%. 136. Sonntag 14 Juni 1885 H. Jahrg. Jl erlmrWMll Braan für dir Intrrcsscn der Arbeiter. 4 DasBerliner Bolksblatt" vscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagm. AbonnementSpreiS für Merlin frei hrS Haus vierteljährlich 4 Mark, monatlich 1,35 Mark, wöchentlich 35 Pf. Postabonnement 4 M. Einzelne Nr. 5 Pf. SonntagS-Nummer mit illuftr. Beilage 10 Pf. (Eingetragen in der PostzeitungSpreiSliste für 1885 unter Nr. 746.) V Jafertioasgebühr beträgt für die 3 gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf. Arbeitsmarkt 10 Bei größeren Aufträgen hoher Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate werden bis 4. Nachmittags in der Expedition, Berlin SW., Zimmerstraße 44, sowie von allen Annonce«» Bureaux , ohne Erhöhung des Preises, angenommen. Redaktion: Kenthstraße 2. Expedition: Zimmerstraße 44. Ein Arbeiterparlamevt. In den Tagen vom 27. Mai bis 2. Juni hat in den Mauere der weiland freie« Reichsstadt Frankfurt a. M. ein« Ansammlung deutscher Arbeiter getagt, wtlche bedeutend Senug mar, um ihr nachträglich noch ein paar Zeilen zu widmen. Deutschland ist reich an Vereinen, di, sich über da» banze Reich erstrecke» und fehlt e» in Folge deffen in keinem Jahre an Vereinstagen, wo sich die Delegirten an irgend nne« der schön gelegenen Oite Mitteldeutschland « treffen, Um dort bei kurzen Sitzungen und langen Erholungspausen stch für die Mühen der VereinSthätigkeit zu entschädige». Zu dieser Art von Versammlungen, die mehr Festen al» ernster Thätigkeit ähnlich sehen, zählte die Generalversamm- »ung derZentral Krarken» und Eierbekaffe der Tffchler «nd anderer gewerblicher Arbeiter" nicht. Hier galt e» schwierige und»erwickelte Aufgaben zu lösen, sich direkt widersprechende Interesse« zu versöhnen und Grundlagen «fr!in,n Bau zu schaffen, der»in gastliche« Heim für Hilfesuchende und der Hilfe Bedürftige sein soll. Einhundertseä tunddreißig Männer, durchweg dem Hand- 5 fiterstand«»gehörig, waren nach Frankfurt gesandt, um dort die Interessen von über fiebzigtausend Mitgliedern wahr r?» ntB' i'tztere selbst wieder in über sechshundert den Delegute» der Eröffnung der Versammlung al» Arbeit«» Pensum vorgelegt. In täglichen Sitzungen von 8V, stündiger �auer,«eben welchen fortgesetzt mehrere Kommissionen tagte«, wurde die Unmasse der Arbeit bewältigt. Da» Krankenkassengesetz hat den zentralifirten freien Hilftkasse» eine« ungeahnte« Zuwach« an Mitgliedern gebracht, ihnen aber auch V-rpflichtungen auferlegt, welch« da» alte HilfSkassengesetz nicht kannte. Der Mit» gliederzuwach» selbst aber kann nicht durchweg als ein Segen für die Kassen betrachtet»erden. Die freien Hilf«» lasse» beruhen auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit, jede« Mitglied ist gleichmäßig an Leid und Freud der Kasse «ÄKÄ« digung der Kasse ist eine Schädigung der Mrtglreder. Et ist kein Unternehmer vorhanden, der von den Mitglieder« Nutzen ziehen lönnte. jeder Nutze» der Kasse gereicht den Mitgliedern selbst zum Vortheil. Dieser Grundgedanke, der den alte« Mitglieder» der Kassen in Fleisch und Blut übergegangen ist. er ist tau» senden der neuen Mitglieder»och nicht geläufig. Sie be« «»achten die Kasse nicht als ihre Kasse, deren Wohl und Weh« ihren eigenen Vortheil und Schaden bedmgt, sondern stuRAick wrtoten.] ö? Im Eckfenster. Roman von