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Graef angegebenen Wortlaute der Fragestellung. Der Beuge Bernstein bestätigt dann noch, daß Helene Hammermann einige Beit nach der Verurtheilung ihrer Mutter zu ihm gekommen fet und ihm gestanden habe, daß fie die Beschuldigung gegen Graef nur erfunden habe. Sie habe die Frage damit vers Inüpft, ob dies Geständniß für ihre Mutter von Vortheil sein tönnte. Maler Dielis, welcher schon in dem Prozesse Ham mermann als Zeuge vernommen worden ist, erinnert fich der Vorgänge bei diesem Prozeffe, namentlich bezüglich der Frageftellung ganz in derselben Weise, wie Direktor Bachmann. Namentlich bezweifelt derselbe auch, daß das Wort ,, verführt" gebraucht worden sei. Helene Hammermann habe sich eines Tages auch bei ihm als Modell angeboten, und als er fte ge fragt, ob fie fich denn vielleicht schon bei Profeffor Graef bes müht habe, habe das Mädchen als Antwort darauf nur ver legen gelächelt. Staatsanwalt Heinemann: Der Angeklagte Graef hat gestern seine abendlichen Besuche bei der Familie Rother dahin erklärt, daß er das Märchen" in Sonnenlicht darstellen wollte, und da ein solches im Atelier nicht jederzeit herzustellen sei, zu dem Aushilfsmittel des Studiums bei Lampenlicht gegriffen habe. überhaupt denkbar? Beuge: Es ist nicht unmöglich, daß unter Umständen zu dem Ersaß des Sonnenlichts durch Lampenlicht gegriffen wird, namentlich, wenn es fich um die Firirung scharfer Schatten handelt und eine annähernde dem Sonnenlicht ähnliche Schattenbildung könne man im Nothfall auch durch intensives Lampenlicht erfeßen. Staatsanwalt Heinemann: Das thut man doch wohl nur, wenn man ein Modell besucht, um auch an Ort und Stelle bei Lampen licht zu malen. Zeuge Dielig: Das ist doch nicht in jedem Falle erforderlich. Als Prof. Menzel das berühmte Bild ,, Ein Ballsouper" malte, wurde er sehr häufig im Café Bauer betroffen und erläuterte dies seinen Freunden dahin, daß er Licht effette studire. Einige Malerinnen, denen Helene Hammer mann Modell geftanden, können Nachtheiliges über dieselbe nicht aussagen. Ihnen schließt sich Prof. Thumann an, welcher ebenso wie der Beuge Dielig der Meinung ist, daß die an Graef gerichtete Frage dahin ging: ob das qu. Verhältniß be standen hat. Prof. Thumann bekundet noch, daß über das Verhältniß des Profeffor Graef zur Bertha Rother in Künstlerkreisen schon längere Zeit mancherlei verlautete. Nachdem Profeffor Graef dies Verhältniß eidlich bestritten, habe er an die Existenz denselben auch nicht geglaubt. Hammer mann hatte sich, um ein Wiederaufnahmeverfahren einzuleiten, u. A. auch an den R.-A. Sello gewandt und mit dem dort beschäftigten Referendar Silberstein verhandelt. Letterer be fundet als Zeuge, daß Hammermann bei dieser Gelegenheit ganz den Eindruck machte, als wenn er von der Unschuld seiner Frau überzeugt sei. Thränenden Auges habe er darauf hingewiesen, daß seine ungerathene Tochter fie hinters Licht geführt und nun ein reumüthiges Geständniß abgelegt habe. Sie habe die ganze Geschichte nur erfunden, um nicht mehr Modell zu stehen. Hammermann giebt dies