schließlich bei ihr selbst vorfand. Eine Frau v. Stechow, welche das Mädchen 3 Monate in ihrem Dienst hatte, schttdert dasselbe als ejwas launisch, kann sonst aber wesentliche Momente, die ihre Glaubwürdigkeit erschüttern, nicht beibringen. AiS das Mädchen in dieser Angelegenheit polizeilich vernommen worden war und der Zeugin oen Sach- verhalt erzählt hatte, hat fic derselben versichert, daß die Vor- würfe wahr seien und da die Dienstboten sehr erbost gegen den Herrn seien, so würde es demselbengehörig eingepfeffert" werden. Frau Kienast, gleichfalls eine frühere Angestellte(Kasstrerin) der Angeklagten, die gleichfalls nickt freundschaftlich von den- selben geschieden ist, bestätigt, daß Butter- und Käsereste weiter verwendet und Hummern- und Krebsschalen zerstampft und zu Krebsbutter verarbeitet wurden. Ob die Schalen von den Gästen bereitsbenutzt" waren, kann sie nicht sagen. Als Wildschweinsbraten" sei Rippespeer und zahmes Schwein ver« tauft worden, die eingekauften Fische seien zumeist todt ge- wesen, auch die Süßwasserfische. Der Angeklagte erwidert, daß er die Zeugin entlassen habe, weil sie im Verdacht der Trunksucht stand. Der Koch Heese, der 3 Wochen Küchenchef bei dem Angeklagten war, giebt sein Zeugniß durchaus zu Gunsten desselben ad. Es sei unwahr, daß zu seiner Zeit Krebse gekocht oder gar KrebSschalcn, die schon benutzt waren, verwendet worden. Er habe nur den Auftrag gehabt, Hum- merschalen, die gänzlich intakt waren, zu Kcebsbutter zu ver« wenden. Die Suppe, die vom Lokal herausgekommen, fei nur dann wieder in den Euppentopf gegossen worden, wenn etwa einmal einem Gast eine von ihm nicht gewünschte Suppenart servirt worden war und demselben eine andere gebracht werden mußte. Zeuge MengeS. welcher f. Z. Küchenlehrling beim An- geklagten war, hat seinen Dienst verlassen, weil er von dem Angeklagten wegen einer Ungehörigkeit nach seiner Meinung !u derb und zu Unrecht gezüchtigt worden war. Sein Vater »at deshalb gegen den Angeklagten die Klage angestrengt, die- elbe aber später wieder zurückgenommen. Nach der Äehaup- ung des Zeugen ist Kapaun als Poulard servirt worden, Rippespeer wurde fast immer als WrloschweinS-Kotelette ver- wendet und einmal feien 500 Stück Seivenschwänze angekauft und als Krammtsvögel unter das Publikum gebracht worden. WaS die wieder verwandien Fleischrestebettifft, so erzäbltZeugenur von der Verwendung solcher Reste, die auf Schüsseln geblieben, also von den Gästen noch nicht berührt waren. Die Manipulation mit den Krebs- und Hummerschalen will Zeuge selbst vorgenommen haben. Die Krebsschalen seien getrocknet und ausgewaschen und später wieder zur Dekoration bei Fiicassce:c. benutzt wor- den. ES fei auch richtig, daß eine und dieselbe Weinsorte mit verschiedenen Etiquettes je nach der Bestellung der Gäste ausgestattet wurde. Auch die behauptete Färbung des Reine Claudes mit Blaustein bestätigt Zeuge. Wer ihm den Aufttag zum Ankauf deS BlausteinS gegeben, weiß Zeuge nicht, bleibt aber dabei, daß der Angeklagte Fickelscheer das Geld zu diesem Einkauf gegeben und von der Färbung gewußt habe. Von der Biermanipulation weiß Zeuge nichts. Auf Befragen des Prä- fidenten ei klärt der Angllagte, daß er sowohl daS Pllsener Bier de» Adlerdrauerei als auch daS echte zu 30 Pfennige pro GlaS verkauft habe. Koch Weyrauch ist gleichfalls Kochlehrling bei dem Ange« klagten gewesen. Präs.: Sie sollen im Unfrieden von den Angeklagten geschieden sein Zeuge: Ja wohl, er hat eines Tages gesagt, ich solle machen, daß ich hinauskomme. Präs.: Warum denn? Der Angeklagte behauptet, daß Ihr Verhält- nrß zu einer Bediensteten zu zärtlich wurde. Zeuge: Nein, Herr Scheer konnte mich bios nicht b'sehen. Piäf.: Warum denn nicht? Zeuge: Weil in 14 Tagen immer 15 Küchen­chefs dort waren and man mir Schuld gab, daß ich den schnellen Fortgang der Herren verursachte. Präs.; Sie sollen stch sehr für die Anklage interesfirt und dieselbe immer in Fluß erhalten haben, wenn der Staatsanwalt dicht daran war, sie zurück zu legen. Zeuge: DaS ist nicht wahr, ich habe gar nicht denunzirt. Zur Sache wiederholt Zeuge fast alle Beschulvigungen der Anklage, speziell die Zubereitung der gebrauchten Krebsschalen» die Färbung der Pflaumen mit Blaustein ic. Von der Ver­wendung von Suppen- und Fleischresten weiß er Nichts, be« baup'et dagegen, daß aus demselben Weinfaß die verschieden« sten Sotten verzapft worden seien, von den theuersten bis zu den billigsten, von Leoville bis Becheveilla, Estephe}C. Geh. Rath Dr. Wolff bekundet vom amtlichen Stadpunkte aus, daß Pflaumen, mit größeren Mengen Blaustein vermischt, Magen« kararrh hervorrufen können. In der vorliegenden Menge sei das Kupfervitriol nicht gesundheitsschädlich, von seinem Stand« punkt aus müsse er doch den Zusatz solcher metallischen Mittel alsVerfälschung" im Sinne des Nahrungsmittelgesetzes be« zeichnen. Daß der Eisnäscher seine Leibschmerzen in Folge der nicht verzinnten Kochmaschine sich zugezogen, sei kerneswegs er« wiesen. Kriminalkommiffa ius Grützmacher ist mit den Recherchen betraut gewesen, hat sich im Lokale deS Angeklagten ein GlaS Pilsener" destellt, dasselbe mit 30 Pf. bezahlt und von dem betr. Kellner die Verfichecung erhalten, daß esecht Pilsener sei. Dasselbe ist dem Kriminalschutzmann Kirsch paifitt, der auch bezeugt, daß aus der Speisekarte und am Schaufenster- schildecht" Pilsener Bier verzeichnet war. Damit sind die Belastungszeugen erschöpft und morgen wird noch eine große Reihe von Entlastungszeugen vernommen werden. Künstlers Erdenwallen. Einen erheiternden Einblick in die tragikomische Misere von Künstlers Erdenwallen gestattete die gestrige Gerichtsverhandlung vor der sechsten Strafkammer hiesigen Landgerichts I. Friedrich Wilhelm Schmidt, jener kleine bewegliche Mann, der, ein Schlld mit der Inschrift Grauer Staar" auf der Brust, auf der Straße Gesangsvor- träge zum Besten giebt und deshalb häusig wegen Bettelns sistirt wird, stand gestern wieder vor dem Forum der Gerech- tigkeit. Er war wegen BettelnS, groben Unfugs ic. rom Schöffengericht zu dreißig Tagen Haft vermtheilt worden» hatte aber die Berufung eingelegt, indem er fich wieder auf den in seinem Besitze befindlichen Gewerbeschein alsSänger" berief. Präs.: Nun Schmidt, da sind Sie ja schon wieder. Angekl.: Das semd mein Verhängniß, das seind des San« gers Fluch. Präs.: Ja, Schmidt, warum lassen Sie von dieser Bettelei nicht ab. Angekl.(stolz): Ick bin ein freier Mann und stnge; mein ganzer Reichthum seind mein Lied. Präs.: Das(st ja ganz schön; Sie dürfen aber nicht über- all auf der Straße fingen, deshalb werden Sie ja eben immer ststirt. Angelt.: Das seind Freiheitsberaubung. Seind denn der Handelsminister und der Gewerberaih weniger als ein Schatzmann. Hier ist der Schein, daß ich mein Gewerbe alsSänger" angemeldet habe. Präs.: Dm Schein haben Sie neulich schon einmal produzirt. Angell.: Jeder Psalm seind ein Gesang, Davis war auch ein Sänger, unv hat nicht Dr. Martin Lurher auch gesungen? Piäs.: Schmidt, Ihre vielen Vorstrafen wegen Bettelns sollten Ihnen doch eigentlich eine Lehre gewesen sein. Angekl.: Hoher Gerichtshof! Wmn man mich einsteck«, kann ich nicht auf ven sogenannten grünen Zweig kommen. Meine Herren, 84 Tage hintcrein- ander war ich in Pcrleberg und habe die dünne Suppe und ein Stücksken Brod aegeffen- Und ich bin doch kein schlechter Kerl, denn schon Schiller sagt:Wo man fingt, da laß Dick ruhig nieder!" Präs.: Sind Sie denn überhaupt als Sänger ausgebilbet? Angekl.