Friedrich»erftäcker. (Fortsetzung.) .Dürrbeck und Rauten?" rief Han« erstaunt au«..Da« ist i» der Thai merkwürdig, denn ich weiß von Beide», daß sie einander nie leiden konnten l" Vielleicht ein zufällige« Zusammentreffen." mernte "�Abet mit Dürrbeck«erde ich mich doch darüber aus» sprechen können," rief Han«ich muß Jemanden haben. d-m ich mein Herz ausschütte» kann. oder ,ch vergehe! Großer allmächtiger Gott,«eme arme Schwester,«erne armen Eltnn! Notar. S'e«üss.n sich rrren,* ist ,a äWä �gchttht ihm nie wieder frei in» Auge sehe« MM ......ch w cht»«ch Hause und " treffe-»ei« sie sehen in der Kasse nur eine ihnen ftemde Versicherung«- anstalt, von«elcher sie, bei möglichst geringer Gegenleistung, «in« möglichst hohe Rente im Fall« der Erkrankung herau«» zuschlagen hoffen. Daß die Kasse nicht« wieder geben kann, wa« ihr ni�t vorher von den Mitgliedern selbst zu» geführt worden ist, da« wollen gar zu viel« von Denen. welche erst durch da» Gesetz gezwungen sich gegen Krank » heit versicherten, nicht einsehen. Dieser falschen Auffassung der Mitglieder der Kasse gegenüber entspringen die zahl» reichen Klagen in allen freien zentralisirten Hilftkasse» über Simulanten, Kassenräuber u. s. w. Man glaubt diesem Uebelstande durch Verschärfung de» Statut«, strenger Kon» trol« zc. begegnen zu können und Manche« läßt stch auf diese« Wege gewiß bessern. Die Hauptsache wird aber, neben der strammen Konttole die Aufklärung der jungen Mitglieder über ihe Verhältniß zur Kasse selbst bleiben. Wenn auf der letzten Generalversammlung zu Frank- furt, wie auch auf verschiedene» anderen Versammlungen gleicher Tendenz, die im Laufe diese« Jahre« bereit« statt» fanden, Delegirte ihre Reden bei der Generaldebatte»och mit dem Satze eröffnen konnten:Tie Mitglieder meiner Zahlstell« haben mich beaustragt, gegen jede Erniedrigung der Unterstützung und gegen jede Erhöhung der Beiträge zu stimmen," obgleich sie im Laufe der Rede dann zugebe» mußten, daß die Kasse in Bnücksichtiaung de» gesttzlich rothwendigen Reservefond» mit tinem Defizit arbeite, also entweder sparen oder di« Einnahmen vermehren muß, so beweist das nur, daß selbst nrter den intelligenteste» Mit- gliedern noch manche Unklarheit herrscht. Diese Unklarheit z» beseitigen, wird die erste und wichtigst« Aufgabe sei», e» muß der Geist der Brüderlichkeit, der Grundsatz: Ein-r für Alle und Alle für Einen*, der de» alten Kassen- Mitgliedern stit» innewohnte, auch, so weit die« noch nicht der Fall, den neuen Mitgliedern zum Gemeingut werden. Und wir zweifeln keinen Augenblick, nach de« AuS- fall, den die Generalversammlung in Frankfurt genommen hat, daß dieser Geist, d>r bi» jetzt die e Verbindungen weikihätiger Selbst- und Bruderhilfe beherrscht hat, auch in Zukunft über ihnen schwebin wird. Diesen Geist der Biüderlichkeit zu pflegen und zu fördern, war da» sieben» tägige ernste Zusammenschaffen der Delegirten auf der Generalversammlung besonder» geeignet und die fegest» reichen Nachwirkungen für die Kasse werden sich gewiß fühl- bar machen. Ader nicht bloß«inen ideellen Schaden galt e« in Frankfurt wieder gut zu machen; das Krankenkassengefetz brachte, wie bereit« erwähnt, den freien Hilftkasse» auch materielle Verpflichtungen, die dieselben früher nicht kannte». Hierher gehören nun zunächst die Beseitigung der Karenz- Han» zögert« einen