ben ist, wird Jedermann. selbst derjenige, welcher diefe An fchuldigung erhoben bat, mit der Einleitung des Verfahrens zufrieden sein.( Beifall links.)

Abg. Frhr. v. Schorlemer AI ft wiederholt die bereits früber geäußerte dringende Bitte um Errichtung eines Land­gerichts in Bochum  .

Geb. Juftiarath Schmidt erwidert, daß die Ver­waltung in eine nochmalige Prüfung dieser Frage bereits ein getreten sei.

Der Juftizetat wird darauf unverändert nach den Beschlüssen aweiter Lesung genehmigt.

Beim Etat des Ministeriums dcs Innern bemerkt

wor

Abg. Dirichlet: Jh babe den Eindruck, daß bei der Besetzung der Stellen der Strafanstaltsdirektoren und Strafs anftaltsbeamten nicht immer die hiaen fachlichen Rücksichten auf die Qualifikation der betreffenden Persönlichkeiten genommen werden, sondern daß man bisweilen, nicht mit voller Abficht, aber instintiv, von der Meinung ausgeht, daß diese Stellen besonders geeignet wären, Beamten aus den höheren Ständen, welche in anderen Rarrièren auf Schwierigkeiten gestoßen find, ein Unterkommen zu gewähren. Der in die Strafanstalts. direktorstelle zu Berlin   berufene, jezt verstorbene Herr von Bennigsen Förder hatte jedenfalls in seinem Vorleben den Be weis dafür geliefert, daß er eine der Haupteigenschaften für ein so schwieriges, so verantwortungsvolles Amt die der Selbstbeherrschung nicht befaß. Einige Beit Mann darauf ist dann ein hier her versetzt ben, und seine Verlegung eine war Beförderung, der bei Gelegenheit einer Wahlprüfung als Beuge fungirt hat und deffen Stellungnahme bei dieser Gelegenheit Ihn auch nicht besonders zu empfehlen geeignet war. Ferner ist vor nicht gar zu langer Beit an eine Strafanstalt in den öftlichen Provinzen ein Mann angestellt worden, der ursprünglich Mili. tär war, bann seinen Abschied nehmen mußte, als Hauptmann verabschiedet wurde, zunächst als Stationsvorsteher einer ganz fleinen Station einer nunmehr verstaatlichten Brivatbahn ein Unterfommen fand, dort plöslich nach einer stattgehabten Kaffen­revifion seine Stellung verlassen mußte die betreffenden Summen find nachher durch Verwandte gedeckt worden, und auf vieles Bitten hat die Direktion von der Einleitung der ftrafrechtlichen Verfolgung Abstand genommen, nach einiger Beit trat er hier in Berlin   als Geschäftsagent auf, und vor Kurzem fungirte er als Beuge in einem antisemitischen Prozeß, um Aus­tunft über gewisse Wuchergeschäfte zu geben. Bei Dieser Gelegenheit erfuhr man, daß er jetzt eine Stelle als Strafvollzugsbeamter einnehme. I habe von Diesen mir zur Kenntniß getommenen Thatsachen dem Ober­präsidenten der betreffenden Provinz privatim Kenntniß ge gegeben und von ihm erfahren, daß er dem Minister von benselben Mittheilung gemacht babe. Nach dem Vorgetra genen scheint mir System in der Sache zu liegen, daß man weniger nach der fachlichen Qualifitation als nach solchen persönlichen Rücksichten bei der Besetzung dieser Stellen vers fährt.