(mit einer künstleritcken Geste): O wohl, dci Direktor Engel. Präs.: Haben Sie denn früher einmal eine Stellung als Sänger be- kleivet?- Angekl.: Ja, bei Kroll: das war eine köstliche Zeit! Präs.: Sie behaupten, daß Sie auf einer Bühne als Sänger aufgetreten sind? Angekl.: Ja wohl, ich war ein Jüngling noit an Jahren, siebzehn Sommer zählt' ich kaum. Präs.: Was haben Sie denn gesungen? Angekl.: Alles, was vorkam. Jedes Mal, wenn ich austrat, bekam ich drei Thaler. Ich sang zumeist komische Sachen. Präs.: Wie lange dauerte das? Angekl.: Deel Jahre lang, bis zum Jahre 56. Präs.: Was sinv Sie denn von Hause aus und wie ist e« gekommen, daß Sie fich der Kunst zuwandten. Angekl-: Erst war ich Seiler und Roßbaarspinncr, da ich aber dabei keine Seide spinnen konnte, habe ich mit Fässern gehandelt. mein Glücksfaß war unv blieb aber leck und ich habe deshalb meine Stimme entdeckr.- Präs.: Na, Sie behaupten also, daß Sie Ihr Gewerbe alsSänger" auf Grund eines Ge- werbescheins jetzt auf der Straße ausüben. Haben Sie denn etwas für den Schein bezahlt?- Angekl.: Hoher Gerichts- Hof! Mustk seind«ine freie Kunst; dafür wird nichts gezahlt, das melvet man blos an. Präs.: Die Schutzleute sagen, daß Sie eine kratzende Stimme haben. Die Ihnen in die Hand gedrückten Nickel werden also wohl nicht als freiwilliges Honorar für Ihre Kunstleistung zu betrachten sein. Angekl.: Alle Tage werbe ich fünfmal sistirt. Dann muß ich auf der Bank fitzen und frieren. Wo soll da der Organ bleiben? Weh' Euch, ihr kahlen Hallen! Nie töne süßer Klang durch Eure Räume wieder, nie Saite, noch Gesang!" Präs.: Sollten Sie sich nickt selbst sagen, vaß Ihr Gesang für daS Publikum doch am Ende kein Genuß ist? Angekl.: Da seind es mir aber nur wunderbar: Wenn ich eine Weile wo nicht gewesen war und dann wieder hin« komme, dann sagen alle Leute:Sie waren ja so lange nicht da! P:äs.: Sie scheinen also zu glauben, die Leuie sehnen stch nach Ihrem Gesang! Was haben Sie denn eigentlich gesungen. Angekl.(sehr lebhaft): Jb stWV?? Lenz und Liebe, von seliger, goldener Zeit,.von Freiheit, Männerwürde, von Treu' und Heiligkeit. Präs.: DaS wäre zum Beispiel?- Angekl.:Preiset die Reben- pr-'se den Rhein , schöner als im Leben, kann's im Himmel mcht sein;" oder:Dein gedenk ich, holves Mädchen. Demer Augen füge Pracht"; oder;Drum hinauf geschaut und auf Gott vertraut! Präs.: Sie machen zu dem Gelang auch stitS solche Be- weaungen, daß Ihre Abficht zu Betteln klar ist. Angekl.: Mrt solchen Beweglichkeiten singe ich rmmer, ob ich das hohe c angebe, oder die ganze Schkala durchmache. Nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme beantragte der S aatsanwalt die Verwerfung der Berufung. Präs.: Was haben Sie noch zu sagen? Angekl-: Sollte mich eine Strafe zustehen, so gehe ich bis nach Leipzig . Ich habe meine Leistung gemacht, daS seind mein Gesang, und wer Gehör dafür hat, wem mein Gesang gefällt, von dem kann ich ja wohl was kriegen» wer aber keinen Sinn für Tongemälve hat, ver wird mir ja wohl nichts geben. Srnae wer da fingen kann! Der Gerichtshof erkannte auf Verwerfung der Berufung, da der