nung. Die Frage ist nun: Sft es zweckmäßig, seltens der Bolizei unbillige Forderungen an das Publikum zu stellen; Sft es praktisch, Undurchführbares erzwingen zu wollen; führen solche Erfahrungen nicht zu der Annahme feitens des Publikums, daß nicht die strengen Anforderungen der öffentlichen Sicherheit, sondern irgend welche nicht verständliche Motive die legten Gründe für das schroffe Verhalten der Polizei find? Noch viel ungreiflicher waren die Befehle der Polizei am Dienstag Nachmittag auf dem Belle Allianceplat. Der Kriegerzug sollte um 3 Uhr Der Kriegerzug sollte um 3% Uhr von der Wilhelmstraße tommend um die nördliche Seite des Rondels über die Brücke in die Belle Alliancestraße biegen. Schon von 2 Uhr an wurde es nun Niemandem gestattet, ben breiten Baffagemeg quer über den Platz in der direkten Verlängerung der Friedrichstraße zu pasfiren, sondern er mußte die südliche Hälfte des Rondels umschreiten das hätte sich ja noch motiviren laffen aber nicht auf dem Bürgersteig, sondern auf dem Straßendamm. Daß hier lediglich eine irr thümliche Auffaffung einer Drdre vorlag, ist einleuchtend. Aber es ist gar nicht zu sagen, welch hoher Grad von Verbitte rung fich Derer bemächtigt, die das Dpfer solch irrthümlicher Auffaffung einer polizeilichen Ordre durch polizeiliche Organe find. Es ist sicherlich die Forderung berechtigt, daß auf dem Gebiete der Absperrungen nur das unbedingte Nothwendige und dann in der denkbar schonendsten Form geschehe. Es mag an den hier angeführten Beispielen genügen. Es erhellt aus ihnen, daß, wie die Nat. Btg." schreibt, auch seitens der Bo liget nicht immer das Richtige getroffen wird. Und es würde fich mit der öffentlichen Dronung und Sicherheit sehr wohl vertragen, wenn entbehrliche Einschränkungen der freien Be wegung in Bulunft fortfielen.
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dem Verteidiger der Angeschuldigten, Herrn Rechtsanwalt| Wronter, in dieser Angelegenheit wiederholt an fte gerichteten Briefe zu antworten. Die Gräfin hat nun wohl eingefeben, baß fie mit den bisherigen Behauptungen über ihre finanzielle Hilfsquellen nicht durchiommt und unnöthigerweise ihre Unte suchungshaft verlängert; denn fie hat jest ihre früheren Angaben widerrufen. Hierdurch ist dem Untersuchungsrichter die fommissarische Vernehmung der Verwandten der Angeklagten in England und Italien erspart geblieben. Die Angeschuldigte hat den größten Theil der auf Kredit genommenen Waaren sofort wieder verschenkt. Ganz toloffale Summen verschwendete fte foldbergestalt an ganz plößlich auftauchende Freundinnen. Sie selbst gönnte fich nur die gewöhnlichen Hotelspeisen; da für aber verbrauchte sie viel Wein und Bier. Bemerkenswerth ift noch die Thatsache, daß das italienische Ronsulat fich der Angeklagten angenommen und fie mit Geldmitteln unter ftüßt hat.
Eines der ältesten Berliner Zotale, das schon vor mehr als dreißig Jahren einen Sammelpunkt derjenigen Volks freise bildete, welche im Familienkaffeelochen" den höchften Genuß für ihre Sonntags- und Mittwochswallfahrten nach dem damals als Landpartie" betrachteten Moabit fanden, ist mit dem heutigen Tage dieser seiner früheren Bestimmung entzogen und wird einer Anzahl jener Neubauten Platz machen, welche, äußerlich Paläfte, doch nichts weiter als große Mieths. tafernen find. Der in der Kirchstraße, dicht an der Moabiter Brüde belegene Bellevue- Salon wird abgeriffen, und mit ihm verschwindet einer jener großen schattigen Erholungspläge in öffentlichen Lokalen, an welchen das alte Berlin so reich war. Zur Zeit der Blüthe dieses und ähnlicher Lokale, als die Ber liner Röchinnen am dritten Pfingstfeiertage noch im heutigen Ileinen Thiergarten" ihren Altgefellen" wählten, fuhren die Berliner bundertweise mit ihren Kindern von den Belten aus mit der, Jonbel" nach Moabit und mancher Liebesroman hat in diesen Räumen seinen Anfang genommen.
