Beilage zum Berliner Bollsblatt Kr. ISS. Dienstag, de « 7. Inli 1885. II. Jahrg. Englaad Naßlaad ZWaalsta». Bon Elisee Reclus . ll. Durch einen fast unerhört glücklichen Zufall durfte England überdies der Hoffnung fich kingeben, es könnte fich den Besitz feines neuen Reiches durch die feit dreitausend Jahren an ver- erbte Sklaverei gewöhnte Bevölkerung fichem. In Kasten ein- getheilt, theils Muselmanen, theils Brahmanen, Sikhs u. s. w. und verschiedene Sprachen sprechend, waren die einzelnen in- dischen Racen überdies von einem gegenseitigen blinden Haffe beseelt. England verstand diesen Haß geschickt auszubeuten. Es rekrutirte seine Armeen reaionalweise und hielt die ver- schiedenen Regimenter außer Verband mit einander. Es wußte sie in dieser Feindschaft zu erhalten, um im Falle einer In- surrektion die einen Regimenter gegen die andern zu ge­brauchen. Im Nordosten Indien ? leben die Sikhs, Anhänger einer ganz eigenthümlichen Religion und berüchtigt durch ihren wilden Haß gegen alle anderen Hindus. Wie man grimmige Doggen dressirt, so wußte England diese Leute zu dresstren, um sie dann im Falle der Roth auf alle anderen Bewohner der Halbinsel loszulassen. Endlich giebt es in dm tiefen Schluchten des Ost-Himalaya ein Land, Nepal genannt, das nur sehr schwer zugänglich ist und dessen Eroberung für England die doppelte Unannehmlich- keit gehabt hatte, daß es mächtige Anforderungen erforderte und die chinesische Frage zur Folge hatte; denn der Kaiser von China ist der Oberhcrr von Nepal . Auch mit der halb- chinesischen Provinz Thibet unterhält Nepal fast ausschließlich Handelsverbindungen. England versuchte es nichts erobern, ließ fich dagegen für diese Zurückhaltung vom Souverän von Nepal das förmliche Versprechen geben, er wolle seine hunderttausend Soldaten dem Gouvemeur von Indien zur Verfügung stellen, wenn man derselben zur Bekämpfung gegen die Jnvier be- dürfe. So geschickt auch diese Politik war, so erhielt sie doch hie und da cmen Stoß und wir wissen, daß der Besitz Indiens wiederholten Malen durch eine Revolution bedroht worden §Die schauderhaften Episoden des letzten Aufstandes der poys schweben unserm Geiste noch lebhaft vor. Aber bald sollte fich eine ebenso fürchterliche Gefahr zeigen. Jenseils des Paropamisus und des Kaukasus wuchs die russische Macht an, drang in die Steppen und Wüsten und durch diese hin- durch nach den Binnenseen und Binnenmeeren. Und die Russen bemächtigten fich nunmehr von Etappe zu Etappe fortschreitend, erst Transkaukafiens, dann Transkassipiens, darauf Turkestans und schließlich Khiwas. Wohin wollten denn die Moskowiter eigentlich? England gerieth in Aufruhr Seine f rotestationen hinderten die Russen nicht, sich in ihren neuen roberungen niederzulassen. Und jetzt hat das Heer des Zaren den Paropamisus erreicht. Da sich die Engländer nicht in großer Zahl zeigen konnten, so zogen sie vor, unsichtbar zu bleiben, wie es bei den über- natürlichen Wesen Gebrauch ist. In Wahrheit konnten sie es weder in Bezug äuf die Anmuth des Gesichts, noch auf seine Manierm, noch auf die Eleganz der Formen mit den Rajahs aufnehmen. Daher versuchten sie es wenigstens mit dem Luxus; sie waren vor Allem so vorsichtig, das Land sogar ihren eigenen Reisenden und Touristen zu verschließen und dabei iedes- mal, wenn einer ihrer wenigen Beamten ins Innere des Landes geschickt wurde, eifrig dafür besorgt, ihn mit einer zahllosen Dienerschaar und einem Gepränge zu umgeben� hinter welchem sich der britische Hochmuth nur schlecht verbarg Von jetzt an konnten sie ihr Regiment über die Jndier leicht handhaben. Sie behandelten diese gewaltige Bevölkerung mit einer Art geringschätziger Freundlichkeit und mit verächtlichem Aiitlciden, welches übrigens jeden Augenblick bereit war, von den schrecklichen Mitteln