Mr. 76.
Mittwoch, den 31. März 1886.
III. Jahrg.
Berliner Volksblatt.
Organ für die Interessen der Arbeiter.
esscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Fefttagen. Abonnementspreis für Berlin fret In's Haus vierteljährlich 4 Mart, monatlich 1,35 Mart, wöchentlich 35 Pf. Boftabonnement 4 Mart. Einzelne Nummer 5 Pf. Sonntags.Nummer mit illuftritter Beilage 10 Bf. ( Eingetragen in der Postzeitungspreislifte für 1886 unter Nr. 769.)
2.
Redaktion: Beuthstraße 2.
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Berliner Volksblatt"
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Die große nationale Partei".
Sie ist schon lange der fehnlich eWunsch nicht nur von leitenden Staatsmännern, sondern auch aller jener politischen Rreise, welche der Meinung sind, ein großes Gemeinwesen werbe am besten ohne alle und jebe Opposition regiert. Man verkennt dabei, daß immer eine zeitgemäße Opposition es ist, welche vorwärts treibt und dadurch die allgemeine Entwidelung zum Besseren beschleunigt. Man wünscht sich eine große nationale Partei" zu dem 3wede, der Regierung für ihre innere und äußere Politik alle Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen. Als eine bes fonbere Schwierigkeit erscheint in diesem Falle der Reichstag , der sich weigert, allen den weitgehenden Anforderungen ber Regierung zu genügen, und gegen ihn richten sich daher die heftigsten Angriffe der offiziösen und konservativen Blätter.
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So werdet sich heute das Deutsche Tageblatt" von dem man sagt, daß es einem ber leiten den Staatsmänner nahe stehe gegen den Reichstag , dem es ein baldiges Ende prophezeiht. Dieser Art von Preß organen ist selbstverständlich der Ramm geschwollen in Folge ber Aeußerungen des Fürsten Bismard, die eben lauteten, worunter nur die bie Mitglieder des Reichstags oppofitionellen Mitglieder gemeint sein konnten wandelten eine Bahn, die dahin führen könne, daß der Reichstag verschwinde. Diese Aeußerung bleibt dunkel; meinte ber Reichskanzler vielleicht, daß die oppofitionellen Mitglieder
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Feuilleton
Der Trödler.
Roman von A. E. Brachvogel. ( Fortsetzung)
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Webel ist nicht vermögend, nicht wahr?" " Ich denke, nein! Obwohl er eine brillante Praxis bat, glaube ich faum, daß nach seinem Tode etwas übrig bleiben wird. Er muß ein großes Haus machen, um sich auf dem Niveau der Gesellschaft zu halten."
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Natürlich, und vom Singen, Malen und Dichten tönnen dann feine Hinterbliebenen fatt werden! Das ist nichts! Sieh, Edmund, ich liebe einen vernünftigen Lurus. Reiche Leute zumal haben die Pflicht, sich mit Glanz zu umgeben, damit Industrie und Runst gehoben werden. Man treibe dies Alles, vorausgefeßt, daß man es eben mit dem Beutel aushalten kann, und es nicht in
hohle Sucht zu glänzen ausartet. Aber auch ein Krösus fann Ausgaben machen, für die er doch nicht reich genug ist, und ein Vermögen ist balb verzettelt, wenn man ohne Wahl seinen begehrlichen Sinnen fröhnt. Ich rathe Dir, Dich mit Webels nicht allzu vertraut zu stellen, daß Du Dich nicht mit den Töchtern hineinreitest. Die Rünfte, welche fie treiben, fcheinen mir sehr auf den Pechfliefel abgefehn!"
Haha, teine Scherze, lieber Bater! Ich bin von Hulda wie Leonoren sehr eingenommen, heirathen möchte ich feine
von Beiden!"
Eolbt ist eine überaus refpektable Firma. Wie gefällt Du Dich in diesem Hause?"
