Romania Jrrebenta verbreitete Brandschrift. Darauf erhielt Dr. Popoviciu ein aus Bukarest vom 16. September datirtes, mit rother Tinte geschriebenes, gleichfalls von der Jrredenta gezeichnetes Todesurtheil, in welchem ihm bekannt gegeben wurde, daß er in Herkulesbad zuerst der Tortur unterzogen, dann mit Messern erstochen werden soll, wenn er nicht wider. rufen würde. Der genannte Arzt bringt dies selbst zur öffentlichen Kenntniß, indem er gleichzeitig seinen ersten Proteft aufrecht erhält.
Sofia , 24. September. Die Regierung hat an die diplomatischen Agenten ein Rundschreiben gerichtet, welches besagt, daß der Fürst, da von der muselmanischen Bevölke rung in Rumelien Banden gebildet würden, die Mächte erfuche, bei dem Sultan su interveniren, um eine kategorische Antwort zu erhalten, ob der Sultan die Vereinigung Bulgas riens und Dstrumeliens zugestehe oder ablehne. Der Fürst fönne den Befehl zur Entwaffnung der muselmanischen Banden nicht länger als zwei Tage aufschieben.
Egypten.
Nach einer der„ Bol. Korr." aus Kairo zugehenden Meldung hat der Generalgouverneur der Rothen Meerestüste, Oberst Chermside, von dem abyssinischen General Ras Alula einen Brief erhalten, in welchem derselbe anzeigt, daß die Gar nison von Kafala am 15. August die Stadt noch hielt und baß sogar Provision ungehindert zugeführt werden konnte. Die Belagerer hätten sich aus irgend einem Anlasse in zwei Parteien gespalten, welche unter einander in Kampf geriethen; als die Entscheidung nicht mehr zweifelhaft war, schloß sich die belagerte Garnison der siegreichen Partei an. Ras Alula schreibt, daß er trotzdem zum Entsaße der Stadt schreiten wolle. Als er den Brief absandie, war die Vorhut des Entsazkorps in der Stärke von 2000 Mann bereits abgegangen; er selbst wollte mit dem Groß von 8000 Mann am 10. September nachfolgen.
Aus dem Sudan langen Nachrichten ein. Die Proving Sennaar habe unter ihrem Gouverneur Haffan Beg Sadet Stand gehalten, es wäre demselben sogar gelungen, gegen 8000 bewaffnete Krieger, ehemalige egyptische Soldaten, die bei den Mahdisten gefangen waren, um sich zu versammeln. Auch babe Haffan Beg mit den benachbarten Nomadenstämmen Verträge abgeschlossen, so daß nichts ihn in seinem Vorhaben verhindere, einen fühnen Handstreich gegen Khartum auss zuführen, innerhalb deffen Mauern der Bürgerkrieg wü. then soll.
Schließlich wird berichtet, daß zwei gepanzerte und ar mirte Nildampfer stromaufwärts gefahren sind, um die Stärke der Mahdisten in der Provinz Dongola zu refognosziren. Bugleich wird fich das egyptische Kameeltorps nach derselben Richfung und zum gleichen Biele begeben. General Stephenson, der sich zu seiner Inspizirungsreise nach dem Sudan begiebt, wird selbst auf einem armirten Dampfer so weit als möglich vordringen.
Lokales.
