Verhältniß hatte, einmal bewußtlos aus der Wohnung heraus­getragen worden? Beugin: Nein, davon weiß ich nichts. Die nächste Zeugin, eine verebelichte Born ist die Schwester der beiden angeklagten Mädchen und verweigert ihr Beugniß. Eine intereffante Schilderung von der Bertha Rother entwirft

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fizende hält es für angezeigt, um 4 Uhr die Sigung zu schließen. Als Gäfte wohnten derselben zwei Räthe aus dem Justizministerium und der frühere erste Staatsanwalt, jezige Senatspräsident Tessendorf bei.

den Gehilfenforderungen in weit höherem Grade entgegengekom menseien, als die Jnnungsmeister. Besonders rief die Wittheilung des Herrn Wildberger das Mißfallen der Versammlung hervor, daß der Obermeister der Tapezirerinnung in einer privaten Busammenkunft von Jnnungsmeistern dir Parole ausgegeben habe Die der Tapezierer

der als Zeuge vernommene Referendar Roſenſtock. Derfelbe Soziales und Arbeiterbewegung. Sehilfen zu meiden, da man fich auf die Forderung einer

war bei dem Rechtsanwalt Mundel beschäftigt, Hammermann fich eines Tages bei ihm einfand und ihn bat, die Pertheidigung seiner Frau zu über­nehmen. Er habe dies ablehnen müffen, als er hörte, daß es sich um eine Sache gegen die Profefforen Graef und Kretschmer handelte. Der Zeuge ist nämlich mit der Familie des Prof. Graef freundschaftlich verbunden und erklärt, daß er Herrn Graef verehrt habe. Er erklärt, daß er auch die Bertha Rother gelegentlich fennen gelernt habe. Prof. Graef habe damals gerade an einem Bilde, welches eine polnische Gräfin Darstellte, gearbeitet und habe eines Tages erklärt, daß er ein sehr gutes Modell gefunden habe, welches er zu den Augen der polnischen Gräfin benutte. Dieses Modell sei die Bertha Rother gewesen. Bertha Rother war, wie ich später sah, unter meinen Freunden nicht unbekannt. Sie ist ein eigen thümlicher Charakter, nach meiner Auffaffung ist fte ehrgeizig, ohne Energie, fie thut, als ob ste große Dinge erstreben wollte, und wenn man den Sachen auf den Grund ging, dann merkte man, daß Alles nur Schein war. So prahlte sie namentlich gern mit großen Theater Engagements. Ich habe verschiedene Beweise dafür, daß fie gerade denjenigen, denen fie näher be tannt war und denen fte am meisten imponiren wollte, aus Berechnung am wenigsten gewährte. Ich habe auch Gelegen­heit genommen, Bertha Rother selbst wegen ihres Verhältnisses zu Prof. Graef zu befragen, von welchem man in meinen Freundeskreisen sprach. Sie hat darauf geantwortet: Sie wissen ja, daß ich Modell bin, er hat mich ausbilden lassen, sonst hat er aber feine Beziehungen zu mir." Nach der Ueberzeugung des Beugen tann Prof. Graef die Bertha Rother frühestens im Frühjahr 1878 tennen gelernt haben, denn noch Anfangs 1878 fuchte Prof. Graef für ſein Gemälde Felicie" und für das Portrait der polnischen Gräfin ein Modell und zu legterem bat Bertha R. zum ersten Male Modell gestanden. Prof. Graef bestätigt diese Angaben als zutreffend.