Moment, aber e« blieb ihm keine andere Wahl Er trat rasch an da« Pult und warf ein paar Zeilen auf ein dort liezendiS Blatt, das er dann locker zusammeufaltele. Wären Sie so freundlich, Herr Mux. diese Zeile» an meine Eltern zu befördern?" E« soll richtig und augenblicklich besorgt»erden, Herr Baron," sagte Mux leise, ohne zu dem junge« Manne auf» zusehen. Er nahm auch ohne Weitere« seinen Hut und verließ da» Komptoir.. Han» sah ihm nach.Da« ist ein wunderl, cher junger Mensch," sagte er.Vorhin, wie er Ihren Auftrag an mich auszurichten hatte, fand ch ihn in unserem Entree heftig »einend und, wie e« schien, in furchtbarer Aufregung ist er in irgend einer Hinsicht unglücklich?" Püster hatte aufmerksam zugehört.Da» ist ja sonder- bar," sagte er,und unglücklich kann«an ihn gerade nicht nenren, wenn er auch eben nicht zu den glücklichen Stab- liehen gehört. Er rst eine Waise, seinen Vater hat er, glaub' ick. gar nicht gekannt. Seine Mitter»st vor wenigen Monaten gestorben, und er braucht also nur für sich allein zu sorge». Einen Wunsch freilich kenn' ich, d« ihm am Herze» nagt, aber weinen habe ich ihn noch nie gesehen, und»««halb er gerade Ihr Hau« gewählt haden sollte, um in Thränen auszubrechen, versteh« ich eben so wemz. Sie kennen ihn doch nicht von früher her, oder Ihr« Elttri? vielleicht t" Han« schüttelte mit dem Kopf.Rein," sagte er.und mein Vater kann ihn auch nicht kennen; aber derartige ver­krüppelte Menschen haben gewöhnlich etwa» sehr Reizbare« und sind leicht grkränkt. Möglich, daß ihn der Bedrinte vielleicht angefahre« hatte; aber da» sollt ich nur wissen I Doch ich muß fort der Kopf brennt mir, und ich bekomme nicht eher Ruhe, bi« ich mich mit Dürrbeck über All,« ausgesprochen und seine Meinung gehört habe. Leben Sie wohl, Herr Notar, und nur die Litte noch, daß Sie mich augenblicklich be» nachrichtigen, wenn Ei« etwa» Nähere« hören darauf kann ich«ich verlassen, wie?" Da»««»; indessen»erde ich aber doch ei» etwa« wachsame« Aug« auf»>, Effekten de» besagte» Herrn habe« zeit, dann die Verpflichtung, daß die zentralifirten freien Hilftkassen ihren über ganz Deutschland zerstreuten Mit» gliedern al« gesetzliche Mindestleistung den Satz gewähre» müssen, wie er sich nach de« Durchschnittslohne de» Orte», wo die Kasse ihren Sitz hat, herausstellt, und dann di« Bestimmung, daß bis zur Beschaffung«ine» Reservefonds in der Höh« einer durchschnittlichen JahreSauSgabe zehn Prozent der Kaffenbeiträge de« Reservefond« überwiesen «erden müsse». Daß diesen gewaltigen neuen Ve-pflich» tunge« gegenüber di« bisherigen Beitragssätze nicht«ehr genüge« konnte», liegt aus der Hand und e« aalt nun, Mittel zu finden, entweder die Einnahmen zu erhöhen oder die Leistungen zu erniedrige«. Wa« nun da» Letztere be- trifft, so ist dasselbe nicht durchzuführen, so lang« die Kasse ihren Eitz in Hamburg hat. Denn dort ist der Durch« schnittSloha eines gewöhnlichen Arbeiters auf M. 2 50 pro Tag festgesetzt, die gesetzliche Mindestleistung kann also nicht unter den Satz von M. 11 60 herunter gehen, de» die Kasse bisher auch bereits in der zweiten Klasse bezahlt«. In dieser Klasse befinde» sich ca. 25 000 Mitglreder,«eist in Mitteldeutschland und Schlesien , wo bekanntlich die schlechteste» Löhne bezahlt werden, wohnhaft. Von hier gingen denn auch die Anträge au«, den Sitz der Kasse zu verlege», um so. bei gleichem Beitrag wie bisher, die Leistungen heruntersetzen zu können und auf diese Weise die Mittel für dm Reservefonds zu gewinnen. Diesem Bestreben standen aber die gewichtige« Be« streben entgegen, welche gegen eine Verlegung de» Sitze» von Hamburg weg geltend gemacht wurden. wurde darauf aufmerksam gemacht, daß nicht alle Be- Hörden den freien zentralisirten Hilftkassen mit dem» selben Wohlwollen entgegen kämen, wie die Himburger Aufsich!