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Es
" Sehr gut, nur geht es ba bedeutend filler zu.- find eben Leute nach dem alten Schlage, und selbst ihr Sie großer Lurus trägt das Gepräge des Vergangenen find eben so tabellos wie reich, und haben einen einzigen Soln, ber, wie die Eltern, einem steifen, mittelalterlichen Hol schnitt gleicht, und dabei vor zwei Tagen bas enorme Glück gehabt hat, sich mit einem jungen, schönen, lebens.
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vielleicht eben wegen ihrer Opposition nicht mehr gewählt werden würden? Nun, dann irrt er sich; die große Volksmasse ist eben auch in zwei große Lager gespalten. Die einen billigen die Regierungspolitit, die andern billigen sie nicht, und die letteren wählen immer oppofitionell. Also durch Wahlen wird die Opposition nicht verschwinden.
PP
Das Deutsche Tageblatt" knüpft aber dennoch an jene uns nicht verständliche Aeußerung die übertriebensten Hoffnungen. Für dieses antisemitische Organ ist es selbst verständlich, daß nur die große nationale Partei" fich bilden muß. Das Phantom dieser Partei spult zwar schon Lange, aber es hat noch keine greifbare Gestalt gewinnen tönnen. Sie soll die erheblichen Schäden heilen, bie im Reichs-. tag zu Tage treten. Nach dem„ Deutschen Tageblatt" vertritt der gegenwärtige Reichstag, soweit er oppofitionell ist, nur ein Viertel des deutschen Volkes; folglich muß da eine andere Vertretung geschaffen werden. Und wie soll das gefchehen? Darauf wird das Deutsche Tageblatt" natürlich antworten: durch Abschaffung des allgemeinen Stimmrechts, bie bekanntlich schon offen oder verdeckt angestrebt wird. Aber wenn das allgemeine Wahlrecht eingeschränkt wird, wird doch nur eine Minorität des deutschen Bolles überhaupt vertreten sein und daß dies seinen Interessen besser entspräche, bas mag wohl ein halboffiziöses Blatt behaupten, aber fein vernünftiger Mensch wird es glauben. Es beweist überhaupt wenig politische Reife, wenn man in dieser Weise an ben Resultaten bes allgemeinen Wahlrechts herumnörgelt, weil sie nicht dem nach Geschmack ber herrschenden Kreise ausgefallen sind. Da haben doch die fonfervativ- offigiösen Blätter wahrlich feinen Grund, von der Opposition als von einer, Reichsnörgelei" zu fprechen.
nur
Der Reichstag hätte also in seiner gegenwärtigen Ge ftalt zu verschwinden und sich einer großen nationalen Partei" anzubequemen, die aus pommerschen Junkern, Land. räthen, Großgrundbesizern und vielleicht noch aus Offi räthen, Großgrundbesitzern und vielleicht noch aus Offizieren a. D. zu bestehen hätte. Es wird uns natürlich nicht einfallen, uns mit offiziösen Blättern über den Begriff ,, national" streiten zu wollen. 3ur 3eit, als noch die nationalliberale Partei im Reichstag dominirte, hatten sich dies selben Ronservativen, die jetzt die nationale bee" felben Ronservativen, gepachtet haben wollen, grollend in bie Ede gepachtet und galten theilweise für preußische zurückgezogen Nach bem Niedergang der natio Partitularisten. Aera haben nalliberalen es die Herren Ronfer vativen erst für gut befunden, sich mit dem Tugendmantel ber, nationalen Jdee" zu drapiren. Es steht ihnen nicht gut an; ber pommersche, mecklenburgische und oftpreußische Partitularismus ftand ihnen viel beffer, weil er mehr ihrem Naturell entspray.
luftigen Mädchen zu verloben, einer Waise von 900 000 Thalern.