Ueberaus gravirend ist das Beugniß der verehel. Siefert, welche bei der Rother'schen Familie wohnte, derselben aber nicht sehr freundschaftlich gesinnt zu sein scheint. Dafür spricht eine Postkarte, welche fie an Hammermann gerichtet hat, um unter besten Grüßen an deffen Familie ihn aufzufordern, daß er doch schleunigst vorgehen möge, denn es sei höchste Beit, weil die Anna Rother nach England und die Bertha Rother nach Amerika gehen wolle! Jm Uebrigen macht sie ihre Aus­sagen außerordentlich präzise und ruhig. Sie schildert eine Streitszene in der Rother'schen Küche, bei welcher es zu heftigen Schimpfereien zwischen Bertha und Anna sowie deren Mutter gekommen ist. Beugin behauptet, daß fie den Streit von ihrem neben liegenden Bimmer aus Wort für Wort mit angehört habe, ebenso eine Unterhaltung, welche Prof. Graef mit Frau Rother gehabt hat. Bei letterer habe Prof. Graef gefagt: Ich fann fein feftes Verhältniß mehr eingehen, Denn das mit Bertha hat mich fast ruinirt. Angell. Graef :

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Der Wochen- Etat einer Tuchmachergesellen- Familie von 7 Personen in Spremberg ( N.-L.) Aus genanntem Drt schreibt uns die Frau eines Tuchmacher Gesellen: Mein Mann verdient die Woche durchschnittlich bei fleißiger Arbeit von früh 6 Uhr bis Abends 7 Uhr 9 Mart. Ich verdiene neben der Wartung von fünf Kindern durch Waschen und Plätten durchschnittlich M. 1,50. Die 15 jährige Tochter ver­dient mir ein Koftgeld von 3 Mt., das macht in Summa Mt. 13,50. Davon sollen nun während der Woche 7 Personen Effen, Trinten, Kleidung, Steuern, Miethe und Krantenlaffen­Beiträge zahlen. Ich laufe für die Woche: Mt. Pf.

1/8 Pfd. gebr. Kaffee Bichorien. Kaffeemilch Zuder.

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Brotmehl II. Sorte Badmehl.

Sonntagsfleisch 1 Bfd.. für die Woche auf 4 Tage für 2 Tage für Talg für 2 Pfd. Butter

Salz Seife Soda

disetroleum

für Weißwaare

25

10

30

19

60

80

20

2

50

10

15

5

13

40

Leinöl zu Kartoffeln

20

Heringe

15

Reis

13

Mohrrüben und Kohlrüben

10

Kartoffeln

80

Feuerung für die Wohnung Wohnungsgeld pro Woche Schulgeld für 3 Kinder Kommunalsteuer

Krankenkassenbeiträge, 2 Personen

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ALUKUKUNG

40

7

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43

Summa Mt. 13

20 f.

Nun bleiben mir noch 30 Pf. Dafür soll ich für Kleidung forgen! Wenn ich nun Jemand sage, daß ich in 3 Jahren noch fein neues Stück Kleidung ins Haus bringen konnte, so wird das wohl aus Obigem ein jeder Mensch einsehen. Die menschliche Gesellschaft fordert, daß Niemand nackt gehen darf. Ich habe bis jest jedes Stück Kleidung aus dem Lödel ge­fauft, ja vieles bei aller fleißiger Arbeit gebettelt. Und doch hängen alle Läben voll neuer, schöner Sachen und Spremberg ist Luchstadt, wo alle Tage Tausende von Metern fertig wer den." Wir haben dem nichts hinzuzufügen.

Ich beftreite dieſen Wortlaut. Ich weiß, ganz gut, was die Vereine und Versammlungen.