zu, meint aber, daß dies eine Kriegslist war, um eben auf diese Weise eine Wiederaufnahme zu erreichen und seine Frau aus dem Gefängniß herauszu bekommen. Geh. Medizinalrath Wolff giebt Auskunft über den medizinischen Befund der Helene Hammermann, welcher Außergewöhnliches nicht ergeben hat. Maler und Profeffor Kretschmer, 74 Jahre alt, bestreitet mit Entschiedenheit, daß er fich irgendwie an der Helene Hammermann vergangen habe. Dieselbe habe sich als Modell bei ihm angeboten, er babe fie gemustert, auch einmal zwei Stunden nach ihr gezeichnet, das Mädchen sei aber durchaus ebenso harmlos wieder aus seinem Atelier fortgegangen, wie sie zu ihm getommen. Er sei deshalb ganz erstaunt gewesen, wie dann plöß lich Frau Hammermann in seine Wohnung gekommen sei und ihm Vorwürfe über sein Verhalten zu ihrer Tochter gemacht habe. Das ganze Aufreten derselben habe ihm die Vermuthung nabe gelegt, daß es fich um einen Erpressungsversuch handelte. Er habe deshalb die Frau energisch abgewiesen. Dann sei ihm plöglich der Boltsanwalt Krischen in die Wohnung gekommen und habe thm aus Menschenliebe" zugeredet, sich doch mit den Leuten zu verständigen. Er habe auch den Krischen abgewiesen und ihn ein zweites Mal gar nicht mehr vorgelaffen. Dann habe Hammermann gegen ihn eine Denunziation losgelassen, nachträglich sei dann wieder Frau Hammermann zu ihm geTommen und habe ihm vorgeschlagen, gegen ein Opfer von 1000 Mark die Sache todt zu machen. Er habe sich zu seinem Glück auf gar nichts eingelassen, sondern die Anzeige an die Staatsanwaltschaft wegen Erpressung erstattet. Ganz dramatisch ist die Konfrontation der Helene Hammermann mit dem Beugen. Das Mädchen, welches alle seine Antworten mit erstaunlicher Bungenfertigkeit giebt, schleudert dem alten Herrn den Vor wurf der Unwahrheit ins Geficht und ruft ihm wiederholt zu: Sie lügen ja! Was ich sage, ist die Wahrheit! Ich weiß am besten, was Sie gethan haben." Prof. Kretschmer verfichert wiederholt, daß das Mädchen aus lauter Lügen zu sammengesezt sei. Auch Frau Hammermann wird mit dem Beugen tonfrontirt und giebt über die Art der Unterhandlungen mit Prof. Kretschmer und die Geschichte der 1000 m. eine Darstellung, welche der Beuge wiederholt mit der Bemerkung begleitet: Vollständig erlogen! Kein Wort davon ist wahr!" Frau Bergmann, die Tochter des Prof. Kretschmer, bezeugt, daß fie während der Beit, wo Helene H. Modell stand, unmittelbar neben dem Atelier fich aufgehalten, aber nichts wahr genommen habe, was auf Ungebührlichkeiten schließen ließ. Daffelbe befundet Fräulein Sabine Graef bezüglich des Modell stehens der Helene H. bei ihrem angeklagten Vater. Während der Zeuge Kretschmer von der Vertheidigung geladen war, um das Beugniß der Helene Hammermann zu erschüttern, folgen nun einige von dem Staatsanwalt vorgeschlagene Beugen, welche wieder gegen das Beugniß des Prof. Stregschmer ins Feld geführt werden. Die desfallfigen Aussagen zweier Beugen find aber gänzlich ohne Belang und in der Luft Schwebend. Mit der Vernehmung dieser Beugen schließt die Sigung um 7 Uhr.
( Fortsetzung in der Beilage.)
