S». 51.
Dienstag, den 3. Miiez 1886.
III. Jahrg.
(tlnudiiMoll. Krgan für die Intereffen der Arbeiter.
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pttn und Mim. E« giebt tmm« noch natne Leute bei ub« in Deutsch- M, die sich einbildeo, daS Volk mit Worte» über die �itilichteit hinwegtäuschen und unsere allgemeine« Zustände Wner vorspiegeln zu können, al» sie find. Man sah sie Mer Tage wieder an der Arbeit, al« berichtet wurde, daß �Auswanderung über deutsche Häfe« ab- fcnowmen habe. Da hieß e« denn, daß die« ein Strasi« ? für die fortschreitende Besserung unserer wirthschaftlichen % und daß mau eigentlich keinen Grund habe, sich über �geschäftlichen Kalamitäten in dem Maße zu beschweren, j t« bisher geschehe«. Run, da» Volk wird wohl selbst am Besten verspüren, ?!t e« daran ist; darüber braucht es von Niemandem mehr Mrt zu werden. Die deuische» Arbeiter müsse» doch J,&tr wissen, ob ihre Einnahmen gestiegen oder gefalle« ™ und wie sich diese Einnahme« zu den Preisen der un- �ehrlichen Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände ver- �ne». Die Arbeiter siad darüber viel besser unterrichtet, als gewöhnlich glaubt. Sie benutzen ihre ge werkliche« Or» Wationen dazu, um ihr Durchschnitts-Einkommen sowie P* durchschnittliche« HauShaltungS-Budget berechnen zu und eS sind in dieser Richtung gerade sehr schätzen«» ?�he und verdienstvolle Arbeiten geliefert worden. Wollten & die Herren, welche immer behaupten, daß e« mit der �»«mischen Lage der Arbeiter„nicht gar so schlimm" sei, Berechnungen doch ei»mal ansehen. Sie würde« dann X®lb einsehen, wie schlecht sie bisher berichtet gewesen sind. -va» Haushaltungsbudget de« Ardeiter« von heute, wen» »och so bescheiden veranschlagt, weist eben gewöhnlich Defizit auf. Um e« zu decke», muß er Weib und Kind sich selbst Entbehrungen und Laste» auferlege», die xtiguei sind, seine und setner Familie Wohlfahrt auf« schwerste zu beeinträchtigen. Unter solchen Umständen sollte man in der That meinen, Auswanderung nach überseeischen Länder« müsse eine '"'gemein starke sei«. Daß sie doch hricht in dem Maße {{ehr auftritt wie früher, har einen sehr einfachen Grund: s'e ökonomische Lage in de» meiste« über« '* e isch«» Ländern ist für den Lohnarbeiter 'en auch nicht günstiger al« bei un«.
i ein oroeuieuocr ziüjvup U» stattfinden und den zurückbleibende« so Luft ver« Waffen f Sie habe« wohl selbst eingesehen, daß ihre Erwar« zu hoch gespannt waren. E« giebt sehr wenig Leute, .'Lust haben nach den gepriesenen Berge» von Kamerun , den Küsten von A»gra Pcquena oder nach Zanzibar zu
Jeuilletorr- Die Tochter des Ka«krotte«rs. Roman aul der Gegenwart %,"an 1 Gustav Lössel. wagte also keine Auftage an der betreffenden wJC,' st« überlegte vielmehr, wa« sie noch weiter ergreifen in vh»e ihr« Vergangenheit zum Gegenstand einer ge« Besprechung gemacht zu sehen. E« blieb ihr nur — Handa. besten, welche sie vielleicht durch die tzu, itelung ihrer fteundlichen WirthSleute erlange« konnte. diesen von ihrem veränderten Entschlüsse«och pJ?.! sie wußte im Borau», daß sie bereitwilligst