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Beugin meint. Frau Rother hatte gewünscht, daß ich ihre Tochter Elisabeth zum Modellstehen fest engagiren möchte und darauf habe ich ihr geantwortet, daß ich ein festes Verhältniß überhaupt nicht mehr eingehe. Entweder hat die Beugin nur gehört, was sie im Hammermann'schen Intereffe hören wollte, oder fie kann sich unter einem Verhält niß" überhaupt nur ein schmußiges vorstellen. Brä fident: Beugin Siefert, was baben Sie bei dem Bant zwischen den Schwestern und der Mutter gehört?- Beugin: Ich hörte, daß Bertha zu ihrer Mutter schrie: Du alte S ich werde Dich wegen Kuppelei an den Galgen bringen!" Dann haben fie fich geschlagen. Dann rief die Anna der Bertha das Schimpfwort Profefforen-..." zu, worauf zu, worauf Bertha ausrief: Sie nennt mich Professoren H... und hat elbst einen Meineid geschworen!" Bertha Rother: Das ist Bertha Rother: Das ist bsolut nicht war. Es ist richtig, daß meine Schwester Anna nir jenes Schimpfwort entgegen geschleudert hat, das weitere it aber nicht richtig. Ich habe gesagt: Wenn ich das wäre, ls was Du mich ausschreift, dann hättest Du ja einen Mein­id geleistet. Die Beugin bleibt bei der von ihr gegebenen Berfion, während Bertha Rother, ganz in Gegensatz zu ihrer onftigen Schweigfamkeit Theorie sehr geläufig erklärt: Was Die Beugin erklärt, ist nicht wahr. Ich hatte das Schimpf bort zur Bertha gesagt, und darauf hat sie geantwortet: Wenn h das wäre, dann hättest Du ja einen Meineid geleistet.- Fräs.: Sehen Sie mal an, jest tönnen Sie mit einem Male eden. Während Sie sonst immer blos sagen: Das weiß ich icht mehr!" erinnerin Sie fich doch jest plöglich der Dinge anz genau. Anna Rother: Jch weiß auch nicht mehr Alles, ber das weiß ich noch. Präs. Es ist doch auffallend, daß Sie, die Sie behaupten, schwachfinnig zu sein, jetzt sogar den inen Unterschied zwischen einer hypothetischen und einer pofitiven Satform herauszufinden. Anna Rother( weiner lich): Ich habe aber leinen Meineid geschworen. Präs.: Rommen Sie mir nicht plöglich wieder mit solchen Dingen. Auf Wunsch des Staatsanwalts wird der mit der Observation der Anna N. betraute Geh. Rath Liman, der sich gerade vor Diesem charakteristischen Frage und Antwortspiel einen Augen 5lid entfernt hatte, herbeigeholt, um bei der weiteren Ents videlung der Dinge zugegen zu sein. Präs.: Wie find Sie denn zu jenem Schimpfwort gekommen und was wollten Sie Damit fagen?-Anna N.: Das weiß ich nicht mehr.- Präs.: mehr.- Präs.: Wissen Sie denn, was ein Professor ist? Angell.: Ja. Bräs.: Sie wissen doch wohl auch, was ein Mädchen ist, velches man mit jenem Schimpfwort bezeichnet?- Angell.: Ja. Präs.: Wieso tamen Sie nun also zu einer Kom­bination des Professors mit jenem Schimpfwort? Angell.: Das weiß ich nicht mehr. Während dieses Verhörs hat Bertha R. jede Frage des Präfidenten mit einem Kopfschütteln oder überlegenem Lächeln begleitet. Endlich reißt dem Prä­Adenten die Geduld und er weißt die Bertha in die ihr ge bührenden Schranken zurück, indem er sich ein derartiges Lachen und jede Gesten als durchaus unschicklich verbittet. Bertha R. vill sich vertheidigen, der Präsident läßt sie aber abführen und Instruirt den Boten nachdrücklichst, dafür zu sorgen, daß auf Dem Rorridor feinerlei Ungehörigkeiten vorkommen.- Auf Antrag des Staatsanwalts verliest sodann der Präfident die ersten gerichtlichen Protokolle, die über die Vernehmung der Anna Rother vor dem Untersuchungsrichter aufgenommen wor den find. Bei dem ersten hat dieselbe nach allen Richtungen hin ein Geständniß abgelegt und führlichst erzählt, wie fie von Graef und ihrer Schwester Bertha bestürmt und schließlich bestimmt worden sei, einen Meineid zu leiſten und bei der zweiten Vernehmung hat fie einen Fall erzählt, wo ihre Schwester Bertha, als fie die­elbe um etwas Geld hat, gesagt haben soll:" Beh doch zu Brof. Graef ; mit dem habe ich ein Verhältniß und deshalb wird derselbe Dir gewiß Geld geben."- Geh. Rath Liman: Ich würde es zu meiner Drientirung für wünschenswerth halten, wenn die Angeklagte nun aufgefordert würde, das was ihr eben aus ihren Prototollen als ihre Aussage vorgelesen worden ist, einmal mündlich zu wiederholen. ( einfallend und in faft flehentlichem Ton): Das kann ich nicht; nee, das fann ich nicht!" Präfident und Vertheidigung halten un tatham, zunächst den Untersuchungsrichter und es für ben bei der Vernehmung fungirenden Referendar darüber zu hören, wie fich Anna R. bei der Abgabe ihrer damaligen Aus­lage græcist bat. Als der Borfigende weiter die Angeklagte gezeigt Anna R. befragen will, bricht dieselbe in Folge der Erregung bei dieser etwas heftigen Szene in Weinen aus und der Vor