Einige Wochen war der Hofprediger Stöder von der Berliner Bildfläche zu seiner und noch mehr des Bublikums Erholung verschwunden. In die Einsamkeit seines oberbateri schen Gutes hatte er sich vergraben, um frische Kräfte zu sammeln für das gefegnete Wert der tonfeffionellen Aufhegung, des Säens religiöser 3wietracht, welches grade einem Hofpredis ger so wunderbar schön ansteht. Nun ist er wieder eingetroffen auf dem Boden, den die meisten anderen Leute viel zu heiß befunden hätten, um jemals wieder denselben zu betreten, wenn ihnen solches Mißgeschick pasfirt wäre, wie Herrn Stöcker in seinen Prozessen unrühmlichen Angedenkens. Herr Stöcker aber, der Gottesmann, ist eben aus anderem Holze geschnigt, als gewöhnliche Menschenkinder; was diese in den legten, fernsten Winkel vertriebe, das ficht ihn nicht an. Er hat starte Ner ven", sagte am vorigen Freitag der bisherige Intimus Stöder's, Profeffor Ad. Wagner, in der ersten Judenhez: Versammlung Der diesjährigen Kampagne. Gewiß, er hat starte Nerven, der Herr Hofprediger, und er hat auch sonst noch Manches ,,, was man nicht sagen mag". Aber er wird möglicherweise diese starken Nerven" auch sehr gut brauchen können, denn unleug bar hat er die Dinge bei seiner Rückkehr doch nicht mehr ganz so glatt und nett für ihn gefunden, als sie waren, da er der Hauptstadt den Rücken wandte. Bunächst hat sich die Zahl der mit ihm Unzufriedenen in seiner eigenen Sippschaft offenbar in Folge der Prozesse erheblich vermehrt. Es bestehen zwei Strömungen in der, fonservativen Bartei", von denen die eine, in dem ,, CCC."( Ronservatives Bentral- Komitee) hauptfächlich stärker vertretene fich mit Entschiedenheit gegen Stöder wendet und es z. B. zu hintertreiben suchte, daß er im ersten Berliner Wahlkreise wieder zum Landtage fandidirte. Noch scheinen allerdings die guten Freunde des Gottesmannes, der Reichsbote" und die Kreuzzeitung ", die Oberhand behalten zu sollen, aber Katastrophen brechen manchmal über Nacht herein. Ein weiteres, für Herrn Stöcker sicherlich nicht erfreuliches
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Gärten mit Häusern und Ställen verwandelt; stattliche Waldungen, in deren fühlen Schatten man so vielfach rastete und mit reinem Entzücken das sinnige Treiben der munteren Vögel beobachtete, sind der Art erlegen; in der Lieblingslaube, in welcher man unzählige Stunden in erhebendem Gespräch und ernsten Betrachtungen verlebte, ist vielleicht ein Brunnen gebohrt worden, und die Menschen? Ach! manche find verzogen, manche eingegangen zur ewigen Ruhe, und biejenigen, die man noch vorfindet, find in den meisten Fällen nicht mehr die Menschen von früher. Das Gemüth ist bei dem ununterbrochenen Ringen nach Ehre, nach Ruhm, oder nach gleißenden Schäßen häufig mit dem Körper gealtert, die melodischen Saiten in demselben, die man nur zu berühren brauchte, um einen in der eigenen Brust lange nachhallenden Ton zu wecken, haben ihre Spannkraft verloren, die Kinder, aus deren freundlichen, zutraulichen Blicken wir so gern die lieblichen Bilder der eigenen Kindheit herauszulesen pflegten, find uns fremd geworden, kurz, man thut oft wohl daran, gerade lieb gewordene Gegenden nicht wieder aufzusuchen, wenn auch nur, um füße, lächelnde Rüdinnerungen nicht zu trüben, nicht mit einem Schleier der Wehmuth zu verhüllen."
Bittere Erfahrungen gehören aber wohl dazu, um solche Anschauungen zu gewinnen, wie Ihr eben geschildert," bemerfte Hertha traurig, denn fie gedachte des Rummers und der Täuschungen, welche ihr selbst in der letzten Zeit zu gefallen waren.