Alle« Mrden, um sie dauernd a« sich zu fesseln. �ra». g'ugen wieder mehrere Tage h n und immer wieder >...g>te ib? an:... m» Mlung mit dem Bemerken. Dies schien Erna end h zu wagen und ein« niederzulege«. Wo siä «d»." urrgevens vemuyren, rannte sie gerade da« Tlüö. Mi«',"uzusprechev. Sie wollte da« aber nicht um de« kirn** Täuschung, welche ihr früher oder später ver- "»d r? werden mußte: darum nannte sie ihre« volle« Name« Mu ir'' daß sie jede Erklärung zu geben bereit sei, sollt«'tt Aufrage zu einer persönlichen Vorstellung führen
h zachen Furcht und Hoffen verbrachte Erna die näch« "'ste®ann kam eine Antwort. Sre erhielt erne "ehmfi..»Ladung zu der Dame, welche in einem der vor» Hotel « iogirte. ÄMÄÄ w: Ä
gehe« und sich da« Fieber zu holen. La» man doch dieser Tage in den Blätter», daß preußische Uaterosfiziere kräftigster Konstitution e» i« den Kolonien nicht aushalten könnte«? Wie soll e« da den Arbeitern ergehe», die so oft durch lange Entbehrungen ohnehin körperlich geschwächt sind? Aber auch in der große« Union von Nordamerika haben sich die Verhältnisse für de« Arbeiter nicht günstiger gestaltet. Viele, die hinüber gefahren sind, um sich eine ausreichende Existenz zu schaffen, kommen zurück, weil sie erkennen, daß sie drüben auch nicht besser daran sind, al« im alte» Vaterland. Am beste« mag es in der Union noch den Bauer» ergehe», die von uns hinüber wandern. Wen« sie von dem Erlös au« dem Verkauf ihrer Scholle noch so viel behalte», um sich drüben ein gutes Grundstück im Westen zu erwerbe« und sich darauf leidlich einrichten zu können, so mag e« gehen. Man weiß, daß eS eine Menge von ländliche« deutschen Ansiedelungen, namentlich im Westen der großen Union giebt, die sehr gut gedeihe» und ihren Besitzern in der That da« gewähren, was diese gesucht haben, ali sie dem Vaterland de» Rücke» kehrte». Indessen kann nicht Zedermann Acker- bau treiben; dem Einen fehlen dazu die Mittel, dem An- der» die Kräfte, dem Dritten die Kenntnisse. Nordamerika leidet unter der Verkehrtheit der modernen wirthschaftlichen Zustände genau so wie jede« andere Ge- meinwesen; daran kann seine so gepriesene politische Frei» heit nicht«, aber auch gar nicht« ändern. Man sollte meinen, die guten Ernten der letzten Zeit seien ei» Segen für die aesammte Menschheit; nun könne e« doch an Brot nicht mehr mangeln, nachdem die gütige Mutter Erde so viel Getreide gespendet hat. Weit gefehlt! Da erhebt sich da« Geschrei, daß da« Getreide zu billig werde; der Land- wnth könne dabei nicht« verdienen und schon deutet man an, daß man eine neue Erhöhung der Kornzölle für noth- wendig finde! Die bisherigen Zölle haben, wie von deren Gegnern vorhergesagt wurde, nicht bewirkt, wa« man von ihnen erwartete; die Kornpreise blieben eben niedrig. Die reiche Ernte in Nordamerika und in Europa hat bewirkt, daß viele Grundbesitzer ihre Produkte nicht oder nur zu sehr geringe« Pieisea an de« Mann bringen konnte«. Unsere Bauern, namentlich aber auch die ameri« konische« Farmer, schränkte» ihren Bedarf an Luxusartikeln und an Zaduflrieprodukten überhaupt ein, so