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aus=

Anna R.

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Eine öffentliche Volksversammlung tagte am Sonn­tag, den 27. September, im Lokale des Herrn Pakiſer in Friedrichsfelde . Herr Dr. Lütgenau aus Berlin referirte über den im Reichstage eingebrachten Arbeiterschuß- Gefeßentwurf, durch deffen Annahme die gedrückte Lage des gesammten Ar­beiterstandes eine wesentliche Verbefferung erfahren würde. Durch Erlaß eines derartigen Gesezes meinte Redner­würde fich der Reichstag die Sympathie aller Arbeiter erwerben würde fich der Reichstag die Sympathie aller Arbeiter erwerben und eine Regelung der heutigen Produktion angebahnt werden. Die Forderung der Arbeiter, einen Maximal Arbeitstag gefeß lich einzuführen, fet eine durchaus gerechte, und der Staat habe die Pflicht, den wirthschaftlich Schwachen gegen den wirthschaftlich Starten in Schuß zu nehmen. Damit würde erreicht, daß der Arbeiter auch als Kulturmensch sein Leben genießen könnte. Das Kapital genießen könnte. Das Kapitalmeinte Redner ist müßig ist müßig und todt, es beschäftigt nicht die Arbeiter, sondern die Ar beiter beschäftigen das Kapital. Mit der Einführung des Arbeiterschußgefeßes würden auch die zweihundert würden auch die zweihundert tousend Vagabonden nach und nach Don der Landstraße verschwinden. Ferner fritifirte Redner die Frauen und Kinderarbeit, durch welche dem Manne eine so ungeheure Konkurrenz gemacht würde. Die Frau gehöre nicht in die Fabrit, sondern in die Familie; dadurch, daß die Frau in der Fabrit arbeitet, leide die geistige und fittliche Erziehung der Kinder. Die Kinderarbeit müsse gänzlich verboten werden. Herr Baumbach habe zwar im Reichstage gesagt, daß gewiffe Industrien nicht ohne Kinderarbeit bestehen tönnten, und die Kinder ein Vergnügen daran fänden, in den Fabriken arbeiten zu können, auf feinen Fall aber sei diese Behauptung zutreffend. Auch die Sonntagsarbeit müsse gänzlich verboten werden, das mit der Arbeiter fich erholen und wenigstens einen Tag in der Woche ruhen könne. Die heftigsten Gegner der Sonn­tagsruhe feien tagsruhe seien die Manchesterleute, welche behaupten, die Sonntagsarbeit fet unentbehrlich. Die Arbeiter meinen aber, daß der Sonntag auch für fie ein Tag der Ruhe sein müffe, welcher fie mehr als jeder Andere dringend bedürfen. Nach dem beifällig aufgenommenen Vortrage wurde folgende Resolution angenommen: Die heutige Voltsversammlung erklärt fich mit den Ausführungen des Herrn Referenten in Betreff des Arbeiterschutzgesetzes und der Sonntagsruhe voll und ganz einverstanden und verspricht, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln für dieses Gesetz einzutreten. Zum Schluß wurde das Berliner Boltsblatt" als ein Blatt, welches die Interessen der Arbeiter vertritt, empfohlen, und zum zahlreichen Abonne­ment aufgefordert.