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Minister v. Butttamer: Der gegenwärtige Moment ist doch der allerungeeignetfte, einem verftorbenen Beamten noch ins Grab einen Stein nachzuwerfen( sehr richtig! rechts), der in seiner Stellung als Strafanstaltsdirektor Vorzügliches ge­leiftet hat. Wenn Herr Dirichlet   glaubt, mit Schonung und Vorsicht bei seinen Darlegungen verfahren zu sein, so beweist schon dieser eine Umstand das Gegentheil.( Sehr richtig! redts.) Auch der zweite von ihm erwähnte Beamte befindet sich in einer Lage, die mehr Rücksicht verdient hätte er ist in Ausübung seines Amtes von revoltirenden Gefangenen schwer verlegt worden, hat sich musterhaft in seinem Amt beno nmen und ist jest in Ehren pensionirt, ( hört! rechts.) Warum hat ferner in dem dritten Fall Herr Dirichlet eine Mittheilung nicht statt an den Oberpräsidenten an mich gerichtet? Ich lehne es ab, jetzt Rechenschaft zu geben über einen Fall, der jest in meiner Jnstanz erörtert wird. Mit diesen drei Fällen ist der Beweis nicht geführt, daß mit der Anstellung der Strafanstaltsbeamten irgendwie unvorsichtig verfahren würde. Allerdings befindet sich in den leitenben Stellen eine Anzahl Militärs, es wird dabei eine prozentuale Theilung zwischen Offizieren und Personen der unteren Militär­tlaffen gemacht. Dieses System beruht auf sehr wohlerwogenen Allerhöchsten Vorschriften, und ich werde mir nicht gefallen laffen, daß der Abg. Dirichlet den Versuch macht, daran zu rütteln.( Sehr gut! rechts.)

Abg. Dirichlet: Der Minister hat die Frage auf ein ganz anderes Feld hinübergespielt.( Widerspruch rechts.) Jch babe nicht die leisefte Andeutung gemacht darüber, daß ich etwa gegen die Verwendung von Militärs wäre. Der Minister hat fich in die Brust geworfen, diese Auffaffung zurückauweisen; er hätte sich seine Erzegu g sparen fönnen. Ich halte meine Bemerkungen durchaus aufrecht; ich habe vom Borleben der Betreffenden gesprochen, was nachträglich geschieht, ist für die von mir aufgeworfene Frage gleichgiltig.( Lärm rechts.)

Abg. v. Rauchhaupt: Herr Dirichlet   hat heute auch Teine Selbstbeherrschung bewiesen, sonst hätte er nicht in so unerbörter Weise außerhalb des Hauses stehende Personen an gegriffen, die fich hier nicht vertheidigen tönnen.( Stürmische Bustimmung rechts; Dho! lints; Rufe im Zentrum: Kräßig!) Shnen ist es nicht genug, einen politischen Gegner aus dem Amt zu bringen, auch noch nach seinem Tode greifen Sie ihn

Aus Kunst und Leben.

Projektirtes Repertoire der Königlichen Schauspiele vom 21. bis 28. März 1886. Jm Opernhause. Sonntag, Den 21.: Der Barbier von Sevilla  , Wiener Walser; Montag, den 22. Prolog von Friedrich Adami, gesprochen von Herrn Rable, bierauf: Oberon, König der Elfen; Dienstag, den 23.: Der Trompeter von Sädingen; Mittwoch, den 24., auf Bes gehren: Lohengrin  ( Herr Niemann); Donnerstag, den 25.: Toni's Schap, Eylota( legtes Auftreten des Fräulein del' Era); Freitag, den 26.: Der fliegende Holländer  ; Sonnabend, ben 27.: Siebente Sinfonie; Sonntag, den 28: Die Walküre ( Herr Niemann als vorlegies Auftreten). Im Schau spielhause. Sonntag, den 21.: Tilli; Montag, den 22.: Brolog von Friedrich Adami, gesprochen von Herrn Neiper, hierauf: Minna von Barnhelm( herr Sauer als Gaft); Dienstag, den 23.: Ein Sommernachtstraum; Mittwoch, den 24. Frau Akvafia; Donnerstag, den 25.: Sympathie, Die Belenntniffe; Freitag, den 26.: Die Räuber; Sonnabend, den 27.: Durch's Ohr, Kaftor und Bollux; Sonntag, den 28.: Die Geyer- Wally.

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Das vielbesuchte Kaiser- Panorama Paffage bringt in dieser Woche eine interessante Reise durch Spanien  sowie feltene Aufnahmen aus dem Feldzug 1870/71 zur Aus ftellung.