Gebrauch zu machen, welche die an- gedeutete Organisation der rivalistrten Heere zu Gebote stellte. Ehemals trennte eine weite Entfernung Indien von Ruß- aber jetzt ist diese Entfernung immer kleiner geworden. Hetzt sind turkomannische Banden und Horden von unge- zügclten Plünderern, welche unlängst noch für die Russen selvst dem sommerliche» New-tlork. Von Chr. Tarnuzzer. Zwischen der Bat), dem Hudson und dem East Rwer auf der Manhattan-Jnsel, die den Indianern 1624 für 24 Dollars abgekauft wurde, liegt New-Aork, die Handels- königin Amerika's . Die Insel ist etwa sechs Stunden lang und wird, wenn ihr nördlicher Theil einmal ganz überbaut ist, eine größere Einwohnerzahl ttagen als irgend eine Stadt der Erde. Die Lag: New-Norks ist eine äußerst gesunde und be- neidenswcrthe; ohne die Vorzüge derselben würde sie bei ihrer noch immer großen Unreinlichkeit einen Heerd für zahllose Krankheiten abgeben, und ihr immer in Ex- tremen sich bewegendes Klima müßte viel zahlreichere Opfer fordern.) Zm Sommer legt sich dies langgezogene Stück Land mit seinem endlosen Häuserheere wie eine glühende Back- steinzunge lechzend an das kühlbewegte Wasser und wird des Trinkens nimmer satt. Die Wandlung der Metropole aus einer nördlichen Winterstadt in einen Tropenort ist ganz plötzlich vor sich gegangen. Dieses zauberartige Umkleiden hat auch noch immer seinen Reiz für den, dem es nicht mehr neu ist. Wer die Tropenländer nicht gesehen hat, bekommt hier ein Vorgefühl jener lichtreichen, wunderbaren Welt: das reine Blau des Himmels, die unvergleichliche Schönheit der Abendröthen, die Glühwärme der Sonne, die glänzenden Feuerfliegen in dem Reiz der Nacht das Alles sagt ihm, wie es im Süden ist. Auch Kleidung, Lebensweise und Ge- bräuche der Motftljett tragen einen stark südlichen Charakter. Es gewährt einen eigenthümlichen Anblick, Männer, Frauen und Kinder fast ohne Ausnahme mit Fächern einheraehen und eine ganze Bevölkerung in den Häusern und auf den Straßen fächeln zu sehen. Wenn Jean Paul sich gettaute zu behaupten, daß die Frauen mit der ewigen Vibration ihrer Zungen zur Reinigung der Luft beizutragen vermögen, so müßte man den Effekt, der durch das Palmfächerspiel einer ganzen Stadt entsteht, ungleich höher anschlagen. Der Bankier auf dem eleganten Sopha, die mit Brillanten geschmückte Lady in der Karosse, der Gast im Salon, die Damen in ihrem » cking cbair, der Spaziergänger auf dem Broadway, der ein Gegenstand deS Schreckens waren, von den msstschen Generalen unter ihre Regimenter aufgenommen worden, und nun warten sie auf die Verheerung deS reichm Landes, welches fich vom Indus bis zum Ganges erstreckt. Und die Russm marschiren immer vorwärts, schieben ihre Vorposten immer weiter vor und sammeln sogar, waS noch viel merkwürdiger ist, ganze Massen von Kolonisten in einem Lande an, wo noch vor vierzig Jahren kein einziger Russe hätte wohnen mögen. Also marschiren heutzutage nicht nur die russischen Armeen, sondern sogar das russische Voll, die moskowittsche Race, auf jenem alten Wege Zenttalafiens, woher einst die Völker Europa überschwemmten, und auf welchem heute Europa wieder nach Asien zurückkehren zu wollen scheint. Heute steht man schon an den Thoren und der russische General Komaroff kam einen Augenblick in Versuchung, Herat , den Schlüssel zu Indien , wegzunehmen. Wir wissen allerdings nicht, ob und welche Ver- sprechunaen Rußland England in Betreff des Jnnehaltcns der neuen Grenzen gemacht hat, um dessen Angst zu mildern, aber es ist leicht zu begreifen, wie wenig diese Versprechungen wetth find und wie lange sie gehalten werden. So ist denn England wegen Indien den Wechselfällen eines furchtbaren Kampfes ausgesetzt. Um diese ungeheuer große Domäne zu retten, welche der Königin Viktoria den Titel einer Kaiserin