hfs. Eine öffentliche Tapezirer Versammlung tagte am Montag Abend Niederwallstr. 11 unter Vorsitz des Herrn Wildberger. Auf der Tagesordnung ſtand: 1. Feststellung der Bustände refp. der Erfolge in denjenigen Werkstätten, die eine Einführung des Minimal Stück und Beitlohn- Tarifs sowie der 9stündigen Arbeitszeit von ihrem Prinzipal verlangt haben oder zu fordern entschlossen find. 2. Ausgabe des ge druckten Tarifs inkl. der Verhaltungsmaßregeln. Bunächst sprach als Referent Herr Staudinger über den seitherigen Ver lauf der Bewegung. Darnach haben am 27. und 28. September nur 12 Werkstellen der Lohnkommission mitgetheilt, den Tarif strikte durchführen zu wollen. Aus bem thr vorliegenden Verzeichniß der Namen und Werkstellen der 136 die Durchführung des Tarifs und der neunstündigen Normalarbeitszeit bejahenden Botanten der jüngsten Versammlung, fönne die Lohn Kommission noch nicht ersehen, in welchen dieser Werkstellen die betreffenden Forde rungen bereits bewilligt oder verweigert wurden oder schon vorher erfüllt waren, so daß ein Herantreten mit den Forde rungen an diefe Prinzipale von vornherein gegenstandslos ist. Es empfehle fich daher, dies in der heutigen Versammlung durch Vertreter jener Wertstellen feststellen zu lassen. Dieser Antrag wurde angenommen und zur sofortigen Ausführung gebracht. Das Ergebniß dieser Aufnahme ist noch nicht voll­ständig gefichtet, läßt sich aber schon jetzt dahin charakterisiren, daß in einem beträchtlichen Theile der Werkstellen die meisten Forde rungen des Tarifs bereits erfüllt sind. Aus den Aeußerungen fast aller Redner ging hervor, daß bisher zwar in vielen Werl stellen bezüglich des Vorgehens mit den Forderungen eine ge wiffe Bagbaftigkeit sich bemerkbar gemacht habe, die aber völlig zu überwinden set durch das Vertrauen auf die Einigkeit der gefammten Gehilfenschaft. Das seitherige Verhalten der In­nungsmeister zur Lohnbewegung der Gehilfen wurde wieber scharfem Tadel unterzogen. Man konstatirte, daß die Chefs scharfem Tabel unterzogen. Man konstatirte, daß die Chefs der großen kaufmännisch betriebenen Geschäfte verhältnismäßig

9ftündigen Normalarbeitszeit nicht einlaffen könne. Herr Mauer verwahrte die Jnnung gegen die erfahrenen Angriffe, indem er behauptete, daß man fich an die Jnnung erst durch den Ge fellenausschuß zu wenden habe, wenn man von ihr etwas er reichen wolle, und daß jene Meisterversammlung keinerlet offiziellen Charakter gehabt habe.