Schweres Wetter hatte der Lloyddampfer Gider" auf seiner legten Reise nach New York   zu bestehen. Am 28. Fe bruar tobte besonders ein fürchterlicher Nordweststurm mit Schneebben. Der Dampfer mußte 18 Stunden beidieben und war faft gänzlich mit Eis bedeckt. Ein Matrose wurde über Bord geschleudert; außerdem wurden zwei werthvolle Pferde, Die auf Achterbed untergebracht waren, über Bord geschleudert. Als die Eider  " in New- Yort antam, ließ man von dem Schiff fofort photographische Aufnahmen machen. Das ganze Tatel weit war danach mit einer fo starken Eisfrufte überzogen, daß man es taum noch erkannte. Taue von einer Fingerdide saben wie beindicke Bäume aus, die Wanten waren nur eine zu sammenhängende Eismaffe, und zwischen dem Eise und Dec erichten die Mannschaft wie die Nordpolfahrer zwischen den Gisbergen.

an!( Unruhe links.) Warum denunziren Sie nicht die angeb­lichen Straithaten dem Staatsanwalt? Wenn Sie Ihr System weiter so betreiben, wird es Seit, auf Remedur dagegen zu denken, daß hier im Hause Angriffe auf außerhalb Stehende in dieser Art erfolgen tönnen.( Beifall rechts.)

Abg. v. Bismard( Flatow) giebt Herrn v. Benningsen­Förder, der auch in seinem Gerichtsbezirt Strafanstaltsdirektor gewesen, das beste Zeugniß.

Abg. Dirichlet: Ich habe das nicht entfernt geleugnet; das Vorleben des Genannten hat aber doch erwiesen, daß er fich von seiner Heftigkeit hat hinreißen laffen, die Pflichten seines Amts zu verlegen. Nicht wir haben ihn aus seinem Amt entfernt, er hat fich daraus entfernt.( Unruhe rechts.) In Bezug auf die Angriffe gegen solche, die fich hier nicht ver theidigen lönnen, fann fich Herr v. Rauchhaupt sein Pathos sparen; hätte er seine Rede gegen den Fürsten Bismard oder Herrn v. Gokler gerichtet, dann wäre fie am Blaze gewesen. ( Sehr gut! lints. Lachen rechts.) Auch was Pietät betrifft, follte fich Herr v. Rauchhaupt an seine Gesinnungsgenossen im Reichstage halten.( Ruf lints: Graf Behr!) Mit dieser fittlichen Entrüstung bleiben Sie uns gefälligft vom Leibe! ( Gelächter rechts.) An den Oberpräsidenten habe ich mich ge­wendet, weil mir dies fachlich richtiger schien, es überdies ledige lich in mein Ermessen gestellt ist, an wen ich mich wenden will. Ich hatte gebeten, bis zur dritten Lesung des Etats über den Stand der Sache näher informirt zu werden, es ist das nicht geschehen.

Minister v. Butttamer: Ich würde es sehr auffallend gefunden haben, wenn der Oberpräfident thm geantwortet hätte. Daß ist, Gott sei Dant, noch nicht Sitte in der Bro vinzialverwaltung, daß solche Korrespondenzen mit amtlichen Konsequenzen stattfinden. Ich bin der verantwortliche Chef der Verwaltung, an mich hätte sich also Herr Dirichlet   wenden müffen. Wenn er fest zurücknimmt, was aus seinen Aus führungen gegen die Verwendung von Militärs herauszuhören war, fo fann mir das ja sehr lieb sein.

Abg. Dirichlet: Nicht ich nehme irgend etwas zurüd, vielmehr hätte er Veranlassung gehabt, von seinen Ausführungen etwas zurückzunehmen. Die Informationen habe ich von früheren Kollegen des Beamten, der frühere Direktor der jegt verstaatlichen Bahn hat sie mir bestätigt.