von Indien eingebracht und kolossale Reichthümcr in den Händen der englischen Aristoktraie aufgehäuft, aber dabei auch die Lasten und das Elend des Volkes vermehrt hat, muß nun England in nächster Zukunft Alles, sogar seine nattonale Existenz, aufs Spiel setzen! Dabei kann man aller- dings nicht sicher sagen, daß die Eroberung Indiens und die Besiegung Englands den Generalen des Zaren leicht fallen werde. Denn England ist sehr reich an Hilfsmitteln und wird dem Marsche der feindlichen Armeen unzählige Hindemiffe in den Weg zu legen wissen. so sehr aber auch die englischen Patrioten auf letztem Umstand ihre Hoffnungen setzen mögen, so wäre es doch sehr unklug von ihnen, wollten sie die in der Disracli zugeschriebenen BroschüreSchlacht von Dötting" enthaltene unheilverkündende Vorhcrsagung vergessen, in welcher jener Staatsmann, welchen man mit vollem Rechte den letzten Engländer genannt hat, be- reits die Soldaten des Festlandes den Boden Englands selbst als Sieger betreten sah. Aber nicht nur die Militärwissenschaft operirt gegen Englands Herrschaft in Indien , es dringt noch eine andere Vkacht gegen dieselbe vor, die Eisenbahn. Während die Engländer aus Furcht vor den in Trans- kaukasten aufgestellten msstschen Tmppen auf die Erbauung einer Eisenbahn in Kleinastcn verzichtet haben, arbeitet die mssische Regierung daran, von der Meerenge von Konstantinopel aus ihr Eisenbahnnetz im Süden des Kaukasus und zu beiden Seiten des kaspischen Meeres zu ergänzen. Schon wird das streitige Gebiet von russischen Lokomotiven befahren! Was wird demnach in Zukunft England jene Reihe mili- \ tänscher Stationen: Gibraltar , Malta , Cypem und Aden, ' helfen, deren Besitz ihm in Europa so viel Eifersucht und Haß ! eintrug? WaS wird das Resultat jener traurigen Expedition nach Egypten sein, welche England so viel Leute gekostet hat ! und seinem nationalen Prestige ebenso schwere Wunden ge- schlagen hat wie seine Finanzen und Soldaten? Wer berechnet, wie viele Menschenleben und Kapitalien die Erobemng und der Besitz Indiens schon veftchlungen haben, der begreift auch, wie uugehencr viel England vielleicht schon in nächster Zeit verlieren wird! In diesem Falle wird es wenigstens ein Glück für dasselbe sein, wenn es, geheilt von dieser grausamen Erfahrung und von den Chimären der äußeren und der Ko- lonial-Politik, in seinem Inneren die nämlrchen Tugenden des Stolzes und der Gleichheit wieder aufblühen sieht, durch welche sich seine Vottahren so sehr auszeichneten. England wird von seinem Traum der Heaemame zurück- kommen müssen. Aber wem wird diese zu Theil werden? Etwa Rußland? Oh, gewiß ist seiner riesigen Militärmacht noch eine große Wirksamkeit in der Welt, welche es überziehen zu wollen scheint, vorbehalten! Doch läßt sich veraussehcn, daß es nicht zur Verwirklichung dieses seines Traumes ge- langen wird. Fuhrmann auf dem Wagen, der Stiefelputzer an der Straßenecke sie Alle wehen sich Kühlung zu mit dem Fächer, der meist ein einfacher Palmfächer ist. Ganze Familien flüchten aus der Hitze der Häuser Nachts hinauf auf die Dächer, zu schlafen, und erst der Schlummer heißt die Hand, den Fächer sinken zu lassen. In den Kirchen, den Theatern, den Gerichtshäusern, den Eisenbahnwagaons, den Straßencars und Omnibussen wehen die unentbehrlichen %uch die Unzahl der mannigfaltigsten Tropen- flüchte, die in den Stores der Konditoreren und allen Straßenecken zum Verkauf ausgestellt sind, spricht uns deutlich und viel von den wärmeren Himmels- strichen, denen der Himmel immer mit gleicher Freundlich- keit lacht. An den Straßenecken stehen Buden, reichbeladen mit der mildsüßen Frucht der Banane, mit Zittonen, Po- meranzen, Aepfeln, Pfirsichen, Melonen und dem duftenden Ananas. Freilich sind die Früchte so mehr in demokratt- scher Form