be. Die Generalversammlung der Berliner Mäntel näherinnen, welche am Dienstag in Sanssouci " unter Vorfiz der Frau Stägemann stattfand, war von über 1000 Arbeite rinnen besucht, Männer hatten keinen Zutritt. In ihrem ein­leitenden Referat über die Nothwendigkeit einer Lohnkom mission zur Durchführung der Lohnbewegung der Mäntelnähe rinnen" führte Frau Büge etwa folgendes aus: Die Lage der Mäntelnäherin ist eine höchst traurige! Man spricht zwar von ihr als von einer freien Arbeiterin und hält einen Minimal lohn für undurchführbar und ebenso einen Marimalarbeitstag; aber dieses Reden von einer Freiheit ist nur eine Lockspeise. Wo tann wohl von Freiheit die Rede sein, wenn in einer Branche, wie hier, ein so geringer Lohn gezahlt wird, daß ganz von selbst die Freiheitsgefühle aufhören?( Beifall.) Um zu verhindern, daß durch die schrankenlos ausgedehnte Arbeitszeit, wie fte heut besteht, die Mäntelnäherin binnen wenigen Jahren ihre Gesundheit verliert, ist außer einer Lohnerhöhung auch eine Regelung der Arbeitszeit unbedingt nothwendig und diese dürfte fich auf 10 Stunden täglich erfl. der Bause beschränken. Das Arbeiten nach Feierabend, in der Nacht und am Sonntag muß aufhören; nur in Ausnahmefällen find Ueberstunden zulässig, für die aber ein Minimalfag von 30 Pf. pro Stunde zu zahlen ist. Um dieses Programm durchzuführen, um den Uebelständen energisch entgenzutreten, ist es unbedingt nothwendig, daß eineLohniommission nur aus Mäntelnäherinnen bestehend, heut gewählt werde, welche folgende Swede und Biele zu erstreben habe 1) Einführung und Innehaltung eines Marimalarbeitstages. 2) Beseitigung der Nachfeierabend- und Nachtarbeit. 3) Auf hebung der Sonntagsarbeit in den Werkstellen. 4) Feststel lung und Durchführung eines Minimallohntarifes. 5) Aus­zahlung des Lohnes an die Arbeiterin an jedem Sonnabend der Woche. 6) Menschenwürdige Behandlung der Arbeiterin durch den Arbeitgeber. Diese nach Maßgabe der Verhältnisse allmählich durchzuführenden Biele find zu erreichen: a) durch partiellen Streit bei denjenigen Arbeitgebern, welche die For­derungen gütlich nicht bewilligen und durch Verhängung der Sperre über diese Werkstellen; b) durch Unterstügung der ev. ftrei­tenden Mäntelnäherinnen; c) durch Errichtung von Arbeitsnach weisstellen seitens der Lohnkommission nur für Mäntelnäherinnen.. Möge die Versammlung es aussprechen, ob sie mit dem vor­geschlagenen Wege einverstanden ist. Ich kann Sie nur auf­fordern, treu und fest zur Sache zu stehen, selbst zu prüfen, fich durch nichts beirren zu laffen, teinen Zweifel und leinen Zwiespalt zu dulden, dann wird der Sieg der unsrige sein! ( Stürmischer Beifall.) In der lebhaften Diskussion, an der fich Frl. Ottilie, Fr. Staegemann, Frl. Jagert, Fr. Gubela Frau Kreuz und Frau Guillaume Schack betheiligten, zeigte fich volles Einverständniß über die Nothwendigkeit einer Lobn tommission. Nur Fräulein Ottilie warf die Frage auf, weshalb man von der im Verein zur Vertretung der Intereffen der Arbeiterinnen" gewählten Kommiffion absehe. Ihr erwiderte Frau Stägemann, daß die dort gewählten Damen heut selbst verständlich ebenfalls gewählt werden könnten; daß aber für eine Lohnbewegung der Mäntelnäherinnen eine in einer Vereins versammlung vorgenommene Wahl nicht maßgebend sein tönnte. Kompetent zur Wahl der Lohnkommission sei allein die Generalversammlung der Mäntelnäherinnen.( Lebhafter Beifall.)

sehr

Frau Guillaume Schadt, mit stürmischem Beifall begrüßt ,. fügte dem noch hinzu, daß der Verein zur Vertretung der Intereffen der Arbeiterinnen nur die Anregung zu der Be wegung der Mäntelnäherinnen, die weit über den Rahmen des Vereins hinausgehen müffe, habe geben können, nachdem er sich überzeugt, daß der Augenblick für diese Bewegung gekommen fei. Die Lage der Konfektionsbranche sei, vorzüglich die. Herrschaft dieses dieses deutschen Industriezweiges auf dem Weltmarkt unbestritten. Die Industrie tönne gut einen Minimallohn von 15 Mark wöchentlich für jede Arbeiterin ertragen. Freiwillig aber würde der Näherin bas niemals zugestanden werden, fie müffe fordern. Deshalb lönne die Arbeiterin auch mit den Arbeitgebern nicht Hand in hand gehen, weil ihr Intereffe ein entgegengesettes sei. Die Wahl eines Arbeitgebers in die Lohnkommission mit be schließender Stimme sei deshalb unmöglich. Die Lohntom mission werde sich wohl mit den Schneidermeistern und Kauf­leuten in Verbindung seßen, aber fie fönne dieselben nur als Sachverständige hören. Sachverständige hören. Der Beschluß der Innung der Damenmäntelschneider beweise übrigens genug,