,, Nennt mir einen Ort der Erde, an welchem man Regen bittere Erfahrungen geschüßt bliebe?" fragte der Miffionär, Hertha immer forschender und aufmerksamer betrachtend. Schaut um Euch; sogar bis in diese Wilbniß, welche vor wenigen Jahren erst, außer den Eingeborenen, nur der kühne Jäger und zuweilen ein pflichttreuer Missionär burchstreiften, trägt man den nie zu schlichtenden Haber der Menschheit! Nein, mein gutes, freundliches Kind, meine Ansichten sind nicht immer entsprungen aus bitteren Erfahrungen, die wir ja stets mit Geduld und Ergebung hinnehmen und tragen müssen; aber es liegt einmal in der Natur der Sache, daß wir überall Veränderungen entdecken, weil wir unwillkürlich nach denselben forschen. Einestheils ist
Symptom ist die in jener Freitagsfigung von Prof. Wagner öffentlich bekannt gegebene Thatsache, daß er, Wagner, feine Kandidatur für die Folge mehr annehmen, sondern sich ganz wieder der Wissenschaft zuwenden werde. Herr Wagner, dessen Entschluß man in seinem eigensten Intereffe und in demjenigen Entschluß man in seinem eigensten Intereffe und in demjenigen der nationalökonomischen Wissenschaft, für die er hoffentlich durch seine Agitation noch nicht verdorben ist, nur freudigst begrüßen fann, Herr Wagner war die Hauptstüße Stöcker's und sein Verluft wird von legterem schwer empfunden werden. Und um das Maß der Unannehmlichkeiten voll zu machen, ist dieser Tage auch noch das Kanzlerorgan, die Nordd. Allg. Btg.", aus der wohlwollenden Neutralität" herausgetreten, die es bisher der Stöckerschen Agitation gegenüber beobachtet hatte und hat den Vater der antisemitischen Bewegung" und diese selbst ziemlich scharf angefakt Allzuviel braucht man auf diese Frontveränderung der Norddeutschen Allgemeinen" gewiß Frontveränderung der Norddeutschen Allgemeinen" gewiß nicht zu geben, schon deshalb, weil man weiß, daß dieselbe ihren Grund einzig und allein in dem Liebeswerben des offiziösen Blattes um eine Mittelpartei" hat, und daß dies möglicher weise gar nicht lange vorhalten wird; aber im Verein mit den übrigen, obengenannten Erscheinungen ist sie immerhin be merkenswerth und muß als ein weiteres Symptom dafür gel ten, daß Stöckers Stern, auf welchen die Prädikate hell und rein freilich nie gepaßt haben, im Sinten begriffen ist. Es wird eine der interessantesten Beobachtungen in dem bevorstehenden Wahlkampf sein, ob diese Anzeichen nicht sich als trügerische erweisen werden.
Herr Cremer im Nachthemd des Reichskanzlers. Die ,, Aachener Volfsztg." erzählt, daß auf seinen Wahlreisen Herr Cremer auch in die Nähe von Barzin gekommen sei. Der Fürst Reichskanzler hatte die Aufmerksamkeit, ihn auf seinen Landfis zum Abendessen einzuladen. Es wurde beim Weine eine Unterhaltung angeknüpft, und ehe Cremer sich dessen ver sah, war es bereits recht spät geworden. Der Kanzler lud ihn ein zu bleiben, aber Cremer lehnte verschämt ab er könne nicht, es ginge nicht. Lange fonnte man dem Grunde nicht auf die Spur fommen, bis schließlich Graf Wilhelm erforscht hatte, Cremer habe fein Nachthemd bei sich. Jezt war die Sache bald gemacht, die Fürstin ließ ein Nachthemd des Reichsfanzlers besorgen und in dieses eingehüllt, schlief Cremer den Schlaf des Gerechten .
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Herr Professor Dr. Adolf Wagner richtet an die Münchn. Allg. 3tg." ein Schreiben, worin die Gründe auseinander gesetzt werden, welche ihn veranlassen, von der Kandidatur für das preußische Abgeordnetenhaus abzusehen. Es heißt in dem Brief: Ich habe schon vor drei Jahren dieselbe mit großem Widerstreben und nur auf das dringendste Bu reden politischer Freunde übernommen. Aber ich habe mich durch die Erfahrung überzeugen müssen, daß eine dergestalt gehäufte Thätigkeit, neben Allem, was mir sonst durch Beruf nnd Leben obliegt, meine phyfischen Kräfte übersteigt und mir insbesondere zur Fortseßung meiner zeitraubenden größeren literarischen Arbeiten( Finanzwissenschaft, Volkswirthschaftslehre u. s. w.) schlechterdings nicht mehr die erforderliche ruhige Muße übrig läßt. Alle diese Arbeiten sind seit Jahren ins Stocken gerathen. Neben Lehramt und Parlament tam ich nicht mehr dazu. Das Beispiel meines berühmten Kollegen Virchow beweist leider nichts für mich. Dieselbe Arbeitskraft wie er", wage ich mir nicht zuzuschreiben, dieselbe Ronftitution und last not least- daffelbe Temperament auch nicht. Dabei lasse ich es ganz dahingestellt, ob die Wissenschaft und die Politit nicht beide noch besser führen, wenn auch Kollege Virchow die Zeit, die ihm die Politit raubt, seiner wissenschaftlichen Arbeitszeit noch hinzufügte. In solchen Dingen kann aber Jeder doch wohl sich selbst am besten beurtheilen. Mein einziger entscheidender Grund, für ießt das Parlament zu verlassen, ist kein Verlegenheitsgrund", sondern der Wunsch. wieder die nothwendige Duße für meine größeren literarischen Arbeiten zu gewinnen. Vielleicht, daß ich auch dadurch meiner politischen Partei und deren unentwegten Vorrücken im Volksleben einigen Dienst leisten kann. Die weitere persönliche Theilnahme an der konservativen Bewegung in Berlin und an der christlich- sozialen Agitation, die ich für das Wichtigste, Heilsamste und Erfolgreichste halte, woran ich mich je im prattisch- politischen Leben betheiligt habe, brauche ich nicht aufzugeben, weil sie mir nicht so viel Beit kosten. Ich will fie auch nicht aufgeben, wenn auch etwas vermindern. Alle Verunglimpfungen, die mir deshalb geworden und noch täglich werden, machen mich daran nicht irre. Vielleicht, daß dann der Vorwurf des Streberthums" denn selbst der ist mit mehr als einmal geworden!- selbst von meinen Gegnern zurüdgenommen wird, wenn sie sehen, daß sogar die ,, Norddeutsche Allgemeine" mich so wenig als Stöder aur Raison bringt."