o. k. Die Reichstags- Abgeordneten v. Wollmar , Bebel und Genossen wegen Theilnahme an einer geheimen Verbindung vor Gericht. Chemniz, 29. September 1885. Bweiter Tag der Verhandlung. Aus der gestrigen Berhandlung ist noch Folgendes nachzutragen: Auer bestreitet auf Befragen des Präfidenten, daß ein Archivfonds existirt.Bebel: Ein Archivfonds besteht doch, es ist aber charakte ristisch, daß selbst Auer von dem Vorhandensein des Archivfonds leine Kenntniß hat. Jedenfalls geht aus dem Wydener Rongreßprotokoll hervor, daß das Archiv einen rein wiffen schaftlichen und feinerlei agitatorischen Bwed hat. Es wird nunmehr ein im Jahre 1882 erschienener Artikel verlesen, in welchem den Parteigenossen in Deutschland strenge Geheimhal tung und Vorsicht in allen Dingen, ganz besonders beim Brief schreiben, Briefversenden u. s. w. gemacht wird. Auer: Dieser Artikel war zur Beit geboten. Ich selbst habe im Jahre 1880 einmal in Fürth 6 Briefe in den Brieflaften geworfen. Ein Polizeimann sah dies und zeigte es der Bürgermeisterei an. Daraufhin wurden die 6 Briefe auf die Bürgermeisterei gebracht und auf richterlichen Beschluß erbrochen ,,, ba ich bin reichend verdächtig erschien, Briefe durch die Bost befördern zu laffen, die einen strafbaren Inhalt haben." Die Untersuchung ergab, daß dies nicht der Fall war. Derartige Vorkommniffe haben uns veranlaßt, unsere Brieffendungen geheim zu halten und auch allen Parteigen offen dies anzurathen. Wir müffen geheimnisvoll sein, obwohl wir keine Geheimniffe haben. Im vergangenen Sommer gab ich in Dresden ein Packet an meine eigene Adresse auf. Es waren in demselben Druckschriften enthalten, die zu meiner eigenen Unterhaltung dienen follten. Dieses Packet wurde mit Beschlag belegt und da einige
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Exemplare des in New York erscheinenden Sozialist" in dem felben enthalten waren, so wurde der Versuch gemacht, mich wegen Verbreitung verbotener Druckschriften anzutlagen. Dieser Versuch scheiterte selbstverständlich, da eine Uebersendung von Drudschriften an mich selbst teine Verbreitung ist.- Bebel: Ich kann dem noch hinzufügen, daß, als ich von Leipzig ausgewiesen war, alle Briefe, die an meine Adreffe lamen, zunächst erbrochen wurden. Ich fonstatire, daß diese Verhältnisse in den lezten Jahren wesentlich beffer geworden sind und der vers Lesene Artikel auf unsere jezigen Verhältnisse kaum mehr paßt.- Bräs. In einem weiteren Artikel des Sozialdemokrat" wird bezüglich der Verbreitung von Wahlflugblättern die größte Vorsicht anempfohlen?- Bebel: Diese Vorficht war nothwendig, da wir nie wiffen konnten, ob uns die Polizei die Wahlflugblätter nicht Tonfisziren würde. In früheren Zeiten machten wir der Po lizei von dem Erscheinen eines Wahlflugblattes stets Anzeige, als wir aber der Laune der einzelnen Polizeiorgane ausgesezt waren, so daß wir nicht mehr wußten, was Recht und was Unrecht ist, sahen wir uns genöthigt, unsere Taktik zu ändern und die Verbreitung der Wahlflugblätter vor der Polizei ges heim zu halten. Bräs.: Herr Bebel, ich muß doch bemerken, daß es fich nicht geziemt, von einer Laune der Polizeibehörde zu sprechen. Ich fann eine derartige, durch nichts bewiesene Anschuldigung gegen eine Behörde nicht dulden. Auer: Wenn es nicht Laune war, so steht zum Mindesten fest, daß die Polizeibehörden das Sozialistengeset in der verschiedensten Weise auslegten. Was die eine Polizeibehörde gestattete, verbot die andere. So fand eine ganz verschiedene Praris in der Anwendung des Sozialistengefeßes statt. Die Verbreitung Don Wahlflugblättern ist gewiß eine ganz legale Handlung, es gab jedoch eine Zeit, wo Alles und Jedes, das von uns ausging, einfach verboten, bezw. Tonfiszirt wurde. Die Polizei wollte uns einfach nicht mehr athmen laffen, deshalb gestatteten wir uns, zu athmen ohne die Genehmigung der Polizei. Hätten wir dies nicht gethan, dann hätten wir uns einfach für politisch todt erklären müffen; dazu hatten wir aber absolut keine Neigung.