was die

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Arbeiterin von diesen Herren zu erwarten habe. Die Frau müſſe lernen, fich als Staatsbürgerin zu fühlen, dann werde die Bewegung auch flar über ihre Biele sein. Wähle man Arbeitgeber heute in die Kommission, dann werde man balo sehen, wie man fie los werde.( Stürmischer Beifall.) Frl. Ditilie erklärt hierauf, daß sie nunmehr Frau Schack beipflichte. Nun wurde einstimmig beschlossen, eine Lohnkommission aus Mäntelnäherinnen zu wählen. Gewählt wurden: Fr. Büge, Fr. Perfice, Fr. Kreuz, Frl. Jagert, Fr. Krankemann, Frl. Ottilie, Fr. Haase und Fr. Stägemann. Diese Kommission wird beauftragt, alle weiteren Schritte zu thun. Nach­dem noch der Ertrag einer Tellersammlung einer nothleidenden franken Wittwe zugewiesen, auf die Nothwendigkeit des Beis tritts aufmertfam gemacht und mitgetheilt worden war, daß die nächste Versammlung mit der einstimmigen Annahme folgender Resolution: Die heute tagende Generalversamm lung der Mäntelnäherinnen Berlins erklärt in Ueberein­ſtimmung mit den Ausführungen der Referentin angesichts der Nothlage der Mäntelnäherinnen eine energische Lohnbewegung für durchaus nothwendig; sie wählt zu diesem Zweck eine Lohnkommission und überträgt derselben die Wahrung der ma teriellen gewerkschaftlichen Interessen; fie verpflichtet sich, dafür zu sorgen, daß eine jede Mäntelnäherin Berlins wöchentlich 10 Bf. zu einem Unterstüßungsfonds zahlt, der dazu dienen soll, mit dem erforderlichen Nachdruck das Programm der Arbeiterinnen zur Durchführung zu bringen; und fie verspricht, feft und treu zu der einmal erhobenen Fahne zu stehen und erst dann die Lohnbewegung als beendet zu erklären, wenn alle Forderungen der Mäntelnäherinnen ftegreich durchgeführt find."

Eine Versammlung der Schmiede tagte am Montag, ben 28. September in Gratweil's Bierhallen, Kommandanten straße 77-79, mit der Tagesordnung: Der Arbeitsnachweis". Der Vorstvende Herr Baumert berichtete über die jeßigen Ver hältnisse im Arbeitsnachweis des Schmiedegewerks, und bean tragte am Schluffe seiner Ausführungen, eine Kommission zu wählen und dieser die Regelung des Arbeitsnachweises zu über­tragen. Diese Kommission solle die Sache in die Hand nehmen und demnächst einer einzuberufenden Versammlung von Meistern und Gesellen Bericht erstatten. Die Herren Fellenberg, Groh­mann und Hahn sprachen fich in demselben Sinne aus. Versammlung beschloß dem Antrage des Herrn Baumert ge mäß und wählte zu kommiſſionsmitgliedern die Herren Bau­mert, Lochmann und Haße I. Darauf wurde eine Anfrage verlesen, ob sich die Kommiffion damit einverstanden erklären fönne, daß in einer Werkstatt, wo 6 Gefellen beschäftigt wer den, die Hälfte dieser Gesellen Sonntags einige Stunden( von 6 bis 9 Uhr Vormittags) arbeiten dürfen? Der Vorfizende

Die