Die Befiger der unterm 11. Juli 1874 ausgefertig ten deutschen Reichstaffenscheine werden daran erinnert, daß dieselben nur noch bis Ende Juni d. J. bei einer der Reichstaffen und der Kaffe eines Bundesstaates in Bahlung angenommen oder bei der Reichshaupttaffe gegen baares Geld eingelöst werden. Vom 1. Juli d. J. ab ist nur noch die föniglich preußische Kontrole der Staatspapiere in Berlin er mächtigt, solche Scheine anzunehmen und einzulösen.
Belle Alliance- Theater. Görner's Luftspiel Amerikanisch", deffen Aufführungen fich allabendlich des allgemeinften Beifalls erfreuen, bleibt für die Feiertage ununterbrochen auf dem Repertoir. Herr Direktor Wolf hat das fünfattige Schauspiel ,, Marguerite" von Koppel Enfeld, welches in jüngster Beit am Hoftheater in Dresden einen sensationellen Erfolg erzielte, zur Aufführung auf der Bühne des Belle- Alliance Theaters angenommen.
Gerichts- Zeitung.
Nürnberg . Der blutige Pantoffel an der Kirchhofsmauer oder tebe, Spund und Cognat," so oder ähnlich lauteten die Titel der ſpan nenden" Rolportageromane, welche der Kolporteur La des von Küche zu Küche, von Werkstatt zu Werkstatt trug und mit feurigen Worten anpries, sobald einige weibliche Wesen mit der dem Geschlechte Eva's angeborenen Neugier fich um ihn versammelten.
t. In der neuen Wohnung. Es ist eine unbestreitbare Thatsache, daß auf der Erde Alles einem ftetigen Wechsel unterworfen ist, doch ebenso unbestritten wird wohl auch die Thatsache bleiben, daß speziell der Wohnungswechsel nichts weniger, als zu den Annehmlichkeiten des Lebens zu rechnen ist. Wenn trogdem die Statistik gerade in diesem Punkte mit frappirenden Bahlen redet, so ist die Ursache wohl zumeist in den vorhandenen Wohnungsverhältnissen zu suchen. Die foges nannten berrschaftlichen Wohnungen find ja allerdings höchft tomfortable", b. b. mit möglichster Bequemlichkeit und Eleganz hergerichtet, indessen die kleinen" Wohnungen, wie fie der Ar beiterstand bevölkern muß, leiden zumeist an einem gänzlichen Mangel vorgenannter Eigenschaften und einer solchen Fülle von Ünzuträglichkeiten, daß der Wunsch der betreffenden Innisch", deffen Aufführungen fich allabendlich des allgemeinsten faffen, fich eine andere Heimstätte zu suchen, vollkommen gerecht fertigt erscheint. Da aber bei der Erbauung fleiner Wohnungen wenig Rücksicht auf gerechtfertigte Ansprüche der zukünftigen Bewohner genommen worden ist und genommen wird, sondern lediglich die größtmöglichste Gewinnausnuzung des Bauraumes das leitende Brinzip gewesen ist und ist, so wird bei einem event. Wohnungswechsel von einer Verbesserung" wohl nur in vereinzelten Fällen die Rede sein können. Bu dieser Erkenntniß wird ein Jeder gekommen sein, der durch öfteren Wohaungswechsel Erfahrungen in dieser Beziehung zu fammeln Gelegenheit hatte. Diese Erkenntniß ist die Frucht, welche als Lohn für die vielfachen Mübsale und Beschwerden, wie fie ein Wohnungswechsel naturgemäß mit fich bringt, ge pflückt wird. Doch was hilft es? Man muß wohl oder übel in den fauren Apfel beißen, fich einrichten und hat dafür die Freiheit, spätestens in einem halben Jahre seine fieben Sachen wieder zusammenpacken zu dürfen, um ein anderes Quartier zu beziehen. So wiederholt fich dieser Kreislauf in erschreckender Gleichmäßigkeit, bis man endlich, des Nomadenlebens müde, bleibt wo man ist und mit ftoischem