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Bräs. Brückner eröffnet gegen 914 Uhr Vormittags wiederum die Sigung und beginnt mit der Verlesung eines am 9. November 1882 im Sozialdemokrat" erschienenen Artikels, in welchem den Parteigenossen in ihrem Gesammt verhalten Vorsicht angerathen wird. Bebel: Dieser
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genfland der Anklage fallen.- R.-A. Mundel: Dann vers zichte ich auf die Ladung Hasenclevers. Die Vertheidiger und Angeklagten find mit dem Antrage des Oberstaatsanwalts einverstanden. Der Gerichtshof tritt dem Antrage des Ober ftaatsanwals bet. Es wird hierauf ein Artikel des Sozialdemokrat" verlesen, in welchem es heißt:„ Un fere Organisation besteht nach wie vor, obwohl die Polizei ihre Pflicht gewiß voll und ganz erfünf. EB muß doch ein fürchterliches Ding sein, unsere Organis sation. Mag man in jedes Haus, ja in jede Wohnung einen Polizisten einquartieren, es wird den Machthabern nicht gelingen, die Sozialdemokratie zu vernichten. Wir schließen mit dem Ausspruche unseres verstorbenen Freundes Bracke, der im Reichstage bei Berathung des Sozialistengefeges bekanntlich sagte: sagte:„ Wir pfeifen auf das Gesez." Präs.: Was haben Sie dazu zu sagen, Herr Bebel? Bebel: Eigenthümlich ift es, daß, obwohl fast in jedem Sage des verlesenen Artikels das Wort„ Organisation" vorkommt, nur der Schlußpaffus als belaftend angeführt wird. Was den legteren anlangt, so ist dieser Ausspruch gethan worden zur Beit, als das Sozialisten geseg berathen wurde. Faktisch ist unsere Organisation durch das Gesetz nicht zerstört, da, wie ich gestern bereits des Näheren ausführte, man unser geistiges Band nicht zerstören tann, man müßte denn die kapitalistische Produktionsweise aufheben.- Präs.: Es wird doch durch diesen Ausspruch aber angedeutet, daß Sie die geseglichen Maßregeln gegen die Sozialdemokratie für unwirksam halten? Bebel: Allerdings, wäre das Gesez wirksam gewesen, dann wären wir einfach nicht mehr da. Der Ausspruch ist deshalb von Brace mit großem Vorbedacht gebraucht worden und wir wenden ihn auch heute noch gern an.- Der Präsident will alsdann eine Reichstagsrede des Abgeordneten v. Vollmar nach dem amtlichen stenos graphischen Bericht verlesen.- Rechtsanwalt Mundel pro feftiri gegen die Verlesung, wenn dieselbe in Abwesenheit des betreffenden Redners geschehen solle. Der Gerichten
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hof beschließt die Verlesung; hält es aber für geboten, da von Vollmar Mitangeklagter sei, dieselbe nur in deffen Anwesenheit vorzunehmen. Wenn die fönigliche Oberstaatsanwalts schaft auf dieses Beweismittel nicht verzichtet so bemerkt der Bräfident dann wird eine Vertagung eintreten müssen. Oberstaatsanwalt: Da der Gerichtshof dieser Meinung ist, so verzichte ich im Interesse der Abkürzung des Verfahrens auf dieses Beweismittel. Die Vertheidigung und die Ange flagten erklären sich damit einverstanden.- Es gelangt das Protokoll des Wydener Kongresses zur Verlesung, wonach das Wort gefeßlich" aus dem Programm gestrichen wurde. Auer: Als das Sozialistengefes in Kraft trat, waren wir ge radezu rechtlos. Man fragt nicht mehr, was gethan worden, sondern wer hat es gethan. Wir sagten deshalb: es wäre Heuchelet, wollten wir noch fagen, wir wollen auf gefeßlichem Wege unsere Prinzipien verfolgen. Ich war, als das Sozia listengeset in Kraft trat, Redakteur der ,, Berliner freien Preffe". Diese wurde auf Grund des Sozialistengefeßes verboten, weil ein Aufruf der streitenden Stellmacher in Budapest in derselben enthalten war, in welchem die deutschen Stellmacher aufgefordert wurden, den Zuzug nach Budapest