Mittwoch. 15. April 1885.11. Ist-Krgan für die Interessen der Arbeiter., Das..Berliner Volksblatt"erscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. WonnementspreiS fürBerlin frei in's Haus vierteljährlich 4 Mark, monatlich 1,35 Mark, wöchentlich 35 Pf.Postabonnement 4 Mk. Einzelne Nr. 5 Pf. Sonntags-Nummer mit illustt. Beilage 10 Pf.(Eingetragen in der Postzeitungspreisliste für 1885 unter Nr. 746.)Jnsertionsgebührbettägt für die 3 gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf. Arbeitsmarkt 10 Pf.Bei größeren Aufttägen hoher Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate werden bis 4 UhrNachmittags in der Expedition, Berlin SW., Zimmerstraße 44, sowie von allen Annoncen«Bureaux, ohne Erhöhung des Preises, angenommen.Redaktion: Keuthstraße 2.— Grpedition: Zimmerstraße 44.Ein Leitrag)um Militarismus.Daß der Militarismus, ganz abgesehen davon, daß erdie Quelle mancher Kriege»st, ebenso wie ihn»iederumvielfach die Kriege erzeugen, auch für die Kulturnationender Ursprung vielen wirthschaftlichen und finanziellen Elendsist, dies wird jeder halbwegs verständige Mensch nichtleugnen. Davon find die Negierungen selbst überzeugt, dochdünken ihnen verschiedene Vortheile, die der Militarismusfür sie bringt, wichtiger, als die Nachtheile, welche de»Völkern aus demselben entstehen.Im Deutsche» Reiche herrscht gleichfalls und zwarschon auf Grund der Entstehung desselben der Militarismus.DaS kann nicht abgestritten werden. Doch wird vielfach ver-sucht, die Unschädlichkeit desselben besonder» im Vergleich zuandern Ländern hinzustellen. N»So tauchen ab und zu vergleichende statistische Tabellenauf über die militärischen Ausgaben der größeren StaatenEuropas, zu welchen dann die üblichen Schlußfolgerungengemacht werden.Die neueste dieser Statistiken ist von Max Haushoferund hat folgende« Ergebniß:Deutsches Reich jährl. 423 Mill. Mark oder 9,35 pro KopfFrankreich„ 663„„ 17,7„„Großbritannien„ 637„„ 18,1„„ZtaUen..„» 245„„ 8,6„„Oesterretch.Ungarn„ 234„„ 6,4„„Rußland„ 731„„ 7.2„„Da sehen wir e«, so wird jeder„Patriot", odersagen wir besser jede deutsche Chauvinist, rufen, dasDeutsche Reich zahlt ja so viel weniger an Gesammt-militärsteuern, als Rußland, al« England und als Frankreich.Und auch auf den Kopf die Steuer vertheilt, zahlen dieEngländer da» Doppelte und die Franzosen fast das Doppelte, wie die Deutschen.Wir wollen hier zunächst auf zwei nicht unwesentlichePunkte aufmerksam machen, welche da« Verhältniß schonsehr zu Ungunsten des Deutschen Reiches verschieben. InFrankreich nämlich sind die gesammten Ausgaben für dieGensdarmerie mit in das Militärbudget aufgenommen undaußerdem fungiren auch die Ausgaben für die. Invalidenbei allen anderen Nationen im Militäretat, während die»im Deutschen Reiche nicht der Fall ist.Dann aber auch sind bei Frankreich, Rußland undEngland bei Berechnung der Ausgaben pro Kopf die Ein-wohner in den Kolonie» nicht mitgezählt, dre doch min-destenS soviel an allerlei Vortheilen für den Staat auf»bringen, wie z. B. die arme Landbevölkerung in den oft«preußischen LandeStheilen für da» Deutsche Reich. Würde«an aber die Einwohner in de« Kolonien mitzählen, sottochdrixl»erboten.�U]JeuMeton.3m Eckfenster.Roman von Friedrich Gerstäcker.(Fortsetzung.)"Ich glaube, Fräulein Blevdheim ist am Schlüsse," sagteDürrbea, der kein einzige» Wort von der ganzen lang-wemgen Aueeinandersitzung gehört oder auch nur daraufgeachtet hatte— was ging ihn die Lebensweise diese» oderirgend eine» andern Kalkulator» an!