Gleichmuthe alles Unangenehme zu ertragen bemüht ist, fich tröstend mit der Wahr heit, daß es eben anderswo auch nicht besser ist. Wohl dem, der auf diesem Standpunkt bereits angelangt ist! Für Jeden aber, der noch nicht aus der Noth eine Tugend gemacht und fich zur Seßhaftigkeit gezwungen hat, bildet eine neue Wohnung gewiffermaßen ein unbekanntes Land und es bedarf immerhin längerer Beit, bevor man sich in dieselbe eingelebt und ihre verschiedenen Eigenschaften erforscht hat. Wenn uns auch gemeinhin dieselben Dinge umgeben, so erfordert doch die veränderte Gestaltung der neuen Wohnung eine veränderte Plazirung der Mobilien, und schon durch diese Störung der bisherigen Ordnung, an die man sich gewöhnt hatte, füglt man fich anfangs nicht wie zu Hause". Im ganzen Hause begegnet man fremden Gesichtern, fremden Nachbarsleuten, die fich erst als gute und getreue Nachbarn erweisen sollen, und ein gewiffes Vorurtheil, vielleicht auch böse Erfahrungen, halten uns für's Erfte ab, freundnachbarlich mit ihnen zu verfehren. Getreu dem Wahrfruche: Mein Haus ist meine Burg", ver schanzt sich Jeder hinter seinen vier Pfählen und nur zeitweise werden Rekognoszirungsausfälle gemacht zu dem Zwecke, die Duellen zu erfunden, wo die nothwendigsten Lebensbedürfnisse am besten und preiswürdigsten zu beziehen find. Erst ganz allmälig bildet fich ein Verhältniß heraus, welches den Einzelnen als ein zugehöriges Glied der großen Gemeinschaft des Hauses, der Straße, des Stadttheiles, wohin er verzogen ist, fich fühlen läßt. Mag aber Jemand in noch so entlegene und entgegen gesezte Stadtgegenden verschlagen werden, verloren geht Nie mand in dem großen Berlin ; der Steuermann, die Beitungsfrau, der Briefträger und schließlich auch Berwandte und Be tannte suchen und finden ihn und wenn schließlich Alles wieder im alten und rechten Geleise ist, dann heißt es oftmals wiederumziehen", die Belte werden abgebrochen und die Bedeutung des Begriffes, Heimath" bleibt Vielen lange Jahre hindurch ein ungelöftes Rätbfel.
a. Die städtische Parkdeputation hat bei dem Magiftrat beantragt, eine neben dem Grundstück der Nazareth- Kirchen gemeinde in der Müllerstraße gelegene städtische Fläche von 2246 Quadrat- Metern zur Herstellung von Bartanlagen thr zu überweisen. Durch die Ausführung dieses Projekts wird ein von den finderreichen Bewohnern dieses an Bartanlagen so armen Stabitheils lange gefühltes Bedürfniß befriedigt
werden.
Rothe
Wohl ein verfrühter Aprilscherz? Am Dienstag Nachmittag mußten dem B. T." zufolge die im Rathhaus beschäftigten Beamten schon um 4 Uhr Nachmittags ihre Büreaug verlaffen, obwohl der Kaffenabschluß, der am leßten Tage eines jeden Monats zu erfolgen pflegt, diese Beamten sonst bis spät in die Nacht hinein zu beschäftigen pflegt. Es war nämlich bei der Polizei eine Anzeige eingegangen, daß das Rothe Haus" durch Dynamit in die Luft gesprengt werden sollte. Es erfolgte in Folge deffen eine Durchsuchung des gesammten Ge bäudes, auch nicht der kleinste Raum blieb unbefichtigt- es fand fich aber Nichts! Eine verdächtig aussehende Rolle, welche an einem fonft unbenutten Drte gefunden wurde und mit großen Vorsichtsmaßregeln untersucht wurde, enthielt- alte Aftenstücke! Die Anzeige bei der Polizei dürfte auch wohl nur ein nichtsnußiger Aprilscherz gewesen sein, der um einen Tag zu früh ,, losgegangen" ist.