abzuhalten. Diese Annonze genügte dem Berliner Polizeipräsidium, die Zeitung zu verbieten. Dian wies zur Beit alle Borstandsmitglieder von Gewerkschaften aus Berlin aus, und schloß lettere; ja nicht nur diese, selbst Gesang vereine und Pfeifen- Klubs wurden verboten. Heute liegen die Verhältnisse wesentlich anders, so daß heute ein solcher Beschluß nicht mehr gefaßt werden würde. Im Uebrigen geht aus dem Protokoll hervor, daß in der Debatte über den in Rede stehen den Beschluß betont wurde: Wir werden selbstverständlich bestrebt sein, nach Möglichkeit Alles auf gefeßlichem Wege zu erreichen. Auch hat Liebknecht im Reichstage gleich bei der ersten Berathung über den Rechenschaftsbericht von dem über Berlin verhängten fleinen Belagerungszustand gesagt: Wir werben bemüht sein, den Bestimmungen des Gefeßes nach zukommen. Infolge dieser Aeußerung wurde Liebknecht und auch wir von dem bekannten Most in der aller schärfften Weise angegriffen. Die Angeklagten gaben auf Befragen des Präsidenten zu, sämmtlich an dem Kopenhagener Kongres theil genommen zu haben, und unter fremden Namen aufgetreten zu fein. fein. Bebel: Jch trete häufig selbst auf meinen Geschäfts reisen unter fremdem Namen auf, da ich nicht der Gegenstand der Neugier und sonstiger Placereien sein will.- Auer: Wenn wir unter unserem richtigen Namen aufgetreten wären und die Hamburger Polizei aus der Kopenhagener Fremdens lifte ersehen hätte, daß eine große Anzahl deutscher Sozial Demokraten fich in Dänemark aufhalte, dann wäre dieselbe sofort auf den Gebanten gekommen, daß in Kopenhagen ein Kongres stattfinden tönnte.
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Artikel ist von Niemandem unterzeichnet, wir, die wir auf der Anklagebant fizen und auch die anderen Mitglieder der Parteileitung lehnen daher die Verantwortung für denselben, sowie überhaupt für alle im ,, Sozialdemokrat" enthaltene Artikel, die nicht von uns unterzeichnet sind, ab. Ich habe bereits gestern des Näheren dargelegt, daß die Parteileitung durchaus feinen unumstößlichen Einfluß auf die Redaktion des Sozial demokrat" hat.- Am 10. April 1881 erschien im" Sozial demokrat" ein von Bebel unterzeichneter Artikel, in welchem er an seine Freunde und Barteigenoffen im Auslande mittheilte, daß an ihn gerichtete Briefe nicht in seine Hände gelangen. Er forderte daher feine Parteigenoffen auf, alle an ihn gerichteten Briefe, rekommandirt", oder noch besser, an die Adressen Dritter zu senden. Der Artikel schließt: Sch fordere übers haupt alle Gesinnungsgenossen im Auslande auf, in ihren Korrespondenzen an Genossen in Deutschland jede mögliche Vorsicht zu beobachten; es besteht ein so ausgedehntes rüd fichtloses Schnüffelsystem feitens vieler deutschen Polizei- Bureaus, wie man es fich außerhalb Deutschlands taum vorstellen lann." Bräs.: Haben Sie diesen Artikel geschrieben?- Bebel: Ja wohl. Ich glaube eben an das Briefgeheimniß in Deutschland nicht. Zur Beit wurden alle an mich, ganz besonders aus dem Auslande gerichteten Briefe einfach von der Boft angehalten und erbrochen. Ich schrieb deshalb an einen Freund er folle mir Briefe unter der Adresse einer in meinem Hause wohnenden Frau senden. Allein auch diese Briefe wurden erbrochen. Präs. Diese Maßregel war vielleicht im polizeilichen Interesse geboten? Bebel: Wenn das der Fall gewesen wäre, dann hätte man nicht nöthig gehabt, derartige Manipulationen zu machen, sondern einfach von Gerichtswegen die Briefsperre über mich verhängen fönnen. In einem weiteren Artikel des„ Sozialdemokrat" wird die An wendung der Geheimschrift anempfohlen. Bebel: Dieser Artikel ist augenscheinlich von der Redaktion des Sozialdemos