—„Sie werden entschuldigen, verehrter Herr..„Bitte," sagte der Beamte mit einer Havdbewegung,die Alle« elnbegriss, Wae der Hauptmann nur wünschenkonnte— er entlteß ihn förmlich, denn daß er in seinenBiographien unterbrochen wurde, war er schon gewohntund Dürrbeck eilte jetzt zu der Geliebten hinüber, die erdurch ein bestimmtes Klopfen in das„gute Zimmer" derFamilie zitirte.„Bernhard." sagte Constanze mit herzlicher Stimme,al« sie dem Rufe rasche Folge leistete,„wie freue ich mich,Dich heute noch einmal zu sprechen— wie habe ich michdanach gesehnt!"„Du stehst blaß au», mein Herz," sagte der Haupt»mann besorgt, al» er einen Kuß auf ihre Lippen gedrücktund ihren Kopf zurückbog, um ihr in die Augen zu schauen—„fehlt Dir etwas?"»Körperlich nein, Bernhard," sagte da» junge, schönewkadchen, indem sie sich an ihn schmiegte und ihr Haupt'i.lne Schulter lehnte,„und auch in diesem Augenblicke,Ü* ki m'r bist, selbst geistig nicht»; aber binqrLn«ich manchmal eine unsagbareAngst, ein Gefühl, dem ich keine Worte geben kann undda» nur boch trotzdem zuweilen den Athem versetzt und dasBlut m den Adern stocken macht."c j wa8 �.t'n Gefühl, Constanze?" bat Dürr-Deck.„Haben wir nicht die Hauptschwierigkeit glücklichüberwunden- und wa« öderes könnte Dir noch Sorgenoder Bangen manchen? Dem Kontrakt?"»Ich weiß e» nicht; die lange Zögeruug vielleicht, diewürden in Frankreich zirka M. 13%, in Rußland ungefährM. 6% und in Großbritannien nur M. 1 auf den Kopfder Bevölkerung kommen.Und wenn«an gar noch den„Nationalreichthum", derja für die konservativen und besonder« die liberalen Politikerda» ABC aller ihrer Erwägungen ist, in Betracht zieht,so kommt nächst Rußland da» Deutsche Reich von den viertonangebenden Mächten am schlechtesten weg.Wir machen unser- Leser auf den Artikel aufmerksam:„ N a t i o n a l r e i ch t h u«" in Nr. 78 unsere» Blattei.Großbritannien kommt bei dieser Frage gar nicht in Be-tracht, da eine Mark jährliche Milltärsteuer auf den Kopfder Bevölkerung überhaupt keine so sehr drückende Last ist.Vergleichen wir deshalb nur die drei hauptsächlichste« Land-mächte Europa».Rußland mit rund 87 Millionen Einwohnern hat einensogenannten Nationalreichthum von 68 Milliarden, daiDeutsche Reich mit rund 45 Millionen Einwohnern von116 Milliarden und Frankreich mit rund 36 Millionen Einwohnern von 148 Milliarden. Das würden in Rußlandauf den Kopf der Bevölkerung bei 5 pZt. zirka M. 40an Zir sen betragen, in Deutschland M. 130 und in Frankreich M. 190.Trotzdem, daß in Rußland nur M. 6% Militärsteueronf den Kopf fallen, ersieht man— immer nach dem„Nationalreichthum" gerechnet— wie gewaltig diese Steuerauf dem Lande lastet. M. 9% fallen im Deutschen Reichebei M. 130 Zinsen auf den Kopf— da» ist schon ei»ungeheurer Forlschritt, der nur noch etwa« überboten wirddurch Frankr ich, wo bei M. 13% Militärkopfsteuer M. 190Zinsen auf die Person fallen.W i r wissen wohl, daß die Vergleiche mit dem„National-reichthum", der ja nicht im Volke vertheilt vorhanden ist,bedenklich hinken; wir haben uns auch nur unser Rechnen-vergnügen gefacht, um die Herren„Patrioten" mit ihreneigenen Waffen zu schlagen.Unser Beweis, daß Deutschland die Kriegslast nichtleichter trägt, wie z. B. Frankreich, liegt übrigen» noch ineinem wesentlichen anderen Punkte. Durchweg sind dieLöhne in Frankreich bedeutend höher als in Deutschland,und dann ist der sogenannte Mittelstand, der bei unsvielfach verschuldet oder in seiner Existenz bedroht ist, inFrankreich