In der Untersuchungssache gegen die italienische Gräfin Rita de Candia, die auch unter dem Namen Frau v. Candia, Frau v. Aidnac und Frau v. Pearse hierselbst zahl reiche Betrüg reten gegen Hoteliers und Kaufleute verübt hat und seit mehreren Jahren nur durch Schwindeleien ein üppiges Leben zu führen vermochte, ift Aussicht vorhanden, daß die Straffache in turzer Zeit als Hauptverhandlung vor der Straftammer ihren vorläufigen Abschluß findet. Die 32 Jahr alte Anklagte fist seit beinahe sechs Monaten in Untersuchungshaft und hat während dieser ganzen Beit immer von neuem die Be hauptung aufgestellt, daß ihre in Italien und England wohnbaften, sehr vermögenden Verwandten ihr bisher die Mittel zu threm Lebensunterhalt gegeben hätten und auch die bisher von thr tontrahierten Schulden bezahlen würden. Diese Verwandten haben es aber der Mühe nicht werth gehalten, auf die von
Wie ein Prophet stand der Kolporteur unter der gläubigen Schaar, als er schilderte, wie man in diesem Roman einen Menschen kennen lerne, der ganz anders war, wie andere Menschen, der schön und ebel, förperlich mit Riesenstärke verfehen und geistig fo tlug wie fein anderer, aber arm war, und deshalb die reiche Geliebte nicht erlangen konnte. Die Schicksale des Paares feien furchtbar schön; das Mädchen wird von Räubern entführt, der Geliebte, welcher Soldat iſt, rettet fte, indem er alle Räuber tödtet, wird aber selbst friegsgerichtlich zum Tode verurtheilt, weil er ohne Erlaubniß bas Lager verlassen bat. Es entsteht während der Himichtung eine Schlacht, der Verurtheilte stürzt fich auf den Feind, erobert eine Festung, wird aber selbst getödtet und liegt auf einer Bahre. Seine Geliebte erweckt ihn durch ihre heißen Thränen, denn er ist eigentlich blos scheintodt, fie fliehen zusammen in die Wildnis, fallen den Indianern in die Hände u. s. w. Wer diesen spannenden Schilderungen des Kolporteurs noch widerstehen konnte, den mußten die Schätze blenden, welche die Kolportage Buchhandlurg ihren Abonnenten schenkt.
Es ist seltsam, wie splendid eine solche Buchhandlung ist. Nicht nur, daß fte solche schöne Romane, in denen fast auf jeder Seite ein loftbares Menschenleben geopfert oder eine fleckenreine Tugend verführt wird, für 10 Pfennige pro Bogen bergiebt, fie schenkt auch noch Bilder, Uhren, Schmucksachen 2c. bazu, und verlangt nur eine ganz lleine Nachzahlung für die Mühe des Herbeischaffens der werthvollen" Geschente.
Kein Wunder, daß die Kunden der Schundliteraturfabriken nicht alle werden. Freilich ist in Wahrheit die Makulatur, welche auf solchem Wege verbreitet wird, feinen Pfennig werth und für die Prämien" ist es meist schade um die Nachzahlung. Aber trotzdem blüht das Geschäft, wenn die Konkurrenz nicht allzu start fich bemerkbar macht.
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Die Konkurrens allerdings, die hat schon manches Gute und auch schon manches Schlechte ruinirt. Im Kolportage Buchhandel ist sie sehr fthrt, und der Kolporteur Lades mußte tros seiner feurigen Beredfamkeit die niederschlagende Beob achtung machen, daß die Vertreterinnen des Herdfeuers und der Nähnadel immer fühler gegen seine spannenden Romane wurden und sich von seinen Prämien nicht mehr blenden ließen.