frat" geschrieben, die Verantwortung für denselben müssen wir daher ablehnen. Im Uebrigen ist diese Geheimschrift niemals zur Anwendung gekommen, dies Syftem wäre gar zu lang weilig gewesen. weilig gewesen. Auer: Der Generalpostmeister v. Stephan hatte zur Zeit den Befehl ertheilt, alle Bacete, von denen vers muthet wird, daß verbotene Druckschriften in denselben enthalten seien, anzuhalten und der Polizei auszuliefern. Nun ist es ja bekannt, in welcher Weise dieser B.fehl von den unteren Dr ganen ausgeführt worden ist. Wir waren somit gewiffermaßen für vogelfrei erklärt und fannen über alle möglichen Mittel nach, uns zu wehren. Allein unsere Tendenzen find durchaus nicht derartig gefährlichen Charakters, daß wir diesen im ,, SozialDemokrat" gemachten Vorschlag hätten in Anwendung bringen müssen. Diese Manipulation sowohl, als auch der Vorschlag für eine Boten- und Feldjägerpost" wäre auch viel zu lang weilig gewesen und voraussichtlich hätten wir auch schlechte Er fahrungen mit der Anwendung dieses Systems gemacht. In einem weiteren Artikel des Sozialdemokrat" werden die Parteigenoffen zur Wahl von Delegirten zu dem in Kopen bagen geplanten Kongreß aufgefordert. In diesem Aufruf wird gesagt, daß der Ort des Kongresses noch nicht genannt werden fönne und daß die Namen der Delegirten geheim zu halten feien. Bebel: Da das Parteiintereffe die Abhaltung eines Rongreffes nothwendig machte, die Abhaltung eines Rongreffes in Deutschland voraussichtlich aber verboten verboten worden wäre, so saben wir uns genöthigt, den Kongreß im Auslande wäre, so saben wir uns genöthigt, den Kongreß im Auslande abzuhalten. Wir hatten jedoch alle Ursache, den Namen des Ortes so lange als möglich geheim zu halten, da wir zu bekratischen Bewegung auf's Genaueste zu beobachten und an fürchten hatten, daß auswärtige Regierungen uns womöglich auch die Abhaltung des Kongresses in ihrem Lande verbieten würden. Die Namen der Delegirten wollten wir geheim halten, da die Befürchtung vorhanden war, daß die Delegirten nach ihrer Rückkehr wegen Theilnahme am Kongres außer nach ihrer Rückkehr wegen Theilnahme am Kongreß außer Arbeit fommen würden. Einen anderen Grund zur Geheim haltung der Namen hatten wir nicht. Ich werde dafür wirken, daß aus diesem Grunde fünftighin überhaupt die Namen der Delegirten nicht mehr genannt werden. Wenn den Delegirten Verschwiegenheit über die Kongreßverhandlungen anempfohlen wird, so bemerke ich, daß jede Partei Interna zu verhandeln bat, die fie ftreng geheim hält. In jeder Partei kommen persönliche Dinge zur Sprache, die man der Deffentlichkeit nicht über geben will. Dies ist u. A. auch der Grund, daß die Protokolle über unsere Kongreffe immer dünner werden. In einem weiteren Artikel des Sozialdemokrat" heißt es: Wir find tein Gebeimbund, wollen feine Verschwörung, allein trogdem ist lein Geheimbund, wollen feine Verschwörung, allein trosdem ist Verschwiegenheit und Vorsicht in allen Dingen geboten."- Auer: Dieser Artikel, der als Belastungsmaterial angeführt wird, ist, wie die meisten anderen nur entlastend für uns. In dem Artikel ist doch klar ausgesprochen, daß wir keine Geheim
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bündelei wollen. Wenn wir aber trogdem den Parteigenoffen Verschwiegenheit und Vorsicht anempfahlen, so war dies durch die Verhältniffe geboten, jedenfalls war dies feine strafbare Handlung. Der Präfident will nunmehr nach dem amt lichen stenographischen Berichte eine Reichstagsrede Hafen clevers verlesen. R. A. Freytag: Ich will feinen beftimmten Antrag ftellen, ich mache aber darauf aufmerksam, daß diese Verlesung unzulässig ist. Der Gerichtshof tritt in Berathung.