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Schade, schade! Wohin kommst Du sonst noch? Es wäre doch seltsam für einen flotten Jungen wie Du, ber Talent, guten Namen und treffliches Aussehen hat, wenn er nicht bei den Weibern große Eroberungen machte! Was? Du Schlingel, willst nur nicht mit der Sprache ' raus! Vorwärts also, brauchst Dich nicht zu geniren! War auch ein verdammter Kerl, wie ich jung war, boch, -doch mit Ehren, versteht sich! Hab' mir nie' was ver geben, Sohn! Na, mach' Deine Bekenntniffe!"
Man wird mit dem Wort große nationale Partei" Niemand mehr täuschen; die Massen haben sich nach und nach daran gewöhnt, den bisher gebräuchlichen Schlagworten keinen teinen besonderen Werth mehr beizumessen. Wenn daher die Konservativen und Nationalliberalen fich zusammenthun und fich große große nationale Partei nennen, so ist damit für das Bolt noch lange kein Grund vorhanden, diesen Leuten ein höheres Vertrauen zuzuwen ben, als bisher. Man wird sich doch durch ein bloßes Wort nicht davon überzeugen lassen, daß Konservative und Nationalliberale nun plöglich geeigneter als sonst seien, wirklich nationale Interessen zu vertreten.
Das Jubelgeschrei der Blätter vom Schlage des Deutschen Tageblatt" wird bald wieder verstummen. Die letzten Jahrzehnte haben unserem Volke denn doch eine politische Erziehung beigebracht, welche auf festerem Grunde ruht, als die Herren Offiziösen und ihre Einbläser glauben.
Im Uebrigen ist diese Reichstagsmajorität, gegen welche jetzt auf der ganzen Linie der Offiziösen zum Angriff geblafen wird, eine sehr zahme. Sie ist der Meinung, daß die Steuerkraft des Voltes nicht mehr als bisher in Anspruch genommen werden könne. Daher der ganze Streit. In prinzipiellen politischen Fragen findet sich bekanntlich die der Bermehrung der Steuerlast widerstrebende Majorität gar nicht zusammen. Daß man nicht einmal eine solch zahme Oppofition ertragen fann, ist auch ein Zeichen der Beit!
Politische Uebersicht.
Daß die Verstaatlichung der Feuerversicherung ernst lich angestrebt wird, tam jüngst im brandenburgischen Provin atallandtage aur Sprache. Oberpräsident Dr. Achenbach ers flärte: Der Herr Minifter hat allerdings in seinem Restript vom 28. Juni 1882 die Provinzialawangsversicherung abges lebnt. Im zweiten Theile seines Bescheides sagte der Herr Minister aber, daß die Zwangsversicherung, welche die ganze Monarchie umfaffe, sehr zu empfehlen set. Ich kann bemerken, daß in diefer Angelegenheit im Minifterium eingehende Be
rathungen gepflogen werden."
Aus purer Feigheit und Furcht vor den nächsten Wahlen haben sich die Konservativen der Abstimmung über das Monopol enthalten. Für das nach den Verhandlungen körperlos im Raum schwebende" Monopol zu stimmen, mußte", nach der Kreuzatg.", um so awedloser erscheinen, als es feinem Bweifel unterliegt, daß die Gegner aus diesem platoni fchen Bustande bei den im nächsten Jahre bevorstehenden Neuwahlen zum Reichstage gegen jeden einzelnen der Abstimmen den Rapital geschlagen baben würden."..... Wenn sich die Dinge so weiter entwidein, wie fte eben jest zu liegen scheinen, werden wir anno 1887 ohnehin Mühe genug haben, uns uns ferer Haut zu wehren."
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nen, an dem traulichen Herbe sterben, den mir mein Sohn berei tet! Auch zum Rudut, ich werde ordentlich bewegt!-Stoß an, Sohn, auf Dein fünftiges Glück; hast Du denn gar Reine gefunden, für die Du Absonderliches verspürteft, die Dir wenigstens unter Allen aufgefallen wäre? Verstehst Du, so von Anfang an! Gleich beim ersten Begegnen! Wie?"