geboten. Die braven Verkäufer schreien vor einem jeden Haus; ganze Wagen mit Pomeranzen und Apfelsinen ziehen an uns vorüber. Die Billigkeit aller dieser Früchte ist groß und macht es Jedem möglich, seinen Theil davon zu genießen. Alle Augenblicke sehen wir einen Vorüberwandelndcn mit einem großen Stücke einer Wasser- melone am Munde und die Straßenjungen saugen das süße Wasser der kühlenden Frucht aus Stücken, deren Größe ge- radezu eine erstaunliche ist. Ueberall stehen Trinkstände und die Laar- rooms der vielen Salons und Wirth- schaften bieten Kühlung und Labe. Und dies ist nöthig, selbst wenn es nur ein»demokrattsches Glas Eis ist, das der vom Pferde steigende Fuhrmann und der heisere Zeitungsjunge begieng trinkt. Die Seele droht Einem aus dem Leibe zu schmelzen, wie es imAmerikanischen Skizzenbüchlein" von Asmus heißt. Eis und Frucht ist im Sommer hier die Parole, Eis und Frucht der eigentliche Wille des Volkes.. An einem solchen Sommettage klänge es dem Fremden wie eine Mär, wenn man ihm von dem winterlichen New- York und seiner Polattälte erzählen würde. Wie schneidig waren da die Lüfte, wie wüthend die Schneestürme, wie roth die Nasen, mit Ausnahme der Negernasen! Die un- Kommunales. Der am Donnerstag verstorbene Stadtverordnete, Baumeister Jrmisch, dessen Beerdigung am Sonntag stattfand, vertrat in der Stadtverordneten-Versammluna die Wähler der ersten Wahlabtheilung des 14. Wahlbezirks. Dieser Wahlbezirk umfaßt die Stadtbezirke 255 bis 326. In Betreff des Parks auf dem Kreuzberg haben wieder Vethandlungen zwischen Deputitten der Ministerien des Innern und der öffentlichen Arbeiten, des Magistrats, des königlichen Polizeipräsidiums und der Ministerial-Baukommisston stattgefunden. Dieselben find aber noch nicht zum Abschluß gelangt, da an die Stadtgemeinde die Forderung gettchtet wird, daß sie die vier Grundstücke in der Nähe des Denkmals auf dem Kreuzberge, welche angekauft werden sollen, selbst erwerbe. Der Magistrat wollte die Erwerbung dem Staate überlassen, stellte indeß einen erheblichen Beitrag zu den Kosten in Ausficht. Vorausfichrlich wird der Magisttat nach Ablauf der Fetten der Stadtterordneten-Versammlung eine Vorlage machen, damit in dieser Weise der Standpunkt veider städtischen Behörden fest- gestellt werden kann. Takilt». Die Lohnkommijston der Maurer hat in Massen ein Flugblatt verbreitet, das sich an die Berliner Bürger und das hiesige bauende Publikum, sowie an die hohen staatlichen und städtischen Behörden wendet und die Arbeitseinstellung be- handelt. Ucber ihren Verdienst lassen sich in dein Flugblatt die Maurer wie folgt aus:Es ist der Studenlohn für die Maurer hier nach wiederholten Kämpfen auf 40 Pfennige fest­gesetzt. Bei diesem Stundenlohn würde es ein Arbeiter, der alle 2400 Stunden im Jahre arbeitet, die ihm die Witterung zu arbeiten erlaubt, was aber nicht eintrifft, 960 Matt jährlich oder einige Pfennige über 18 Mark wöchentlich verdienen. Schon dieser Verdienst wäre für Berlin kaum hoch genug, er wird aber nie erreicht. Die Zahlen über den Verdienst des einzelnen Maurers, die wir gesammelt haben, geben den Jahres- verdienst im allergünstigsten, nur von äußerst wenigen Personen ausnahmsweise erreichten Falle auf 936 Mark an, was gerade 13 Mark wöchentlich ausmacht. Ein gewöbnlicher guter und fleißiger Maurer kommt nicht höher als auf 16 Mark wöchent­lich, der Durchschnittsverdienst erreicht etwa 15 Mark und ein großer Theil der Maurer bleibt ohne irgend welches eigenes Verichulden, nur weil er z.B. aus Zufall östers die Arbeitsstelle wechseln muß, weit unter diesem Verdienst. Nun ist aber der höchste Verdienst des Maurers mit 18 Mark wöchentlich, den er bei 40 Pfennigen Stundenlohn erreichen kann, in An- betracht der besonderen Aufwendungen für die Ernäyrung und Bekleidung, die