Nr. 217.
Donnerstag, den 17. September 1883.
II. Jahrg.
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Drr hmische Kiiflikt. Die ganze öffentliche Aufmerksamkeit ist gegenwärtig auf den deutsch -spanischen Konflikt gerichtet und die Situa- iion ist, während wir die« schreiben, noch so gespannt, daß jeden Augenblick gute oder schlimme Nachrichten von weit- tragender Bedeutung eintreffen können. Unser aufrichtiger Wunsch ist, daß der Friede erhalten bleibe und daß nicht diese unseligen Karolineninseln die Ursache eines blutigen, auf europäischem Boden auszufechtenden Krieges werden. Die meisten Blätter trösten sich einfach damit, daß die Kriegsmacht des Deutschen Reiches derjenigen Spaniens wettau« überlegen ist. Nun, da« ist sicherlich eine unbe- strettbare Thatsache. Wenn dieser Trost unseren Weißbier- Philistern genügt, so sei er ihnen von Herzen gegönnt. Aber wir faffen die Sache denn doch ander« auf. Nach einer wie uns scheint zuverlässigen Berechnung können die spanische« Strettkräfte auf dem Kriegsfuh etwa die Höhe von 450,000 Mann erreichen; die Franzosen haben sie mtt gewohnter Uebertreibung auf 600,000 angeschlagen. Daß diese Streitkräfte gegenüber den deutschen Heeren nicht da« Feld halten können, ist klar. Die spanische Flotte ist zwar an Zahl der Schiffe der deutschen überlegen, besteht aber zum großen Theil au« alten, für den Seekrieg heute untauglichen Holzschiffen. Die deutsche Flotte dagegen hat nur Schiffe neuester Konstruktion und auch die Zahl der deutschen Marinegeschütze übertrifft die der spanischen um ein Bedeutendes. Der Krieg würde wahrscheinlich nur zur See geführt «erde», denn zu dem gefährlichen und kostspieligen Experi- ment einer Landung an den feindlichen Küsten würde sich wohl keiner der streitenden Theile entschließen können. Die Handelsbeziehungen beider Theile würden durch einen solchen Krieg schwer geschädigt werden. Dabei kämen auch Anter- effen anderer, am Kriege nicht betbeiligter Länder ins Spiel und daraus könnten sich leicht bedenkliche casus belli entwickeln. I« unserem Zeitalter des bewaffneten Friedens ist die Situation leider eine solche, daß wenn zwei Mächte sich streiten, leicht die andere« in den Streit hineingezogen werden können. Wir sahen damals, als der Mahdi mit seine» wilden Sudanesen siegreich den Nil herab auf Khartum lo«rückte, wie drohend die Gefahr einer großen islamitischen Bewegung in Aftika und Asien aufstieg, die sicherlich einen allgemeinen Krieg herbeigeführt hätte, wenn sie zum AuS- bruch gekommen wäre. Kann schon ein Aufstand im fernen �üden eine solche Gefahr heraufbeschwören, um wie viel wehr wird ein Krieg zwischen Deutschland und Spanien zu einem emopäischen Kriege ausarten können! Die spanische
Regierung würde sich sicherlich»ach Bundesgenoffen um-
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JeuMeton. Da- Mormonenmädchen. «merikanische Erzählung
von
Balduin Möllhansen«
(Fortsetzung.) Fort Utah schien daher, im Vergleich mit den vorher- Zehenden Tagen, förmlich ausgestorben zu sein. Alle«, wa« ucht durch Krankheit, Alterschwäche, oder durch die allernoth- vendigsten häuslichen Pflichten zurückgehalten wurde, hatte * möglich zu machen gesucht, sich an einem Feste zu be- heiligen, auf welchem den fanattfirten Gemülhern so reiche Kistige Speise geboten wurde, welches aber auch als eme willkommene Unterbrechung und Aufmunterung m den trüben Md bedrohlichen Zeiten betrachtet werden durfte. � Fort Utah war also still und leer. Nur m der zur Wachstube bestimmten Hütte am Eingange in den Hof er- Sickte man mehrere Männer, die zum Schutz zurückgelassen worden waren, und unter diesen die etwa« gedrückten Ge- ?lltea de« Trafen Absalon und des BaronS Gabriel, wie -ich letzterer umgetauft hatte. Auf dem Hofe selbst dagegen �schien hm und wieder an den Thüre« eine junge Frau, ?°or eine Greisin, den eigenen oder den anverttauten Säug- LP tragend, während vereinzelte alte Männer sich im schatten gelagert hatten und dort, mtt irgend einem fromme« wch« oder mtt ihre» eigenen Gedanken beschäftigt, auf du �Täglichste Weise die Zett verrinnen ließen.