Er machte verzweifelte Anstrengungen; er redete fich hungrig im Dienste seiner Verlagsbuchhandlung und erwarb nicht mehr so viel, daß er sich dann wieder satt effen konnte. Die Prinzipale waren gegen seine Sorgen völlig gleichgiltig. Die Prinzipale waren gegen seine Sorgen völlig gleichgiltig. Sie hatten schon genug erworben, fte lonnten es aushalten, wenn der Abonnenten um einige Hundert weniger wurden; Borschuß leisten die Verlagsbuchhandlungen gewöhnlich nicht, das ist gegen das Prinzip, und am Prinzip müssen fie fest halten; der Kolporteur mag nur neue Abonnements- Aufnahmen bringen, dann erhält er Provifion. Nun,
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Lades brachte Abonnentenzettel und nahm neue Prämien mit, um sie anzupreisen. Er betam Geld und stillte seinen Hunger. Das war ihm die Hauptsache; als er fich satt gegeffen hatte, wurde ihm sehr ängstlich zu Muthe und er machte fich mit erneutem Eifer an das Werk des Abonnentensuchens."
Denn in Wahrheit hatte er noch gar keine Abonnenten gefunden, als er die Bettel präsentirte. Die Bettel waren von thm gefälscht worden, gefälscht aus Hunger.
Bei seinen neuerlichen Bemühungen hatte er ebenso wenig Erfolg wie früher. Er verkaufte, um zu wiederholten Malen feinen Hunger zu stillen, auch noch die ihm anvertrauten Mustertäften und Bilder.
Natürlich wurde die Unterschlagung, sowie der Betrug baldigst entdeckt. Vor Gericht hatte der Kolporteur keine andere Entschuldigung, als seine Noth. Er wurde zu 1 Jahr 2 Monaten Gefängniß und dreijährigem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurtheilt.
Soziales und Arbeiterbewegung.
Die deutschen Glasarbeiter in England und Schott land erlaffen eine Warnung an alle Kollegen in Deutsch land, ja nicht auf ein Engagement nach diesen Ländern eins zugeben. Es befinden fich namentlich die schottischen Glas arbeiter in Streit. Ursache: Die schottischen Glasarbeiter Berantwortlicher Redakteur R. Grongeim in Berlin . Drud und Berlag von Mar Bading in
batten auf den 15. Februar einen Rongreß nach Glasgow ein berufen. Auf diesem waren von jeder Fabrit ein Arbeiter und ein Beamter, resp. ein Fabrithert. Die Fabrikanten verlangten, daß pro Tag 6 Dußend Flaschen mehr abgeliefert werden sollen,( die Schotten haben nämlich festen Wochenlohn und haben pro Tag ein bestimmtes Quantum abzuliefern, für die Waare, welche fte mehr produziren, erhalten fie eine Extras Entschädigung und wurden bisher für 144 Stüd 4 Mt. 50 Bf. bezahlt), während sie nunmehr für dieselbe Bahl nur 3 M 50 Pf. erhalten sollen. Die Arbeiter erklärten sich mit der Forderung einverstanden, wenn der Preis der Mehrarbeit auf 4 Mt. 50 Pf. stehen bleibe; außerdem stellten fte die Bes dingung, daß die Fabrikanten leine deutschen Arbeiter mehr beschäftigten. Diese Forderungen wurden jedoch von den Fabrikanten einstimmig abgelehnt, worauf die Arbeiter die Arbeit niederlegten. Die deutschen Arbeiter streifen nicht, da Dielben nur auf Stücklohn arbeiten und überdies höheren Lohn wie die Schotten haben. Damit find übrigens die Schotten einverstanden, doch lönnte der Fall eintreten, daß auch den Deutschen niedriger Lohn zugemuthet werde, in welchem Falle fie dann gemeinschaftliche Sache mit den Schotten machen werden. Wie es in dem Berichte heißt, soll ein Herr aus Bontegello nach Deutschland gereift sein, um deutsche Arbeiter zu holen, um dadurch die Schotten zur Beendigung des Streifs zu zwingen. Dieses zu verhüten, erlafsen die Deutschen diese Warnung, daß fie im Intereffe der Arbeitersache dem Streife Der Schotten sympathisch gegenüberstehen. Alle arbeiterfreunds lichen Blätter werden um Abdrud dieses Berichtes gebeten. Die deutschen Glasmacher in England.
