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Mittwoch, de« 7. April 188«.
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Justiz hinter lerschtlstelw Ulm.
So langsam eS in unserer Zeit mit solche» Reforme « vorwärts geht, die einem langgefühlte» Vollsbedürfniß est« sprechen, so eilig ist man mit solchen bei der Hand, welche darauf abziele», die in langen Kämpfe» errungenen wirklich
liberalen Institutionen zu verkürze» oder gar gar zu be« seitigen. Solcher wirklich liberalen Institutionen habe»
wir nicht allzuoiele und es muß für Jede«, der im Fort« schritt und nicht im Rückschritt die Aufgabe unserer Zeit er« blicki, in hohem Grade bedenklich erscheine», daß von de« wirklich schätzenSwerthe» Errungenschafte», die wir aufzu« weisen haben, ein Stück»ach dem anderen verschwindet. Wer sich um die Geschichte der letzte» Epoche vordem Jahre 1848, der sogenanntenvormärzlicheoZeit bekümmert hat, der wird gefunden haben, daß unter den freiheitliche» Forderungen
einer Tage eine der ersten war: Oeffentlichkeit und ndlichkeit des Gerichtsverfahrens. Wenn sich
unsere Gerichtsverfassung in diesem Punkt nun auch nicht bis zu dem Grade entwickelt hatte, de« wir gewünscht, sr
war der bestehende Zustand doch immerhin im A l l g e meine»— AuSnahmSfälle waren ja vorhanden— soweit befriedigend, daß Beschwerde» nach dieser Richtung zu den Seltenheiten gehörten. Ueber den Werth öffentlicher Ge« richtSoerhandlungen sind wir genügend belehrt worden aus den Anklagen, die in der vormärzlicheu Zeit gegen da< ge« Heime Verfahren erHobe» worden sind, und wir brauche» kaum des Nähere« auszuführen, daß die Oeffent»
lichkeit die beste Kontrole für die Zustizpflege bezüglich tliche» Ve''
ihrer Unparteilichkeit ist. Einem öffentlichen Verfahren wird ganz naturgemäß das Volk unendlich mehr Vertrauen ent- aegenbringen, als einem geheime», und e« kann doch keinem Gerichtshof gleichgiltig sein, wie weit das Vertraue « geht. Nu» ist beim Bundl'-----.-. worden. beschränken Prozeß Gräf die Ursache dieser Vorlage gewesen' ist. Nu» hat dieser Prozeß allerdings ein sehr wenig schmeichel« hafte« Bild von gewisse« Sittenzuständen entrollt, die i» unserer Millionenstadt bestehen. Unser Anficht«ach find solche Sittenzustände unzertrennlich in unserer Zeit von großen Menschennvhäufuuge«, so lange unsere allge- meinen sozialen Verhältnisse die gegenwärtige Form behalte«. Aber, fragen wir, würde» unsere sittliche« Zustände vielleicht bessere sein, wen« VerHand« lungen, wie der Prozeß Gräf , geheim geführt werde» müßten? DaS wird im Ernst Niemand behaupten wollen. Indessen wird man sagen, die Lektüre detaillirter Berichte über solche Prozesse richte Verderben an. Möglich; dann richte man aber sein Hauptaugenmerk auf die Besserung
JeuiUeton.
Der Trödler. Roma» von A. E. Brachvogel.