sehr sie nur konnten, dadurch mangelte es der Industrie an Absatz; da wir aus Deutschland eine Menge von Jndustrieproduktea nach Nordamerika ausfuhren, so empfand e« unsere Industrie sehr schmerzlich, daß die Kaufkraft der amerikanische « Far- mer geschwunden war. Die Produktion stockte, die Arbeiter bekamen geringere Löhne oder wurden arbeit«- lo«. In Amerika ging e« genau so; auch Frau Dahlberg sagte Erna, daß sie die Wittwe eine» Wiener Finanzmanne« sei und eine eigene Villa in Hietzing bei Wien bewohne. „Vor etwa zwei Jahren," so fuhr sie fort,„habe ich mein einzige« Kind, eine Tochter in Ihrem Alter, verloren, und seit jener Zeit befinde ich mich fast immer auf Reisen. Dies« Art der Zerstreuung hat aber da» zunehmende Gefühl der Vereinsamung au« meinem Herzen nicht zu bannen ver- mocht, und so tst mir der Sedanke gekommen, eine junge Dame zu mir zu nehmen und dauernd an«ich zu fesseln, welche geeignet und geneigt wäre, meine ganze Zuneigung zu gewinnen. Ich bin lange vergeben« bemüht gewesen, eme paffende Gefährtin zu finde«; aber Ihr Name schon, der Name einer Unglückliche», erweckt meine lebhafteste Snmpathie. Ich kenne Ihre Schicksale au« de« Zeitung«- «achrichte« und Sie dürfen mich zu einer von den Wenige« zählen, welche an Ihr« Schuld nicht glaube«. Ihr Verlust kommt dem meinigen gleich, und so werde» Sie auch am ehesten meinen Schmerz zu wür- digen wissm, sowie ich de« Ihrigen vollkommen zu verstehen glaube. Sie gefassen mir ausnehmend gut, und wenn Sie i» meinen Zügen nicht da» lesen, wa« Sie vo» mir zurückschrecken könnte, dürfte ein« sofortige Verständigung nur noch vo« Ihne« abhängen." „Von mir?" entgegnete Erna gerührt.„O dann, Mndame, möchte ich Sie bitte«, mich gleich und für immer bei sich zu behalten. So wie Sie hat noch Niemand mit mir gesprochen und auch nrch Niemand hat bei seinem erste» Erblicken einen so tiefgehenden, angenehmen Eindruck auf mich gemacht, die Baronin auegeschlossen, zu der ich schon vo« früh auf eine fast kindliche Zuneigung fühlte. Sie habe» vielleicht de» Name« der Baroni« von Selchow nennen höre«?" Frau Dahlberg verneigte sich. „Wa« wäre in dieser traurige» Affaire von müsfigea Neuigkeitijägera nicht Alle« an d,e Oeffentlichkeit gerogen worden!" sagte sie.„Ich kenne Ihr V-rhältniß zur Baro- »in, und e« genügt mir, wenn S:e mir sagen, daß ich einen nicht minder günstigen Eindruck auf Sie gemacht habe, al«
die rasch heranwachsende Industrie Nordamerika « litt unter diesen Verhältnissen und de« Arbeitern ging e« gerade so wie bei un«. Eine solche Verkehrtheit hat die ganze Weltgeschichte nicht mehr aufzuweisen: Je reichlicher der Ertrag de« Bo« den«, desto größer der Mangel unter der Bevölkeruna. Da» ist eine Wirkung unserer vortrefflichen modernen, Wirt h- schaft«ordnung", die zu vertheidigen»der zu preisen wahrlich kein geringe« Quantum von Unkenntniß der bv- stehenden Verhältnrsse erfordert. So kenne« wir nun die Gründe, welche die Au«» Wanderung vermindern. Sie sind ebenso wenig erbaulich al« jene, welche einst die Auswanderung so sehr gefördert haben.
Krltmftmiis.
