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Dienstag, den 22 Dezember 1885. tim
II. Jahrg.
Berliner Volksblatt.
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Organ für die Interessen der Arbeiter.
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escheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Fefttagen.
Abonnementspreis für
Berlin frei in's Haus vierteljährlich 4 Mart, monatlich 1,35 Mart, wöchentlich 35 f. Betabonnement 4 M. Einzelne Nr. 5 Pf. Sonntags- Nummer mit illustr. Beilage 10 f. dmacol.8( Eingetragen in der Postzeitungspreisliste für 1885 unter Nr. 746.)
Redaktion: Benthstraße 2.
Der Nordostsee- Kanal.
Daß wir Anhänger jedes Kulturfortschrittes sind, brauchen wir nicht erst ausdrücklich zu betones. Besonders aber begrüßen wir jebe Kanalanlage in unserem Vaterlande mit Freuden als ein bedeutendes Beichen dieses Forts schritts.
Unser Nachbarland Frankreich ist uns in Bezug auf bie Ranalisation längst vorangeeilt; es ist durchfrenzt von zahlreichen Wafferstraßen, welche aber auch fegenbringend bas fruchtbare Land noch weiter befruchten helfen.
Nunmehr scheint es, als ob wir unserem Nachbar auf Dieser Bahn folgen wollten. Wir haben es in der That nöthiger als er. Der Norden Deutschlands kann sich keiner besonderen Fruchtbarkeit rühmen, auch liegt die für den Handel und die Industrie so sehr erfprießliche Ranalisation noch in den Kinderschuhen.
Lieber wäre es uns deshalb gewesen, wenn die preußische Regierung dem Reichstage oder dem Landtag zu nächst Vorlagen über die Verbindung des Rheines mit Weser und Elbe gemacht hätte, weil mit einer solchen Ranalisation auch die landwirthschaftliche Rolonisation der norddeutschen Debländereien hätte verbunden werden können. Doch begrüßen wir auch die Vorlage an den Reichstag , welche die Herstellung eines Seefanals zwischen der Nordund Ostsee bezwedt, mit großer Freude. Wohl kann dieser Kanal nicht viel zur Kolonisation jener Gegenden beitragen, aber er schafft für längere Beit zahlreichen Arbeitern Bers dienst und wird auch den deutschen Handel im Norden heben.
Wohl foll der projektirte Ranal in erster Linie Kriegszwecken dienen, doch kann man im Wesentlichen dabei doch nur an Vertheidigungszwecke denken, da unfere Marine zur Offensive zu schwach ist und hoffentlich auch niemals zu offenfiven Kriegszwecken dienlich sein wird.
Insertionsgebühr
beträgt für die 3 gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf. Arbeitsmarkt 10 Bei größeren Aufträgen hoher Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate werden bis 4 Whe Nachmittags in der Expedition, Berlin SW., 3immerstraße 44, sowie von allen Annonceme Bureaux , ohne Erhöhung des Preises, angenommen.
Expedition: Bimmerstraße 44.
nehmer, wenn es nicht vorzieht, der eigene Unternehmer zu fein, zu einer gewissen Lohnhöhe verpflichten, wenigstens zu einer solchen, die den ortsüblichen Tagelohn jener Gegenden etwas überschritte.
Das Rech könnte ftolz sein auf eine derartige Einführung eines Minimallohnes.
Das Reich aber darf nimmermehr in die Fußstapfen des preußischen Staates treten, der den Unternehmern bei dem Baue des Mainkan als vor einigen Jahren gestattete, italienische Arbeiter für den täglichen Lohn von einer Mark zu verwenden. 1200 derartig schlecht bezahlte ausländische Arbeiter wurden zu ,, Lohnbrüdern", und drück ten mit dem Lohne die Lebenshaltung der deutschen Arbeiter, ten mit dem Lohne die Lebenshaltung der deutschen Arbeiter, herab, das heißt, die fremden Arbeiter waren, sicher wohĺ unbewußt, Gegner der Kulturentwidlung überhaupt.