(Fortsetzung)
Da« überaus kostbare Andenke», welche« Mathilde er» hielt, bewies Edmund, wie lieb das Mädchen feinem Vater
geworden war, wie sehr derselbe gehofft hatte, sie einst zeise Schwiegertochter zu nennen, die Hypothek Schätzlein'S aber war ihm ei» Donnerschlag! Für so reich hatte er de» Trödler nicht gehalten und«och weniger geglaubt, sei« Vater könne dessen Schuldner geworden sei«. Gott weiß, durch welch' augenblickliche, schwere Kalamatät er gedrängt worden war, diese Hypothek zu nehmen und seinem Gläu» biger Schätzlein so ganz besonder» gute Bedingungen dabei zu gewahre« I Da» Faktum bestand aber einmal und legte oem E m'--------'~"'.....'" »immer dessen
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tu immerwährenden stillen Beobachtern gesetzt, und e» konnte sich nichts in seinem Leben ereigne», ohne de« stra- sende» Blick dieser Leute. Sie noch überdem als seine
ivmuch-onrr oiezer«eure, oie nuuy uortvrm m» Gläubiger zu wissen, deren er sich nicht einmal wie jeder Andere entledigen konnte, verstimmte, marterte und kränkte -r? r ti�et' 018 We Entdeckung, daß er
ohnedies etwas gereizten»m. Andenke« des Vaters sehr getlübt, und er verstockte sich um so mehr gegen die Stimme der Vernunft und die peinliche«
siehe«. Um so geneigter war er, durch die Ei»flüsteru»ge« Schunig'« bestärkt, sich für eine» reiche» Man« anzusehen, auf den man von Jugend auf gewinnsüchtige Pläne gebaut, dem man nie wahre Liebe und Sorgfalt gewidmet hatte, und der, nunmehr jedes me«schlich>schö»e» Bande« ledig,
unserer soziale» und sittliche» Zustände überhaupt. Wen« nur dem Publikum eine Nebelkappe tief über Auge» und Ohre» gezogen wird, so ist damit nichts gewonnen. Zur Zeit, als et«och keine öffentliche» Blätter und noch keine öffentlichen Gerichtsverhandlungen gab, gab es eine münd« licht Chi onique scandaleuse, die da» Allerschlimmste war, denn sie berichtete selten die Wahrheit und übertrieb bis in da« Ungeheuerlichste. Aber das öffentliche Gerichtsverfahren stellt doch den Thatbestand fest. Hysterische Dame« und gewisse fromme Herren können die Lektüre solcher Gerichtsverhandlunge» nicht vertragen oder stellen sich wenigsten» so. Nu», e» zwingt sie kein Mensch, dieselben zu lese». Aber ernste Politiker könne« und werde« sich nicht«ach de» Anschauungen dieser Gesellschaft«» kreise richte«. Wir gebe» zu, daß in de« Zeitungsberichte« oftmals de«„Guten" zu viel gethan wird. Aber ist die« ein Grund, die Oeffentlichkeit des Gerichtsverfahrens überhaupt zu be- schränke»? Daß man einer der Berichterstattung innewohnen»
den Suchtnach sensationellen Mittheilunge» eine der wichtigsten ungenschaf!
Errungenschafte« unserer Tage zum Opfer bringe« sollte wer möchte da« unterstützen, der vorwärts strebt? Dazu kommt nun noch der Inhalt der Vorlage. Der Präfident de« jeweilige» Gerichtshofes bekommt eine sehr weitgehende Macht, darüber zu entscheide», ob eine Ver- Handlung geheim oder öffentlich stattfinden soll. Er kann de» Anwesenden sämmtlich Schweigen auferlegen und wer „unbefugter Weise" von dem Inhalt der Verhandlung An»
deren Kenntniß giebt, soll mit Gefängniß bis zu sechs Mo< »aten oder mit Geld bis zu 1000 M. bestraft werde»
könne«. Welch' merkwürdige Bestimmung, die zu den sonda Ii
barsten Resultate» führen kann! Dann soll der Präsident Personen au« dem Saale wegweisen können, die minder« jährig sind, die die bürgerlichen Ehrenrechte nicht besitzen oder die„der Würde de« Gerichtshofes nicht entsprechen." Der letztere Begriff gestattet dem Präfidente» eine sehr freie Auslegung. Damit solle« wohl auch jene Arbeiter getroffen werde«, die, wen» sie beschäftigungslos find, sich einmal da» Vergnüge« machen, Frau JuMa in der Nähe ihres Amte» walten zu sehe«. Ader es sind doch nur sehr wenige, die sich diese» Vergnüge« gestatten, welche» durchaus harmloser Art ist. E« giebt auch professionelle Bummler, welche die GerichtSsäle belagern; das wollen wir nicht bestreiten. Allein wen« man diese treffe« wollte, mußte man das Gesetz anders fasse«. Im Allgemeine« richtet sich auch diese Vorlage gegen die Presse. Vorläufig hat sie da« Gute, daß sie»och nicht Gesetz ist, und wir wünsche» sehr, daß sie es auch nicht wird.