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Vom Wörther Plat. Seitens einer namhaften Anzahl von Bürgern ist der Antrag gestellt worden, den Wörther Play zu einem Kinderspielplag einzurichten. Bekanntlich ist der Plat der Kommune im Wesentlichen von den betheiligten Befizern zum Geschent gemacht, jedoch unter der eigentlich selbstvers ständlichen Bedingung, daß daselbst Gartenanlagen gemacht werden, damit fte der Nachbarschaft zur Zierde gereichen, ste
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nichts auf Erden von Bestand, anderntheils sind solche Entdeckungen auch häufig die nächste Folge der in uns selbst stattgefundenen Umwandlung. Bringt ein Kind fort von dem heimathlichen Strande, von den heimathlichen Bergen, so wird Beides in feiner Erinnerung als etwas unendlich Großes fortleben; kehrt es dann in reiferem Alter zurück, so erkennt es in den Hügeln kaum noch die bis an den Himmel reichenden Berge wieder, wie sie seiner Phantafie noch vorschweben, in dem Strome nicht das endlose tafie noch vorschweben, in dem Strome nicht das endlose Gewässer, in welchem es einst glaubte die ganze Welt er tränken zu können. Ich sagte, nichts sei von Bestand; ich ging zu weit, denn von Bestand ist der ewige Wechsel der Jahreszeiten, der ewige Kreislauf der Lebenskraft, gelenkt und geleitet von einer weisen, schöpferischen Hand. Die starren Berge dagegen sind den Einflüssen der Zeit unterworfen, aber ein Tag ihres Daseins zählt nach Jahrtausenden der menschlichen Berechnung. Für unser Auge, wenn wir nicht forschend in das stille Wirken der Natur einzubringen uns bemühen, bleiben sie natürlich unveränderlich, unveränderlich ohne Anfang und ohne Ende, wie die göttliche Güte und Gnade, die jederzeit über uns wacht und waltet. Darum fühle ich mich auch glücklich und zufrieden in ihrer Gesellschaft, und das Leben fließt mir nicht einförmig dahin, so lange meine kleine, ich sage es mit Stolz, selbstgeschaffene Gemeinde mir noch Stoff und Gelegenheit zum Nachdenken und Belehren
bietet."
Dann besitzt Ihr wohl keine Angehörigen mehr, nach denen Ihr Euch sehnen könntet?" fragte Hertha theilnehmend, und ihre Augen umflorten sich bei dem Gedanken, daß auch fie faft ganz vereinsammt dastehe.