Abg. Ridert bringt einen Artikel der Ostdeutschen Beitung" in Thorn zur Sprache, welche einen russischen Ulas mittheilt, wonach sämmtliche in Bolen ausgewiesen werden sollen. Er fragt den Minister, ob diese Nachricht auf Wahrheit beruhe.

Minister v. Putttamer: Was die russische Regie­rung in den allerlegten Tagen beschlossen, weiß ich selbstver ständlich nicht. Bei den freundschaftlichen Verhandlungen mit der rustichen Regierung ist auch nicht die leisefte Andeutung einer solchen Abficht der russischen Regierung zu Tage ge treten.

Der Etat des Ministeriums des Innern wird bewilligt. Beim Etat der landwirthschaftlichen Verwaltung beantragt Aba. v. Gerlach( Gardelegen  ), das Durchschnittsgebalt der 13 Meliorations Bauinspektoren auf 3900 M.( iest 3600 Marl  ) zu erhöhen; dieser Antrag wird im Gegensatz zu dem Antrag der Kommission mit großer Mehrheit angenommen. Der Etat der landwirthschaftlichen Verwaltung wird angenommen, ebenso der Etat der Gestüts- und der Kriegs verwaltung.

Bum Etat des Kultusministeriums ergreift das Wort

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Minister v. Schola: Der Abg. Dirichlet   hat in der zweiten Lesung das Berhalten des Herrn Kultusministers be tämpft und mein Verhalten mit dem des Herrn Kultus­minifters in Parallele gestellt. Er sagte: Diese Art, aus den Aften des Ministeriums zur Diskreditirung eines Beamten Mittheilungen zu machen, ist feineswegs absolut neu; der Herr Finanzminister hat früher einmal ich weiß nicht, war es hier oder im Reichtag, ich glaube, es war im Reichstage, aber das thut nichts zur Sache ein Schrifftück verlesen über die Abstimmung seines früheren Kollegen Hobiecht im Staatsministerium." Die Angelegenheit, welche hier gemeint ist, bezieht sich auf die Verhandlungen des Reichstages über Die zweijährigen Etatsperioden am 9. Dezember 9. Dezember 1882. Einige Herren meinten, daß wenn die Maßregel finanztechnisch in Preußen nicht durchführbar set, fie auch nicht im Reich durchführbar sei. Demgegenüber fonnte ich aus den Alten des preußischen Finanzministeriums beweisen, daß drei Finanzminister hintereinander dieselbe sachliche Auffassung batten, die Minifter Hobrecht, Bitter und ich.

Abg. Dirichlet: I tönnte mit viel mehr Recht als vorhin der Minister des Innern von einem Ueberfall des Finanzministers sprechen und, mich in die Brust werfend, fagen, er habe mit mir über diese Angelegenheit gesprochen. ( Gelächter rechts.) Der Finansminister hat den Sachverhalt, wie ich ihn vorgetragen, durchaus bestätigt.( Widerspruch rechts.) Db er fich auf den Reichstag   oder Landtag bezieht, än bert an dem, was der Minister gethan hat, nicht das mindeste. War es ein Wunder, daß ein Unbetheiligter davon denselben Eindruck empfing, wie der zunächst betheiligte frühere Minister v Hobrecht Redner verliest die betreffende Antwort des Abg. v. Hebrecht auf jene Rede des Finanzministers, worin derselbe es tabelt, daß man aus dem Busammenhang geriffene einzelne Worte vorgelesen, die er in seiner amtlichen Stellung unter dem Er dankt dem Schuße der Diskretion gebraucht habe. Minister, daß er ihm Gelegenheit gegeben habe, die Sache llar zu legen.

Minister v. Scholz: Herr Dirichlet   hat lein Recht, von einem Ueberfall zu reden. Die Sache ist doch schon in der zweiten Lesung besprochen worden. Hätte er auch von einem Ueberfall gesprochen, wenn ich ihm damals schon geantwortet hätte: der Abg. Dirichlet   hat das eigentliche thema probandum gar nicht behandelt. Ich habe ja selbst gesagt, daß Herr Sobrecht fich leider durch meine Rede verlegt gefühlt habe.

