Nr. 101.
Sonnabend, 2. Mai 1885.
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erlimrMsdlii» Brgan für die Interessen der Arbeiter.
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*<, Ter heutigen Nummer liegt für unsere auSwSrtige« Muenteu die Nummer 22 de«„Jllustrtrtes Sonntag«- "ZÜ bei._ _ Ueber Fleisch- und Viehzölle die rechttflügelig« nationalliberale, der Heidel« oirgerei völlig verfallene„Elberfelder Zeitung" einen merk« würdigen Artik-l, d««halb so merkwürdig, nicht allein weil !* bi« Fleisch- und Viehzölle auf da» Schärfste verurthrilt, �»dern hauptsächlich seiner höchst vernünftigen Deduktionen ■'«gen, die derselbe über Zollpolitik im Allgemeinen enthält. . Wir wollen unsere Leser nicht lange auf die Folter Tonnen, sondern gleich frisch darauf lo« zittren. ,. Da« Blatt giebt zunächst den Liberalen Unrecht, daß �selben, al« sie die Macht in der Gesetzgebung hatten, von all' zu blindem Eifer beseelt gewesen seren, alle Zölle °°zuschaffen, so z. B. de» aerinafügigcn Eisenzoll; sie hätten 2* Industrie einig« mäßige Konzessionen mache« müssen. heißt e» dann weiter, der Eifer, alle Zölle adzu» Vossen, sei durch die noch toller« Wuth, den Wohlstand Deutschlands durch Ausschließung aller fremden Konkurrenz � beben, ersetzt worden und man könne mit ziemlicher Ge» rjBhfcit voraussehen, daß auch dieser Taranteltanz mit Er- � p'ung und Fiasko enden würde. Dann fährt da» der Heidelbergerei und dem Fürsten �ttwarck sonst so ergebene Blatt wörtlich fort: ~.»Die heutige Situation hat etwa« Tragikomische«' (P'Mtlben Leute, die noch vor sech« Jahren mit °?n»üthigsten liberalen Freihändlern alle Zölle und in« ,'ullen Steuern für den Verderb unserer Volktwirth- und insbesondere für den Krebsschaden der Land« "�bschaft erklärten, setzen heute ihre einzige Hoffnung die Schutz ölle und«essen denselben eine Zauber- -kaft bei, die sich über Kurz oder Lang al««ine Täuschung herausstellen wird, wenn die» nicht bereit» geschehen ist. Äuß schon«in« derartig gewaltsame Sinne«- änderung und Umkehr dem Unbefangenen be- denklich erscheinen, so kann die Uebsrhebung, mit welcher letzt diese Konvertiten auftrete«, nur ein Gefühl b«« Bedauern» erwecken. Die zweitägige De- »atte des Reichstage« über die von der„Volktwirth- gastlichen Vereinigung" beantragte Erhöhung der e Hz Slle darf al»«ine höchst unersteuliche, obwohl durchaus nicht«ehr ungewöhnliche Episode unseres par« �»eutarischen Leben« bezeichnet werden. Einer der Wortführer der agrarischen Partei sprach e« ungescheut »US . einer Begründung der Anträge b, dürfe e« eigentlich 8** nicht«ehr; ein anderer meinte, ob«ia Zoll al« Schutz, oder Finanzzoll wirk«, er sei ia berden Fälle» Bleich gut; noch ein anderer, wir brauchten überhaupt
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IeuMeton. 3 m Eckfenster. Roman von Friedrich Gerstäcker . (Fortsetzung.) ... Echaller aber sprang augenblicklich zu, erfaßte die Unglück- L..B' Fußbank und trug sie fort, während sie hartnäckig spielte;„Doch führ' Dein Schifflein klug und weise" dicht\* Fsrne verklangen die Töne:„Kamerad, plaudre .... Frau von Scholler war natürlich gleich auf den Hof- oJ dugepürzt, um ihn zu beruhigen und den„unglücklichen kttlü entschuldigen; er soll« sich nur nicht stören km», und weiter lesen— und da« unselige Menschen» nd Ks.....„.X.K.V ,t»in»»irKf
nieK. �tte» auch gethan. aber e« gmg nicht il».» Die Geduld der Zuhörer hatte überhaupt sei» b�ste Grenze erreicht. Da» junge Volk war von mit. Sitzen aufgesprungen und plauderte und lachte , � nnander, und ein Versuch, sie wieder zum Niedersitzen e«n« zurück zu ziehen. g. u»ach«n die Damm dort drüben?" fuh, seufzte, hob dann den Kopf hoch in die Höh«, leitete w im sinken Zeigefinger in die Kravatte und Austen- nK« nv�ttum'—»st« werden ein wmig musiz>rea -««"4'