Der Posten, dem die Bewachung der Gefangenen über- b�gen worden war, hatte sich ebenfalls aus den glühenden Sonnenstrahlen des beginnenden Sommer« zurückgezogen. '} saß auf einem Holzblock in der vor dem eigentlichen Ge- �gniß befindlichen kleinen Vorhalle, und ihm gegenüber ?Uerte, mit unerschütterlicher GemüthSruhe feine steinerne �'fe rauchend, La Bataille, der verrätherifche Schlangen- .. Beide waren auffallend schweigsam; wenn sie indes? "»ge Worte wechselten, dann ließ sich errathen, daß nicht
sehen. Würde sie solche finden? Wir wagen das nicht ohne Wettere« zu verneinen. Man muß zugeben, daß die Sprache der deutschen Presse im Allgemeinen— an Ausnahmen fehlt es auch nicht— den tobenden Ausbrüchen der spanischen Blätter gegenüber eine besonnene und ruhige ist. Man ist sich in Deutschland , wenn man eS auch nicht gerade sagt, doch ziemlich allgemein bewußt, daß die spanischen Vor- gänge nicht daS sind, wofür sie von dem offiziellen Telegraphen ausgegeben werden. Daß eine von den spanischen Chauvinisten geleitete Bewegung gegen Deutschland besteht, ist zwar eine Thatsache; allein die Chauvinisten sind in Spanien so wenig das Volk wie anderwärts. Es wird auch in Spanien Leute geben, welche die Radomontaden des Generals Salamanca , dessen kriegerische Heldenthaten uns leider völlig unbekannt sind, abgeschmackt und albern finden. Offenbar ist bei der Karolinenaffaire der lange unterdrückte Unmuth des spanischen Volkes gegen den Druck der gegenwärtigen Regierung zum Ausbruch gekommen. Einige Depeschen haben uns zwischen den Zeilen lesen lassen, daß die Volksmassen die gegen Deutschland gerichteten Kundgebungen nur benutzt haben, um ihrer Antipathie gegen die spanische Regierung Ausdruck zu geben. Man erinnere sich, daß C a st e l a r vor Kurzem der spanischen Regierung mit einem Ausstande drohte. Es ist doch kein Zufall, daß Castelar gerade jetzt eine Reise durch Nordspanien macht und in Versammlungen die Regierung auf« Heftigste an» greift. Die Volksmassen wollen offenbar den Sturz der reaktionären Regierung. Wenn diese Regierung Deutschland die zu können, so bängnißvöll für sie werden. Eine De- pesche, die soeben ernttifft, lautet:„Uebcrhaupt ist die größte Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß die Regierung Herr der Sttuation bleibt." Darnach muß es mtt der Regierung schon sehr schlecht stehen. Herr Canovas del Castillo, der leitende spa» nische Staatsmann, ist aber auch ganz der Mann, ein Volk zur Verzweiflung zu treiben. Ein starrer Konservativer, ge- berdet er sich, als ob alle die geistigen und materiellen rungenschaften dieses Jahrhunderts gar nicht vorhanden wären. Er regiert, als ob er sich noch in der Zeit vor 1789 befände. Was nicht in sein System paßt, wird ein- fach unterdrückt. Mit solchen Anschauungen kann man wohl eine Zeitlang auskommen, aber nicht auf immer. Die in Spanien immer noch mächtige Partei der Republikaner sollte dadurch endgiltig niedergeworfen werden, daß man da« Wahlrecht beschnitt. Aber diese Partei ist seitdem nur mäch- tiger geworden. Auch liberale Parteiführer sind er- bitterte Gegner der konservativen Regierung und
der Zufall sie zusammengeführt hatte, Zweck, welchem sie offenbar eine
maßen.