seinerseits gewiß um so weniger veranlaßt sei, irgend Je-
mand von seiner Umgebung anders, als mit verächtlicher Kälte und Argwohn anzusehen, nicht einmal den kleine»
Buchhalter selbst ausgenommen, obwohl sich derselbe de« ftOROtf
aristokratischen To» des Erbe» mit ehrfurchtvollster Bescheidenheit gefallen ließ. Edmund schmerzte e» tief, daß
Liebe in Dunst zerrann, und dies wurde gerade um so mehr Grund für ihn,
die Schätzleins der Selbstsucht zu zeihen und in seinem gekränkte« Stolze eine um so höhere Mauer zwischen sich und ihnen zu errichte», hinter welcher er neuen Liebe wie alle« seine» Neigungen desto unbekümmerter
seiner
und rücksichtsloser nachgehen konnte. Er hatte also nicht« Eiligeres zu thun, als Schurrig de« wirklich kostbaren Brillantschmuck seiner Mutter einzu» händige« und ihm zu befehlen, denselben an Schätzlein ab» zugebe«. Von Schurrig ward da» Kleinod eben so spöttisch kühl gegen Quittung ausgehändigt, als e« ironisch von Schätzlei» angenommen wurde. Die plötzlich« Entdeckung, Justus habe eine große Hypo» thek auf dem„kalten Stein", wie da» werthvolle Nmtiächt. «iß de« seligen Iosua an Mathilden versetzte die Familie de« Trödlers in ei« Chaos von Erstaunen, Rührung, und Verlegenhest. ie kann ich da« Geschenk unter diesen Umständen an«
nehmen, Vater?"
ich da« Geschenk unter diese» Umstä ' sagte Mathilde gepreßt.„Mit
welchem seiner Matter
da« ist nur Hohn!" „Auf diese Weise betrachtet, ja! Der Selige hat Dich al» die Braut seines Sohnes angesehen und beweist dies hiermit am besten. Vor Gott bist Du wie sei« Jlinb, jwb
da» hat er Dir und seinem Sohne zeigen wollen. Geht Edmund seine» eigenen Weg, so thut er'« auf seine Ver-
antwortung, da» macht des Alten Wille« nicht ungeschehen. De» Erbe« verdammte Pflicht ist, Dir zu geben, wa« Dir zukommt, und Du hast nicht das Recht, ei» heilige« An-
Politische Uederstcht.
In Sache« FtSknt Wider Kräcker. Der Vertreter des FiskuS hat von der Vernehmung der in Amerika ledenden Zeugen Fritzsche und Haffelmann Abstand genommen. Da» Zugeständniß deS Beklagten, daß er aus dem DiätenfondS der sozialdemokratischen Partei nur den Betrag von 1501 Mark erhalten habe, wird alS richtig angenommen und auf den von dem Beklagten nicht anerkannten, streitig gebliebenen Mehrbe« trag von 317 Mark wird verzichtet. Weiter wird deantragt, unter Abänderung de« erstm UrtheilS den Beklagten unter erachten, an den
Auferlegung der Prozeßkosten für schuldig zu Klager 1501 Mark nebst 5 pCt. Zinsen seit dem Tage� der
Klagezustellung, d. H- seit dem 5. September 1885 zu zahlen. Der Beklagte hat denjenigen Betrag, den der Vertreter deS FiskuS nunmehr alS richtig anerkennt, lediglich deshalb als erhalten zugegeben, um die Sache vor das Reichsgericht drin« gen zu können. Der Termin zur Entscheidung der Sache dürfte nunmehr bald angesetzt werden. Der„Berliner Konrter" entblödet sich nicht, in einem Artikel an leitender Stelle folgende« über die Arbeiter deS Herrn Baudoux in Belgien zu schreiben:„DaS moralische Niveau, auf dem diese Ardeiter stehen, ist ein sehr niedriges. Sie heirathen Madchen , die nicht« von der Wirthschaft ver- stehen und nur Sinn für Putz und Vergnügen haben, ste ver« geuden ihren reichen, ihren überreichen Verdienst in den ihörichtsten Ausgaben; keine Robe ist der Frau zu theuer, die Kinder gehen gelleidet wst die Kinder vornehmer Leute. Man id
wirft das Geld mit vollen Händen fort, man kommt nicht