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Edmund ward verlegen. Das Ausfragen des Alten wurde ihm peinlich, und er schien sich einer Auskunft zu schämen, welche er sich selbst noch nicht einmal ertheilt hatte. Mein Gott, Vater, die jungen Mädchen, welche ich Mein Gott, besonders aufgefallen! Ja, nun ja, aber Dir eben genannt, gefallen mir alle. Jebe hat etwas Hihi! Hab' ich Dich? Wer ist's? Erzähle!-" Fesselndes, und ich weiß, es liegt nur an meinem Willen, wenn man mich nicht viel liebenswürdiger findet, als ich Ich habe zu erwähnen vergessen," sagte Comund scheu zu sein die Ehre habe. Ich wüßte taum Eine, bei der ich und fast unwillig, daß Senater Wulfens eine Schwester zu fein die Ehre habe. Ich wüßte kaum Eine, bei der id eines Rorbes ganz sicher wäre. So find noch Viele z. B. hat, die an einen Baron von Wolkenstein verheirathet war und eine einzige Tochter, Astarte, besitzt. Da Du bie Töchter des Kommandanten von Schöller, des Banquier Gemmersberg, ach, wer kennt die Völker, zählt die doch so genau fragft, geftehe ich Dir, daß Astarte wirklich Namen! Lauter reizende Figürchen! Jede mit einer feit unserer ersten Bewegung einen ganz außergewöhnlichen blendenden Tugend und wo möglich zwei Aillen Lastern! Eindruck auf mich gemacht hat. Sie ist die anerkannte Schöne Augen, Teints wie Schnee, Rosenwangen und Schönheit von S., und zwar eine jener seltenen, un genug, es ift göttlich, unter ihnen zu leben, das ist gewiß, tabelhaft ftrengen Schönheiten, von einer Majestät und ob es aber halb so schön ist, Eine von ihnen zu heirathen, Lieblichkeit, wie sie mir noch nicht vorgekommen. Sie zeigt die vollendetste Grazie und alle geselligen Talente einer vor bezweifle ich!" nehmen Dame, nur daß sie zu stolz ist, mit denselben ers obern zu wollen!"
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En verdammter Kerl," lachte Herr Josua, ganz wie ich, wahrhaftig! Flattert von Blume zu Blume und bindet fich an teine, hahaha! Aber Spaß bei Seite, Edmund! Sieh, Das muß doch auch einmal ein Ende nehmen!- ich habe in diesem Junggesellenleben, in Bekanntschaften und Affairen mich auch immer wohl gefühlt, aber zu wohl, fo daß ich nicht wieber herauskam, und das war ein großes Uebel Ich wurde dadurch eigentlich verdorben für die Ehe, das Gefühl der Häuslichkeit, ber Familie ging mir ab, furz, Edmund, obwohl Du bis zum Affeffor noch warten fannst, wünschte ich doch, daß Du Dich so zeitig wie mög lich verheirathest! Ich möchte, ehe ich fterbe, meinen Namen fortgepflanzt, das Vermögen in meiner Familie zufammen. gehalten wiffen, möchte nicht so allein und einsam wie ein Junggeselle in Dienstbotenarmen, sondern inmitten der Mei
" Hat fie Vermögen?"
" Das, Papa, habe ich noch nicht untersucht!"
" Von Seiten ihres Großvaters, des alten Wulfens, unter dem ich lernte, kann das nicht erschrecklich weit her fein. Dat also ihr Vater, ber Baron , nichts hinterlassen, dann fürchte ich, diese Baronesse Astarte von Wolkenstein mit ihren stolzen Talenten dürfte mir die allerkostspieligfte Schwiegertochter von den Genannten werden! Pah, eine stolze Baronesse, und ihrer leiblichen Mutter leiblicher Vater war Handlungskommis, welcher Düten brehte wie Einer!"
Lieber Vater, ich habe Dir auch Baronesse Astarte noch nicht als Schwiegertochter präsentirt! Du fragtest mich nur,