Angehörige? entgegnete der Miffionär, mit einem schwermüthigen, aber liebreichen Lächeln Hertha für ihre Theilnahme dankend; was man im gewöhnlichen Leben Angehörige nennt, die besitze ich allerdings nicht mehr; sie schlummern friedlich unter dem kühlen Rafen. Dafür betrachte ich bie einzelnen Mitglieder meiner kleinen Gemeinde als meine Lieben, von welchen ich mich nur mit dem Tode trennen werde. Aber der Herr in seiner unbegreiflichen Weisheit und Güte sendet mir zuweilen selbst Angehörige, und zwar
verschönern und in den Augen der Gesammtbürgerschaft heben. Wollte die Kommune also nur Sandhaufen auf den Plaz fahren und nur gestatten, daß Tausende von Kindern, wie ihnen beliebt, darin herumzuwühlen, so würde die Kommune wortbrüchig werden und die Nachbarschaft sich mit Recht ents sezen, denn ein solcher wilder und wüfter allgemeiner Tummel plaß wäre noch viel schlimmer, als der bisherige Zustand. Die Part Deputation soll übrigens den vernünftigen Mittelweg einschlagen und der Jugend einen geeigneten Theil des Plages, der die Harmonie der Anlagen am wenigsten stört, als einen Spielplaz im Etatsjahr 1885/86 einrichten.
Auf dem Bahnhof Friedrichstraße " ist, wie dem ,, B. K." mitgetheilt wird, an den Billetschaltern eine Abände rung getroffen worden, die für das reisende Publikum nicht uninteressant ist. Der Billetverkauf für den Fern- und Vor ortsverkehr fand bisher in der Weise statt, daß links vom Eingang an den Schaltern 1-6 die Billete für den Westen Baris, London , Amsterdam , Frankfurt a. M., Homburg , Basel 2c.) und für die Vororte Potsdam , Spandau 2c., an den gegenüberliegenden Schaltern 7-12, rechts vom Eingange, aber die Billete nach dem Osten( Breslau , Petersburg, Wien , Warschau , Posen) und nach den Vororten Friedrichshagen , Ertner 2c. verausgabt wurden. Jest aber werden am Schalter 2 die Billete für den Dstbahnverkehr verkauft; vom 1. t. M. aber soll ferner an einem der Schalter 7-12 der gesammte Billetverkauf für den Vorortsverkehr stattfinden, so daß die Schalter 1-6 völlig vom Vorortsverkehr entlastet werden. Außerdem findet vom 1. t. M. ab an einem der Schalter 7-12 der Billetverkauf für die erst fürzlich an die Stadtbahn angeschlossene Görlißer Bahn statt.
Der bevorstehende Oktober- Umzug hat schon seine Vorläufer blicken lassen. Was ihm diesmal ein ganz besonderes Gepräge geben wird, ist der Umstand, daß ein ganzes Stadt viertel geräumt werden muß. Es wird Ernst mit dem Bau der Kaiser- Wilhelmstraße, Ernst mit der Beseitigung der Kös nigsmauer und mit der Erweiterung der Neuen Friedrichstraße. Während eines der neuen stattlichen Häuser in Fluchtlinie der neuen Prachtstraße gegenüber der Zentralmarkthalle schon aus dem Fundamente herausgewachsen ist und der Magistrat eben beschloffen hat, gleich nach Beendigung des Abbruchs der Schloßapotheke an den Bau der neuen Brücke über die Spree zu gehen, wird nun auch das, was nicht schon im Laufe des Sommers den Häuserschlächtern" zum Opfer fiel, Blaß machen müssen für die großartigen Veränderungen. Wenn bisher hier und dort schon Lüden gerissen waren, so wird die Gegend der neuen Straße bald aussehen wie eine von einer belagernden Armee zusammengeschossene Stadt. Bum 1. Oktober ist allen Familien gekündigt worden, die sowohl in der Königsmauer wie in der Neuen Friedrichstraße in den Häusern zwischen Kaiser- Wilhelmstraße und Königstraße wohnen, ebenso den Miethern in der Königstraße zwischen der Königsmauer und den Kolonnaden und endlich allen Bewohnern der Nordseite der Brauhausstraße. Sie werden gern von dort fort ziehen; denn gemüthlich ist es in diesem Stadttheil auf Abbruch" schon lange nicht gewesen. Der Wohnungsanzeiger" giebt ziemlich zuverlässige Auskunft über die Zahl der nun aus Sem Stadttheil Alt Berlin und zwar aus der vorgeschriebenen engen Umgrenzung Auswandernden. Es find ihrer noch 121 Familien, die aber, wie das bei solchen, ihrem legten Stünd lein entgegengehenden Häusern der Fall zu sein pflegt, auch vielfach Aftermiether aufnehmen. Man greift nicht zu hoch, wenn man die Seelenzahl, die hier am 1. Oftober auswandert, auf 1000 Berfonen schäßt. Alle diese Häuser gelangen auch noch in diesem Winter zum Abbruch, so daß im Frühjahr sofort auf der ganzen Linie zum Aufbau geschritten werden fann. Die in der Neuen Friedrichstraße fallenden Häuser sind die ältesten Kasernen Berlins gewesen. In ihrer gleichmäßigen Bauart mit den dazwischen liegenden Durchgängen erinnern fie in etwas an die Rasernenbauten draußen in der Chauffeestraße. Der Abbruch der zur Durchlegung der Kaiser- Wilhelmstraße ebenfalls nothwendigen Gebäude in der Papenstraße wird noch einen furzen Aufschub erfahren, doch müssen auch sie zum 1. April übergeben werden. Unter ihnen befindet sich der alte Ausschank der Bazenhofer'schen Brauerei- ein Markstein des geselligen Lebens der Altstadt. Erst jest, wo immer mehr und mehr Bresche in dies alte Gaffengewühl gelegt wird, das die Jahrhunderte hindurch durch Anbauten und Umbauten der primitivsten Art nur ein Scheindasein geführt hat, läßt sich die ungeheure Umwälzung ganz überbliden. Es wäre schade, wenn sich nicht ein unternehmender Photograph fände, der uns den Moment der Verabschiedung dieses Stückes Alt- Berlin im Bilde festhielte.