noch in ganz bedeutender Werse am„National-reichthum" betheiligt.Deshalb erttägt Frankreich die erhöhtere Kriegslasteben so lercht, oder besser gesagt, nicht schwerer, al« Deutsch-land die in Zahlen ausgedrückte geringere Militärsteuer.Da« russische arme Volk aber ist sicher am übelstendaran.Im Ucbrigen ist es in der That von viel geringeremUngewißheit dessen, was dazwischen liegt— aber da« auchnicht— mehr ein unbestimmte» Etwa», wie eine Ahnungdroherrden Unheil». Und doch, wenn ich vernünftig darübernachdenke, so bietet sich mir kein Anhalt an irgend wa»."„Träume, mein Schatz," lächelte Dürr deck,„schwere»Blut; Du machst Dir wenig Bewegung, ich fürchte auch,"setzte er leiser hinzu,„die Kost hier im Hauke ist fürDich und Deine ewige geistige Aufregung wie körperlicheAnstrengung auf der Bühne nicht kräftig, nicht nahrhaftgenug."„Die Leute thun wirklich, was sie können, Bernhard,"sagte Constanze gutmüthig.„Aber e» ist anch nicht da»,denn sobald Du bei mir bist, schwindet diese» fast tödtendeGefühl im Nu und mir ist so wohl und leicht, daß ichaufjauchzen möchte in Lust und Seligkeit."„Mein Herz, mem liebes Herz," dankte ihr der jungeMann, sie wieder fester an sich ziehend;„aber nun schüttleauch die bösen Träume ab, die mein arme» Mädchen nichtviel länger mehr quälen sollen. Ich habe heute wiedereinen aar so lieben Brief von meiner Mutter gehabt, dieDich einladen läßt, die F tun, wenn bi» dahin unsereVerbindung noch nicht geschlossen wäre, auf unserem Gutezuzubringen."„Die gute Mutter..."„Ich habe Dir den Brief mitgebracht; lies ihn heut«Abend durch, wenn Du allein bist; er wird Dir so vieleFreude machen, wie er mir gemacht."„Ich danke Dir, Bernhard— ich danke es DeinerMutter, die der armen, heimathlosen Waise so freundlichihre Arme geöffnet hat."„Und noch immer so traurig, Herz, so niedergedrückt?Ich bin ja bei Dir jetzt, und da dürfen keine trüben Ge-danken in Dir weilen."„Du hast Recht, Bernhard," sagte da» schöne MSd«che«, indem ein Läch-ln über ihre freilich noch immerbleichen Züge glitt;„Du solltest mich schelten, daß ich soundankbar gegen Dich bin, und doch ist e» ja nur meineLiebe zu Dir, die mich sorgen und mich ängstigen läßt—für mein eigene» Selbst lebt kein Gedanke in mir."„Meine Constanze, mein süße», herrliche« Mädchen—Belang, welche Nation die Kriegslast am leichtesten unwelche sie am schwersten trägt, von viel größerer Be-deutung ist, daß der Militarismus am Kulturleben allerNationen in verderblicher Weise nagt, daß er allen Nation«»da« Leben überau» sauer macht und daß seine Abschaffungein Stück Erlösung für die ganze Menschheit bedeuten wü de.Weit über drei Milliarden Mark jährlicherAusgaben für Militärzwecke lasten wie ein Alp auf benVölkern Europa'«— bedenkt man nun, welche Bedeutungeine solche Summe erlangen könnte, wenn sie für Kultur-zwecke verausgabt würde, dann erst begreift man ganzda« Verderbliche de« gegenwärtigen Militarismus.Koljtiscke Uebersickt.Die Frage de» Tabaksmonopol« erscheint wieder amparlamentarischen Horizont. Das, der Pwn, das Tabaksmonopol einzuführen, von dem Fürsten Bismarck noch niemalsaufaegeben wurde, ist allbekannt. Man hat daS Projekt nurverlangt, um es zu gelegener Zell wieder zu präscntüen. ESgewinnt nun ganz den Anschein, als ob man den gcaen-wältigen Moment für geeignet hält, die Frage wieder in Flußzu bringen. Als ein Zeichen für diese Ansicht kann das Vorgehen der offiziösen„Rordd. Allg. Ztg." betrachtet werden;dieselbe registttrt in auffälliaer Weise eine angeblich aus bäuer-lichen Kreisen stammende Petition um Erhöhung desTadakzolleS. Da nun einmal der Anfang gemacht ist, so wer»den wohl bald mehr Petitionen folgen, welche haarklein denBeweis liefem, daß den nothletdenden Tabaksbauern geholfenwerden muß. Für die Nothlage der Landwirthschaft har jabekanntlich die Majorität der Volksvertreter ein sehr weichesHerz, und da die TaöakSbauer der Landwirthschaft angehören»so wird mar. sich schon zur Abhilfe ihrer großen Nothlage ent»schließen.