keine Einfuhr von Vieh, und in diese« Tone ging eS fort. Wohl noch nie ist im deutschen Reichstage«ine wichtige Debatte so leichtfertig geführt, nie sind bedenk liehe Anträge mit so nichtigen, theilweife offenbar falschen Gründen vertheidigt worden, al» am 20. und 21. April 1885." Alle« das ist völlig richtig. Aber, so stagm wir die „Elberf. Ztg.", wer find dm»«igmtlich„dieselben Leute", die früher Freihäadler warm, jetzt Schutzzöllner geworden find? I« erster Linie find«» die abgeschwenkten Liheralen, die sogenannten Heidelberger, denen schon früher unter Führung der Herren Echauß und Völck die sogmannt« „scheußliche Völkergruppe" vorangegangen war. Dann ist e« aber der Fürst Bismarck selbst, wtlcher die ganze Aera Delbrück-Camphausen, die ein ungezügelte« Manchester� thu« repräsentirte, mit seine« Name« und seiner Stellung deckte. Deshalb kommen uns die an und für sich so berechtig- tm Klagen der„Elberfelderin" etwa« unnatürlich vor. Sollte» dieselben eine andere Bewandtniß haben? Man hörte vor einiger Zeit, wenn von dem genannten Blatte die Rede war, oft die bekannte Reptilimglocke läuten. Sollte dieser Fond seinen Weg nicht mehr zum äußerstm Westen unsere« Vaterlandes findm? Doch da« ist im Grunde genommen gleichgittig bei dieser Betrachtung. Die„Elberfelderin" hat eben völlig recht. Nachdem da« Blatt nunmehr den merkwürdigen Be- richt de« landwirthschaftlichen Minister« an den König von Preußm über die Jahre 1881—1883, dessen in diesem Blatte schon Erwähnung gethan ist, besprochen hat, de« der Bundeskommissar kein entscheidende« Moment habe«nt- gegensetzen können, wodurch die Nothwendigkeit der Erhö hung der Fleisch- und Viehzölle bewiesen worden sei, heißt e« dann weiter: „Wenn Hiernack die bisherigen Zölle völlig au«- reichend gewesen find, um die Viehzucht in Deutschland , und namentlich die Rindviehzucht,„gewaltige Fortschritte" machen zu lassen, so deuten gewisse Thatsachen darauf hin, daß in dieser Beziehung vielleicht sogar schon zu viel geschehen ist. Der Absatz der deutschen Mol- kereiprodukte entspricht kaum noch der Produktion! Durch alle landwirthschaftlichen Zeitungen geht die Klage über ein massenhafte« Angebot von Molkereiprodukten und sinkende Preise derselben. Und hier kann von einer auS- ländischen Konkurrenz, welche die Preis« verdürbe, gar keine Rede sein. ES ist die Kaufunfähigkeit de« VolkeS, welche die Preise drückt! Kann man hoffen, dieselbe durch höhere
„Vor der Hand wohl nur zum Gesang. Sind Sie musikalisch?" „Sehr wenig, aber rch höre gern gute Musik...." „Dann wollen wir wieder hinübergehen und unsere Zigarre auirauchen." „Weshalb?" lachte Han«.„Versprechen Sie sich nicht viel davon?".... „Meine Frau singt I" sagte der Baron mit solcher Re ''""'aut aufl � � ..........- tu«, u den Anfang anzuhören
„aneme tj.uu ,»>>».« Jo,----- fignation, daß Han« laut auflachen mußte. Schaller war aber schon wieder hinau«, und er beschloß, jetzt ebenfalls Anfang anzuhören. Der ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Frau von Schaller stand richtig am Klavier, ein Notenblatt in der Hand, schob sich die Locken etwa« von den Wangm— ein junger Offizier, der mit der Familie bekannt war, akkompagnirte—, und„auf Flügeln des Gesang«»" schallte mit einer schneidenden, aber außerordentlich getragenen und schwärmerischen Stimme durch den Saal— daß sie manchmal«in paarZoll daneben hinaus kam, schadete nicht». Han« lachte still in sich hinein und sah, wie die Damen, al» da» Lied beendet war, sich um die gnädige Frau herumdrängten und ihr mit den aufrichtigsten Ge- fichtern Elogen machten. Fast unwillkürlich suchte sein Blick Kathivka. Sie stand unfern davon allein, aber ein bitterer Zug hatte sich um ihr« Lippen gelegt und ihr Auge hastete am Boden. Sie mußte fühlen, wie traurig der Gesang gewesen, wie unberechtigt und gemacht zetzt all' diese Lobeserhebungen waren. Es war etwa« Räthselhafte» in dem verschlossenen Charakter de» Mädchen», und Han» beschloß, ihr dock etwa» näher zu treten; e» interesfirte ihn, ohne daß er sich Rechenschaft davon zu geben wußte weshalb, etwas tiefer in da» Geheimniß einzudringen. Der Gesang, oder vielmehr diescS Lred war jetzt glück- licherweise beendet— aber die Musik noch nicht, denn ver- schieden« andere Damen wurde» jetzt aufgefordert, zu singen, und Han», der die Augen überall hatte, bemerkte zu seinem S»'- SÄAUS gab, damit fie doch vortreten und fich hören lassen sollte.