Das soll nicht sein! Wir sind durchaus keine Gegner der ausländischen Arbeiter. Wir wissen, daß die französischen Metallarbeiter, welche vor ca. 20 Jahren vielfach nach den preußischen Westprovinzen geholt wurden, um Fabriken ein zurichten, ein Segen für jene Gegenden waren. Aber sie traten nicht auf als Lohnbrüder, sondern als Lohnförderer. Sie hatten mehr Bedürfnisse, als die deutschen Arbeiter und Sie hatten zugleich ein weit größeres Unabhängigkeitsgefühl, als die ersteren und das führt natür lich zum Kulturfortschritt. Solche Arbeiter sind uns verständlich willkommen und wir würden ihre Anstellung auch bei dem Baue des Nordostsee- Kanals begrüßen.
Dann wäre auch das letzte Bedenken gegen den Bau des Nordostsee- Kanals vollständig geschwunden.
Doch vorläufig wollen wir rückhaltelos das seit einem halben Jahrhundert geplante Unternehmen als einen Kulturfortschritt, als eine nationale, aber auch als allen Völkern gemeinsame Errungenschaft freudigst entgegennehmen.
Politische Uebersicht.
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,, Aergernißerregend." Dem Reichskanzler und den Lan desregierungen ist ein Bericht über die Frage ob Trunkenheit strafbar sein soll" von dem ,, Deutschen Verein gegen Mißbrauch geistiger Getränke" zugegangen und zwar ist der Berichterstatter Herr Dr. von Schwarze in Dresden . Der Berichterstatter tommt zu dem Resultat, daß selbstverschuldete öffentliches Mergerniß erregende Trunkenheit gerichtliche Ahndung ver biene. Diesen Standpunkt bat auch der 1881 im Reichstage eingereichte Trunksuchtsgeseßentwurf vertreten. Wir find an und für sich dagegen. daß hinter jedem Schoppen Bier, oder Glase Schnaps ein Bolzeimann oder gar ein Denunziant gestellt wird. Aber speziell müssen wir auch einen solchen Geset entwurf bekämpfen, weil derselbe fich in seiner Ausführung hauptsächlich gegen den armen Mann richtet. Die Reichen und Wohlhabenden laffen fich einfach in ihren Landauer oder in eine Droschte paden, und find fie so finnlos betrunken, daß fie selbst daran nicht denken, so wirb das durch Freunde oder selbstverständnißvolle Diener besorgt-fo geben" sie dem öffentlichen Wergerniß aus dem Wege. Dem Armen stehen ber artige Mittel nicht Gebote. Ueberhaupt werden durch ein solches Gesez weniger die Trunkenbolde, als die harmlosen Leute getroffen, die einmal im Uebermuthe des Guten zuviel ge noffen haben. Gegen notorische Trunkenbolbe haben wir schon strenge Geseze, besonders wenn die ,, Trunkenboldigkeit" einen so hohen Grad erreicht hat, daß fie auf die Unterhaltung der Familie ihren ungünstigen Einfluß ausübt. Gegen das öffentliche ergerniß aber besteht schon der befannte Paragraph, den groben Unfug betreffend. Somit ist ein neues Truntsuchtsgesetz zum mindesten sehr überflüssig. Und wer entscheidet über das öffentliche ergerniß?" Mehr oder weniger unzuverlässige Beugen. Bei dem einen erregt schon ein Fehltritt seines Nachbars, dem er nicht grün ist, ergernis; ein anderer ärgert fich schon über ein lustiges Liedchen, welches ein Angesäuſeiter vor sich hinträllert. Das Schlimmste aber ist, was wir oben schon andeuteten, daß der Denunziationssucht Thür und Thor geöffnet wird. Man will durch ein solches Gesetz der Moralität Vorschub leisten und züchtet geradezu die fitliche Bertommen heit. Man sieht eben, daß die Herren Dr. von Schwarze und Genoffen nichts von der Sache verstehen es soll nach threm Entwurf nicht nur die Trunksucht, sondern auch der Maßregel aber findet das deutsche Volt abfurd nach dem be Gelegenheitsrausch unter Strafe gestellt werden. Eine solche lannten Sprichwort: Wer niemals einen Rausch gehabt, ber ist kein braver Mann!"
Wir wenden uns nur gegen Heranziehung frember Arbeiter, welche für einen billigen Tohn zur Arbeit sich anbieten. Das wird aber verhindert durch das Verlangen des Reiches an die Unternehmer, einen anständigen Lohn überhaupt zu zahlen. Dafür finden sich dann heimische norddeutsche Arbeiter auch in genügender Anzahl.