die anstrengende Arbeit im Freien, im Sonnen- brand, Regenschauer und im schneidenden Winde, je nach der Jahreszeit erfordett, durchaus nicht ausreichend. Wir geben hier ein kurzes Ausgabenverzeichniß eines Aiaurers, das aus der Wirklichkeit genommen ist, um unsere Behauptung zu er- weisen. Es kostet eine Maurerfamilie mit 4 Kindern Miethe 210 M, Steuern 24 M.. Doktor und Apotheker 30 M, Klei­dung 100 M., Schuhwerk 40 M., diverse Ausgaben für den Mann auf der Baustelle bei der Arbeit 76 Mk.. Wäsche 30 M.. das sind 520 M. Es bleiben also für alle Ausgaben der Witthschaft 416 M. oder 8 M. wömentlich, wofür die Familie gesund nicht zu erhalten ist, wie jeder Kenner hiesiger Verhält- msse zugeben wird. Und dies ist der allergünstigste Fall, man schließt ddraus, wie trostlos es in anderen Fällen aussieht." Dre Zahlen machen einen ganz anderen Eindruck als die kürz- llch von den Meistern in der ganz n kapitalistischen Presse ver- breiteten. Auf diese Berechnungen, die durchaus den Stempel der Wahrheit ttagen, bleiben die Herren Arbeitgeber leider die Anttvort schuldig. . Der Stelleuvermittelungsschwindel steht nicht allein rn Berlm tn hoher Blüthc, sondern er wird auch von anderen Orten aus mit großem Raffinement und augenscheinlich auch mit Erfolg betrieben und zwar stellt gerade Berlin , wo doch schon genug Gelegenheit zumReinfall" ist, ein ganz bedeu- tendes Kontingent von Opfern deraußerhalbschen" Beutel- schncider. In besonders hervorragendem Maße zeichnet sich durch unverschämte Praxis in der Gcschäftshandhabung die geHeuern Eismassen, die man da sammelte und welche jetzt zur Läbe der Bevölkerung in die Stadt geschafft iverden, können davon zeugen, daß diese einst ein ganz anderes Kleid getragen und mit dem nördlichen Klima eine zu vertraute Bekanntschaft geschlossen hatte. Das Eis ist in New-Aork kein Luxusartikel, son- dern gehört zu den nothwendigsten Bedürfnissen des Lebens, wie das Bier dem Bayer Lebensmittel geworden ist. Das Tttnkwasser wäre im Sommer ohne Eis ohne 1 Labe, ja es wäre nur schwer zu genießen, ob es auch nach ! Wien das beste Wasser der Großstädte ist. Butter und . Fleisch und verschiedene Produkte würden sich ohne die Zu- that des Eises gar nicht erhalten lassen. Der New-Aorker der sich ohne Eis nicht zu denken vermöchte, würde, wenn alle Quellen der Eisbildung bis in den Norden hin ver- stopft werden sollten, vielleicht noch weiter vordringen als der Nordpolfahrer Greely, wenn es nöthig wäre, das Eis von dort herbeizuschaffen. Wir haben von diesem kolossalem Verbrauch des Eises im Sommer gar keinen Begriff. Die Eismagazine, welche New-Pork versorgen, liegen oberhalb der Stadt am Hudson; der enorme Bedarf wird allnächtlich durch eine ganze Flotille herbeigeschafft und den Händlern abgegeben, welche die großen Eisstücke auf unzähligen Karren in der Frühe des Morgens durch die Straßen fahren. Der Ice -man fährt vou Haus zu Haus; er trägt erstaunlich große Stücke mit einer Zange gefaßt in die Häuser der Neichen und Bemittelten und versorgt so in der größten Regelmäßigkeit die dürstenden Menschen mit der kühlen Labe, daß auch die Armen ihren Bedarf in Form von kleinen Stückchen erhalten können. So scheint vor dem flüchtigen Blicke des einsamen Morgcnspazieraängers der Be- darf von Lebensmitteln den drei Millionen Menschen leicht vermittelt zu werden und das Leben in müheloser Regel- Mäßigkeit sich abzuwickeln, und nur wenn die Vorbereitungen der Nacht und das Mühen und Ringen des Tages bedacht werden, schaut man hinter die Koulissen des Lebens, wo Alles im herben, unendlichen Daseinskampfe ringt und jedes Leben einen Tod, jedes Glück das Verderben eines andew voraussetzt.__. Eine bemittelte Familie erhält für den Tag einen Eis- Würfel, der zwei bis drei Fuß Seite hat. Wir sind in unse-