b. al» der man
Zölle auf eingehende» Rindvieh zu be« fertigen?" Da» ist ein offene», ehrliche» Wort, dem wir un- bedingt zustimmen, wenn e« auch, wie wir oben angedeutet haben, au» einer recht zweifelhaften Quelle stammt. Aber die Wahrheit bleibt die Wahrheit, was sie auch aussprechen möge.„Die Kaufunfähigkeit de» Volke«", welche trotz der neuen Zoll- und WirthschaftSpolitik im deutschen Volke vorhanden ist, fie ist«», sie ist e» allein, welche wie ein Alp auf dem ganzen WirthschastSgetriebe unsere« Vaterlande» liegt. Doch hören wir da» genannte Blatt«och weiter: „Aehnliche» gilt von dem Verbrauche von Fleisch. Die Befürworter höherer Zölle auf Schweine, Schweine- fleisch, Speck, Schmalz u. f. w. argumentiren, die bi»- herigen Zölle hätten keine Vertheuerung ergeben, und so würden auch die höheren Zölle alle derartige» Prophe- zeiungen zu Schaden machen. E» ist richtig, und ebenso auffällig wie richtig, daß die bisherige» Zölle fammt den Einfuhrverboten keine merkbar« Vertheue« rung de« Fleisches hervorgebracht haben. Was aber folgt darau»? Doch nicht» andere», al» daß die zah Iung»fähige Nachfrage nach Schweinefleisch, Speck, Schmalz u. f. w. abgenommen hat. Wäre diese Nachfrage gestiegen oder nur gleich geblieben, so hätten bei abnehmende« Angebot(in Folge der Einfuhr« beschränkung) die Preise nothwendig steigen müssen. Also auch hier wieder zeigt fich die nahm« der Kaufsähigkeit im Volke der wahre Grund de« Nothstande» L andwirthschaft. Ist die« so, wie will hoffen, de« Uebel durch Schutzzölle auf landwirthschaft« liche Produkte abzuhelfen? Die Preise de» Fleische», der Milch, de« Schmalze« sind den städtische» Arbeitern schon jetzt zu theuer, und nur erne Politik, welche den Arbeitslohn erhöht, könnte den Landwirthen in Wirklichkeit nützen." Bravo! Das ist de» Pudels Kern! Und diese Be« hauptung ist um so wichtiger, da fie in der That au» einem der g a n z e n BiSmarckschen Politik freundliche« Lager stammt. Wird Fürst Bismarck einer solchen Stimme Beachtung schenken? Wird er seine„Sozial-Reform" zu einer wirklichen Sozial' Reform erweitern? Wird er da» Wort vom„Recht auf Arbeit " zur Wahrheit zu mache« suchen, wa« nur geschehen kann durch gesetzliche R e- gelung der heutigen Produktionsweise, die durch Einführung eine« MaximalarbeiUtage» angebahnt werden müßte? Zuerst sang eine junge Dame, Fräulein von Roltje, mit einer wirklich klang- und seelenvolls» Stimme den„Erl- könig" von Schubert; dann kam richtig Henriette, die eben- fall» eine recht hübsche, volle Stimme hatte, aber ein hei- tere« Lied wählte. Fräulein von Schaller war indeß von verschiedenen Seiten gebeten worden, ebenfall« etwa» zu fingen. E» schien ihr nicht angenehm, fie sträubte sich wenigsten» so lange, wie fie e« höflicher Weise thun konnte. Endlich setzte fie sich an« Klavier, während Han» fich in ihre Näh« gezogen hatte, und fich selber begleitend, sang sie „Da« Meer erglänzt« weit hinau« Im letzten Abendscheine—" mit einer so wunderbaren Altstimme, mit einem solche» Gefühl, daß Han« unwillkürlich die Thräne« in die Auge» traten und er sich abwandte, um seine Bewegung Nieman- den merken zu lassen. Dem jungen Volke waren diese Gesangvorträge indeß keioeSweg» erwünscht, den» sie verzögerten nur noch immer den lang herbeigesehnten und erhofften, ja fest versprochene» Tanz; von Schaller ließ aber in dieser Hinsicht auch nicht» zu wünschen übrig, denn er kannte seine Gäste gut genug. Jetzt gab er deshalb das Zeichen, da» Büffet zu eröffnen, und schon während die Gesellschaft aufgefordert wurde, sich dort hinüber zu begeben und einen Imbiß zu nehme», begann die in einem kleinen Kabinet hinter einer Gardine verborgene Musik den Marsch au»„Tannhäuser " zu spielen, damit fich die Paare arrangren und dem Ruf« Folge leisten konnten. Han» war noch nahe am Instrument geblieben, und da er Kathinka unfern davon stehen sah und außerdem be- merkte, wie die verschiedenen jungen Herren den jungen Damen schon den Arm boten, trat er auf sie zu und sagte freundlich:„Darf ich mir erlauben, mein gnädiges Fräulein, Sie hinüber zu führen?" Al» er fie anredete, hatte fie den Blick nicht auf ihn gerichtet gehalten, sonder» mehr link», und er bemerkte, daß von dort schon jemand Andere« wahrscheinlich in derselbe» Absicht herbeigekommen war. Wie er flüchtig dort hmsah, erkannte er den jungen Doktor Potter, der aber natürlich