Abg. v. Rauchhaupt: Herr Dirichlet   versucht, eine Doppelte Rolle zu spielen. Nachdem er vorher einen Beamten diskreditirt hat, unternimmt er es jest, einen früheren Beam­ten zu vertheidigen. Ich sage, daß es ein Unglüd ist, von Herrn Dirichlet vertheidigt zu werden; denn die betreffenden Bersonen tommen dabet immer am schlechtesten weg.

Nach längerer Debatte, an der sich noch die Abgg. Di. richlet, Wolf, v. Rauchhaupt und Wollmann betheiligen, wird um 4 Uhr die Fortsetzung der Berathung auf Dienstag 11 Uhr vertagt. Außerdem soll der Bericht der Staatsschuldentommiffion, sowie die Entwürfe, betr. das Staats­schuldbuch, und die Kantongefängnisse in der Rheinproving in erfter Lesung berathen werden.

Lokales.

Das hiesige Polizei- Präsidium erläßt folgende War nung: Wie bie Erfahrung auch in neuester Zeit wieder mehrfach erwiesen hat, beherzigt das Publikum die Thatsache immer noch nicht genügend, daß selbst dann, wenn eine gut organisirte und zuverlässige Fleischschau am Wohnort für alle geschlachteten Schweine besteht, doch theils aus Drten, in wel chen die Fleischschau zwar eingeführt, aber nicht für alle ges Schlachteten Schweine vorgeschrieben ist, theils aus Drten ohne jede Fleischschau, theils endlich mit Umgebung der bestehenden Bestimmungen, gar nicht oder mangelhaft untersuchtes Schweines fleisch in den Verkehr gelangen und große Gefahren für Leben und Gesundheit der Konsumenten herbeiführen fann. Es wird daher vor dem Genuß jeglichen rohen Schweinefleisches ernst daher vor dem Genuß jeglichen rohen Schweinefleisches ernst lich gewarnt und ferner darauf hingewiesen, daß lediglich ein vollkommenes Garlochen( Durchbraten) der Fleischftüde wie sämmtlicher Bubereitungen aus Schweinefle sch( Fleisch, Blut, Leberwürfte, Klöße, Sülzen u. s. w.) im Stande ist, die etwa

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vorhandenen Trichinen zu tödten und dadurch jede Gefahr einer Gesundheitsschädigung auszuschließen. Um das Gar fochen, Durchbraten größerer diderer Stüde  ( Schinken, Genid braten sc.) zu ermöglichen, ist es nothwendig, tiefe, etwa 8 Bentimeter von einander entfernte Einschnitte in die betreffen den Stüde   zu machen, damit auf diesem Wege die Siedhige auch auf die tiefft gelegenen Fleischschichten hinreichend einzus wirten vermag."