Wohl ist es Pflicht des Reiches, teine unnöthigen Ausgaben bei dem Kanalbau zu machen, aber noch höhere Pflicht des Reichs ist es, bei diesem großen nationalen Werke in Hinsicht auf die dabei beschäftigten Arbeiter nicht zu knausern. Dort soll und darf nicht gespart
werben!
Dadurch schwinden auch für einen prinzipiellen Gegner des Krieges und besonders des Eroberungskrieges die Bedenken, die man sonst bei der Erbauung und militärischen Befestigung des Nordostsee Kanals haben Tönnte. Daß der Kanal die Tiefe und Breite für große Kriegsschiffe haben soll, ist auch für die Handelsintereffen von großem Vortheile, weil nicht abzusehen ist, Im Uebrigen wollen wir erwarten, daß der Bau des daß auch die Handelsmarine sich durch die immer größeren technischen Errungenschaften derart umgestaltet, daß für sie Nordostsee- Kanals nur der Anfang ist zu einem norddeut gleichfalls die geplante Breite und Tiefe des Kanals erforschen Ranalnez, welches lediglich den Handels- und Wirthschafts Interessen, den heimischen Kolonisations- Interessen berlich sein wird. bient.
Wenn somit in der That alle Bedenken gegen den Bau bes Kanals verschwinden, sollte das Reich doch eins bei dem Verdingen der Arbeiten des Ranals ins Auge faffenes sollte nicht mit dem Lohn knaufern, es sollte die Unter
Brad verteten.]
tod 59
Feuilleton.
Die Hand der Nemesis.
Roman
.
ada( Fortsetzung.)
,, Seien Sie aufrichtig, Rabe! Man sagt, Sie seien ein Hazardspieler."
Willibald Rabe zuckte zufammen, als ob ein Funke aus einer elektrischen Batterie ihn getroffen habe.
Wer hat Ihnen das gefagt?" fragte er scharf. sou Personen, denen ich vollen Glauben schenke!" Und wenn ich nun wirklich einmal am grünen Tische gesessen habe, bin ich darum schon ein Hazard. Spieler
Wollen Sie wirklich behaupten, daß Sie nur einmal gespielt haben?" erwiderte Herr von Lossow, die blizen ben Augen fest auf ihn heftend. Das würde Sie nicht in den traurigen Ruf eines Hazardspielers gebracht haben!"
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" Ich proteftire ganz entschieden
"
" Haben Sie nicht noch vor Kurzem in einer Nacht fechstausend Thaler verloren?" Das Geficht Rabe's war noch fahler geworden, er wandte es ab, um dem durchdringenden Blick des alten Herrn nicht zu begegnen. Ich will das nicht leugnen," fagte er, aber unerklärlich finde ich es, daß man das gleich an die große Glocke hängt."
"
Im Gegentheil, ich begreife das sehr wohl," erwiderte der Baron, muß doch Jeder, der Ihre Verhältnisse kennt, die Frage aufwerfen, woher Sie die Mittel nehmen, so hohe Spielschulden zu tilgen!"
Sie sind getilgt, Herr Baron!"
Damit ist mir nicht die geringste Garantie geboten, baß dieser Leichtsinn sich nicht wiederholen kann; und die Gesellschaft eines Barnekow bietet mir diese Garantie auch nicht."
Dieser Gedanke muß auch im Reichstage selbst noch zum energischen Ausdruck gelangen.
Dadurch würde unsere Kriegsmarine, welche über. schwenglichen und abenteuerlichen Rolonisationsideen dienen foll, lediglich zum Schuße des Landes verwendet werden.
„ Ich werde den Verkehr mit Barnekom abbrechen!" dad" Das läge allerdings in Ihrem Intereffe, aber gute Vorfäße gelten bei mir gar nichts. Ich weiß, wie rasch sie vergessen werden. Sie haben mein Wort, Rabe, und ein Edelmann nimmt dasselbe nicht zurück, aber Sie werden es begreiflich finden, wenn ich nach diesen Entdeckungen meine Maßregeln treffe, um mein Vermögen nnd die Existenz mei ner Tochter sicher zu stellen."
Ein zorniges Aufbligen in den Augen Rabe's belun dete den erwachenden Groll.