Aus Ostpreußen . Ein förmliches Auswanderungsfieber herrscht gegenwärtig in vielen Kreisen unserer Landbevölkerung, welches bezeichnender Weise auf die neuen deutschen Kolonien, insbesondere das ,, australische Deutschland " gerichtet ist. Die Leute glauben steif und fest, daß nicht nur die Ueberfahrt von Hamburg ab frei ist, sondern daß auch alle Dienstverträge durch die Anmeldung zur Auswanderung dorthin ohne weiteres gelöst feien. Unverstandene Lektüre der Reichstagsberichte über bie Dampfersubvention haben hierzu beigetragen; doch scheinen auch Betrüger, die fich als Agenten ausgeben, thätig zu sein. Man wird in manchen Theilen der Proving Mühe haben, die entstandene Aufregung zu beschwichtigen. Hier und ba haben sich unter jungen Leuten, Hanwertern und Lands wirtben schon förmliche Auswanderungs- Romitees gebildet.
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Hof, 31. März. Das„ Sparen" nimmt hier immer größere Dimensionen an, b. b. das Sparen an Lebens und Genuß mitteln, weil die gezahlten Löhne geradezu unter aller Kritik find. Bom ,, Ersparen" im Sinne des seligen Schulze aus Delitzsch fann natürlich keine Rede sein. Zwar hat ein national liberaler Musterpatriot, feines Beichens Advokat, während des legten Wahlkampfes in einer Agitationsrede gesagt, ein Are beiter, Familienvater mit 5 Kindern, fönne mit einem täglichen Verdienst von 1. 20 Pf. recht aut leben"! Es ist nur im höchsten Grade merkwürdig, daß die braven Leute, die das so genau wiffen, uns die Sache nicht einmal vots machen! Es ist teine Kunst, von oben herab über Arbeiters verhältniffe abzuurtheilen, den Arbeitern mangelnden Sparfinn 2c. vorzuwerfen, eine wirtliche Kunst aber wäre es, ein Beispiel durch die Praxis zu geben. Wir glauben nun allers dings, daß dem ,, weisen" Herren, der den zitirten Sat talten Blutes ausgesprochen hat, der genannte Betrag oft faum zum Babelfrühstück reicht; damit er nun in Bufunft seine Bunge etwas im Baume hält und nicht solch frivole, unverantwortliche Redensarten ausftößt, wollen wir ihm ein kleines Rechen. exempel vorführen, 3ahlen beweisen ja bekanntlich. Ein Laib Brod, den eine aus 7 Köpfen bestehende Familie, welcher kein Geflügel und Aehnliches zur Verfügung stebt, pro Tag unbedingt aufzehrt, toftet 65 Bf., fte braucht ferner in Ermans gelung von etwas Besserem für ca. 70 Bf. Kartoffel, 30 Bf für Kohlen, 5 Pf. für Del, 10 Pf. für Holz 25 Pf. für Hauszins, das macht allein schon 2 Mi 5 Pf. Dabei ist nun noch tein Pfennig für Sals, Kaffee, Bucker, Milch, Fleisch, Kleidung, Steuern c. gerechnet. Um diese legieren Bedürfnisse zu be streiten, dazu wäre doch aller mindestens noch 1 Mr. nöthig! Nun lommen Sie gefälligft einmal zu uns, Sie Pfiffitus von einem Rechtsvertreter, I eisten Sie unsere Arbeit und leben dann mit einer Frau und fünf Kindern von 1 Dt. 20 Pf.! Es ist wirklich der reine Hohn und vers biente als Aufteizung" bestraft zu werden, den Arbeitern dera artiges in das Geficht zu schleudern. Kein Wunder übrigens, daß nach solchen Kraftreden thatsächlich diverse Unternehmer ihre Lohnzahlungen einrichten. Unter den Handwerkern find