sondern ein geheimer sehr große Wichtigkett bei-
Von Zett zu Zett schlichen sie auch wohl an die Thür de« inner» Gemachs, um die Gefangenen zu belauschen; doch kehrten sie dann immer wieder nach kurzer Frist zurück, nach« dem sie sich überzeugt hatten, daß Weatherton und Rast noch schweigsamer als sie selbst waren, und nur der auf und ab wandelnde Bootsmann zuweilen vor Ungeduld eine Ver- wünschung ausstieß, wenn sein grübelnder Gefährte durchaus nicht dazu zu bewegen war, auf irgend eine, die Zett ver- kürzende Unterhaltung einzugehen. Die Sonne brannte vom Zenith hernieder; auf dem Hofe war es noch stiller geworden, denn die Greife und Frauen, welche ihn so lange spärlich belebten, hatten sich allmälig in die Hütten zurückgezogen, und sogar die zahl- reiche Hühnerfamilie schien ausnahmsweise den Schatten den sengenden Sonnenstrahlen vorzuziehen. Dieselbe hatte näm- lich Besitz von der verlassenen Lagerstelle der Mohaves unter der Plattform ergriffen, und auf dem weichen Staube, auf welchem die wilden Krieger erst vor wenigen Stunden ihre mächtigen Glieder reckten und dehnten, da lagen jetzt große und kleine, alte und junge Hühner, halb vergraben in dem trockenen losen Erdreich, und gelegentlich mtt den halb ausgebreiteten Schwingen den Staub em- porwttbelnd, als wenn sie sich in oemselben hätten baden wollen. Auch einzelne rothbrüsttge Sperlinge hatten sich zu ihnen gesellt und wühlten nestförmige Höhlen in dem Sande aus, wobei sie muthwillig zwitscherten und sich offen- bar sehr angelegentlich mit ihren Kameraden unterhielten, welche die alte gutmüthige Kanone auf der Plattform lustig umspielten und manchmal recht ernstlich um irgend ei« Lieb- lingsplätzchen kämpften. Da erschien plötzlich eine noch rüstige Matrone in der Thür vor dem Mormonen und La Bataille.„Alles bereit," sagte sie kurz, worauf sie sich wieder entfernte. Der Mormone nickte, stand auf und folgte der Ma- trone nach, kehrte aber schon nach Verlauf von wenigen Minuten wieder zurück, in der einen Hand einen dampfen- den Kessel, in der andern Teller, Löffel und Gabel tragend.