Schenken Sie mir kein Vertrauen?" fragte er.is Aufrichtig gesagt, nein! Ich habe Erfahrungen genug gemacht, um zu wissen, daß leidenschaftliches Hazardspiel zum Bettelfad führen muß, und wenn ich mich und mein Kind vor diesem Schicksal sicher stelle, so kann mir das Niemand übel nehmen."
Sie gehen zu weit, Hers Baron!" erwiderte Nabe, mühsam seine Erregung bezwingend.
" Ich bet aure, Ihnen bas Alles sagen zu müssen," fuhr Herr von Lossow mit gemessener Rube fort. Hören Sie nun auch meine Bedingungen, die ich stellen muß, für den Fall, daß des Königs Majestät mein Gesuch genehmigt. Die Verwaltung des Sutes bleibt in meinen Händen, alle Einnahmen und Ausgaben besorge ich allein. Sie erhalten monatlich eine gewisse Summe, deren Höhe ich noch näher bestimmen werde, als Taschengeld, und ich sage Ihnen voraus, daß ich scharf darüber wachen werde, zu welchem 3wede Sie dieses Geld verwenden. Nach meinem Tove wird Ella selbst ihr Vermögen verwalten"
Herr Baron, diese Bedingungen sind erniedrigend," fiel Rabe ihm zornig in die Nede. Ich werde nimmer mich der Schinach fügen, der willenlose Sllave einer Frau zu werden! Und worauf flüßen Sie denn diese demüthi. zu werden! Und worauf füßen Sie denn diese demüthigenden Bedingungen? Darauf, baß ich
-
Wenn sie Ihnen nicht gefallen, so steht Ihnen der Rücktritt frei!"
"
Mit anderen Worten, Sie wollen durch diese Bedin gungen mich zum Rücktritt zwingen!"
Reineswegs," erwiderte der Baron , in dessen Augen jezt auch der 3orn aufblißte, ich zwinge Sie nicht, und
-
wenn Sie objektiv urtheilen wollten, so müßten Sie zu geben, daß ich einem Hazardspieler kein Vertrauen schenken
fann.
"
Ich wiederhole Ihnen noch einmal, daß ich kein Hazardspieler bin!" sagte Rabe scharf. Und wenn ich Ihnen das Versprechen gebe, daß ich fortan teine Karte mehr berühren werde-"
" So weiß ich nur zu gut, welcher Werth auf ein solches Versprechen zu legen ist," erwiderte Herr v. Lussow. achselzuckenb. Können Sie in einer Nacht sechstausend Thaler verlieren, so können Sie auch mit demselben Leichts sinn das ganze Vermögen Ihrer Frau auf eine Karte seßen, und es wäre unverantwortlich meinerseits, wenn ich nicht mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln dahin wirken wollte, das zu verhüten. Sie könnten dennoch mir Unannehmlichkeiten bereiten, indem Sie den Kredit mißbrauchen, dessen ich mich erfreue. Aber seien Sie versichert, daß ich bem energisch entgegentreten würde."
Sie find sehr aufrichtig, Herr Baron!" sagte Rabe spöttisch, aber die heifere, zitternde Stimme verrieth, baß es ihm unfäglich schwer fiel, die in ihm tobende Wuth zu be meistern.
War doch jetzt sein letter Plan, auf den er seine ganze Hoffnung gebaut hatte, durchkreuzt!
Was galt ihm das unschöne, unzufriedene und nichts weniger als liebenswürdige Fräulein von Lossow, wenn er nicht mit ihrer Hand auch ihr Vermögen empfing.
de Von ihren Launen, ihrer Gnade abzuhängen, dem ftreng richtenben, soliden Schwiegervater über jeden verausgabten Groschen eines färglich zugemessenen Taschengeldes Rechnung ablegen zu müssen, das war geradezu entehrend und em pörend!
Ich habe stets die Offenheit der höflichen Maske vor gezogen," erwiderte Herr v. Lossow, glatte Worte sind mir verhaßt. Und weshalb sollte ich auch in diesem Falle ein Blatt vor den Mund nehmen wir wissen jett Beide, woran wir sind!"
Ich darf wohl annehmen, daß Sie bereits mit Ella darüber gesprochen haben, die mir gegenüber bewiesene Offen heit läßt mich das vermuthen."