— Einer noch weiteren Erhöhung des TabakszollcSwürde aber von vielen Seilen, sogar von Interessenten, da»Monopol vorgezogen werden, denn die Zolleihöbuogen wür-den gleichbedeutend sein mit dem Ruin der gesammten Tabaks.industrte. Dieser Sachlage ist man sich in maßgebendenKreisen wohl bewußt, allem Anschein nach rechnet man darauf,daß durch beantragte Zoll rböhung-n, die Stimmung für da«Monopol günstiger wird. Im Reichstage dürste der Monopol-gevanke in der That unter Umständen die günstigste Aufnahmefinden. Im Jahr« 1879 stimmte sogar noch ein Thcil derKonservativen gegen daS Monopol, jetzt wird das stcher nichtmehr der Fall sein und daS Zentrum läßt bekanntlich mit sichbandeln. Der Moment ist also günstig und man wird ihnstcher nicht unbenutzt verstreichen lassen.Gegen die Erhöhung de« Zolls aus Leinengarne.AuS der Laufiy hahen sich Weber und Bleicher direkt an denBundesralh mit der Bitte gewendet, unter keinen Umständenver E böhung des Zolls der Leinengarne No. 8—20 von 6auf 9 Mark zuzustimmen, welche auf Antrag des Schuyzöllne?»Lohren von der Tarifkommission deS Reichstages beschlossenworden ist. Die Handelskammer in Zittau hat die Agitationaber ich muß wieder die rosigen Grübchen in Deine»Wangen sehen." sagt« er kosend, indem er sie zu dem Ruhe-fauteurl am Fenster führte,„Komm, da setze Dich hin,und ich erzählt Dir meinen heutigen Besuch bei DeinemDirektor."„Du warst dort?" rief Constanze hastig.„Und wa«hat er gesagt? Er weigert sich natürlich— ich bat Dichgleich, den nutzlosen Versuch gar nicht zu machen. Er istein Geldmensch und weiter nicht«."„Bitte, mein Schatz," lachte Dürrbcck,„er ist auchnoch etwa« mehr, und zwar der komischste Kauz, der mirin meinem ganzen Leben vorgekommen ist. Denke Dir,er studirte den Tusso— und hatte dazu noch seine Locke»in Papilloten!"Constanze lächelte.„Und da« noch nicht genug, Han» Solberg ärgerte ihnund nachdem er un» gehörig angedonnert, ging er durcheine richtige und wahrhaftige Versenkung in die untereEtage!"„Da» sieht ihm ähnlich," lachte Constanze, von derenStirn die trüben Schatten jetzt im Nu gewichen waren;„aber er macht noch andere, tollere Geschichten. Er hat inseiner Wohnung auch eine ganz richtige Blitz» und Don-nermaschine, und wenn Einzelne der Mitglieder ihn mitAnliegen quälten, Vorschuß haben wollten und dergleichen,so ließ er den Donner lo« und verschwand in einem grellenBlitze..."„Es ist doch kaum denkbar..."„Die Sache ist ihm aber gelegt worden," lachte Eon«stanze,„denn neulich war auch einmal ein Rathsdiener beiihm, der die fälligen oder überfälligen Steuem einkassirensollte, und den verblüffte er dermaßen durch grelle Blitzeund Donner, während er ebenfalls verschwand, daß derMann die Treppe hinabsprang und unten die Feuerwehralarmirte. Seitdem ist ihm das Blitzen sowohl wie da»Donnern, über welche» sich die Nachbarn schon mehrfachbeklagt hatten, verboten worden, aber seine Versenkungbenutzt er nach wie vor."„Aber sag' einmal, Schatz," lachte Dürrbeck,„der