wir sind überzeugt, daß der alte Verschwörer S e r r a n o, der einst mit Prim die Mutter des jetzigen Königs, die bekannte Z s a b e l l a, aus dem Lande tneb, längst wieder auf der Lauer liegt. Zn der Roth hat man bei dem treu- losen, aber gewandten politischen Seiltänzer S a g a st a an- gefragt, ob er die Regierung wied.r übernehmen wolle. Die Antwort Sagasta's beleuchtet die Situation in Spanien besser, als die absichtlich zweideutig gehaltenen offiziellen Depeschen. Er sagte, er wolle die Regierung nur dann übernehmen, wenn sofort an Deutschland der Krieg erklärt würde. Danach sieht auch Sagasta— und der kennt das schöne Spanien — kein anderes Mittel, als den Krieg. mit Deutschland , um die Volksbewegung von der Regierung und von der Dynastie abzulenken. Aus Chauvinismus wünscht dieser geriebene Staatsmann den Krieg mit Deutsch » land sicherlich nicht. Wenn in Spanien eine Veränderung vor sich gehen sollte, so können sich Diejenigen, die von derselben nachtheilig betroffen werden, bei dem starrköpfigen Herrn Canovas bedanken, denn er hat die ganze Suppe eingebrockt. Dem spanischen Volke ist es es sicherlich lieber, eine vernünftige Regierung, als einen Krieg mit Deutschland zu haben. Die chauvinistischen Schreier sind, wie wir fchon ge- sagt, nicht das spanische Volk. Der Bürger, Bauer, Ar- beiter und Kaufmann hat in Spanien ganz dasselbe Interesse am Frieden, wie in Deutschland . Daß der Herr General Salamanca, wie einst die Exkaiserin Eugenie,„seinen kleinen Krieg" für sein Privatvergnügen haben möchte, mag ja fein. Glücklicher Weise ist aber Spanien nicht dazu da und auch Deutschland nicht, um für die Privatvergnügen dieser„Hel- den" zu sorgen. Wir sind keine Chauvinisten und wünschen nur auf- richtig, es möge gelingen, den Frieden zu erhalten, auch wenn gewisse spanische Staatsmänner in ihrem Interesse„so einen kleinen Krieg" brauchen. Politische Weberstcht. Der demokratische Parteitag ist nun beendet und daS Resultat der Verhandlung liegt somit vor. Abgesehen von der winzigen Anzahl der Theilnehmer, muß andererseits noch ganz t besonders auffallen, daß fich gerade die Hauptpersonen dieser artet von dem geschichtlichen Drama, welches sich an der Elbe trand soeben abgewickelt hat, fem gehalten haben. Herr Dr. Gmdo Weiß, wie auch die Herren Phillips und Lenzmann glänzten durch ihre Abwesenheit; von bekannten Nonen waren nur die Herren Kämpffer, Richter Wühlrädltz), Kohn und Ledebour nach Hamburg geeilt. Du demokratische Partei— das hat fich wieder aufs Neue gezeigt— ist ein Zwitterding, fie kann nicht lcben und nicht sterben, fie steckt zwischen Baum und Borke, zwischen den„Frei- finntgen" und der Sozialdemokratie. Daß unter solchen Ver-
Nachdem er La Bataille angewiesen, dafür zu sorgen, daß er n,cht gestört werde, begab er sich zu den Gefangenen hinem, worauf er die Thür hinter sich abschloß. Weatherton und Rast beachteten ihn kaum, als er die Speisen auf den Tisch stellte, und erst als er sich nicht in gewohnter Weife sogleich wieder entfernte, wendete Wea- therton sich ihm mit ftagender Miene zu. U' „Ich denke, Ihr müßt Langeweile empfinden," sagte der Mormone mtt schlecht verhehlter Schadenfreude, halb zu Weatherton, halb zu Rast gewendet;„möchtet gewiß gern die frische Luft mit der dumpfigen alten Baracke ver- tauschen." Weatherton, in dieser Frage eine Verhöhnung vermuthend, kehrte dem Mormonen, ohne ihn einer Antwort zu würdi- gen, den Rücken zu. Rast dagegen ging auf die Unterhal- tung ein, indem er dem Schließer mit einem herzhaften r versicherte, daß dieses vielleicht die einzige Wahrheit die jemals in seinem Leben über seine Lippen gekommen. w Wie Weatherton den Mormonen nicht beachtet hatte dM.5 ÄS ÄäÄÄB«:
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icht.. derer leidet." r&E" W" er wendete sich mtt einer heftigen Bewegung dem Mormonen k--»» „Unter gewissen Umständen ist der Brief für Euch be- stimmt" antwortete der Mormone kult. „Warum nichi auf alle Fälle?" fragte Weatherton, die Stirn runzelnd. „Weil es Fälle giebt, in welchen der Brief vollständig nutz.os für Euch wäre, und dann nur der Person, von welcher er herrührt, Unannehmlichkeiten bereiten könnte." Weatherton sann eine Weile nach.„So nennt mir