gegenwärtig die Schneider ganz besonders schlecht bezahlt und ist es namentlich ein Herr, der ein feines Maßgeschäft betreibt, welcher schlechter bezahlt als der verrufenste Reklamens held und Schacherer. Die Arbeiter dieses Mannes find wirklich nicht im Stande, fich anständig zu nähren, von anderen Bedürfnissen, die der zivilifirte Mensch hat, ganz zu schweigen. Es wäre wünschenswerth, daß in jedem Arbeitsnachweis ein Nachschlagebuch, ein schwarzes Buch, aufläge, damit die stellen suchenden Arbeiter daraus ersehen könnten, mit weß Geistes Kind fie es zu thun haben. лecht fühlbar ist hier eben der Mangel jeglicher Organisation, und es wird auch nicht beffer werden, so lange die Arbeiter gleichgiltig dahinleben, statt fich um ihre eigensten Interessen zu befümmern und in Fachvereinen fich zusammenzuthun.
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Leipzig , 31. März. Am vorigen Montag fand hierselbst Die Generalversammlung der sächsischen Textil Industriellen bes bufs Gründung einer Berufsgenossenschaft für das Königreich Sachsen statt. Dieser Versammlung, an der 146 Vertreter mit 4114 Stimmen Theil nahmen, wohnte der Geh. Regierungs rath Böttger bei. Die Bildung der Berufsgenossenschaft wurde einstimmig beschloffen, nachdem vorher ein Antrag auf Einvers leibung der Thüringischen Staaten mit 3335 gegen 779 Stim men abgelehnt worden war. Der Siß der Genossenschaft wurde nach Leipzig gelegt und Herr Konful Offermann( Leips sig) provisorisch mit der Leitung derselben betraut.
München . Von Seiten der Polizeiditektion ist der Fachverein der Schneider aufgefordert worden, aus der Zentrali sation auszutreten, weil sonst der Verein als politischer erklärt und aufgelöst würde. Die Beanstandung bezieht sich nur auf die Wanderunterstüßung.
Vereine und Versammlungen.
Der Verein der Berliner Bauanschläger hält seine ordentliche diesmonatliche Versammlung mit Rüdsicht auf die Ofterfeiertage erst am Sonntag, den 12. d. M., in der Dranien straße 51 bei Preuß ab.
Das fünfte Stiftungsfeft des Fachvereins der Tischler findet am ersten Diterfeiertage in der Berliner Ressource" statt. Billets find nur vor dem Festabend zu haben bet den Herren Tugauer, Morißstraße 22, of 3 Tr., Böhm, Johanniterftr. 10, Hof 3 Tr., Hedmann, Manteuffelstraße 10, 4 Tr., Wolter, Lothringerstr. 24, 3 Tr., Straßburg , Münche bergerstr. 26 und G. Schrader, Naunynstr. 3, 4 Tr. L. An der Kaffe werden teine Billets ausgegeben.
Die Mitgliedschaft der Metallarbeiter S. batte aum Dienstag, den 31. v. M., eine Versammlung nach Nieft's Salon einberufen mit der Tagesordnung: Der Streit in Bielefeld . Die Versammlung wurde jedoch auf Grund des§ 9 des So zialistengefeßes verboten.
Die beiden Fachbereine der Möbelpolirer machen am britten Osterfeiertage eine Herrenpartie nach den Rüdersdorfer Kallbergen und laden zu dieser hochinteressanten Partie alle Berufsgenossen, speziell die Herren Selbstständigen freundschaftlichst ein. Sammelpunkt an der Billetausgabe des Schlesischen Bahnhofs früh um 6% Uhr. Abfahrt um 6% Uhr früh( Siehe Inserat am Sonntag). Berlin SW., Beuthstraße 2.
Sieran eine Beilags.