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Die Geschäftsgebräuche vieler Hypotheken- Vermittler find seit dem Prozesse Dickhoff dem großen Publikum belannt geworden, den Eingeweihten waren sie es schon früher. Seit jener Beit hat sich allerdings eine große Bahl zweifelhafter Existenzen von jenem Geschäftsboden zurückgezogen und eine Beit lang tonnte das Vermittelungsgeschäft in Berlin   in Bezug auf diejenigen, die es ausübten, als ziemlich reinlich gelten; in legter Beit scheinen sich jedoch diese Verhältnisse wieder zu verschlechtern. Ein wahrer Sturm der Entrüftung geht gegen wärtig durch die Kreise der Hypotheken- Interessenten gegen awei hiesige Kommissionäre St. und Sch. Dieselben verstanden es, durch ihr ganzes Auftreten und durch geschicktes Blicken laffen von Briefen, die mit den Firmen renommirter Hypo thelenbanken versehen waren, fich den Anschein einflußreicher Verbindungen zu geben, so daß selbst erfahrene Geschäfts leute zu ihnen in Beziehung traten und ihnen Dokumente, Situationspläne und andere Schriftftüde überließen, die für den Abic luß von Hypothekengeschäften nöthig waren. Die beiden Biedermänner ließen diese Schriftstücke bei fich ruhig lagern und wenn der Eigenthümer fte zurückforderte, erhielt er eine horrende Rechnung über angebliche Bemühungen; zahlte er die geforderte Summe nicht, so waren alle gerichtlichen und fonftigen Maßregeln erfolglos; die beiden ließen fich denun siren und legten dann bei ihrer verantwortlichen Vernehmung bie Dolumente vor; fte wußten gerichtliche Beschlagnahmen der Dokumente zu vereiteln, genug, wer die ihnen anvertrauten Sachen zurückhaben wollte, mußte bluten. Allein der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Schließlich flagten fich die Geprellten unter einander ihr Leid und das Geschäfts gebahren der beiden erschien in einem Lichte, daß die betrüge­rische Absicht derselben kaum noch zweifelhaft sein durfte. Gegenwärtig ist man mit dem Aufbau einer Monstre Denun ziation beschäftigt, welche den Staatsanwalt bewegen soll, den beiden das Handweit zu legen; soviel ermittelt, haben sie ein Geschäft überhaupt nicht zu Stande gebracht.

Was heißt scheintodt? Diese Frage wird nächstens gerichtlich beantwortet worden. Nach der Sanitätswache in der Brüderstraße war in der Nacht zum 15. Februar ein Droschken futscher gebracht worden, der erfroren vom Bod gestürzt war. Man machte energische Wiederbelebungsversuche, aber vergeblich. Nun giebt der Staat für Wiederbelebungsversuche mit Erfolg 30 M., ohne Erfolg 15 M. Der Heilgehilfe W. meloete fich in Folge deffen beim Polizeipräsidium um Gewährung der 15 M. Dieses lehnte die Bahlung ab, da nach Angabe des W. bei dem Erfrorenen noch schwache Herztöne vernehmbar, derselbe also nicht scheintodt gewesen sei. W. will nun flagend vorgehen und den Prozeß des Prinzips halber eventuell durch alle Instanzen verfolgen.

Die Angelegenheit der Ausladeftellen am Schiff fahrtsfanal beschäftigt alle Betheiligten auf das Lebhafteste. Der Schaden, so führen dieselben an, welcher durch die Ver zögerung dem gesammten Baugeschäft und damit verbundenen fo vielen anderen Geschäften erwächst, ist schwer zu schäßen. Der ungewöhnlich lange anhaltende Winter gestaltet das ganze Baugeschäft in diesem Jahre ganz anders, als dies in den Wintern seit längerer Beit der Fall war. Es drängt sich die Ausführung der für dieses Jahr geplanten sehr zahlreichen Bauten auf bedeutend fürzere Beit zusammen. Den Anfang