«behörde; e« wurde darauf hingewiesen, daß e« durchaus nicht Zufall sei, daß die«eisten dieser Kassen schließlich Schutz unter dem Banner der allen freien Hanse» stadt gesucht haben, wurden di« Gefahren geschildert, di« e» mit sich bringen würde, wenn die Kasse mit ihre« Sitz von einem Ott zum anderen geschickt würde und nicht mehr zur Ruhe käme. Gegenüber den schlsfischen und sächsische« Arbeit«« mit M. 9 und 10 Wochenverdienst wurde auf die Arbeiter Norddeutschland« und speziell der großen Städte hingewiesen, welch« ohne Unterstützung von min» deften« M. 12 und mehr nicht im Stande seien, zurecht zu komme«. Heiß war der Kampf und zwei Tage drehte sich die Generaldebatte wesentlich um diesen Punkt; schließ» lich aber siegte doch di« Einficht, daß«» besser sei, den Sitz in Hamburg zu belasse» und mit einer Mehrheit von drei Viertel aller Stimmen wurde demgemäß beschlossen. Nun galt e» aber die nüthigen Mittel und vor Allem den Reservefond» zu schaffen. Um welche Summen«» sich besser ist besser, und man kann eben nicht wiss-n, wa« geschieht." HanS hörte ihn schon nicht«ehr; in seinem Gehirn brauste und wühlte e«, und er athmet« erst wieder voll auf, al«« sich unten auf der Straße und i« freier Luft fand. Geradt» Wege« pivg er jetzt zu Dürtbeck'S Wohnung, fand aber dessen Thür fest v-rschlosse« und erhielt auch auf mehrfache« Anpochen keine Antwort. E« tonnte Nie- «and dort zu Hause sein. Ein Ereigniß. Al« Hauptmann von Dürrbeck da« Kaft verließ, schritt er di« Straße wie in eine« Traum hinab, dt sah. daß ihm Leute begegneten, und wich au» alter Gewohnheit au«, aber er«kannte Niemanden. So verfolgte er, hoch auf» gerichtet, aber todtenbleich seinen Weg, passirte die Prome» nadcn, bi» er in de» kleinen Park kam und dort, an einer stillen und unbesuchteu Stelle, warf er sich auf«me Bank, denn die erschöpfte» Glieder wollten ihn nicht weiter tragen. Lange saß er dort, die Blicke stier am Boden hastend, bi» er plötzlich in ein wilde», heiseres Lachen ausbrach und dann vor sich hin murmelt«:Bin ich denu»er- rückt, bi» ich wahnfinnig geworden und sehe mich im Traum al» ein« l-bendige Leiche in der Stadt herumgehen? oder ist das Wahrheit." setzte er mit scheue« Flüstern hinzu,Wahrheit, daß ich mein Leben, Glück, Liebe, Hoffnung. Jugend, Alle« einem Ander» schulde und nur noch auf ei» paar Stunden geborgt de» ko«««« habe?" Gr barg da» Geficht schaudernd in de» Händen, und Bilder de« Schreckens und Entsetzen« flutheten an seine« innere« Auge vorüber, bi» sie ihn zuletzt bewältigte» und er scheu von seinem Sitze emporsprang.Flucht I" Wenn er jetzt mit de« Abendzuge Rhodenburg verließ,«« nie mehr hierher zurückzukehre« I Amerika! Dort« der Wildniß konnte er»»gekannt leben. Oh, leben I Raute», der Teufel, der ihn verführt I Wen» n ihn nur gleich i» Kaft niedergestochen hätte! Man würde ihn mit ein paar