Trotzdem in der letzten Hälfte de« neunzehnten Jahr- hundert« fortwährend Krtegsgeschrei ertönt, trotzdem in politischer Beziehung fast ganz Europa unter dem Drucke der Reaktion seufzt, hat die Wissenschaft doch ungeheure Triumphe gefeiert. Kulturwerke find entstanden, die beweisen, daß der Menschen» geist mächtiger ist, al« die Naturelemente, daß er im Kampfe um d e Kultur fortwährend Sieger bleibt. Wir wollen hier nur kurz die gewaltigen, in« Auge springenden Riesenwerke berühren, die allseitig Staunen und hohe Freude erregen müssen. Da ist zuerst der Durch st ich der Landenge von Suez zu verzeichnen, welcher das Mittelmeer und somit den Atlantik mit dem indischen Ozean vereinigt und dadurch nicht nur die Gefahren der Reise von dem Hauplfitze der Zivilisation nach den mit den größten Naturschätzen ausgestatteten Ländern der ganzen Erde, sondern vor Allem auch den zur Volltührung dieser Reise nöthigen Aufwand von Zeit und Arbeit sehr er» hedlich vermindert hat. Diesem herrlichen Werke triumphlrender Kultur werden sich bald ähnliche anreihen. Der Durchstich deSJsthmus, welcher die Fahrt vom jonischen in da« Sgäische Meer her» stellen soll, wird in wenigen Jahren vollendet sein und den Hafenverkebr der Balkanhalbinsel merllich fördern; ihm reiht Sch der N o r d o st s e e k a n a l an, welcher die beiden deutschen IJeere verbinden soll und der gleichfalls ein Kulturwerk ersten Ranges zu werden verspricht. Und der Erbauer des EuezkanalS arbeitet schon wieder fett einigen Jahren an einem neuen gewaltigen Werke. Dort drüben, in Mittelamerika , ist ein Riesenkampf entbrannt für die Kulturentwickelung, den Menschengeist und Menschenkraft führen gegen die gewaltigen Hindernisse, welche die Natur dem Unternehmen entaegenthürmt.„P a n a m a k a n a l" wird da« Wunderwerk heißen. Wann e« vollendet sein wird, kann- man mit Gewißheit nicht voraussagen, d a ß es aber vollendet wi.d, dafür bürgen die Zähigkeit des Erbauers, des Herrn von Leffeps, und die großen Vortheile, welche für die handeltreibenden diese Dame, die Ihnen, der früh Verwaisten, ja eine zweit« Mutter gewesen sei» soll."
„Sie war e«," entgegnete Erna ernst;„aber sie war e« auch nur bis zu dem Augenblick, wo der Verdacht eine» Verbrechen« sich gegen mich richtete. Da« hat un« geschieden und mir zu meinem großen Schmerze bewiesen, daß selbst ei« zehnjährige« Zusammenleben nicht genügte, um mich gegen einen Verdacht vo» ihrer Seite zu schütze«. Aber nennen Sie mir ihre« Namen nicht mehr. E« rhut mir weh, an diese Sinnesänderung der Baronin zurückzu- denken. Ich bin eben vo» Allen verlassen, auch von den Nächste» und Besten. Um wie viel mehr Dank schulde ich Ihnen, da Sie mir so vorurtheilslo« entgegentreten und sich meiner so liebevoll annehmen in einer Zeit, wo ich am allerwenigsten Anspruch auf Jemanden« Güie zu habe« scheine. Wenn meine ausrichtige, hingebende Liebe Ihne« dafür im entferntesten danken kann..." „Sie kann e«, Kind," fiel die ältere Dame selbst bewegt ein,„sie kann viel mehr al« das, mich da« eigene Leid ver- gesse« und da« entschwundene Glück noch einmal nachempfi«» den lasse», welche« ich so lange in dem Besitz einer schöne« und tugendhaften Tochter mein eigen nannte." Eme Verständigung über die anderweitea Bedingungen war rasch erzielt, und wenige Tage später verließ Erna al« Gesellschafterin Frau Dahlberg« die nordische Residenz, um sich nach Wien zu begeben. Die Nachricht von Erna« Wiederaus sivdung und end» licher Freigebung brachte natürlich nirgend« eine größere Bewegung hervor al« in dem Winter'schen Hause, und Nie- wand war von der letzteren so bitter enttäuscht wie die Gattin de« Kaufmanns, welche den weiteren Enthüllungen mit größter Spannung entgegengesehen hatte. „Ein Glück nur," sagte Winter senior zu seinem Vertrauten,„daß Bernhard fortging. Ich hoff« auch, daß keine Nachricht von dem Vorgefallenen zu ihm dringen wird, bi« e« Erna Eschenbach gelungen, irgendwo ein nicht ausfind- bw es Unterkommen zu entdecken. Meinen Sie nicht auch, daß e« ihr nächstes und natürlichstes Bestreben sei» wird, «och einmal und für immer von einer Bühne zu verschwin- den, auf der sie eine so klägliche Rolle spielte?"