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Nach sehr langer Berathung beschließt der Gerichtshof, die betreffende Rede zu verlesen. R. N. Mundel stellt den An trag, den Abgeordneten Hasenclever zum Zweck des Gegentrag, den Abgeordneten Hasenclever zum Zwed des Gegen beweises zu laden. Oberstaatsanwalt: Ich laffe diesen Ges
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Auf Antrag Bebels wird ein Aufruf der sozialdemokratis schen Reichstags Abgeordneten vom September 1879 verlesen, in welchem eine Organisation von Mann zu Mann empfohlen wird, da eine andere Organisation unter den heutigen Vera hältniffen unmöglich sei." Bebel beantragt, noch andere Artikel aus dem Sozialdemokrat" zu verlesen. Der Präsident bemerkt jedoch, daß die betreffenden Nummern fich nicht bei den Akten befinden. Bebel: Ich tönnte dem hohen Gerichtshof das gesammte Heft des Sozialdemokrat" überreichen, müßte aller bings um die Rüdgabe ersuchen.- Präs.: Diesem legteren Wunsche könnte ich nicht nachkommen, da der Sozialdemokrat" bekanntlich verboten ist und die verlangte Rückgabe die Ver breitung einer verbotenen Druckschrift wäre.- R.-A. Freytag: Die Uebergabe einer verbotenen Druckschrift an eine einzelne Person ist doch wohl keine Verbreitung. Präs.: Da bin ich doch anderer Meinung. Auf Antrag Bebel's wird ein unterm 15. September 1878 von dem vormaligen Minister des Innern Grafen zu Eulenburg an sämmtliche deutsche Polizei behörden gerichteter Erlaß verlesen, in welchem legtere aufgefordert werden, alle Vorkommnisse innerhalb der sozialdemo
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die Bentralbehörde, das Berliner Polizeipräsidium, Bericht zu erstatten. Sollten die betreffenden Polizeibehörden so un gefähr heißt es in jenem Erlaß nicht in der Lage sein, derartige Beobachtungen anzustellen, so wird ihnen das Berliner Polizei Präsidium, dem derartige Mittel zur Verfügung stehen, die nöthige Unterstügung angedeihen laffen. Dieser als felret" bezeichnete Erlaß- so bemerit Bebel ist im Jahre 1883 von dem Nachfolger des Grafen zu Eulenburg, dem Minifter von Buttfamer, erneuert und durch einen glücklichen Zufall" auch in die Hände der Sozial demokratie gelangt. Wenn nun demnach feststeht, daß die deutschen Polizeibehörden alle Mittel in Bewegung gefest baben, um alle Borlommniffe innerhalb der Sozialdemokratie auf's Genaueste zu beobachten und diese dennoch eine Organi fation im Sinne der§§ 128 und 129 des Straf- Gesetzbuches nicht entdeckt haben, so wird wohl Niemand mehr im Zweifel sein, daß eine solche Organisation nicht besteht. Der Ange tlagte Heinzel hat bei seiner Vernehmung in Kiel die wesent lichften Buntte der Anklage als richtig zugegeben. Er erklärt jedoch heute auf Befragen des Präsidenten: Er sei zur Zeit von einer längeren Geschäftsreise zurückgekehrt, sei körperlich und geistig erschöpft gewesen, babe viel Familienkummer ge habt und in diesem Zustande sei er in Riel einem 3 stündi gen richterlichen Verhör unterzogen worden. Außerdem sei er mit den näheren Verhältnissen der Partei sehr wenig vertraut gewesen und habe auch die Tragweite seiner Auslaffungen nicht bemeffen, da er nicht geglaubt habe, daß es zu einer Anllage tommen tönnte. Seine Auslaffungen seien also in unüberleg ter und unwiffender Weise erfolgt und müsse er eine Verant wortung für dieselben ablehnen. Die Beweisaufnahme in banach beendet. Da die Plaidoyers voraussichtlich sehr lange Beit in Anspruch nehmen dürften, so vertagt der Präfident gegen 12% Uhr Mittags die Sigung auf Mittwoch Vormittag 9 Uhr.
Verantwortlicher Rebatteur R. Granheim in Berlin . Drud und Verlag von Mar Bading in Berlin SW., Beuthstraße 2.
Hierzu eine Belleas.