Damit zu machen, tann noch lange dauern, da bei dem unge wöhnlich diden Eise auf Seen und Flüssen vor dret bis vier Wochen überhaupt noch keine Schifffahrt zu erwarten ist, selbst wenn es in den nächsten Tagen wärmer wird und Regen und Wind eintreten. Baumaterialien find am Plage so gut wie gar nicht vorhanden, sollen aber, wenn begonnen wird, herangeschafft werden. Aber durch men? Der Schiffer, der lange Monate zu Hause ohne Beschäftigung und Verdienst geseffen hat und voraussichtlich noch 4 Wochen dort fizen wird, soll dann endlich in der Hoffnung, wieder Brod verdienen zu lönnen, nach Berlin   mit einer Ladung kommen, um den Bescheid zu erhalten, vor 14 Tagen, vielleicht sogar 3 bis 4 Wochen( da ersteres bereits Ende vorigen Jahres der Fall), teine Ausladestelle zu erhalten? Er hätte dann Ausfit, im ganzen Jahre vielleicht 8, im günstigsten Falle 9 bis 10 Ladungen nach Berlin   zu bringen. In gleicher Lage befindet fich der Empfänger der Waare, der seinen Bau nicht bes ginnen, fortseßen oder vollenden lann wegen Mangel an Material. Davon wird nicht bloß der einzelne Private, son dern rückwirkend die ganze Bürgerschaft Berlins   betroffen. Es fann feinem Zweifel unterliegen, daß es im Nußen der ge fammten Berliner   Bevölkerung liegt, daß diese Angelegenheit ernstlich in die Hand genommen und erledigt wird, um dem gegenwärtigen die Gesammtheit wie die Einzelnen schädigenden Bustande ein Ende zu machen. Der von der Subkommission über die Anlage von Ladestellen an den hiesigen Wafferlaufen gefaßte Beschluß, zunächst ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse des sogenannten Umladeverkehrs zwischen Wasser und Eisens bahn durch Hafenanlagen dem Bedürfnisse des Ladewesens zu genügen, falls der Stadtgemeinde das Recht eingeräumt wird, für deren Benutzung die die Kosten der Anlage beckenden Ge bühren zu erheben, heißt es dann weiter, lautet ganz günstig, jedoch vorläufig nur für die Bukunft. Die Herstellung der projeltirten Häfen, wenn auch jest endlich ernstlich beaoficht, nimmt noch lange Zeit in Anspruch. Bis dahin muß aber eine Aushilfe geschaffen werden, welche, wie vorstehend geschil bert, dringendft nöthig ist.

Für die Beurtheilung der Verkehrsverhältnisse in Berlin   bietet der Jahresbericht der Großen Berliner Pferde bahn ein reiches Material. Im Jahre 1876 waren 90 501,52 im Jahre 1880 129 979,12 und im Jahre 1885 172 780,77 Meter Geleise im Betriebe. Die befahrenen Kilometer fteigerten fich von 3 887 444 im Jahre 1876 auf 8242 587 im Jahre 1880 und 14 798 694 im Jahre 1885 Es wurden im Jahre 1876 23 300 000, im Jahre 1880 45 620 000, und im Jabre 1885 77 350 000 Personen befördert. Auf den Meter Bahnlänge lommen im Jahre 1876 258, im Jahre 1889 351 und im Jahre 1885 448 beförderte Personen, obwohl mehrere allmälig dem Betriebe hinzugetretenen Linien eine erheblich geringere Frequenz hatten, als die alten Linien. Im Jahre 1885 fubren u. A., abgesehen von den im befonderen Abonnement beförderten Baffagieren, auf der Ringbahn 13 328 300, per Meter 984 Bersonen 984 Personen, auf der Linie Görliger Bahnhof- Behrenstraße 5 109 872, per Meter 1251 Berfonen, auf der Linie Bülowstraße- Kölnischer Fisch martt 3 735 096, per Meter 757 Personen, und auf der Linie Tempelhof- Blücherplat nur 565 148, per Meter 123 Personen. Die Sonntage hatten auch in den Wintermonaten, wieder ab gefeben von den besonderen Abonnements( auf welche Sabre 1885 101 924 M. Einnahme fielen), die stärksten Er träge mit durchschnittlich 31 959 M., dann folgt der Montag mit 25 825 M. und der Freitag mit der niedrigsten Biffer von 22 920 M. Die größte Einnahme mit 43 617. fiel auf den 25. Mai( Den 2 kingfifeiertag) und die niedrigfte mit 18 610 Mart auf den 23. Januar. Die Einnahme ist per Meter Babngeleise von 1878-1885 von 37,24 auf 54,35 M. geftiegen und für die beförderte Person von 13,21 auf 12,14 Bf. ge fallen. Die Stadttafie bezieht bekanntlich vom Reingewinn der Gesellschaft einen Antheil; derfelbe hat sich allmählich von 399 982 M. im Jahre 1878 auf 650 958 M. im Jahre 1884 und 736 121 M. im Jahre 1885 gesteigert. Bon 1880-1885( in 6 Jahren) hat die Gesellschaft an die Stadtlaffe 3 341 803

im