einmal auS(!) und macht Schulden. Die Unverheiratheten laitressen, verjubeln ihren Verdienst auf öffentliä
alten ffch Maitreffen, verjubeln ihren Verdienst auf öffentlichen 'allen und in Cafä. Konzert«. Von einem dieser Bläser— Röster ist sein Name und er soll ein Einkommen von 24000 Frank« jährlich haben(!?)— erzählt man sich, daß er in tollem Uebermuth einmal ein Fußbad in Champagner ge- nommen habe!"— ES gehört eine starke Dosts von Einfalt dazu, so etwa« drucken zu laffen. DaS schließt natürlich nicht au», daß die Leser deS„Verl . Kom.", diese« Organ« für Ehebruch- und Maitreffenklatsch, sich sittlich entrüsten werden über die Kinder, die so lächerlich geputzt find wie vomchme Kinder, über die Mädchen, die so wenig lochen können wie vor» nehme Mädchen, und über die Arbeiter, die sich Maitressen halten wie vornehme NichtSthuer. Der deutsche BundeSrath hat in seiner vorgestrigen Plenarsitzung dem Gesetzentwurf, betreffend die Verlängerung der GiltigkeitSdauer deS Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie, in der vom Reichstag be- schlossenen Faffung die Zustimmung ertheilt. Zu den AuSwetsungen. Am letzten Tage de» Mär, und am ersten dieses Monat» verließen zahlreiche Ausgewiesene, auS Rusfisch-Polen und Galizien stammend, welchen noch eine April er. von der obersten »den war, HandlungS- diener, Korrespondenten, Disponenten in HandlungShäusern, ebenso Kellner, Gehilfen, Handwerker rc.— AuS Ober-Echlefim
denken abzuweisen, da« Dir in vermacht ward. Wenn Du die
jutem, liebevollem Sin»e leine offen wie eine eitle
Närrin, wenn Du sie als Braut eine« Andern trügest, wäre schmählich._ Daß ich'S nicht verlange, sagt Dir Dein eigen
Herz, und solltest Du jemals eine» Ander» heirathen, wa« ich gewiß wünsche und hoffe, wird der Brillantschmuck schon seine« Herrn finde«, ohne daß Du Dein Gewiffe» zu beschweren brauchst. Besser, er trocknet die ThrSne« der Armen, als daß er unter den Händen des leichtsinnigen Bursche« schmilzt, der doch eine« TageS leer au» dem Elternhause gehen wird, oder an dem Halse irgend eine« abgefeimten WeibSbilde» glänzt, da« e* ihm abgeschwindelt;•— „Sage mir aber um Gottes willen, Justus," hob Christine an,„wo hast Du de» Reichthum her? Ich weiß wohl, so wenig Du mir auch mittheilst, daß wir die Jahre manche» schöne Geld erworben haben und ganz gut gestellt sind, aber so— so viel Hab' ich«immer ge- ahnt!"— „Es ist Alle» redlich erworben, darauf verlaß Dich. Wir mögen mit Allem, wa» im Laden steckt, dreißig» bis zweiunddreißigtausend Thaler beisammen haben. Die Hypothek entstand ganz einfach.— Ich hatte das Geld nach und »ach au« dem Geschäft gezogen und in Papieren angelegt. Bei Feuers- oder Kriegsgefahr ist da« immer eine schlechte Geschichte, auch gab's nur 3V» Prozent Zinsen. Edmund hatte über viertausend Thaler Schulden, die der Schande halber doch bezahlt werden mußten. I« der letzten Zeit hatte der Selige überdem große Verluste erlitte«, Geld war rar und zu Jedem wollte er nicht gehe«. Ihr kanntet doch Josua's alten Stolz! Also ward da» Instrument bestellt und ich gab ihm mein Geld. Daß ich mir solche Bedingungen machte, damit mich sein Herr Sohn nicht bei jedem Anlaß
aus dem Hause, au« unserem Erwerb schmeißen kann, i» dem ich alt geworden bi», der„kalte Stein" nicht etwa gar für ein Biergeld weggeht und ich um Alle« komme, da«, Sapperment, wird mir doch wohl Keiner verdenken! Wa« geht mich sei» Loh» an? Hat der sich etwa rechtlich betragen?" „Aber Edmund und alle Leute, Vater, werden denke»,