Eine Schutzvorrichtung gegen das Entgleisen von Eisenbahnzügen tommt gegenwärtig, wie man der Staats bürger 3tg." schreibt, auf den preußischen Staatsbahnen zur Ausführung. Patentirt ist dieselbe dem Erfinder, Baumeister Hartmann, der fte zunächst auf den Reichsbahnen in Elsaß Lothringen zur versuchsweisen Einführung brachte, wo sie fich wohl bewährte. Die Vorrichtung ist mit der Kurbelstange an der Lokomotive in Verbindung gebracht und besonders darauf berechnet, daß Entgleisen der Lokomotive auf Weichen und
so liebe, schwer geprüfte Angehörige, daß ich ihm auf meinen Knieen nicht genug dafür danken kann. Leider, leider muß ich auch von ihnen mich trennen; denn die Ürwildniß ist nicht geschaffen für ein sanftes weibliches Gemüth, nicht für bie zarte Jugend, die dazu bestimmt ist, dereinst, ausgerüstet mit behutsamer edler Erziehung, sich wirkend und schaffend in den Weltstrom zu stürzen, in welchem Klippen und Una tiefen der mannigfachsten Art umgangen und vermieden werden müssen. Doch, wie ich schon erwähnte, es bereitet mir viel Herzeleid, von solchen Angehörigen scheiden zu müssen. Ich füge mich indessen geduldig, und mein Troft bleibt der Gedanke, meine Pflicht als Mensch, Christ und Verbreiter der göttlichen Lehre erfüllt zu haben, und in der Erinnerung derjenigen fortzuleben, benen es mir vergönnt war, nach meinen besten schwachen Kräften beizu= stehen und zu dienen."
Ihr Sprecht in Räthseln," versette Hertha, die sich immer mehr zu dem anspruchslosen, kindlich frommen Missionär hingezogen fühlte, als wenn seine Worte eine tröstende Wirkung auf ihre traurige und erwartungsvolle Gemüthsstimmung ausgeübt hätten; ia, Ihr sprecht in Räthseln, und verstehe ich Euch recht, so seid Ihr im Be griff, Euch von Leuten zu trennen, welche bei Euch unge bundene Gastfreundschaft genossen und die Ihr im Laufe der Zeit lieb gewonnen habt."
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So ist es, mein theures Kind," antwortete der Missionär, indem er wiederum einen besorgten Blick auf Jansen warf, der gesenkten Hauptes im Sattel saß, aber dennoch aufmerksam anf jedes zwischen seiner Nichte und dem Fremden gewechselte Wort achtete;„ boch es ist dieses eine lange Geschichte, eine Geschichte voller Leid und Freude, zu lang, als daß ich fie Euch jetzt noch mittheilen könnte; denn seht nur, dort drüben steht schon mein Wägelchen, und wenn wir erst einige Schritte weiter sind, dann werdet Ihr auch die beiden Belte wahrnehmen, die zu meiner Gäste und meiner eigenen Bequemlichkeit aufgeschlagen wurden.
( Fortsetzung folgt.)